[Mohammad Bakri stimmt sich selbst und das Publikum mit einem palästinensischen Volkslied ein]
Willkommen Herr Doktor! willkommen Herr Doktor! wie geht es Ihnen? willkommen, willkommen Herr Doktor!
In meinem Namen und im Namen aller hier Anwesenden danke ich der Krankenhausdirektion
die uns in die glückliche Lage versetzt hat die Unabhängigkeit unseres Landes gemeinsam zu feiern und die mir erlaubt hat wie jedes Jahr als Conferencier das Festprogramm zu gestalten ...also los ...los – klatscht für mich!
Es war ein mal oh Ihr Hörer dieser Worte... ...doch eine Erzählung wird erst dadurch rund daß wir den Propheten erwähnen – Heil und Segen sei mit ihm - denn wollen wir nun reden oder etwa schlafen?!
Ich also bin Said ... Abu al-Nahs [„der Glückliche ... Vater des Unheils“] der PESSOPTIMIST und meine Ausweisnummer lautet 222 2222
Geboren wurde ich in den Tagen der Engländer und mein Vater und Churchill waren richtige Busenfreunde aber als mein Vater dann merkte daß Churchill nicht mehr lange bleiben will da hat er sich schnell mit Herrn Jakob Safsarschek angefreundet und bevor er dann gestorben ist – also mein Vater – da hat er mir noch gesagt „Wenn dir die Zeit übel mitspielt, oh Said dann gibt es nur den Herrn Safsarschek der die Dinge wieder ins Lot bringen kann für dich!“ und das hat er auch getan der Apfel fällt ja nicht weit vom Stamm und so bin ich hier – und Ihr auch und Ihr seid hier – und wir auch ich bin zwar unsichtbar aber doch nicht verschwunden weil ich nicht wichtig bin ich bin einfach nicht wichtig genug ich bin ja kein großer Führer und noch nicht mal ein Bürgermeister ich bin nur der Kellner und überhaupt nicht wichtig aber ohne mich gibt es auch kein Essen denn ich bin der der aufträgt und wieder abträgt und während die anderen mampfen warte ich und schaue zu... ich geh' und ich komm' ich trage auf und trage ab während du darauf wartest schließlich will ich ja auch nur leben...
Ich bin zwar verschwunden aber nicht tot sondern ich habe die Wesen aus dem All getroffen die sich ‚slow motion' bewegen und jene waren es, die mir sagten daß ich zwar bei euch bin aber doch nicht anwesend daß ich zwar unsichtbar bin aber doch nicht verschwunden ...ist dies also ein Wunder??
In Wirklichkeit begann mein ganzes Leben in Israel mit einem Wunder denn während der Ereignisse von '47 als mein Vater und ich zusammen auf dem Esel also auf unserem Volks-Mercedes nach Akka hinunter ritten klack klack – klack klack – klack klack und fast die Gleisstrecke erreicht hatten tack – tack – tack – tack – tack da wurde auf uns geschossen worauf mein Vater tödlich getroffen vom Esel fiel und ich mich hinter dem Esel versteckte der auch erschossen wurde nur ich kam davon... und deshalb habe ich mein ganzes Leben in Israel eigentlich einem Esel zu verdanken!
Nun, nomen est omen... so geht meine Herkunft auf eine zypriotische Tänzerin zurück aus Aleppo die von dem Mongolen-Herrscher Tamerlan nicht abgeschlachtet wurde auf jener Schädelpyramide die unten 20 Kilometer lang war und 10 Meter hoch da war einfach kein Platz mehr für ihren Kopf und deshalb hat er sie mit einem seiner Reiter nach Bagdad geschickt damit sie dort badet und auf ihn wartet – ich weiß aber nicht wozu – doch kaum war der Reiter eingeschlafen als sie mit einem Beduinen aus dem Stamm der Tuwaisat durchgebrannt ist der Abdschar hieß und dieser Abdschar der war mein aller erster Großvater aber dieser Abdschar hat sich von ihr scheiden lassen als er sie bumm – bumm – bumm – bumm – bumm – bumm mit einem anderen erwischt hat aus dem Dschiftitlek-Tal der Raghif ben Amra hieß und der wiederum hat sich in Bi'r al-Saba' von ihr scheiden lassen als auch er sie bumm – bumm – bumm – bumm – bumm – bumm mit einem anderen erwischt hat - aber keine Ahnung wie der hieß – und so haben sich jedenfalls unsere Großväter von unseren Großmüttern scheiden lassen bis Israel entstanden ist und damit das erste Unglück über uns hereinbrach The Big One 1948 und danach kamen dann alle diese kleinen Unglücke – The small Nahses – deren letztes Oslo war... jedenfalls hat sich unsere Familie damals zerstreut in all den arabischen Ländern die um Israel herumliegen und die Israel bislang noch nicht besetzt hat aber vielleicht passiert das ja doch noch... hoffentlich, oh Gott!
