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Interview mit Oded Netivi
Autor des Thrillers „Gott ist schuld“

Oded Netivi ist deutsch-israelischer Maler und Schriftsteller. 2011 erschien sein 700-seitiger Politthriller „Gott ist schuld“, der vom Sinnbild Verlag vertrieben wird.

Zitat vom Verlag: Es schien Netivi ein persönliches Anliegen gewesen zu sein, einen real denkbaren Weg zu einem endgültigen und gerechten Frieden zwischen Mittelmeer und Jordan-Tal aufzuzeigen und diese Darlegung gleichzeitig in eine spannende und ergreifende Geschichte einzubinden. So entstand der Roman „Gott ist schuld“ aus dem Genre der Politthriller, welcher hauptsächlich in Jerusalem und dessen wüstenähnlicher Umgebung spielt.

Anis Online befragte den Autor zu seinem Buch (12.08.2011).

Wie kam es zu der Idee, diesen Roman zu schreiben?

Dieses Buch entstand in der Absicht, einen möglichen Ausweg aufzuzeigen. Es entstand aus meiner tiefen Überzeugung heraus, dass sich Juden und Araber ein Land friedlich teilen könnten. Und es entstand trotz widriger Umstände, wie zum Beispiel meiner Legasthenie, die in jeder Sprache, derer ich mich bediene, erbarmungslos zuschlägt. Trotz der aus Sperrmüll-Teilen zusammengebastelten Computer, die ständig abstürzten und die Schreibarbeit vieler Stunden oder Tage in den dunklen digitalen Abgrund zerrten. Und auch wenn mir selbst die Geschichte zunächst holprig erschien, irgendwie dilettantisch erzählt, eher getragen von dem, was man „guten Willen“ und Idealismus nennt … so hat es doch großen Spaß gemacht, sie zu schreiben!

Auf der Verlags-Website findet man das Zitat eines Lektors, der dem Roman eine hohe Qualität bescheinigt. Allerdings erwähnt er auch ein Tabu, was die israelische Geschichte angeht. Dieses Tabu hat es schwer gemacht, einen Verlag zu finden.

Die Geschichte von Gründung und Aufbau des jüdischen Staates Israel im zwanzigsten Jahrhundert ist geprägt von enormen Widersprüchen. Einerseits durch überaus tragische Umstände, die die Suche nach einer jüdischen Heimat überlebenswichtig gemacht haben. Und ebenso durch den verbissenen Willen der Pioniere, sich eine moderne „Heimstätte im Land ihrer historischen Väter“ zu gestalten.

Andererseits auch durch sich daraus ergebenden Konflikten mit der dort lebenden, heimischen Bevölkerung, in jenem zu besiedelnden Land, welches ganz und gar nicht menschenleer gewesen war. Die arabischen Bewohner, selbst seit Jahrhunderten unter fremder Herrschaft, empfanden diese Landnahme durch jüdische Einwanderer als koloniale Eroberung und Enteignung ihrer Heimat.

Was dann folgte, war der „jüdische Kampf um die alte historische Heimat“ gegen die „Übermacht der zum Teil mit terroristischen Mitteln streitenden Muslime“ ... So die israelische Lesart.

Die palästinensische Seite sah es naturgemäß anders. Für sie war es ein „nationaler Befreiungskampf gegen imperialistische und vom Westen unterstützte Eindringlinge“, der leider tragisch ausging.

Die Grundlagen für viele Jahrzehnte andauernde, überaus blutige und tragische Auseinandersetzungen waren gelegt. Ein Konflikt, in dessen Verlauf sich die Fronten verhärteten und sich die Parteien radikalisierten. Wo jeweils eine Seite die andere zutiefst zu hassen und abzulehnen begann und in dessen Verlauf sich alle Beteiligten über jeden moralischen Grundsatz hinwegzusetzen erlaubten.

Eine ganze Region entwickelte sich zu einem Pulverfass mit permanent glimmender Lunte.

Inzwischen ist der sogenannte Nahost-Konflikt schon fast hundert Jahre alt, und einfache Lösungen sind nicht mehr möglich. Weder kann man jüdische Siedler nach drei bis vier Generationen von angestammtem Haus und Land vertreiben, noch die Bestrebungen der Palästinenser nach einer eigenen nationalen Identität als weltfremde Illusion abtun.

In deiner Erklärung verwendest du Begriffe wie „beide Seiten“ und unterscheidest deren „Narrative“, wie es so schön heißt. Gibt es für dich auch eine objektive historische Wahrheit oder nur Sichtweisen und inwieweit hältst du das Überwinden von relativierenden Narrativen für politisch relevant?

