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ABUMIDIAN'S ROOM

Abumidian ist Uri Shani, Jahrgang 1966, israelischer Friedensaktivist, Regisseur, Lehrer, Schauspieler, Schriftsteller und Übersetzer in fünf Sprachen. Er ist Leiter der arabisch-hebräischen Theatergemeinschaft Nemashim.

Abumidian is Uri Shani, born in 1966, Israeli peace advocate, director, teacher, actor, writer and translator into five languages. He is the head of Nemashim, the Arab-Jewish Theater Community.

Abumidian's/Uri Shani's Homepage
Am 4. Mai 2011 stellte Uri Shani in einer Lesung das arabisch-hebräische Theaterprojekt Nemashim in Mainz vor. Gastgeberin war die Hochschulgruppe für gerechten Frieden in Palästina und Israel an der Universität Mainz (HGPI) und die Evangelische Studierendengemeinde (ESG), die die Kirche als Vortragsraum zur Verfügung gestellt hat. Unten zwei Fotos, links sind Uri und Anis.
Noch ein Dunam und noch ein Dunam!
Von Uri Shani, August 2010

Die zionistische Praxis in den letzten 130 Jahren zeichnet sich nicht durch Blitzkriege wie denjenigen des Jahres 1967 aus, in dem während 6 Tagen die Staatsfläche vervierfacht wurde. Auch der Krieg des Jahres 1948 ist nicht das Hauptcharakteristikum der zionistischen Praxis. Der zentrale zionistische Slogan heißt: Noch ein Dunam und noch ein Dunam! Geduldig werden noch 1000 qm gekauft oder erobert, und noch einer. So auch in diesem Sommer.
Aber heute, nach 130 Jahren, gehen diese Dunam nicht mehr in die nationale Kasse, sondern in ganz persönliche Kassen.
Letzten Sommer hat die Knesset ein Gesetz gebilligt, das große Teile des Landes privatisieren soll. Dagegen hat eine breite Opposition von ganz rechts, über rechts, Mitte, links und ganz links gekämpft, und doch war Bibis Koalition war stärker.
Inzwischen wird die Enteignung der wichtigsten Ressource des Landes: das Land selber, und wo ein Haus draufsteht: das Haus, heftig vorangetrieben. Nicht nur in Cisjordanien, auch in den 48-er Grenzen ist dies immer noch eine der wichtigsten Ziele im Rahmen der „Erlösung des Landes“, dies der zionistische Jargon. In den letzten Jahren ist die Negev-Wüste zum Hauptziel dieses Projektes geworden. Vorletzte Woche kamen 1300 Polizisten nach El-Arakib und zerstörten auf brutalste Art das ganze Dorf. Israelische Jugendliche wurden trainiert, wie man Beduinen erniedrigt und Eigentum zerstört, indem sie zuerst den Polizisten zuschauten und dann selber dran durften und von den Polizisten beklatscht wurden. Letzte Woche kamen sie wieder, denn die Bewohner bauten das Dorf wieder auf, und zerstörten es wieder.
Seit langem schon soll das südliche Quartier Kfar Schalem in Tel-Aviv aufgelöst werden, obschon die Bewohner dort seit 1948 Juden sind. Aber erstens sind es Juden aus arabischen Ländern, die in den Augen des Establishments immer noch weniger wert sind, und zweitens, und dies ist ausschlaggebend: Es geht in Israel nicht mehr um Landnahme der Ideologie wegen, sondern um des Geldes wegen. In Britannien nennt man das Gentryfication. Dasselbe geschieht in andern Regionen, zum Beispiel in Jaffa. Das Projekt „Andromeda“ ist das Sinnbild des neuen Zionismus: Ein reicher Israeli oder Tourist lebt in einer „verbotenen Stadt“ mit einer undurchdringlichen Mauer, er verlässt das Quartier nur in seinem Auto, ohne den Erdboden von Jaffa zu berühren. Kinder leben keine dort. Vor genau einem Jahr wurden vier Familien in Schech Dscharrah in Ost-Jerusalem auf die Strasse gesetzt, und in ihren Häusern tanzen und singen arrogante Siedler.
Auch die Toten lässt die Landnahme nicht ruhen. Bulldozer zerstörten heute Nacht (in der Nacht vom Montag auf Dienstag)einen muslimischen Friedhof in Mamilla (Ma'man Allah) in West Jerusalem, zum dritten Mal.
Vor einem Monat wurden zwei Familien in Bet-She'an aus ihren Sozial-Wohnungen geschmissen, als Auftakt zu weiteren 39 Familien. Die beiden Familien und ihre Freunde demonstrierten, zündeten Autoreifen an und errichteten ein Protestzelt vor dem Gebäude des Stadtrates. Eine der beiden Familien hatte die Frechheit, nach Jerusalem zu fahren, nach Schech Dscharrah, und die Mutter Liat erklärte, sie empfinde gegenüber den palästinensischen Familien Solidarität, da ihnen dasselbe widerfahren sei.