Ich habe einen Cousin in Jordanien der wurde Minister für Feuerzeuge er hat dem König solange die ‚King Size' Zigaretten angezündet bis er zum Minister für Feuerzeuge ernannt wurde. und wir hatten auch einen Hauptmann in Syrien und einen Leutnant im Irak und einen Major im Libanon doch der starb an einem Herzinfarkt als die Intrabank Konkurs machte. Und sogar der erste Araber den Israel als Vorsitzenden der Kommission zur Vermarktung von Löwenzahn, Kresse und Petersilie im Oberen Galiläa eingesetzt hat stammt aus unserer Familie obwohl gesagt wird seine Mutter sei eine geschiedene Tscherkessin gewesen.
Meinem Vater gegenüber – Gott habe ihn selig – war der Staat Israel jedenfalls sehr verpflichtet schon bevor er entstand was auch Jakob Safsarschek nicht vergessen hatte denn als mein Vater gemeinsam mit dem Esel erschossen wurde – Gott sei beiden gnädig – da habe ich mich am Meer entlang nach Akka aufgemacht.
Das Meer ist groß, oh Käpt'n das Meer sind Berge aus Menschen und seine Ufer Schüsse und Verrat und voll beladene Schiffe das Meer ist groß und trügerisch und die Neffen und Cousinen auch und ertrunkene, ertrunkene, ertrunkene Kinder...
In Akka fand ich die Menschen nur mit ihrer eigenen Haut beschäftigt worauf ich meine Haut in den Libanon rettete wo ich sie zu Markte trug und davon lebte bis ich nichts mehr zu verkaufen hatte und da haben sie mich gestichelt und verhöhnt im Libanon und mir gesagt oh du Flüchtling der du dein Land verraten hast! oh du Flüchtling der du dein Land verraten hast! da sagte ich mir, Junge eig'ner Herd ist Goldes wert du kannst dich nur noch wieder nach Israel zurückschleichen.
Und so, liebe Leute traf ich mich in Tyros, im Libanon mit Doktor Adel dieser Doktor Adel gehörte zu den Arabischen Rettungstruppen die uns '48 errettet haben und die bis heute noch immer dabei sind uns zu retten dieser Doktor Adel war jung langgewachsen und gutaussehend und konnte sich später sogar einen Goldzahn leisten seine Praxis war im ‚Tal des Kreuzes' damals in Palästina und alle Mädchen aus Haifa kamen zu ihm in seine Praxis ‚including my sister' und als ich erfuhr daß er zu den Rettungstruppen gehörte da sagte ich ihm – ich will mich nach Israel hineinschleichen worauf er mich fragte – kannst du ein Geheimnis bewahren? – na klar, Mensch, sagte ich darauf sagte er – dann hüte deine Zunge – weil die so vorwitzig ist! und ich antwortete – dann schneide ich sie ab! und so, liebe Leute setzten wir uns in das Auto vom Doktor Adel ich saß neben ihm und meine Schwester auf dem Rücksitz ich sah immer wieder daß der Doktor Adel am Rückspiegel herumspielte als ob der schief wäre aber ich tat so, als würde ich nichts sehen und als wir bei Tarschiha ankamen verschwand gerade die Sonne und die Dorfbewohner verschwanden auch.
Haaalt, Stop! Soldaten, halt – halt... wir hielten an keine Ahnung was Doktor Adel mit ihnen redete – keine Befehle, keine Befehle er holte Ihnen eine Karte aus seiner Tasche da haben sie salutiert und er beschimpfte sie und lachte und sie lachten und beschimpften ihn während ich mir vor Angst fast in die Hosen machte.
In jener Nacht schliefen wir in Mi'lija bei Leuten Freunde vom Doktor Adel ganz frisch verheiratet – woher ich das wußte, daß sie frisch verheiratet waren? na, die kuckten sich immer so an soo... jedenfalls wachte ich frühmorgens auf – bei Gott, oh Leute – durch Geflüster aus dem Bett vom Doktor Adel ich hörte eine Frauenstimme und bekam einen Riesenschreck ich hörte sie sagen mach dir keine Sorgen, mein Mann wacht jetzt noch nicht auf da war ich beruhigt und schlief wieder ein meine Schwester hatte ja gar keinen Mann...
