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- „Sie haben das beschmutzt, was für uns von größter Reinheit war.“ Türkische Soziologin Pinar Selek nach acht Jahren freigesprochen (21.07.06) |
Diana al-Jumaili ad-lib@web.de |
Türkische Soziologin Pinar Selek nach acht Jahren freigesprochen von Diana al-Jumaili, 21. Juli 2006 |
9. Juli 1998
Unweit der Galata-Brücke und neben der Yeni Valide Moschee liegt die „größte Apotheke der Welt“. Die kleinen Geschäfte im Istanbuler Gewürzmarkt bieten Gewürze, Kräuter, Tee, Süßigkeiten, Pistazien und andere Leckereien feil. Der Basar ist ein beliebtes Ziel für Touristen. Am 9. Juli 1998 stehen besonders viele Menschen am Eingang des Marktes und suchen Schutz vor einem heftigen Regenschauer. Plötzlich detoniert eine Gasflasche. Sieben Menschen sterben, mindestens 118 Personen werden zum Teil schwer verletzt. DPA berichtet: „Bombenexperten schlossen einen Anschlag vorläufig aus. Sie hätten nichts gefunden, was auf einen Sprengkörper hindeutet, sagten sie nach Abschluß ihrer Untersuchungen ... Aus einer von mehreren Gasflaschen in dem Erfrischungsstand sei Gas ausgeströmt und explodiert, sagte der Istanbuler Polizeipräsident Hasan Özdemir.“1 Doch es formiert sich eine Bewegung, die sich für einen fairen Prozess einsetzt. Öffentlichkeit, die einen Prozess begleitet, kann für die Angeklagten lebensrettend sein. Türkische Wissenschaftlerinnen und Künstlerinnen bezeugen in einem Aufruf, „dass Pinar Selek eine feministische, antimilitaristische Gewaltgegnerin und Forscherin ist. Wir sind davon überzeugt, dass sie mit den Anschuldigungen, die ihr seit Jahren zur Last gelegt werden, nicht zu tun hat“6. Mit einer weiteren Petition wenden sich weit mehr als hundert Einzelpersonen und Organisationen aus über zwanzig Ländern an die Öffentlichkeit und fordern ein rechtsstaatliches Verfahren.7 Zu den UnterzeichnerInnen gehören auch bekannte Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Politik. Gegen 283 Intellektuelle aus der Türkei, darunter Yasar Kemal und Orhan Pamuk, wird wegen der Unterstützungserklärung für Pinar Selek Strafanzeige gemäß § 215 („Loben eines Straftäters“) und § 288 („Versuch der Beeinflussung der Justiz“) des türkischen Strafgesetzbuches gestellt.8 Die Abgeordnete des Europäischen Parlaments Feleknas Uca nimmt den Fall Pinar Selek zum Anlass für eine Anfrage an die Europäische Kommission, welche Möglichkeiten diese sieht, die justiziellen Grundrechte in der Türkei zu stärken.9 In ihrer Antwort verweist die Kommission lediglich darauf, dass die Sicherstellung von Rechtsstaatlichkeit und Unabhängigkeit, Funktions- und Leistungsfähigkeit der Justiz zu den Kernelementen der Politischen Kopenhagener Kriterien gehören. Bei den weiteren Verhandlungen über den Beitritt der Türkei zur EU achte man auf die Fortschritte bei der Umsetzung der Kriterien. Im Termin zur Fortsetzung der Hauptverhandlung vor dem 12. Schweren Strafgericht in Istanbul-Besiktas am 17. Mai 2006 ergreift Pinar Selek das Wort – nicht um sich zu verteidigen, sondern um von ihrem Kampf um ihre Würde, ihre Persönlichkeit, von ihrer Suche nach Freiheit gegen den jahrelangen Druck zu berichten.10 Sie erzählt vom Aufbau ihres Ateliers für StraßenkünstlerInnen. In diesem Atelier erwachten Menschen, die zunächst nicht wussten, wie sie gemeinsam