Danach kamen die israelischen Linken von der Shech-Dscharah-Solidaritätsbewegung zusammen mit Reuven Abergil nach Bet-She'an. Reuven Abergil war vor vierzig Jahren einer der Gründer israelischen „Schwarzen Panther“, über die Golda Meir damals sagte: „Sie sind nicht nett.“ Eine der berühmtesten Slogans dieser jungen Militanten, deren Eltern aus Nordafrika eingewandert waren: „Wir wollen keine Brösel vom großen Kuchen, wir wollen das Messer, mit dem dieser Kuchen geschnitten wird!“
Reuven: „Dreißig Jahre war ich nicht mehr in Bet-She'an, ich erkannte die Stadt nicht mehr. Ich fragte Liat: Wo ist die Solidarität der Andern? Und sie erzählte mir, wie die Familie Levi die ganze Stadt beherrscht. Wir waren kaum angekommen, als schon fünf Polizistenwagen angeprescht kamen. Die Leute von Bet-She'an sagten mir, die Polizei haben sonst nie Zeit, sich um irgendetwas zu kümmern. Jetzt kamen sie sofort, und als erstes verhafteten sie zwei Linke aus Jerusalem. Ich sprang sofort auch in den Polizeiwagen und sagte den Polizisten: Wenn ihr die verhaftet, dann verhaftet mich auch! Aber sie holten mich wieder aus dem Wagen raus, und die beiden andern wurden erst spät in der Nacht entlassen.“
Wir organisierten spontan eine Demonstration, und ich sprach mit dem Megaphon zu den Menschen im Viertel der Sozialwohnungen. Ich sagte ihnen, sie sollten die Fenster aufmachen und zuhören. Und siehe da, die Fensterläden wurden beiseite geschoben, die verdunkelten Wohnungen erhellten, die Fenster öffneten sich und die Leute hörten zu. Als ich nach einer halben Stunde aufhörte mit meiner Rede, kamen die Leute runter, Männer, Frauen und Kinder, begannen ihre schwere Lage zu schildern. Wir begannen einen langen Marsch zurück zum Stadtratsgebäude, und die Menschen skandierten: „Wir sind alle Schwarze Panther!“
Auch ich habe Liat und ihre Familie in ihrem Zelt auf dem Stadtratsplatz in Bet-She'an letzte Woche besucht. Die Mutter von fünf Kindern weiß genau, worum es geht: Es geht nicht um die Schulden, sondern um die Wohnungen. Die ganze Stadt gehört dem Levi-Clan (das berühmteste Mitglied dieses Clans ist David Levi, Knessetmitglied von 1969-2003, und viermal Minister in verschiedenen Regierungen), heute ist der Stadtpräsident Jacky Levi, im Arbeitsamt sitzt ein anderer Levi, die Erziehung wird von einer Levi kontrolliert, David Levis Tochter ist Knessetmitglied von Liebermanns Partei und ihr Bruder will diese Sozialwohnungen kaufen, was an der Grenze der Gesetzlichkeit ist. Sozialwohnungen können nicht einfach so verkauft werden. Aber das wäre wirklich nicht das einzige, was ungesetzlich ist in dieser Wüstenstadt an der jordanischen Grenze.
Wer sich mit Liats Familie solidarisierte, wurde entweder entlassen, oder der Strom oder das Wasser wurde ihm abgestellt, oder er wurde bestochen.
Diese Sozialwohnungen gehören einer Gesellschaft namens „Amidar“; eine andere Gesellschaft, in Tel-Aviv, heißt „Halamisch“, viele davon in Kfar Schalem. Dort haben 300 der 700 Familien ihre Wohnungen verloren, und heute (9.8.10) wurden drei Familien aus ihren Zelten vertrieben, die sie errichteten.
Die Privatisierung begann mit der ersten Netanjau-Regierung im Jahre 1996, in „Amidar“-Wohnungen wohnen heute noch 250'000 Menschen, wogegen es früher fast 2 Millionen waren, wobei Zehntausende auf eine Sozialwohnung warten.
Liat erzählt, dass sie sich von ihrem Mann scheiden lassen müsste, und noch Schlimmeres, damit sie das Recht auf eine Sozialwohnung erhielte.
Gestern wurde auch ihr Zelt von den Polizisten abgerissen, und sie beschrieb mir in einem SMS: „Ich verstehe und fühle jetzt die Frustrierung und die Wut der Beduinen. Wie viel muss ein Mensch in diesem Staat erleiden, um sich ein Recht auf ein respektables Leben zu erkämpfen… Auch uns hier in Bet-She'an, an der jordanischen Grenze, hat man vergessen. Liat Zohar, verheiratet mit 5 Kindern, wohnt irgendwo in den Strassen von Bet-Shean.“
Ein besonderes Geschenk erlebten die Muslimen heute morgen, Dienstag 5.8.10, um 5 Uhr morgens. Zum dritten Mal wurde das Dorf Al-Arakib abgerissen, Prof. Gadi Elgasi (Tel-Aviv Universität, Geschichte des Mittelalters) wurde heftig geschlagen und verhaftet. Sein Verbrechen war, dass er sich an eine Zeltstange lehnte, als er zu den Leuten sprach und so die Polizisten bei ihrer Arbeit störte.
Welch ein geschmackvolles Geschenk zum Ramadan!


