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Zeitungsartikel
KIELER NACHRICHTEN 12.04.99

Poetry Slam in der Tanzdiele
Wurm im Hirn, Leiche zuhaus

Maulwurfsjagd im elterlichen Garten. Papa lässt rabiat die Hügel fluten, Mama kocht heißes Wasser dazu und Softi-Sohnemann Norbert jammert um das arme Tier. Der Hamburger Autor Jürgen Noltensmeyer (Die Liv Ullmann Show) besticht bei der Eröffnung dieses dritten Poetry Slams in der Tanzdiele durch pointierte Aussprache und viel Wortwitz. Aber selbst ein Special Guest bekommt es schnell zu spüren: Wer langweilt, muss abtreten. Nach viel Jubel für die erste Story macht sich bei einer weiteren Tiergeschichte ob ihrer offensichtlichen Verworrenheit Unmut breit in der gutbesuchten Bar. ,,Stringenz" und ,,Fazit" hallt es ungeduldig aus den Ecken, der Mann auf den drei Bierkisten wirkt verunsichert, gibt schließlich auf. Dann ernennt Veranstalterin und Moderatorin Anke ihre Jury und die Amateure kommen zum Zug. Ein gewisser Andreas philosophiert über zu wenig Pilze und die Würmer im Gehirn, er muss leider nach den fünf Minuten gehen. Eine Art Prediger mit ergrautem Zopf und Namen Richard versucht auf englisch eindringlich und wild gestikulierend, wirre Visionen von Leichen im Keller und amerikanischer Realität zu verkaufen.

Anis ist nicht das erste Mal dabei, sein skurriles Reimgedicht erzählt vom glücklichen Robert und dem neidischen Vetter Karl, von mit Vasenscherben entfernten Nasen und dem Glück in der Gummizelle - Fazit: Jubel und Applaus. Ein Literaturgespräch über das ominöse Buch ,,Die Taubenärgerin" von Susanne inszeniert (die bräsige Autorin lässt im breiten Norddeutsch auf verzweifelt-sinnsuchende Fragen einer emsigen Journalistin antworten) ist erkennbar das nächste Highlight. Niler vermischt zarte Gedichte über sehnsüchtige Liebe mit solchen über Fußball-Leidenschaft und Seba, sonst wie Niler als Rapper bei Rundfunk aktiv, rappt sehr betont selbstkritisch über Männer, Sex und Alkohol. Die Hemmschwelle beim Publikum ist inzwischen ein Stückchen weiter gesunken, Axel wird von den Damen mit ,,Ausziehen"-Rufen bedacht, die gute Britta hat es mit ihrer leise und ernsthaft vorgetragenen ,,Rede über das Reden" ebenfalls schwer, Moral ist hier halt irgendwie nicht angesagt. Stefan versucht zum Abschluss, in einem hintergründigen Gedicht möglichst viele Autorennamen einzubauen, auch eine Kunst für sich. Aber den Sieg in der abwechslungsreichen Wortschlacht trug Susanne mit ihren Tauben davon, es folgen Anis und Stefan. Andreas bekommt als Trostpreis immerhin noch ein sehr wertvolles Buch geschenkt: ,,Wie ich richtig verhüte."

NIKO WASMUND

 

KIELER NACHRICHTEN vom 30.01.2000

Lesung im Kulturladen Leuchtturm

„Rosen in Dosen“ & anderer Nonsens

Anis Hamadeh ist kein durchorganisiert-perfektionistischer Typ. Seine Texte verfaßt er spontan und intuitiv und von dieser Intuition läßt er sich auch bei seinem ersten Soloabend im Kulturladen Leuchtturm leiten. Der Lesung verleiht das einen ganz eigenen, angenehm persönlichen Charme. Im obligatorischen Intellektuellen-Schwarz steht der Arabisch-Dozent auf der Bühne und liest leicht nu-schelnd selbstgeschriebene Gedichte, Kurzgeschichten und Satiren. Oder er zückt die Gitarre und singt mit sympathisch-warmer Stimme, ein bisschen wie Cat Stevens, eigene Songs.


Wie Alice durch die Traumwelten


Außergewöhnlich sind die in laxer Umgangssprache verfaßten ,,Bambus Texte", Gereimtes, das leichtfüßig im Rap-Rhythmus daherkommt. Von gefährlichen Franzosen ist da die Rede, die ,,Rosen in Dosen" bringen und allerlei anderem kurzweiligen Nonsens. Halbsätze, Gesprächsfetzen, Fragen und Antworten, labyrinthisch verwoben,
ergeben komische Anekdoten. Doch diese Spielereien der Phantasie verstellen Hamadeh nicht den Blick für ernste Themen. Ins Fadenkreuz seiner Kritik gerät Joschka Fischers Rolle im Kosovo-Krieg und auch sozialkritische Töne werden in bissigen Satiren hörbar. Die Vielseitigkeit des zweimalig Zweiten des ,,Poetry-Slam“ spiegelt sich nicht nur im Themenspektrum, sondern auch in der Stilvielfalt wider. Phantastisch-märchenhaft geht es in den, "Theo Fieberbrain"- Kurzgeschichten zu. Wie bei, „Alice im Wunderland“ verschwimmen hier die Erzählebenen, wandert Theo von der Realität in unterschiedliche Traumwelten. Der Phantasie etwas Nachhilfe erteilen dabei die detailgenauen Skriptolzeichnungen von Heinke Vollers, die wie in der Schule von Zuhörer zu Zuhörer durchgereicht werden. Es ist nicht immer einfach, Hamadeh zu folgen, da die assoziative Erzählform ständige Konzentration erfordert. Aber statt einer Pause verschaffen immer wieder eingestreute eigene Songs oder die spontanen lyrischen oder musikalischen Beiträge der Gäste Entspannung. Eine harmonisch-stimmige Lesung. kla