Am nächsten Tag aßen wir in Abu Sinan zu mittag im Haus des Vaters von dem der jetzt noch nicht aufwacht und nach dem Mittagessen mieteten sie mir einen Esel auf dem ich dann bis Kufr Jassif geritten bin und auf dem Rücken dieses Esels im August 1948 wurde ich genau 24 Jahre alt Happy Birthday to you Happy Birthday to you Happy Birthday Happy Birthday Happy Birthday, oh Said. pussssst…..
In Kufr Jassif habe ich die Leute gefragt und die zeigten mir das Büro des Militärgouverneurs der in jenen Tagen in der Yenni Oberschule untergebracht war da bin ich hoch, auf dem Maulesel oder dem Esel drei Stufen bin ich hinaufgeritten da rasten die Soldaten heran und rissen ihre Waffen hoch – runter von deinem Esel! – ich bin Said Abu Nahs, der Pessoptimist und ich steige erst ab an der Schwelle von Herrn Safsarschek – Runter vom Esel du Esel! – Mein Vater ist der Freund von Herrn Safsarschek – Verflucht sei dein Vater und der vom Safsarschek – Steig ab von deinem Esel ich bin Abu Ishak, der Militärgouverneur Ich stieg also ab und sah mir den Militärgouverneur Abu Ishak genauer an und sah, daß er kürzer war als ich, sogar ohne die Eselsbeine worüber ich mich richtig freute Schadenfreude ist ja die größte Freude und dann setzte ich mich auf eine Schulbank während er am Telefon herumbrabbelte wovon ich aber nur zwei Wörter verstand: Safsarschek und Al-Nahs. Mal was zwischendurch – ihr wißt doch wohl was PESSOPTIMIST heißt? Also Pessoptimist besteht aus zwei Worten aus Pessimist und Optimist und dieser Begriff Pessoptimist wurde uns angehängt ab dem Tag als sich die erste in unserer Familie scheiden ließ jene zypriotische Tänzerin meine aller erste Großmutter, von der ich euch ja schon erzählt habe. Also zum Beispiel ich wenn ich morgens wach werde dann preise ich Gott, daß er nichts nächtens während ich schlief meine Seele eingefordert hat und wenn mir tagsüber etwas schlimmes passiert dann preise ich Gott dafür daß nicht etwas noch viel schlimmeres passiert ist und auch meine Mutter – Gott habe sie selig – gehörte zum Stammbaum der Pessoptimisten und von ihr stammen wir alle ab. Mein Bruder – Gott erbarme sich seiner – der arbeitete im Hafen von Haifa er arbeitete am Kran und eines Tages da hat ihn der Kran erfaßt und auf die Wellenbrecher geschmettert sie haben ihn dann stückweise eingesammelt in einer Decke und uns gebracht dabei war er gerade mal einen Monat frisch verheiratet na ja, wir haben ihn also begraben und die Leute kamen zum kondolieren denn die Araber lieben dich ja ganz besonders wenn du erst einmal tot bist und was machte meine Mutter? die schlug ihre Hände übereinander und rief: – gepriesen sei Gott! oh Dank Dir, Gott daß es so gekommen ist und nicht noch schlimmer worauf die Witwe meines Bruders sie anschrie: – und was bitteschön sollte denn noch schlimmer kommen als das was passiert ist du alter Unglücksrabe? – daß du ihm davonläufst während er noch am Leben ist du Kohlenstück! und tatsächlich ist sie dann zwei Jahre später abgehauen mit einem aus Ailaboun aber es stellte sich bald heraus daß der impotent war während meine Mutter immer wiederholte – gut daß es so gekommen ist und nicht anders! Nun, was sind wir also? Optimisten oder Pessimisten? Wir brauchen uns darüber aber nicht zu streiten... Doch zurück zu Abu Ishak dem Militärgouverneur
der mit seinen Telefongebrabbel fertig war mich neben ihn in seinen Jeep setzte und Vollgas gab. Bei Gott, liebe Leute, bevor wir Akka erreichten also in der Nähe von Al-Makr da trat Abu Ishak plötzlich so in die Bremsen daß der aufgewirbelte Staub die ganze Gegend vernebelte sprang aus dem Jeep und zog seine Pistole... und während sich der Staub langsam wieder senkte sah ich zwischen den Sesam-Ähren eine Frau die da hockte und in ihren Händen ein kleines Kind hielt und beide kuckten mit großen, großen Augen – woher kommst du? sprich, oder ich erschieße dich! und, liebe Leute er richtete wahrlich die Pistole auf den Kopf des Kindes worauf in meinem Kopf keine Vernunft mehr blieb und ich am liebsten aus dem Wagen gesprungen wäre und ihm umgebracht hätte aber ich traute mich nicht – woher kommst du? – ich bin aus Birwa, oh Herr – und du willst nach Birwa zurück... – ja, oh Herr... ja, oh Herr ich habe niemanden mehr auf der Welt, mein Herr wo soll ich denn sonst hin, mein Herr? – habe ich euch nicht gesagt, daß es kein Zurück gibt? ihr kennt keine Ordnung, kein Gesetz