arbeiten und dem Druck und der Diskriminierung standhalten sollten, mit der Kunst zu neuem Leben, fingen an zu blühen und Wurzeln zu schlagen. Die Türen standen jederzeit offen, obdachlose Transvestiten und Straßenkinder, Drogenabhängige und Prostituierte fanden Zuflucht. Als Pinar Selek beschuldigt wird, an der Explosion am Misir-Basar mitschuldig zu sein, wird das Atelier als Bombenwerkstatt diffamiert und aufgelöst. Eine Transvestitin klagt: „Ein Traum kann eben nicht ewig dauern. Unserer hat schon lange gedauert. Ich habe immer gesagt, irgendetwas wird passieren, das kann nicht lange gut gehen. Aber so etwas habe ich natürlich nicht erwartet. Ich habe viel erlebt und gedacht, dass ich mich an alles gewöhnt habe, aber ich kann mich nicht erinnern, dass mich jemals etwas so sehr erschüttert hat. Sie haben das beschmutzt, was für uns von größter Reinheit war. Als ob sie unser Baby ermordet haben. Das Leben ist fürchterlich. Wenn man versucht, etwas Gutes zu tun, ziehen sie es in den Schmutz. Es gibt keinen Ausweg und keine Rettung. Ich habe Angst.“11 Obwohl sich die Transvestiten und Straßenkinder vor nichts so fürchten wie der Polizei, kommen sie vom ersten Prozesstag an immer zum Gericht. Die Hauptverhandlung wird von vielen Menschen beobachtet: Schriftsteller, Menschenrechtler, Pressevertreter, Vertreterinnen von Frauenorganisationen. Auf dem Weg zum Verhandlungssaal wird am 17. Mai 2006 der Chefredakteur der türkischen Tageszeitung Ülkede Özgür Gündem, Herr Hüseyin Aykol festgenommen. Im Fortsetzungstermin am 26. Mai 2006 erscheinen von den fünfzehn Angeklagten vier, darunter Pinar Selek, und über dreißig Verteidiger. Erneut sitzen bekannte Persönlichkeiten mit im Verhandlungssaal, darunter der Schriftsteller Yasar Kemal und Feleknas Uca, Abgeordnete des Europa-Parlaments. wiederholt verweist die Verteidigung auf die wissenschaftlichen Gutachten, wonach Ursache der Explosion im Misir-Basar eine defekte Gasflasche war und keine Bombe. Wieder wird die Hauptverhandlung vertagt. 8. Juni 2006 Am 8. Juni 2006 verkündet das 12. Schwere Strafgericht in Istanbul-Besiktas sein Urteil. Das Gericht erklärt, es gäbe keine konkreten Beweise, ob die Explosion durch einen Bombenanschlag oder durch eine defekte Gasflasche verursacht wurde. Der Anklagepunkt „Unterstützung einer illegalen Organisation“ gegen Pinar Selek und weitere Angeklagte wird wegen Verjährung nicht weiter verfolgt. Drei der insgesamt fünfzehn Angeklagten werden wegen „Mord im Auftrag der PKK“ in einem anderen Fall zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt, zwei weitere zu jeweils 12,5 Jahren und einer zu fünf Monaten.12 Pinar Selek ist unschuldig. Doch ist sie frei? Im Juni 2005 trat in der Türkei ein neues Strafgesetzbuch in Kraft, welches verschiedene positive Veränderungen mit sich brachte. Frauen sollen beispielsweise besser vor Gewalt geschützt werden. Doch das Recht auf freie Meinungsäußerung ist nicht verwirklicht. Am 28. Juni 2006 verabschiedete das Parlament in Ankara ein Anti-Terrorgesetz, das sein Zustandekommen im Wesentlichen der Militärführung zu verdanken hat. Polizei und Armee erhalten umfangreiche zusätzliche Vollmachten, mit neuen Straftatbeständen wird der Terrorismusbegriff erweitert, die Rechte Festgenommener und Verurteilter werden eingeschränkt. Menschenrechtler, Juristen- und