(Deutsche Übersetzung. Interview vom 4. Oktober 2011, Fragen von Anis)
Frage: Dein Gedicht „Just a Word“, auch bekannt als „Terrorist“, wurde kürzlich bei YouTube veröffentlicht, rezitiert von der voluminösen Bass-Stimme von „Heretic Productions“ (Snordelhans), mit musikalischer Untermalung und meditativen blauen Quallen als visuellem Hintergrund. Recht schnell entdeckten es viele Websites und verlinkten es. Was hat dich dazu gebracht, das Gedicht zu schreiben?
Mhara Costello: Ich hasse Ungerechtigkeit und Grausamkeit jeder Art. Während der Operation Vergossenes Blei bin ich auf die Situation der Palästinenser aufmerksam geworden. Der blanke Horror, die Unmenschlichkeit eines solchen barbarischen Akts reichte aus, um mich zum Handeln zu bewegen. Dabei bin ich dann geblieben und wannimmer ich etwas tun kann, tue ich, was ich kann. Die Quallen hat Snordelhans übrigens wahrscheinlich als Anspielung auf die portugiesische Galeere gemeint, ein Tier, das auf Englisch auch „Man o'War“ heißt. Sehr treffend, wenn man an die Erwähnung Tony Blairs in meinem Gedicht denkt. Niemand verdient diesen Titel so sehr wie er. Seit vielen Jahren schreibe ich immer mal wieder, hatte aber nie im Sinn, etwas „damit zu tun“. Ich habe nicht geplant, „Terrorist“ zu schreiben – es schrieb sich mehr oder weniger von selbst. Eines Morgens im August 2011 wachte ich sehr früh auf und die Worte waren da in meinem Kopf – jedenfalls die meisten.Mir wurde immer bewusster und ich wurde immer wütender darüber, dass das Wort „Terrorist“ so häufig verwendet wird (ähnlich wie das Wort „Antisemitismus“), um – so schien es mir – jeden zu beschreiben, der es wagt, sich für sich selbst oder sein Volk einzusetzen, während die wahren Terroristen von der Art der „einzigen Demokratie im Nahen Osten“ war, unterstützt von den USA, mehreren aufeinander folgenden britischen Regierungen sowie deren gemeinsamem Freund Mubarak. Die Liste ist natürlich nicht vollständig. Als das Gedicht fertig war, wollte ich unbedingt etwas damit machen. Es war mir wichtig, dass die Worte gehört werden. Ich wusste bloß nicht, wie ich es anstellen sollte. Zum Glück kam das Schicksal mir zu Hilfe, in Form von Ken O'Keefe.
Frage: Ken O'Keefe ist ein bekannter Kriegsgegner, der auf der Mavi Marmara war und im Irak. Was hat er mit dem Gedicht zu tun?
Mhara Costello:Ken O'Keefe war der Katalysator. Zufällig hatte ich eine Email-Adresse von Ken, den ich (bislang) nicht persönlich getroffen habe und vor dem ich großen Respekt habe. Ich schickte Ken mein Gedicht. Er stellte es ohne mein Wissen auf seine Facebook-Seite, wo es von Snordelhans gesichtet wurde. Der Rest ist, wie man sagt, Geschichte. Ich werde den beiden ewig dafür dankbar sein. Snordelhans' Stimme ist erstaunlich und die visuellen Effekte und die Wahl der Musik sind umwerfend! Und Ken – nun, Ken ist einfach ein unglaublicher Mensch. Wenn man darüber nachdenkt, was er auf sich genommen hat in seinem Kampf für die Rechte der Palästinenser und im Irak-Krieg und anderen Dingen, dann ist es kein Wunder, dass er von so vielen Leuten geliebt und respektiert wird. Ein paar Feinde wird es wohl auch geben. Das kommt vor.
Frage: Welche Rolle spielt Kunst in deinem Leben?
Mhara Costello: Ich habe viel mit Kunst und Werken zu tun. Mit Weben und Spinnen habe ich gerade angefangen und mir einen alten Webstuhl und ein Spinnrad zugelegt. Ich liebe das traditionelle alte Handwerk. Es ist wichtig, dass es nicht ausstirbt. Ich mache auch gern Dinge aus Sachen, die die meisten Leute wohl für Abfall halten: Stoffreste, Fischernetze, Seetang, das ich am Strand aufgelesen habe – alles Mögliche. Deshalb ist mein Häuschen an der Nord-Ost-Küste Englands auch so vollgestopft. Es wird nie langweilig.
Frage:Bist du aus der Welt der Bücher und Buchstaben?
Mhara Costello: Vierzehn Jahre lang hatte ich eine Art alternativen Laden mit dem Namen „Spellbound“ (= verzaubert, Wortspiel mit „to spell“ für „buchstabieren“, A.H.). Er war vor allem bekannt für seine ausgezeichnete Auswahl an Büchern, die ich auf Lager hatte. Als Kind hatte ich aus gesundheitlichen Gründen nur wenig Schulbildung. Was ich weiß, habe ich mir selbst beigebracht, mit Büchern, von Leuten und aus dem Leben selbst. Mein Haus ist auch voll damit. Bücher können Leben verändern, das habe ich selbst erlebt.
Frage: Wie geht es jetzt bei dir weiter?
Mhara Costello: Gute Frage! Kurz gesagt: Gaza. Ich weiß noch nicht genau wie – es kann sein, dass es etwas dauert, bis die Details ausgearbeitet sind – aber irgendwie komme ich dort schon hin, hoffentlich im nächsten Jahr. Ich möchte es selbst sehen, auf Gazas Sand stehen, die Leute treffen. Wie viel Mut und Kraft sie demonstriert haben! Warum sollten sie nicht wie andere Menschen leben, anstatt eingepfercht zu sein wie Vieh, ihrer einfachsten Menschenrechte beraubt. Aber ihre Würde kann ihnen niemand nehmen. Ich habe vor, weiter zu schreiben. Ein weiteres Gedicht ist auf dem Weg, das ich schon vor „Terrorist“ begonnen hatte. Es ist ebenfalls über Palästina. Ich mache aber auch ganz andere Sachen, die damit nichts zu tun haben, und hoffe, bald etwas davon veröffentlichen zu können. Wer weiß, vielleicht versuche ich mich an einigen Artikeln. Da ist konkret ein Artikel über die Mavi Marmara, der heraus will. Eines ist jedenfalls sicher: So lange die Worte kommen, werde ich sie aufschreiben. Danke, Anis, es war mir ein Vergnügen.
Anis:
Dank dir, Mhara, das Vergnügen ist ganz meinerseits!