los, los, weg hier! Die Frau stand auf und nahm ihren Sohn an die Hand und verschwand gen Osten während die Sonne unterging die Frau und ihr Sohn liefen und entfernten sich
aber je weiter sie sich entfernten um so größer wurden sie je weiter weg um so größer und wurden größer und größer und größer bis sie mit dem Kopf an den Himmel stießen und in meinen Augen die Welt schlagartig dunkel wurde und so bekam ich das erste Signal von den Wesen aus dem All – wann werden die endlich für immer verschwinden? das war Abu Ishak und ich dache, er fragte mich aber er redete nur mit sich selber und dann trat er das Pedal durch bis nach Akka. Akka, mein Liebling Akka Akka war meine Mittelschule und Yu'ad meine erste Liebe Laß wandern dein Herz wohin es will vor Sehnsucht die wahre Liebe nur dem ersten Geliebten gilt Wie viele Heime der Jüngling auch auf Erden findet sein Sehnen doch nur dem ersten Heime gilt Wie ich mich in Yu'ad verliebt habe? Yu'ad fuhr immer zusammen mit uns im Zug der um halb Sieben von Haifa nach Beirut losfuhr sie lernte in der Mädchenschule von Akka nahe dem alten Stadttor, im oberen Stockwerk und ich lernte in der Jungenschule von Akka. Sie stieg jeden Tag in den Zug aus Haifa
stieg ein mit gesenktem Blick und stieg aus mit gesenktem Blick nicht so wie die Mädchen heute mit so einem frechen Blick. Sie stieg immer ein und setzte sich in den letzten Wagen ich also sofort dort rein und setze mich ihr genau gegenüber ich kucke, sie kuckt ich lächle, sie lächelt und es dauerte nicht lange bis sie mir eines Tages sagte komm, übersetze mir mal dieses Wort aus dem Englischen... also ich war ‚something, something' in Englisch wirklich ganz, ganz gut aber gerade dieses Wort kannte ich nicht und wurde rot vor Scham aber sie kuckte nur auf und meinte macht doch nichts, setz dich und ich setzte mich und von jenem Tag an saß ich neben ihr hin und zurück Haifa – Akka und Akka – Haifa hin und her im Zug wir verliebten uns heftig
und sie sagte, sie liebt mich weil ich so lustig bin und so hoch lachen würde also in Hocharabisch weil ich so kichern würde... nun, jedenfalls war da ein Junge aus meiner Klasse einen schlimmeren Griesgram hat Gott wohl niemals erschaffen der war gehässig und ganz schlimm eifersüchtig und der verpetzte uns beim Direktor der Mädchenschule in Akka worauf der Direktor der Mädchenschule in Akka einen Express-Brief schrieb an den Direktor meiner Schule – Gott habe ihn selig – also an Herrn Raouf und Herr Raouf sammelte alle Schüler die im Zug nach Haifa fuhren und hielt uns eine Ansprache – Haifa, Akka... und dazwischen liegt ein Meer! was dir, oh Sohn des Unheils in Haifa erlaubt sein mag das ist dir in Akka verboten denn Akka ist eine konservative Stadt schon seit Saladins Zeiten! In diesem Moment erinnerte ich mich an den berühmten Reisenden Abu al-Hassan Mohammad ibn Ahmad ibn Djubair al-Kinani al-Andalusi al-Schatibi al-Balanisi das war einer der mal zwei Nächte in Akka verbracht hat zur Zeit des Saladin und dann über Akka schrieb daß es triefen würde vor Gottlosigkeit und Gewalt und voller Schmutz und Unrat sei und ich erinnerte mich an meinen Großvater dessen erste Frau abgehauen war und von der er uns erzählte als wir noch klein waren daß sie das nur gemacht hätte weil sie aus Akka war. Und deshalb stellte ich mich von Herrn Raouf und sagte – Herr Raouf Yu'ad ist aber nicht aus Akka Yu'ad ist aus Haifa worauf er mich am Ohr packte aus der Klasse schmiß
