DER PHILOSOPH
bambus # 112 - anis 22.06.01
der philosoph - der war
nicht doof - er wusste jeden rat - um den ihn einer bat - denn er
las aristoteles - und die antiken meister - empedokles - xenophanes
- und alle starken geister - die zwischen buchdeckeln gefangen -
nur noch zu wenigen gelangen - durch der jahre zeit - dazu noch
verbogen - von philologen - in mühevoller kleinarbeit - hat
unser philosoph - die texte sich erschlossen - strophe um stroph'
- er hat es sehr genossen - er saß in seinem hof - und fraß
und fraß - mal dies - dann das - sophisten und relativisten
- bis hin zu den surrealisten - die lehre der eleaten - auch was
die empiriker taten - das ganze programm - von den upanishaden -
bis zu quanten und monaden - kam in seinem großhirn an - doch
packte ihn niemals der größenwahn - und er blieb bescheiden
- er suchte tunlichst zu vermeiden - sich aufzuspielen - vor den
vielen - denn er wollt' nur hilfreich sein - brauchte keine schmeicheleien
-- so dachte er für sich: - es wäre ärgerlich - wenn
mein intellekt - die lieben leut' erschreckt - drum halt' ich ihn
versteckt - ich las zwar die veden und das i ging - und kenne jedes
ding - weiß alle großen gedanken - die guten und die
kranken - doch seh' ich's mir nur an - ich bin ja nicht der mann
- der sich nach vorne stellt - ich bin kein held - und auch kein
aktivist - aus diesem grunde ist - mein urteil objektiv - es hängt
nicht schief - und spricht ganz ohne impetus - denn alles was geschieht
geschieht - weil es so muss - so lautet mein einfacher schluss -
ich habe es analysiert - und mir dann gleich notiert -- es sprach
sich herum, dass die kleine stadt - einen richtigen philosophen
hat - sie kamen zu ihm in den hof - und sprachen: - herr philosoph
- haben sie zweitausend bücher gelesen? - und sind
sie in all diesen texten gewesen? - der mann sagte: ja - das ist
wohl wahr - es war spannend und interessant - was ich dabei alles
fand - ich erzähl's auf kongressen - und werd's nicht vergessen
- ich schreibe auch in heften - nach meinen kräften - und bin
der berater - von meinem kater - denn ich kenne die fragen - die
seit endlosen tagen - uns menschen plagen - jede lehre, jede schule
- las ich sitzend auf dem stuhle -- so sprach der philosoph - die
leute im hof - sie applaudierten - und sie gratulierten - sie schenkten
dem philosophen der stadt - der so viele herrliche hirnzellen hat
- einen sessel aus elfenbein - der sollte nun sein wohnsitz sein
- er setzte sich gleich in die polster hinein - und plauderte fein
- mit versierten - und interessierten - gästen - ließ
sich testen - über die thesen der allerbesten - aus der griechischen
antike -- seine frau, die frederike - lag derweil im wochenbett
- und es war nicht nett - denn die wehen - wollten nicht gehen --
da holte sie geschwind - aus dem bauch ein kind - lief damit durch
den hof - sagte zum philosoph: - schau mal, wusstest du das schon?
- dies hier ist dein eig'ner sohn! -- gibt's denn so was? sagte
der - nun weiß ich wieder etwas mehr - und er begann zu lachen
- doch was soll ich mit diesem ding - jetzt machen? - da fing -
er an zu grübeln - wollt's niemandem verübeln - doch fiel
ihm gar nichts ein - der junge war noch viel zu klein - für
heraklit - das war nicht sein gebiet - so stieg der philosoph -
scheu - aus seinem fauteuil - er war nicht doof - doch das war neu
- es war kein buch - es war in einem tuch - ein bube - er kam mit
der frau aus der stube - der mann, er dachte hin und her - doch
fiel ihm jede handlung schwer - da sagte seine frau: - schau - vielleicht
ist ja in folge zwei - eine antwort mit dabei
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