 
KIELER NACHRICHTEN vom 19.04.2001

Keinerlei Angst vor Nackenbissen
Multitalent Anis Hamadeh setzt auf das wahre Bambus-Prinzip

Es war ein veritabler Eklat, als Anis Hamadeh im Januar seine Stelle am Institut für Orientalistik verlor. Zwei Tage, nachdem Dozent Hamadeh eine Satire an seine Tür genagelt hatte, rieten ihm jene, die an den Hebeln der Macht zu sitzen vermeinten, dringend zur Abnahme. ,,Sie haben Ihre Macht, ich die meine", erwiderte indes Hamadeh und schnürte sein Bündel. Es war nicht der erste Rückschlag, den der Dichter, Musiker und Maler einstecken musste. Er begegnet ihm mit widerständigem Optimismus. Mit Gedichten, Prosa und Songs. Sein Bühnenabend Geht nicht, gibt's nicht wird daraus eine Auswahl treffen mit Lustigem, Lyrischem und Politischem.

Eine kleine Auswahl. Das Werkverzeichnis des 34-jährigen Vielschreibers Hamadeh steht zur Zeit bei Nummer 390. Davon stammen 306 Titel allein aus den vergangenen drei Jahren. Zuvor war Hamadeh Student.

Depressionen führten ihn zu der Erkenntnis,

dass einige Talente brach liegen. Die Familie sah das wachsende Künstlertum des Sohnes mit Unbehagen: ,,Die wollten mich in die Klapse stecken."

Psychiatrische Interventionen hielt Hamadeh jedoch für unangebracht und verließ Hamburg, Familie, Freunde. Seitdem versiegt der Strom nicht. CDs mit Liedern zur Gitarre, eine Videokassette, Hefte, Gedichtband und Textsammlung erschienen im Selbstverlag und auf der homepage www.anis-online.de.

Bambus ist ein typisches Hamadeh-Format. Ein Bambus füllt eine Seite im Format DIN A 4. Bambus ist biegsam, essbar, zum Häuserbau verwendbar und ,,hört sich einfach gut an". Wenn Anis Hamadeh sieben Texte zusammen hat, bündelt er sie zu einem Bambus-Heft. Zehn davon werden zu einem Bambus-Buch. Die erste Lieferung erschien vor einem Jahr.

Eine Bambusrute kann auch schmerzhaft sein. Vieles sind zeitkritische Satiren.

Der Verehrer von Salinger und Hesse mag zuweilen an der Grenze zum Kitsch liegen. ,,Aber wenn der Text aus einer tiefen Inspiration kommt, verliert Kitsch jede Bedeutung." Ein Glaube an die schöpferische Kraft lässt vieles zu: einen Rap wie ein holdes Frühlingslied, das er an Schulen und Kirchen verschickte. So auch manche Bilder. Wie meditativ mäandern sich unendliche Striche zu einer Form. Der Schreibprozess ist für ihn spirituell, ,,ein wenig wie Trance". Nach manch gelungenem Text ,,musste ich heulen vor Glück". Gk



Keine Lust auf psychiatrische Interventionen: Anis Hamadeh. Foto gk
 
KIELER NACHRICHTEN vom 23.04.2001

Um die Ecke gereimt

Anis Hamadeh in der Hansastr.48

,Geht nicht, gibt's nicht" heißt sein Motto. Vieldeutig gegen kategorisches Abwinken anzugehen, macht sich gut gegen jene, die distanziert in die musikalisch untermalte Lesung gehen und am Ende feststellen: Der Mann hat Charme, Witz und einen Tiefgang, der zwar im Stil der selbstgestrickten Liedermacherbewegten vergangener Tage auftritt, darin aber nicht hängenbleibt.

Orientalisch der Name, orientalisch auch die etwas um die Ecke gereimte Erzählweise des 34-Jährigen, der mit ernsten Augen daherkommt. ,,Ich möchte Sie unterhalten" begrül3t Anis den gut gefüllten Saal der Hansastraße 48 höflich und gibt erstaunlich Langes auswendig zum Besten, das irgendwo zwischen Wilhelm Busch und Limmerick zu siedeln scheint. Dann gelesene Prosa von ersten Therapiestunden und Songs zur Gitarre mit sehr modulationsfähiger Stimme im Geiste Dylans und

Cat Stevens'. Und plötzlich weht einen Besänftigendes an. Ist es die Art, wie verschmitzt die Mütze hochgeschoben wird? Die ruhige Innenschau eines Zweifelnden, der sich eigene (Ab-)Wege bahnt? Anis Hamadeh guckt der Welt dann auch das Komische ab und reimt es in Absurde, teils dadaistische Geschichtchen. Und da schweben Metaphern durchs gedrückte Gemüt, die nachdenklich machen. Klug, wenn er den Millenniumszeitgeist in

,,Wendezeit" auf den Punkt bringt, begeisternd, wenn er Champion Leo, den ,,Zauberer aus Montevideo" beschreibt. Jubel für Felache Ahmed, dem ,,die Dings, die Sphinx" abhanden kommt und das Pop(p)-Huhn Gloria zwischen Andrea Doria und Waldorf Astona. Zur dritten Zugabe bringt er's auf den Punkt: ,,Provozieren ist nicht: Satire gegen das Establishment, sondern Kinderlieder. Weil dann die coolen Leute sagen: Watt macht der d'n da?". Geht nicht, gibt's eben nicht.

Almut Behl

Anis Hamadeh guckt der Welt das komische ab und reimt es ins Absurde.
Foto fpr

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