und einen Brief an ihre Familie schrieb worauf die überhaupt nicht faul mir einige ihrer Cousins vorbeischickten die mir am Bahnhof eine ordentliche Abreibung verpaßten so daß ich ziemlich angeschlagen im Zug weg fuhr doch meine Liebe zu Yu'ad verdoppelte sich nur aber Yu'ad tauchte nicht mehr auf und ich habe sie nie wieder gesehen aber sie blieb im Herzen meines Herzens sie blieb im Herzen meines Herzens sie blieb im Herzen, im Herzen, im Herzen meines Herzens. Traraaaa..... Doch zurück zu Abu Ishak
dem Militärgouverneur Abu Ishak nahm mich also mit an die Westküste an den Strand aber nicht an den von San Fransisco sondern in das Polizeihauptquartier das an der Westküste von Akka liegt und übergab mich dort einem Polizeioffizier und dieser Offizier war ein Aschkenasi – kannst du hebräisch? – ich… ich kenne niemanden in Akka außer Herrn Raouf meinen Schuldirektor irgendwas haben sie dann herumgeflüstert der Ashkenasi-Offizier und Abu Ishak und schließlich brachten sie mich zur Al-Djazzar Moschee und als wir bei der Al-Djazzar Moschee angekommen sind war es schon Nacht mit einem großen Vollmond. Abu Ishak nahm mich mit hoch die Treppen der Moschee
bis wir vor dem nördlichen Eingang der Moschee standen wo Abu Ishak drei mal klopfte worauf ich Bewegungen von Menschen in der Moschee hörte und dann ein kleines Mädchen das weinte und dem jemand den Mund zuhielt dann hörte ich schlurfende Schritte die sich dem Tor näherten das Tor öffnete sich knaaarrrrrrz – der Friede sei mit euch – da ist noch einer, mein Herr der seine Anwesenheit um sieben Uhr morgens im Polizeihauptquartier nachweisen muß – der Friede sei mit euch – und mit euch hinein mit dir, Said – Herr Raouf!? der Direktor meiner Schule...? ich bin Said, Herr Lehrer und mein Vater hatte euch gebeten in aller Güte auf mich acht zu geben – meine Güte reicht weit, mein Sohn komm in meine Obhut – und deshalb hast du mich von Yu'ad getrennt – Haifa – Akka – Meer... sagte ich mir im Stillen aber er hat es nicht gehört – los, kümmert euch um eure eigenen Sachen, Leute – das ist einer von uns doch die Menschen im Innern der Moschee begannen sich um mich zu sammeln und kamen aus allen Ecken – der Friede sei mit dir – und mit euch – woher kommst du? – wie konntest du hierher gelangen? – vielleicht ist er ein Spion? – aus welchem Ort bist du, Bruder? – hütet euch! – hütet euch vor ihm – ach nein, Leute, er ist ein Junge noch kaum erwachsen – wir sind aus Kuwaikat, das zerstört wurde und dessen Bewohner vertrieben wurden hast du jemanden aus Kuwaikat gesehen, mein Lieber? – ich bin aus Manschija wo kein Stein auf dem anderen geblieben ist hast du vielleicht jemanden aus Manschija gesehen? – wir sind aus Ammaa , das verbrannt wurde und dessen Öl sie verschüttet haben hast du irgend jemanden aus Ammaa gesehen? – Ich bin aus Birwa , von dem nur noch die Kirche steht hast du niemanden aus Birwa gesehen? – doch, ich habe eine Frau mit einem kleinen Jungen gesehen die sich zwischen den Ähren des Sesams versteckten bei Al-Makr und Abu Ishak hat sie vertrieben. Die Menschen in der Moschee begannen sich zu fragen wer diese Frau wohl gewesen sein mag und haben vierzig oder fünfzig Namen aufgezählt Mutter von diesem, Mutter von jenem bis plötzlich ein alter Mann der in einer Ecke saß und sich eine Zigarette drehte laut sagte – das war Umm Al-Birwa , Leute die Mutter von Birwa .
Ich rufe im Namen des Herrn, des Gewaltigen des Einen, des Lebenden, des Allmächtigen oh mein Segen, oh mein Gut sie bombardierten, bombardierten Kuwaikat oh mein Segen, oh mein Gut und dann war auch Birwa an der Reihe oh mein Segen, oh mein Gut Deir Al-Kassi ist verschwunden doch nicht vergessen oh mein Segen, oh mein Gut und Zieb Al-Zieb , das fraß der Wolf oh mein Segen, oh mein Gut Sahmata und Al-Safsaaf sind verschwunden oh mein Segen, oh mein Gut und Mi'aar , was warst du ein schöner Ort oh mein Segen, oh mein Gut und so weiter – und so fort... oh mein Segen, oh mein Gut was soll ich da bloß alles aufzählen... oh mein Segen, oh mein Gut das waren nur einige, ganz wenige unserer Dörfer die '48 alle zerstört wurden.