Geht man von Axiomen aus, von Richtlinien zur wissenschaftlichen Begutachtung einer „historischen Wahrheit“, so muss man natürlich den Weg der „Neuen Historiker“ gehen. Jene unerschrockenen und unvoreingenommenen Forscher aus Israel, die ihre Wissenschaft nicht in den Dienst einer vorgefertigten Meinung, einer Ideologie oder einer Religion stellen. Menschen, wie zum Beispiel Ilan Pappe, Shlomo Sand oder Tom Segev, die in der Etablierung des Staates Israel in Palästina zumindest eine neokoloniale Komponente nachweisen.

Mir jedoch geht es vor allen Dingen um eine Zukunftsvision! Mir geht es um Möglichkeiten für Versöhnung und für machbare Lösungen im großen Konflikt. Der Ansatz hierfür ist eher gefühlsbetont, sehr emotionell. Nicht immer „realpolitisch“. Kurzum, er ist visionär … das Privileg aller Nachdenker, Träumer und Künstler.

Aber so blauäugig bin ich dann auch nicht, um zu verkennen, dass auch, wenn man große Schwierigkeiten hat, man den Argumenten des Widersachers, des Feindes folgen muss. Man lasse ihn ausreden und sich darstellen. Und man tut gut daran, auch zuzuhören! Ohne gleich aufbrausend und selbstherrlich zu widersprechen, die besseren Argumente heranzuziehen oder gar den Gegner zu kränken. Denn aus seiner Sicht – egal welche Motivationen ihn leiten – hat er Recht.

So gesehen wäre schon viel erreicht, wenn sich auf allen Seiten die Einsicht durchsetzen würde, dass vor allen Dingen eine Lösung her muss! Wer wie viel Schuld auf sich geladen hatte, wer sich nun rechtfertigen sollte, sich gar schämen müsste – das alles sollte zuerst keine Rolle spielen. Solche Vorgehensweisen würden zumindest am Anfang einer friedvollen Entwicklung nur im Wege stehen.

In der Buchbeschreibung von Wikipedia heißt es über die Vision des Zusammenlebens: „In einer nicht allzu fernen Zukunft herrscht im Nahen Osten endlich der seit langer Zeit ersehnte Frieden. Israel und die palästinensische Autonomiebehörde haben sich zu einem gemeinsamen Staatenbund zusammengerauft, eine Republik einzelner Regionen, nach ethnischen und religiösen Gesichtspunkten aufgeteilt. Die einzelnen, recht autonomen Distrikte haben sehr weitreichende Hoheits- und Selbstbestimmungsrechte in Angelegenheiten von Religion und Kultur. Die entsprechenden ‚Jerusalemer Verträge‘ regeln unter anderem aber auch die verschiedenen Vorschriften über eventuelle Zusammenarbeit der ansonsten unter Länderhoheit tätigen Polizeibehörden.“ – Es ist gut, solche Visionen zu materialisieren, so wie in deinem Roman. Was denkst du, wie eine solche Situation entstehen kann: durch Einsicht, durch eine Revolution, durch Druck von Außen?

Eine Situation, bei der sich Israel und die palästinensische Autonomiebehörde zu einem Staatenbund zusammenraufen, ist wahrscheinlich (fürchte ich) kaum durch Einsicht, auch nicht durch eine Revolution und schon gar nicht durch Druck von Außen erreichbar.

In meinem Roman wird die gesellschaftliche Situation auf beiden Seiten so dargestellt, wie sie während der Schreibarbeit nur „vorausahnend“ zu vermuten war und inzwischen immer mehr zur Realität wird ... In dieser desolaten Phase ergibt sich im Roman eine einmalige Chance, durch einen Flugunfall mit Todesfolge und durch den sanften Druck zweier engagierter und miteinander befreundeter Frauen ... Dadurch müssen plötzlich zwei graue und ansonsten sehr lahme und untätige Eminenzen aus der Politik beider Seiten ... Mehr möchte ich nicht verraten, aber der Plot ist ganz und gar nicht unrealistisch.

Du hast auch das Cover des Buches gemalt und bist Maler. Bedingen sich Sprache und Malerei für dich in deiner Kunst? In welchem Verhältnis stehen sie in deinem Leben?

Oh ja, ich male, als ob ich Poesie oder Literatur mache, was mir schon einiges an Kritik einbrachte. Ich würde eher illustrieren, echte Kunst hätte keine Aussage und wolle nichts vermitteln etc., etc.

Und ich schreibe blumig und „filmisch“, da ich mir beim Dichten tatsächlich alles vor dem „inneren Auge“ vorstelle, wie etwa eine Bühneninszenierung oder eine Filmsequenz. Das Buch ist auch von einer Berliner Filmgesellschaft als „sehr verfilmungswürdig, jedoch momentan in der Produktion zu kostspielig“ eingestuft worden.

