Online-Interview mit Harald Ullmann
von PETA-Deutschland e.V.
07. Juni 2003 (Fragen von Anis)
Kürzlich lernte ich Leute kennen, die aus politischen Gründen keine Milch (und andere Tierprodukte) zu sich nehmen oder verwerten. Das war mir neu. Ich wurde auf die Seite www.milch-den-kuehen.de [Link erloschen, 2023] verwiesen, wo es erstaunliche Dinge zu lesen gibt. Welches sind die Hauptgründe, Milch als Nahrung abzulehnen?
Die natürliche Lebenserwartung einer Kuh beträgt 20-25 Jahre, in der Massentierhaltung jedoch ist eine Kuh bereits nach vier Jahren „verbraucht“. Die männlichen Kälbchen, ein „Nebenprodukt“ der Milchindustrie, müssen 14-17 Wochen lang den reinsten Horror erdulden, wenn sie für die Kalbfleischindustrie in Boxen gehalten werden, die so winzig sind, dass sie sich nicht einmal umdrehen können. Die weiblichen Kälbchen ersetzen oft die alten, „ausrangierten“ Mütter. Auch sie werden in den ersten Monaten ihres kurzen Lebens oft in winzigen Boxen oder angebunden in Ställen gehalten, mit dem einzigen Ziel, auch sie zu Milchmaschinen wie ihre Mütter zu machen.
Damit Kühe ständig Milch produzieren, werden sie praktisch permanent schwanger gehalten. Ihre Kälbchen werden ihnen meist schon wenige Stunden nach der Geburt weggenommen, damit die Milch, die von Natur aus für die Kälbchen vorgesehen ist, von Menschen konsumiert werden kann. Kuhmilch ist häufig mit Pestiziden und Medikamenten verseucht, und bietet weder Ballaststoffe, noch Niacin, Vitamin C oder Eisen. Außerdem stehen Milchprodukte im Zusammenhang mit Allergien, Herzerkrankungen, Krebs und anderen Leiden.
Der verstorbene Dr. Benjamin Spock, Amerikas führende Autorität für Kinder- und Jugendfürsorge, sprach sich gegen die Ernährung von Kleinkindern mit Kuhmilch aus, indem er darauf verwies, dass sie Blutarmut, Allergien und eine mit Insulin behandlungsbedürftige Diabetes verursachen kann. Die beste Kalziumquelle sind Bohnen, Feigen und grünes Blattgemüse. Milch und Käse können sogar verantwortlich sein für Osteoporose, also Knochenschwund, denn ihr hoher Proteinanteil entzieht dem Körper Kalzium. Eine bahnbrechende Harvard-Studie, an der mehr als 75.000 Krankenschwestern teilnahmen, belegt, dass es um so häufiger zu Osteoporose kommt, je höher der Milchkonsum ist.
Kuhmilch ist nämlich für Kälbchen gedacht und eben für diese ideal in ihrer Zusammensetzung, nicht aber für Menschen, weswegen wir noch heute aufhören sollten, Kuhmilch zu trinken.
Milch gehört zu den Basiselementen unserer Esskultur. Von den Chinesen allerdings heißt es, sie vertrügen keine Milch, weil sie keine Enzyme haben, um die Lactose abzubauen. Welche Alternativen gibt es zur Milch, und könnte man Milch nicht auch ohne die genannten Nachteile produzieren?
Es gibt hervorragende Alternativen, wie z.B. Sojadrink, Reismilch, Hafermilch, etc. Keine Spezies trinkt von Natur aus Milch über das Säuglingsalter hinaus, und keine Spezies würde von Natur aus die Milch einer anderen Spezies trinken. Kuhmilch ist für Kälbchen gedacht, die vier Mägen besitzen, ihr Gewicht in 47 Tagen verdoppeln und nach einem Jahr 400 kg wiegen. Daher sehen wir überhaupt keine Notwendigkeit, Milch ohne bestimmte Enzyme zu produzieren damit sie dann für den Verbraucher verträglich ist.
Die Milch-Ablehner stellen in Deutschland eine Minderheit dar. Glauben Sie, dass es sinnvolle Verhandlungen mit der Milch-Industrie geben kann? Würden Sie auch über Kompromisse diskutieren, um Verbesserungen zu erreichen, oder sehen Sie die Fronten als zu verhärtet für einen Dialog an? Hat es solche Dialoge vielleicht bereits gegeben?
Bisher hat es noch keine Verhandlungen mit der Milch-Industrie gegeben. Generell sind wir immer zu Dialogen bereit, wie es sich ja auch bei der McDonalds oder Burger King Kampagne gezeigt hat. Sinnvolle Verhandlungen wären es nur, wenn es um Verbesserungen bei der Tierhaltung und Reduzierung des Milchkonsums gehen würde.
Herr Ullmann, Sie sind Director of European Administration von PETA-Deutschland e.V.. PETA steht für „People for the ethical treatment of animals“ (Menschen für den ethischen Umgang mit Tieren). Was ist das für ein Verein, wie ist er entstanden und was macht er?
PETA ist mit über 750 000 Mitgliedern die weltweit größte Tierrechtsorganisation. Ziel der Organisation ist es, durch Aufdecken von Tierquälerei, Aufklärung der Öffentlichkeit und Veränderung der Lebensweise jedem Tier zu einem besseren Leben zu verhelfen. PETA wurde 1980 in den USA gegründet und hat mittlerweile Büros in England, Holland, Deutschland und Indien. Im Moment sind wir dabei, ein Büro in Asien aufzumachen. Wir handeln nach dem Prinzip: Wir haben kein Recht, Tierprodukte zu tragen, Tiere zu essen, Experimente an Tieren durchzuführen oder Tiere für unsere Unterhaltung auszubeuten.
Der Tierschutz scheint bei PETA, aber auch bei den Veganern, die mich darauf aufmerksam gemacht haben, eingebettet zu sein in eine Art politische Philosophie, die auch den Umweltschutz mit einbezieht, ebenso wie humanistische Prinzipien. Inwiefern sehen Sie PETA und die Milch-Ablehner als Teil der Friedensbewegung?
Die Tierrechtsbewegung lehnt Gewalt gegen Mensch und Tier ab. Die Menschen davon zu überzeugen, sich um die vermeintlich Schwächsten unter uns zu kümmern, verringert die Wahrscheinlichkeit von Gewalttaten, in dem Menschen die Opfer sind. Wir werben für Empathie und kämpfen gegen die gefährliche Auffassung an, dass jemand, weil er nicht wie wir ist, es weniger wert ist, beachtet zu werden. Vorurteile oder Ausbeutung auf Grundlage der Artzugehörigkeit sind nicht akzeptabler als jedes andere Vorurteil oder jede andere Ausbeutung. Es ist falsch zu sagen, Hühner, Schweine, Kühe und andere „Nutztiere“ leiden nicht genau wie wir, sie seien unwichtig.