Verlegerverbände befürchten eine weitere Einschränkung der Menschenrechte, der Meinungs- und Pressefreiheit.13 Nach dem Jahresbericht 2006 von amnesty international negierten Polizisten, Staatsanwälte und Richter auch 2005 die einschlägigen internationalen Menschenrechtsnormen. Paragraph 301 des Strafgesetzbuches n. F., wonach die Herabwürdigung des Türkentums, der türkischen Republik und der Staatsinstitutionen strafbar ist, wurde mehrfach missbraucht, um Schriftsteller, Journalisten, Menschenrechtsverteidiger und Intellektuelle einzuschüchtern und von Kritik abzuhalten. Gleiches gilt für Bestimmungen des Presserechts, um eine öffentliche Berichterstattung über Gerichtsverfahren zu erschweren. Auch im Jahre 2005 wurde durch Beamte mit Polizeibefugnissen gefoltert und misshandelt. „Zu den geschilderten Methoden zählten die Verabreichung von Schlägen, Todesdrohungen, Schlafentzug und die Verweigerung von Wasser und Nahrung ... Darüber hinaus setzte die Polizei regelmäßig in exzessiver Weise Gewalt gegen Demonstranten ein, insbesondere gegen Angehörige linker Gruppierungen, Anhänger der pro-kurdischen Partei DEHAP, Studenten und Gewerkschafter.“14 Ein effektiver Rechtschutz bleibt den Betroffenen in vielen Fällen verwehrt. Fehlerhafte, einseitige und äußerst langwierige Ermittlungen und Gerichtsverfahren zu Vorwürfen über Folterungen und Misshandlungen belegen nach amnesty international das fehlende Interesse der Justizorgane an einer Aufklärung dieser Taten. Nach wie vor herrsche ein allgegenwärtiges Klima der Straffreiheit. Staatlichen Gremien zur Überwachung der Menschenrechtssituation fehlen die Ressourcen und Vollmachten, um Rechtsverstöße unabhängig und effektiv zu untersuchen und zu veröffentlichen. Das Strafgericht hat Pinar Selek freigesprochen, doch sie ist nicht frei – nicht frei, sich für ein friedliches Zusammenleben von Türken und Kurden, für die Rechte von Minderheiten und Schwachen einzusetzen. Noch immer muss sie damit rechnen, für ihr Engagement strafrechtlich belangt zu werden. Nicht nur die Europäische Kommission sollte darauf achten, dass Justizgrundrechte und Menschenrechte eingehalten werden. Nicht nur von der Türkei. Wir alle sind dazu aufgerufen aufzustehen, wenn Menschenrechte verhandelbar werden, beispielsweise im sog. Kampf gegen den Terrorismus. Nicht nur in der Türkei. Leipzig, 03. Juli 2006 Diana Al-Jumaili Leipzig 1: http://rhein-zeitung.de/on/98/07/09/topnews/istanbul.html (04.04.2006) (zurück) 2: https://www.nadir.org/nadir/initiativ/isku/erklaerungen/2006/05/02.htm (03.06.2006) (zurück) 3: Pinar Seleks Mutter, die trotz schwerer Herzprobleme zu einer Brücke zwischen ihrer Tochter, dem Gefängnis und der Gesellschaft wurde, erlag ihrer Herzschwäche noch während des Verfahrens. (zurück) 4: https://www.nadir.org/nadir/initiativ/isku/erklaerungen/2006/05/02.htm (03.06.2006). Siehe auch Müjgan Arpat: Ein völlig absurder Prozess!, http://www.nadir.org/nadir/initiativ/isku/hintergrund/selek/index.htm (30.03.2006). (zurück) 5: Pinar Selek: Ich bereue..., http://www.nadir.org/nadir/initiativ/isku/hintergrund/frauen/frauenbuero/34.htm (01.04.2006) (zurück) 6: http://www.nadir.org/nadir/initiativ/isku/hintergrund/selek/index.htm (30.03.2006) (zurück) 7: http://www.nadir.org/nadir/initiativ/isku/hintergrund/selek/index.htm (30.03.2006) (zurück) 8: http://www.nadir.org/nadir/initiativ/isku/pressekurdturk/2006/14/03.htm (03.06.2006) (zurück) 9: http://www.europarl.eu.int/QP-WEB/applivation/home.do?SELECT_TAB=qo_param&language=DE (30.03.2006) (zurück) 10: http://www.nadir.org/nadir/initiativ/isku/erklaerungen/2006/05/02.htm (03.06.2006) (zurück) 11: http://www.nadir.org/nadir/initiativ/isku/erklaerungen/2006/05/02.htm (03.06.2006) (zurück) 12: https://www.nadir.org/nadir/initiativ/isku/hintergrund/selek/index.htm (10.06.2006) (zurück) 13: APA/dpa am 29.06.2006, hier nach: http://derstandard.at (03.07.2006) (zurück) 14: amnesty international: Jahresbericht 2006, S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main, 2006, S. 465 (zurück) |
Und es gibt sie doch? Zur Rolle der UN im israelisch-libanesischen Krieg 2006 von Diana al-Jumaili, 07. August 2006 |
Nach Angaben der World Health Organization (WHO) wurden seit dem 12. Juli 2006, dem Beginn des israelisch-libanesischen Krieges, 907 Libanesen ermordet und über 3293 verletzt. Mehr als 913.760 Libanesen wurden vertrieben, darunter schätzungsweise 405.000 Kinder.1 In der Nacht zum 4. August 2006 hat Israel die letzten Verbindungswege zwischen Syrien und dem Libanon zerbombt. Hilfsorganisationen suchen verzweifelt nach Wegen, dringend benötigte Lebensmittel und Medikamente zu den von der Außenwelt Abgeschnittenen vor allem im Süden Libanons zu bringen. Tausende Familien verfügen bei über 30 Grad Celsius nicht über Trinkwasser. Die Treibstoffvorräte gehen zur Neige; vor den Tankstellen bilden sich lange Schlangen.
Doch in diesem endlosen Kreislauf der Gewalt verlieren auch immer mehr die Vereinten Nationen. Schon oft hat die UN in Krisensituationen versagt. Aber nur selten wurde sie von einer Kriegspartei so demontiert, wie derzeit von Israel, unterstützt durch die USA.
Zur Unterstützung dieser Thesen werden nachfolgend einige Ereignisse des israelisch-libanesischen Krieges dokumentiert:
Der israelische Botschafter in Deutschland, Schimon Stein, weist die Pläne von UN-Generalsekretär Kofi Annan zu einer UN-Friedenstruppe in Nahost zurück. Schon am Montag kündigte Ministerpräsident Ehud Olmert eine Fortsetzung der Kämpfe im Libanon an. Israel werde nicht ruhen, bis die Hisbollah-Miliz keine Bedrohung mehr für sein Land sei, sagte Olmert im israelischen Parlament. Die Offensive im Libanon sei ein „Akt der Selbstverteidigung in seiner wesentlichsten Natur“. Er werde „niemals sein Einverständnis dazu geben, im Schatten der auf seine Bürger gerichteten Raketen zu leben“.9 UN patrol base in El- Khiam, East of South Lebanon, which received a direct areal bomb hit from IDF where four UN Observers lost their life. Southern Lebanon, July 2006. UN Photo10 Während deutsche Politiker noch darüber debattieren, ob eine Teilnahme deutscher Soldaten an der vorgeschlagenen UN-Stabilisierungstruppe im Hinblick auf die Geschichte des 20. Jahrhunderts opportun ist, greifen israelische Jets sechs Stunden lang einen Stützpunkt der UNIFIL im südöstlichen Khiam an. Nach eigenen Aussagen haben die Blauhelmsoldaten den Israelis zehn Mal gefunkt, sie sollten mit ihren Attacken aufhören. Bei dem „offenbar absichtlichen Angriff“ (Annan) wurden die vier Militärbeobachter der UNTSO12 Du Zhaoyu, Paeta Hess-Von Kruedener, Hans-Peter Lang und Jarno Makinen ermordet.