– Herr Lehrer! was machen Sie denn hier, mein Herr? – ich sammle die Zerstreuten, mein Sohn und die Wahrheit ist, mein Sohn daß sie wirklich unsere Dörfer zerstört und die Bewohner vertrieben haben aber in ihren Herzen ist Mitleid wie es unsere Vorfahren von deren Besatzern nicht erleben durften – bei Gott, Ihre Worte sind wie Honig aber wie meinen Sie das, Herr Lehrer? erklären Sie es mir – nimm ein Beispiel, mein Sohn wie ich es euch auch im Geschichtsunterricht beigebracht habe als der verdammte mamelukische Führer Kalawun die Stadt Akka besetzte da hat er zweitausendsechshundert Köpfe rollen lassen und deshalb wurde dieser Führer auch als der ‚Tausender' bezeichnet – aha, also daher kommen die ‚Aluf' die Tausender-Grade in der israelischen Armee, Herr Lehrer? – um Gottes Willen, aber nein, mein Sohn der Tausender-Grad kommt von dem Führer der Eintausend in der Thora denn dies hier sind keine Mameluken sondern Rückkehrer in ihre Heimat nach einer Abwesenheit von zweitausend Jahren – was für ein erstaunliches Erinnerungsvermögen sie haben müssen Herr Lehrer – sie sind gekommen, mein Sohn sie sind gekommen.
Plötzlich hörten wir Schläge an dem Tor der Moschee und eine Stimme von außen, die rief: – alle rauskommen und in die Dörfer zurückgehen alle rauskommen und in die Dörfer zurückgehen nur Said und der Lehrer nicht.
Im Innern der Mosche begannen die Leute hin und her zu hasten und die Schukria die Frau die ihre Tochter erstickt hatte als sie ihr den Mund zuhielt hob ihr Mädchen auf und wollte aus dem östlichen Tor verschwinden in Richtung des dunklen Bazars – wohin gehst du? – morgen begrabe ich sie neben meiner Mutter und dann verlasse ich mich auf Gott, mein Bruder einige der Leute flüchteten aus dem südlichen Tor – he, wohin verschwindet Ihr denn sie wollen uns doch in unsere Dörfer zurückbringen – laß uns los, Bruder jene die unsere Dörfer zerstört haben wollen uns nicht wieder dorthin zurückbringen -und wir haben auch keinen Jakob Safsarschek der sich um uns kümmert, wie bei dir los Leute bevor sie uns alle abschlachten... und diejenigen, die in der Mosche blieben traten aus dem Haupttor heraus und trugen ihre Kinder und ihre Habseligkeiten unten warteten Soldaten der israelischen Verteidigungsarmee die packten alle auf Lastwagen und haben sie irgendwo im Norden abgeladen und bis heute sind sie noch dort im Norden. Flüchtlingslager im Libanon und in Syrien.
Herr Raouf und ich blieben alleine in der Moschee zurück du hättest eine fallende Nadel hören können – los, geh schlafen, mein Sohn – ich bin aber nicht müde ich fühlte mich eigentlich ganz froh so alleine während die Menschen umherirrten und wer noch nicht umherirrte dem halfen die Soldaten dabei, umherzuirren nur ich blieb alleine und standhaft in meiner Heimat und das alles wegen Jakob Safsarschek dem Freund meines Vaters? ist der etwa ein Zauberring? oder Aladains Wunderlampe?
Doch es gibt ein Geheimnis um meine Standhaftigkeit in meiner Heimat und ich bin bereit euch dieses Geheimnis zu verraten wenn mir jemand netterweise eine Zigarette gibt...
Was ist also das Geheimnis meiner Standhaftigkeit in der Heimat?
In unserer Familie ist es üblich nur geduckt herumzulaufen und den Kopf zwischen die Beine zu stecken fragt mich mal, warum? tja, keine Ahnung sie suchen vielleicht einen Schatz da unten zwischen ihren Beine der ihr ganzes Leben verändert... jedenfalls hatte ich einen Onkel Said – Gott hab ihn selig – der lebte zu Zeiten der Türken der ging einmal aus und hielt seinen Kopf... wo? na, zwischen die Beine gesteckt! er lief und lief und lief und lief und bumms! knallte er mit dem Kopf gegen eine alte Mauer und machte ein Loch rein er schaute es sich an bohrte noch etwas herum und blickte dann durch die Öffnung durch die er eine Treppe sah die in eine Höhle führte jedenfalls ging er schließlich diese Treppe hinunter und es war sehr dunkel.