Interview: Anis Hamadeh


Kleine Fälschungen
von Oded Netivi (2011)

Regierung entschuldigt sich bei Palästinensern
Israels neuer Regierungschef entschuldigt sich zu Beginn seiner Amtszeit bei den Palästinensern für erlittenes Unrecht und jahrzehntelange Diskriminierung. Damit revidierte der Premier die Politik seines Vorgängers, der die Entschuldigung abgelehnt hatte.

Das Original dazu:
Regierung entschuldigt sich bei Aborigines
Australiens neuer Regierungschef Rudd entschuldigt sich zu Beginn seiner Amtszeit bei den Aborigines für erlittenes Unrecht und jahrzehntelange Diskriminierung. Damit revidierte Rudd die Politik seines Vorgängers Howard, der die Entschuldigung elf Jahre lang abgelehnt hatte.

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Historische Rede in Israel. Entschuldigung bei Palästinensern
In einer historischen Erklärung hat sich die israelische Regierung bei den Ursprünglichen Einwohnern des Landes für bis in jüngster Vergangenheit zugefügtes Leid und Unrecht entschuldigt. Der Ministerpräsident nannte die vom 19. bis weit ins Einundzwanzigsten Jahrhundert praktizierte Appartheitspolitik ein trauriges Kapitel in der Geschichte Israels.

Das Original dazu:
Historische Rede in Kanada. Entschuldigung bei Indianern
In einer historischen Erklärung hat sich die kanadische Regierung bei den Ureinwohnern des Landes für bis in die 70er Jahre zugefügtes Leid und Unrecht entschuldigt. Ministerpräsident Stephen Harper nannte die vom 19. bis weit ins vergangene Jahrhundert praktizierte zwangsweise Trennung von Kindern und ihren Eltern ein trauriges Kapitel in der Geschichte Kanadas.

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Die israelische Knesset hat sich für das Massaker von Gaza entschuldigt. In der äußerst knapp angenommenen Resolution drücken die Abgeordneten den Familien der Opfer ihr Mitgefühl aus. Die Bezeichnung des Verbrechens als „Völkermord“ wurde jedoch vermieden.

Das Original dazu:
Das serbische Parlament hat sich für das Massaker von Srebrenica entschuldigt. In der äußerst knapp angenommenen Resolution drücken die Abgeordneten den Familien der Opfer ihr Mitgefühl aus. Die Bezeichnung des Verbrechens als „Völkermord“ wird jedoch vermieden.

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Oberrabbinat entschuldigt sich bei Palästinensern
Die zwei israelische Oberrabbiner haben Israels ursprüngliche Einwohnern in Jerusalem ihr tiefes Bedauern ausgesprochen über Misshandlungen, die sie im Namen der jüdischen Religion erleiden mussten. „Trauer und Entsetzen“ über „das bedauernswerte Verhalten einiger Religionsvertreter“ drückten die Rabbiner vor einer Delegation von Palästinensern, nach dem allwöchentlichen Schabbat Gottesdienst aus.

Das Original dazu:
Papst entschuldigt sich bei kanadischen Ureinwohnern
Papst Benedikt XVI. hat Kanadas Ureinwohnern in Rom sein tiefes Bedauern ausgesprochen über Misshandlungen, die sie als Kinder in katholischen Internaten erleiden mussten. „Trauer und Entsetzen“ über “das bedauernswerte Verhalten einiger Kirchenvertreter“ drückte Benedikt XVI. einer Delegation von Ureinwohnern nach seiner allwöchentlichen Generalaudienz aus.

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„Fundamentales Unrecht, Grausamkeit, Brutalität“
Knesset entschuldigt sich offiziell für Unterdrückung
Die israelischen Volksvertreter hatten sich in einer Resolution im Namen des Volkes für das Unrecht der Appartheit entschuldigt. Die rund fünf Monate nach dem Amtsantritt von dem neuen Premier verabschiedete Resolution „erkennt an, dass Apartheid fundamentales Unrecht, Grausamkeit, Brutalität und Unmenschlichkeit“ bedeute.

Das Original dazu:
„Fundamentales Unrecht, Grausamkeit, Brutalität“
US-Senat entschuldigt sich offiziell für Sklaverei
Der US-Senat hat sich in einer Resolution im Namen des Volkes für das Unrecht der Sklaverei entschuldigt. Die rund fünf Monate nach dem Amtsantritt von US-Präsident Barack Obama verabschiedete Resolution „erkennt an, dass Sklaverei fundamentales Unrecht, Grausamkeit, Brutalität und Unmenschlichkeit“ bedeute.

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