Interview mit Uri Shani/Abumidian
Fragen von Anis, Juni 2007

Du gehörst zu der israelisch-arabischen Theatergruppe Nemashim in Haifa. Woher kommt der Name und was ist das für ein Projekt?
NEMASHIM ist ein zusammengesetztes wort aus einem hebraeischen und einem arabischen kuerzel, im hebraeischen: jugend spielt frieden, im arabischen jugend lebt theater. es gibt keine symmetrie. fuer die hebraeische jugend waere "jugend lebt theater" nichts besonderes, nichts anregendes oder herausforderndes, aber fuer die arabische ist es das. und umgekehrt. die hebraeische jugend waechst halt anders auf als die arabische, und im treffen dieser zwei wollen wir herausfinden, was dabei herauskommt, auf der buehne, und in der kueche. denn diese jungen machen nicht nur theater zusammen, sie leben auch in derselben wohnung.

Und was genau sind die Kürzel? Ich bin Linguist und spreche auch Arabisch, deshalb frage ich noch mal nach.
"nemesh" steht für "Noar messachek schalom", "shim" für "Shabab ya3eschu masra7". (kennst du 3 und 7 für die gutturalen Laute?)

Das Arabische heißt also: „Jugend lebt Theater“, danke. Wie viele Leute seid ihr und seit wann aktiv? Und sprecht ihr auf und hinter der Bühne nur Hebräisch, oder auch Arabisch?
Das programm hatte vor fünf jahren seinen anfang, es umfasst zwei stufen: die erste – ein workshop mit 10-20 teilnehmerInnen, die zweite – die wohngemeinschaft, mit 6 teilnehmInnen. Jede der zwei stufen ist einjaehrig, und im naechsten jahr machen andere dasselbe programm durch. Die sechs der wohngemeinschaft arbeiten während des jahres der wohngemeinschaft mit verschiedenen gruppen zusammen und stehen so in direktem kontakt mit ungefähr 50 bewohnerInnen der beiden quartiere in ost-haifa.
Die dominierende sprache ist hebräisch. Ich bin einer der wenigen hebräisch-sprechenden israeli, die auch arabisch können, darum werde ich auch immer verdächtigt, dass ich mit dem geheimdienst zu tun hätte. Die araberInnen können normalerweise nicht schlecht hebräisch, sodass das arabische vor allem unter den arabischsprechenden gebraucht wird. Aber ohne vorbehalte. Es gibt sehr selten einen besonderen fall, wenn ein hebräisch-sprechender anfänger sich beklagt, wenn arabisch gesprochen wird. Er versteht dann selbst sehr schnell, wie dumm sein einwand war...