Annan verurteilt den Angriff scharf:
„I am shocked and deeply distressed by the apparently deliberate targeting by Israeli Defence Forces of a UN Observer post in southern Lebanon that has killed two UN military observers, with two more feared dead. Auf einer Pressekonferenz am 26. Juli 2006 in Rom erklärt Annan:
Jane Holl Lute, UN Assistant Secretary-General for Peacekeeping Operations, berichtet:
Obwohl das IDF mehrfach aufgefordert wurde, die Angriffe einzustellen, hat Israel diese auch noch während der Rettungsarbeiten fortgesetzt.16 Alvaro de Soto, United Nations Special Coordinator for the Middle East Peace Process, sagt am 30.07.2006 in Jerusalem:
„The men we lost last Tuesday came from different nations, but worked together to carry out the difficult mission entrusted to them by the United Nations. They were also fathers, husbands, sons, brothers, friends and colleagues. They died at their post. All of us, their colleagues, must mourn them deeply, but must also be proud of their example. The United Nations will be forever in their debt... Der israelische Botschafter in Deutschland Shimon Stein bedauert auf N24 zwar den Vorfall, zeigt sich jedoch vor allem von Annans Worten betroffen:
Ebenso Israels Botschafter bei den Vereinten Nationen, Dan Gillerman:
„Ich bin überrascht von dieser voreiligen und falschen Behauptung des Generalsekretärs“.18 Der libanesische Ministerpräsident Fuad Siniora fordert, die UN-Mission nach einem Waffenstillstand zu verstärken und mit einem geänderten Mandat zu versehen, damit diese auch humanitäre Hilfe leisten könne.19 In einem Interview mit der Jüdischen Allgemeinen sagt der Martin van Crefeld, international bekannter Militärhistoriker an der Hebräischen Universität Jerusalem:
Freitag, den 28. Juli 2006 UN-Nothilfekoordinator Jan Egeland fordert von Israel eine 72-stündige Waffenruhe. Diese Zeit sei nötig, um ältere Menschen, Kinder und Verwundete aus dem Krisengebiet zu bergen und die Zivilisten mit dem Nötigsten zu versorgen. Israel lehnt die Waffenruhe ab: sie sei nicht nötig, das eigentliche Problem sei die Hisbollah. Die Hisbollah verhindere die Hilfslieferungen in den Süden Libanons. „Sergio de Mellos Tod ist eine Katastrophe. Wir sind alle ein bisschen benommen. Es schien, als wäre er seit vielen Monaten das Beste gewesen, was dem Irak passierte. Obwohl die Vereinten Nationen den Krieg nicht verhindern konnten, hat die Aussicht auf jemanden wie de Mello den Leuten so etwas wie eine schwache Hoffnung gegeben. Man hatte das Gefühl: Nein, die Amerikaner können in Bagdad nicht Amok laufen, ohne dass die internationale Staatengemeinschaft davon erfährt … Bei uns waren die Vereinten Nationen oder ausländische Botschaften nie das Ziel von Bombenanschlägen, egal wie verfahren die Lage war. Die UNSCOM (Sonderkommission der UN) war hier in der Tat unbeliebt, aber sie stand unter Schutz. Als Besatzungsmacht ist Amerika für die Sicherheit und den Schutz dessen verantwortlich, was von diesem Land noch übrig ist. Es ist verantwortlich für die Sicherheit und den