So machte er sein Feuerzeug an und lief und lief und lief bis er ans Ende der Höhle kam wo er einige Gräber fand er öffnete eins und fand neben den Knochen schwere Halsreifen aus Gold die er in seine Unterhose steckte wo sich – oh Freigiebigkeit Gottes – noch viel Patz befand also öffnete er ein weiteres Grab und fand einen kleinen Schädel und eine Statue aus gegossenem Gold von Chan Möngke dem Bruder des großen Hülägü der an Durchfall starb während er das große chinesische Reich angriff doch vor Freude verlor mein Onkel sein Feuerzeug und es wurde stockfinster und er fand den Weg hinaus nicht mehr da rief und schrie er nach seiner Frau dachte wohl, sein Haus wäre direkt über ihm jedenfalls schrie er so laut daß ihn seine Frau tatsächlich hörte und er ihr sagen konnte wo er war er beschrieb ihr wie sie durch die Öffnung, die zur Höhle führt zu ihm heruntersteigen könne und beschwor sie beim Grabe ihres geliebten Vaters niemandem ein Sterbenswörtchen davon zu sagen nicht einmal seinem Bruder dem Sohn seiner eigenen Eltern und sagte ihr, sie solle ein Feuerzeug mitbringen und so begann seine Frau zu suchen fand aber weder Wand noch Loch ging daraufhin wieder nach Hause steckte ihren Kopf unter das Bett und begann nach ihm zu rufen – heeee! Said! – ja, wo bleibst du denn? – was für eine Wand? und was für ein Loch? – Gott möge das Grab Deines Vater verfluchen du schaffst es ja, das Meer auszutrocknen oh, Gott möge Unheil über den bringen der mir durch dich Unheil gebracht hat doch Morgenstund hat Gold im Mund ich werde meinen Weg schon noch finden und wehe dir... daß du bloß niemanden etwas davon erzählst! – gut, gut... und möge dein Glaube verflucht sein! Der Morgen kam, dann der Mittag und schließlich wurde es dunkel aber mein Onkel Said hatte noch immer nicht herausgefunden da bekam seine Frau Angst und erzählte es seinen Geschwistern die daraufhin loszogen um ihn zwischen ihren Beinen zu suchen sie hatten Angst davor es den offiziellen Stellen zu erzählen damit diese den Schatz des Chan Möngke nicht beschlagnahmen und so haben sie lange zwischen ihren Beinen herumgesucht seit der Zeit der Türken und während der Tage der Engländer bis dann Israel gegründet wurde und bis heute suchen sie ihn immer noch zwischen ihren Beinen
Genau deshalb suche ich nach gar nichts zwischen meinen Beinen ich weiß nämlich sehr genau was da zwischen meinen Beinen ist und so laufe ich herum die Beine auf dem Boden – aber den Kopf im Himmel und warte auf die Wesen aus dem All vielleicht kommen diese ja und holen mich und verändern mein ganzes Leben das nicht einmal eine Zwiebelschale wert ist denn was ist das Leben eines Menschensohnes von uns wert ohne ein Gramm Würde?
Jedenfalls, liebe Leute bin ich dann früh morgens aus der Djazzar Moschee raus und habe mich in den Gassen von Akka herumgetrieben ich lief umher, bis die Sonne unterging
da sah ich von weitem etwas leuchten und blinken an und aus an und aus und erinnerte mich sofort an das linke Auge meines einstigen Arabisch-Lehrers das auch immer an und aus ging als ich nämlich anfing, bei ihm Unterricht zu haben da dachte ich immer, daß er mich anblinzelt damit ich an die Tafel soll worauf er sagte zurück an deinen Platz, du Klotz ich stehe auf zur Tafel und er sagt zurück an deinen Platz, du Klotz... ich ging jedenfalls auf das Licht zu, das mich anblinzelte und war bald in Al-Fakhoura und das Licht, das ich gesehen hatte, war der dortige Leuchtturm – Said, oh Said! komm näher, komm her...
