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Frühe Stücke
DER TEUFEL
Anis 10.11.98

Die Tagebücher verbrannt also. Tick.
Geschichte machen will er, Großes tun. Tack.
Seinen Spaß Tick will er haben, der Herr Tack.
In Afrika verhungern die Menschen. Tick.
Weißt du noch, Tack, ich bin's.
Dem du deine Träume erzählst
zum Rhythmus meiner Uhr. Hab' alles gut gehört.
Tick Tack Tick Tack, was haste schon zu bieten?
Nicht einmal den Moment.
Geschichte machen kann man nicht alleine.
Ob du dir vorstellen kannst, Tick
jetzt die andere Seite...Tack -
aber ich glaube nicht, mein Freund.
DER TEUFEL (2)
Anis 11.11.98

Ha ha, du hast es schon wieder gemacht.
Erst habe ich gesagt, daß ich meinen Nachbarn
erschlagen habe, dann schnell weitergegessen
deine leckere Suppe. Sind da eigentlich Rosinen drin?
Und du hast nichts gesagt. Genau wie neulich,
als du es nach drei Stunden bemerkt hast.
„Sag mal, wie meintest du das eigentlich?“
Ich habe immer gut lachen, wenn's zu spät ist.
Verwässert ist.
Nein nein, mein Schatz, die Frage muß lauten:
Was fühlst du für mich? Sie heißt:
Wie geht deine Welt? Oder auch schlicht:
Wie funktionierst du?
Und ich werde natürlich antworten:
Ich lieb dich, wieso? Und du bist
so schlau wie vorher. Denn hier fängt's erst an.
STEINBRUCH
Anis 1993

'Because I do not hope to turn again, Because I do not hope, Because I do not hope to turn.' Die Trümmer, die aus dem Traum ragen; die Trümmer, sie versperren die Trümmer, sie versperren den Weg. Ich klettere auf den Trümmern, die den Trümmern, die den Weg versperren, klettere bis nach ganz oben, stopfe dort meine Pfeife, rieche das salzige Meer. An den Garten denke ich, er muß schon fast verwildert sein, der Garten, an den ich denke, während ich die Pfeife rauche, auf den Trümmern sitzend, die den Weg versperren. Dann denke ich an die achtzehn Fäden, die ich wieder durch den Tag legen werde, durch den Weg, durch die Trümmer. Achtzehn Fäden zeichnen achtzehn Furchen in den steinigen Acker, der schon morgen Friedhof ist. Und ich säe, und ich hole den Duft einiger junger Trümmer, einiger Blumen durch die Stunden zurück, die Stunden, die mich frisch herumreichen, mich sanft unter sich begraben: hello, hello, bye bye, au revoir - ein Wort oben in jeder Sanduhr, versteckt wie in einem chinesischen Glückskeks.

AN DER BUSHALTESTELLE
Anis 09/1990

Das zarte Dunkel zog sich viel zu schnell zurück.
Warmes Brot,
und auf der anderen Seite des Schaufensters
peitschte der Regen die Menschen in den Tag,
die lange Spur.
Und wieder gab es Zeitungen,
die dampfend vor den Männern standen.
In all der Ausweglosigkeit
das unvermeidlich Neue.
DIE STADT
Anis 30.06.90

Die Stadt an den vier Zipfeln nehmen,
hoch in die Luft, das ist fein.
Die Enden zusammenbinden
und in die alte Eiche hängen
im Morgengrauen.

Zwischen manchen Horizonten
Wüstenwind und Beduinen.
Sieh, sie winken uns zum Tee!
HINTER MEINEN AUGEN
Anis 1990

Hinter meinen Augen, baut ich mir ein Haus,
dort sitz ich in einfachem Tuche.
Schau leise in Welten der Falschheit hinaus,
seh Richter in Angst auf der Suche.

Der Mensch, der da richtet, der ist mir nicht gut,
Gesetze sind längst schon begraben.
Drum bin ich in Eile,
das Gift meiner Pfeile
ist Tinte und Blut,
und dann könnt ihr mich wiederhaben.
STILLE
Anis 16.12.89

Friesische Felder in klirrendem Schnee.
Einsamer Stumpf ragt schwarz aus dem Land.
Wenn er doch Arme hätte,
die Stille zu umfassen!
Schon weichen die letzten Vögel
gottweißwohin.
Die Rinde so hart und fest,
kein Liebesschwur in ihr verewigt.
Wie tief die Wurzeln reichen mögen!
NACHTS
Anis 11.12.89

Was mich um die Nacht bringt:
Der Sog, der die Kerzen löscht,
der Zug wirft keine Schatten.
Vielleicht fliegen unsichtbare Wolken
unter den Sternen im übervollen Himmel.
Dann die Stimme, wenn sie erschallt,
über die Berge rollt,
in den Bäumen stürmt,
durch die Täler fegt,
aus dem Meer aufsteigt.
Kaum merke ich es noch,
da umzingeln mich die gleißenden Fackeln.
Ruhe wünscht sich so mein Herz.
Laß es mich einst verstehen, was mich um die Nacht bringt.
WEIHNACHT
Anis 11.12.89

Eine Kugel verirrte sich im Wald,
schlug sich quer in die Büsche
und schoß den Vogel ab.
Weißt du, Mann,
wenn der knallbuntgeschmückte
Weihnachtsbaum so feurig funkelt,
die Zweige sich schützend über die Gaben ziehen,
wenn dann der Truthahn
rauchend auf den Tisch kommt,
dann fallen mir die seltsamsten Dinge ein.
DIE WÖRTER
Anis 11.10.89

Es war eines schönen langen Tages, als alle Wörter der Stadt gen Himmel stiegen - Radios, Schreie auf der Baustelle, Selbstgespräche, Fußballstadien, Ehekräche, Vorlesungen, Partys... Der Himmel wurde langsam schwarz davon, wolkenverhangen.
Abends sahen die tausend Augen still in die Höhe. Ein Rascheln, ein Keuchen, dann entlud sich der Äther tosend und ließ die Straßen zittern. Jemand, der nur Babylon verstand, bevor er zusammensank. U-Bahn-Schächte, überflutete, Schaufensterglas, splitternd zwischen heraushängenden Zungen. Tote Hunde.
Am nächsten Morgen hatte die Müllabfuhr allerhand zu tun. Viele kamen zu spät zur Arbeit, und lange noch diskutierten wir das Phänomen.

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