Schutz aller internationalen humanitären Organisationen, die ins Land gekommen sind, um den Menschen zu helfen. Die Amerikaner haben sich auf schreckliche Weise vor dieser Pflicht gedrückt. Jemand wie Sergio de Mello hätte etwas Besseres verdient. Wenn nicht einmal UN-Soldaten, die an den Raketenangriffen der Hizbollah auf Israel nun überhaupt keine Schuld tragen, vor Angriffen der israelischen Luftwaffe sicher sind – was passiert dann mit den hunderttausenden anderen Unschuldigen, Kindern, Frauen, Männern, Alten, Kranken im Libanon? „Qana – Sunday July 30th , 2006 Only to let you know that these are 55 civilians, all killed, 20 of them are kids between 7 months and 12 years old. Only to let you know that a number of these children are handicapped, they were hit in the last Qana massacre in 1996. Only to let you know CNN and BBC are hosting IDF spokespeople who tell the world that these civilians were warned to leave, but they just didn't. Only to let you know the air strikes took place at 1:00 am, all they people were sleeping, in their pyjamas, bare feet, in a shelter. The house was hit twice. Twice. To make sure they will all die. Only to let you know that despite the fact that we're animals, but it would have been impossible for animals to sleep had there been any shelling from anywhere close , as the IDF alleges. Only to let you know you free media won't show you these pictures. Only to let you know that this is not the first time this happens , and I can promise you it won't be the last time. .. H..“28 Die amerikanische Außenministerin Rice hält sich zum Zeitpunkt des Massakers im Libanon auf. Sie wird von der libanesischen Regierung aufgefordert, abzureisen. Regierungschef Sinoria in Beirut: „Es gibt jetzt keinen Raum mehr für Diskussionen, bis es eine sofortige bedingungslose Waffenruhe gibt.“29 „Action is needed now, before many more children, women and men become casualties of a conflict over which they have no control. Eine Verurteilung Israels für das Massaker in Qana scheitert am Veto der USA. „Wir haben nie um eine Waffenruhe gebeten. Wir mögen es zwar nicht, dass jeden Tag 180 Raketen auf unsere Köpfe fallen. Aber die Hisbollah stellt für Israel keine Bedrohung mehr dar. Wir haben nicht um Mitleid und um einen Stopp des Raketen-Beschusses gebeten, sondern gesagt: Zur Hölle mit euch! Wir werden mit den härtesten Maßnahmen auf euch reagieren … Wir kämpfen ohne zu zögern, unerbittlich und mit allen Mitteln. Niemand kann uns stoppen. Wir kämpfen hart und konsequent.“ 31 Diese Chronik ist nicht vollständig. Sie könnte detaillierter sein und kann fortgesetzt werden. Sie beantwortet nicht, warum Israel, die USA und die westlichen Staaten, die die Vereinten Nationen dominieren, alles unternehmen, um sie zu schwächen. Die Chronik gibt keine Empfehlungen, wie die UN gestärkt werden kann. Dies alles könnten Themen weiterer Artikel sein. |
von Professor Georg Meggle, 07.08.2006 |
Was steckt hinter dem neuen Libanonkrieg? Was sind die wirklichen Kriegsgründe? Was die finalen Kriegsziele?