Ich habe in Erinnerung, dass ihr bald einige Aufführungen in Deutschland haben werdet, stimmt das?
Wir sind von der evangelischen kirche in giessen eingeladen worden, zusammen mit einer deutschen und einer italienischen gruppe (wobei auch die deutschen alles zweite generation von zuwanderer sind) ein multi-kulti-stück am kirchentag, also am 8. und am 9. juni in köln aufzuführen. Das stück heisst : "hand durch die wand". Ihr seid herzlichst eingeladen!!

Viel Erfolg dabei! Wie ist das Repertoir aufgebaut? Wovon handeln eure Stücke?
Ein zweisprachiges theaterprojekt schränkt die möglichkeiten ein und kompliziert die theaterarbeit. Aber gerade der zwang ist manchmal für die kunst fruchtbar, und so "entdecken" wir das bewegungstheater, die pantomime und andere formen des nonverbalen theaters. Andererseits verzichten wir auch nicht ganz auf das wort und machen zweisprachige stücke mit verschiedenen übersetzungestechniken.
Das repertoir – ganz allgemein – ist politisch, denn wir können und wollen uns nicht verstecken. Auch "unpolitisches" theater ist politisch, im sinn, dass es seine aussage hat über behandlung von politischen themen. Wir schwimmen diesbezüglich gegen den allgemeinen israelischen strom: das israelische theater war immer schon sehr politisch, hat sich aber von politischen und sozialen themen in den letzten zwanzig jahren mehr und mehr abgewendet.
Um ein bisschen spezifischer zu antworten – ein paar Beispiele: "Hadi uTami" ist ein Kinderstück, basiert auf Hänsel und Gretel, wobei Hadi der grössere arabische bruder ist, der von der israelischen hexe (die slogans verbreitet, die denen von "Kadima" gleichen) eingesperrt und ausgehungert wird. Seine kleine schwester spricht hebräisch und wird verwöhnt. der impotente vater ist ein arabischer intellektueller und die stiefmutter ist amerikanerin.
(hier übrigens ein kleines videobeispiel von einer aufführung des stückes mit jüdischen und arabischen jungen zuschauerInnen: www.youtube.com/watch?v=bqGaqYKtw7g )
Ein anderes beispiel ist "wolfland": ein strassentheaterstück, nicht länger als 7 minuten. dazu lässt sich ein video in ganzer laenge sehen: www.youtube.com/watch?v=8SRFdvXHVmk
Und es gibt natürlich noch weitere Beispiele...

Kadima als Hexe, interessanter Ansatz. Habt ihr öfter die Möglichkeit, im Ausland aufzutreten? Und welche Wünsche verknüpft ihr mit dem Deutschlandbesuch?
nein, viel gelegenheit dazu gibts nicht, das ist teuer, und wir sind in echter geldnot. unsere erwartungen hier haben sich jetzt schon erfuellt: jugendliche aus laendern mit faschistischer vergangenheit oder quasi-faschistischer und rassischtischer gegenwart treffen sich und finden viele gemeinsame nenner, weinen zusammen und lachen zusammen. das ist schon mehr als genug.

Sind eigentlich Westbank- und Gaza-Palästinenser irgendwie in Eure Arbeit integriert oder ist das eine ganz andere Gesellschaft?
es ist schrecklich, aber es ist offenbar einfacher, italiener und deutsche zu treffen, als nachbarn von gegenueber. es sind zwei voellig getrennte gesellschaften, die sich nur auf der kriegerischen ebene treffen. wir koennten sowas machen, aber dann in zypern oder in der tuerkei.

 
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