Die bisherigen offiziellen Erklärungen taugen nicht viel. Eine bessere Erklärung betrachtet diesen Krieg im größeren Kontext: Der Libanonkrieg ist ein Vorab-Präventivkrieg zum bevorstehenden direkten Präventivkrieg gegen den Iran: Mithilfe des Libanonkriegs wollen die USA & Israel ihre Ausgangsposition im Krieg gegen den Iran optimieren. Man beachte: Im Folgenden geht es nicht um die Moral des Libanonkrieges, nur um dessen rationale Erklärbarkeit, d.h. seine Verstehbarkeit. (Zur Moral siehe den Telepolis-Artikel Ein Recht auf Notwehr? von Bettina Köthke vom 26.07.2006. Zu der hier vorausgesetzten Prämisse, wonach „Bomben auf den Iran?“ keine offene Frage mehr ist, siehe meinen eigenen Telepolis-Artikel vom 18.01.06.) „In a sense, the preparation (for the Lebanon assault) began in May 2000, immediately after the Israeli withdrawal when it became clear that the international community was not going to prevent Hezbollah from stockpiling missiles and attacking Israel. By 2004, the military campaign was scheduled to last about three weeks … and, in the last year or two, it's being simulated and rehearsed across the board.“ (So Gerald Steinberg, Senior Research Associate am BESA Center for Strategic Studies; zitiert nach Stephen Lendman, The Crime of Lebanon and Palestine. Are Iran and Syria Next?, 24.07.06: www.informationclearinghouse.info/article14169.htm ) „More than a year ago, a senior Israeli army officer began giving PowerPoint presentations, on an off-the-record basis, to U.S. and other diplomats, journalists and think tanks, setting out the plan for the current operation in revealing detail. … It is a long-planned war to increase Israel's ascendancy over Hizbullah and its patrons.“
(Zitiert nach War Times, info@war-times.org 30.07.06, 23:27) Und Wesley Clark, der US-General, der 1999 den NATO-Angriff auf Serbien-Montenegro dirigiert hatte, berichtet in seinem Buch Winning Modern Wars, 2003, dass im Pentagon schon im November 2001 an einem Fünf-Jahres-Plan gearbeitet wurde, der insgesamt Kriege gegen sieben Länder vorsieht: „beginning with Iraq, then Syria, Lebanon, Libya, Iran, Somalia und Sudan“ (S. 130). Diese Frage der LVZ (Leipziger Volkszeitung) vom 25.07.06 beantwortet Ilan Mor, stellvertretender Botschafter Israels in Deutschland, mit einem klaren: „Ja, davon bin ich überzeugt.“ (Zitiert nach dem Newsletter der Botschaft des Staates Israel – Berlin, vom Mittwoch, 26. Juli 2006: newsletter@berlin.mfa.gov.il )
Der Christian Science Monitor (01.08.06) bringt es perfekt auf den Punkt:
Mit anderen Worten: Die Gefangennahme der zwei Soldaten war nicht Kriegsgrund, vielmehr lediglich der – allenfalls für die ersten Tage als ‚medialer Grund' nutzbare und vielleicht (vgl. 1.1 oben) gar willkommene – Auslöser für den bereits vorher feststehenden Krieg. „Denn die Hisbullah hat sich mit Hilfe Irans und Syriens im Südlibanon immerhin als Staat im Staat etabliert. Es musste also eine adäquate Antwort auf diese Herausforderung geben.“ Auch das allein klingt aber unglaubwürdig: Israels Armee vernichtet zur Zeit weniger die Hisbullah als den Libanon selbst. Die Zerstörung des Libanon – ein „adäquates“ Mittel, um seine Souveränität wieder herzustellen? Das wäre nicht weniger absurd als die US-Strategie aus dem Vietnamkrieg, Dörfer durch deren Zerstörung vom Vietkong zu ‚befreien'. (i) „Israel hatte damals 1982-2000 das Risiko, vom libanesischen Territorium aus bedroht zu werden, reduziert, aber nicht vollständig beseitigt“.
(ii) „Heute haben wir … eine veränderte Situation – dahingehend, dass das Verständnis für die israelische Politik gewachsen ist. Nach dem 11. September verstehen viele europäische Regierungen – die amerikanische ohnehin – , dass Israel nicht nur sein Recht auf Selbstverteidigung wahrnimmt, sondern dass es sich bei der jetzigen Aktion um klare Terrorismusbekämpfung handelt.“ Kriege gegen Terroristen, so heißt das im Klartext, unterliegen nicht den gleichen Beschränkungen wie normale Selbstverteidigungskriege. Das hat Europa im letzten Libanonkrieg noch nicht so gesehen. Jetzt – nach dem 11. September 2001 – ist das anders. Jetzt braucht sich Israel (auch aus europäischer Sicht) nicht mehr an die Beschränkungen zu halten, die schuld daran waren, dass nicht schon damals das Hisbullah-Bedrohungsrisiko möglichst stark minimiert werden konnte. Spekulationen, gewiß. Was aber nicht heißt, dass sie nicht auch zutreffen könnten. Wir werden es ja bald sehen.
Aus jedem dieser Punkte folgt der militärischen Logik zufolge ein weiteres „Also...“. Der Generaldirektor der IAEA wird aufgefordert, bis 31. August einen Bericht darüber vorzulegen, ob Iran eine „vollständige und dauerhafte“ Aussetzung vorgenommen habe. Für den Fall, daß Iran dem nicht nachkommt, bringt der Rat seine Absicht zum Ausdruck, „angemessene Maßnahmen“ nach Artikel 41 Kapitel VII der UN-Charta zu ergreifen. (FAZ, 01.08.06, S. 1.) Der Iran hält das für „nicht konstruktiv“ (a.a.O.) und lehnt diese Resolution ab (FAZ, 07.08.06, S. 1). Wir kennen das Procedere. Einige Wochen, vielleicht gar Monate werden mit ihm ins Land ziehen. Wieder wird der Anschein erweckt, den Mächtigen läge alles daran, den ultima-ratio-Fall zu verhindern; aber wieder könnte jeder, der sich für solche Dinge wirklich interessiert, erkennen, dass es darauf, ob der Sicherheitsrat einem Angriff auf den Iran zustimmt oder nicht, letztlich nicht ankommt. Die USA haben auch für den Iran-Fall schon mehrfach klar genug zu verstehen gegeben: Wir machen das notfalls auch alleine – auch ohne den Sicherheitsrat. Die USA haben ihre UN-Position – immer noch ohne explizite Zustimmung des Senats – entsprechend gut besetzt: Ihr Vertreter bei der UNO, John Bolton, ist zum einen deren entschiedenster Gegner und zum anderen zugleich einer der rührigsten Vertreter der Pro-Iran-Kriegs-Fraktion. Was auch immer die weiteren Kriegsziele Israels sein mögen, Israels Libanonkrieg ist in dem Maße bezüglich seines absolut vorrangigen Kriegszieles erfolgreich als dieser Krieg diese Bedingungen (a) und (b) realisiert.
Auch für diese Fragen dürfte die hier skizzierte Perspektive, die den Libanonkrieg als Vorbereitungskrieg für den bevorstehenden Irankrieg (Syrienkrieg inklusive) betrachtet, heuristisch von Nutzen sein. Vielleicht auch für die Fragen, die sich derzeit von selbst stellen:
Ob sich diese und weitere Fragen nun besser mit oder ohne den Iran-Kriegs-Kontext beantworten lassen, das möge jeder jetzt lieber selbst überprüfen. Wer versteht den Libanonkrieg? i: Natürlich kann es für die Erklärung des Libanonkrieges bzw. der jetzigen Kriegsführung mehrere solcher (miteinander verträglicher und sich gegenseitig verstärkender) erklärenden Kontexte geben. Von den in der obigen Hidden Agenda genannten ist im Iran-Kontext der letzte (Krieg gegen Syrien) wohl der relevanteste. (zurück) |
Palästina vor Neuwahlen – die Hamas gescheitert? von Diana al-Jumaili, 18. Oktober 2006 |
Sollten die Palästinenser in Kürze aufgerufen werden, ein neues Parlament zu wählen, dann hätten Israel, die USA, Europa und ihre lokalen Verbündeten ihr vorrangiges Ziel erreicht. Kaum waren die Hymnen auf die „freien, fairen und sicheren Wahlen“1 verklungen und der erste Schock über den Sieg der Liste „Veränderung und Reform“ (Hamas) überwunden, da begannen sie mit vereinten Kräften, den Sturz der gewählte Regierung vorzubereiten. Bis zuletzt weigerten sie sich, die Regierung als gewählten Repräsentanten des palästinensischen Volkes anzuerkennen. Und Israel könnte behaupten, die Palästinenser hätten ihre „Unfähigkeit“ „bewiesen“, einen eigenen Staat zu regieren und demokratische Strukturen aufzubauen. 1: Die Berichte der Wahlbeobachter sind auf der Internetseite www.elctions.ps abrufbar. (zurück) |
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