Aus dem Leuchtturm kam ein alter, hochgewachsener Mann größer als der Leuchtturm selbst in einem weißen und blauen langen Überwurf wie die Farbe des Mondlichts auf den Wellen er kam näher und ich ging näher er kam näher und ich ging näher und dann trafen wir uns auf der Mitte der zerstörten Mauer von Al-Fakhoura vor Angst wollte ich mich küssend auf seine Hände stürzen aber er streckte mir nur seine Hand hin an der ich mich festklammerte und zum aller ersten mal in meinem Leben
fühlte ich mich in Sicherheit – hast du mich nicht gesucht, Said? – ein ganzes Leben lang, oh Meister   seid Ihr nun also gekommen? – wir haben euch niemals verlassen, Said   wir warten nur darauf, daß ihr zu uns kommt   hm – also, was willst du, Said? – errettet mich, oh Meister! – vor wem denn?
Ich zog meine Hand aus der seinen und erinnerte mich an die Worte meines Vaters ich solle niemals jemandem vertrauen vielleicht hatte ihn der Militärgouverneur ja geschickt um mich auszuspionieren – wie heißt Du, Meister? – wir benennen uns niemals mit Namen aber wenn du magst dann kannst du mich den Erlöser nennen – gut, dann erlöse mich, Meister! – erlöse dich doch selber! also wenn dir dein Leben nicht gefällt das ‚nicht einmal eine Zwiebelschale wert ist' du aber nicht mutig genug bist um den Preis für deine Erlösung zu zahlen weil er so hoch ist dann erinnerst du dich an mich und kommst her? oh Schande ich schau mir die anderen an und werde sehr böse mit dir, oh Said! was fehlt dir denn? du stehst doch erst am Anfang deines Lebens und wirst dem Tod doch nicht entrinnen als daß du dich um dein Leben zu fürchten brauchst – ja-ja, gut dann gehe ich morgen nach Haifa und in die Heimat zurück, oh Meister was empfiehlst du mir zu tun? – mein Rat wird dir nichts nutzen aber ich will dir diese Geschichte erzählen: in einem der vielen Wälder Persiens lag zwischen den Bäumen eine Axt herum aber ohne Stiel, ohne Griff die Bäume hatten Angst und meinten da liegt eine Axt herum bestimmt nicht absichtslos! worauf das kleinste Bäumchen sich aufrichtete und sagte aber es gibt für uns nichts zu befürchten solange nicht euer Holz ihr Großen in ihr Loch eindringt... – hm, also das verstehe ich nicht ganz, Meister wann kann ich dich wieder sehen, oh Meister? – wann immer du willst, kannst du mich hier treffen – um wieviel Uhr? – wenn du zusammenbrichst, oh Said wenn du zusammenbrichst – oh Meister, oh Meister oh, oh Meister He, es ist ja schon hell und um sieben Uhr früh muß ich meine Existenz nachweisen auf dem Polizeihauptquartier... ich hockte mich also ab halb sieben davor und genau zwei Minuten vor sieben ging ich hinein und fragte nach dem Herrn Militärgouverneur worauf sie mich bei einer Tasse Tee bis um vier Uhr nachmittags warten ließen um vier kam dann ein blonder Soldat in einen Militärtransporter der Armee der völlig staubig und lehmverschmiert war und setzte mich neben sich und nahm mich mit nach Haifa zu Jakob Safsarschek dem Freund meines Vaters Er nahm mich mit zu Jakob der auf uns wartete in seiner Militäruniform – fang, fang, fang den Hut er küßte mich von hier und von hier drückte mir zehn Pfund in die Hand setzte mir symbolisch ein Käppchen auf und machte mich zu einem der ihren – fang, fang, fang den Hut nimm und freue dich, mein Auge nimm und freue dich, mein Auge dein Vater hat uns sehr gedient – fang, fang, fang den Hut und so begann ich Eselsfleisch zu essen also Mortadella-Würstchen aus den in den Dörfern hinterbliebenen und daraufhin geschlachteten Eseln ich habe Eselsfleisch gegessen ich habe Eselsfleisch gegessen im Restaurant vom Baron György – fang, fang, fang den Hut bis sie mir ein neues Haus fanden bis sie mir ein neues Haus fanden eines von den verlassenen arabischen... – fang, fang, fang den Hut Jakob hat mich dann als Arbeiterführer eingesetzt als Funktionär der Union palästinensischer Arbeiter die heute die Arbeiterpartei heißt also die Histadrut und er fand eines der arabischen Häuser für mich die verlassen waren im Nisnas-Tal eines dieser arabischen Häuser die sie zubetoniert hatten und als Besitztümer des abwesenden Feindes bezeichneten Rechush Natush ich wollte mein Haus ausstatten und bin also in die verlassenen Häuser hinein durch die verbliebenen Löcher von hier ein Tisch von da ein Stuhl von dort ein Kissen also, es gab da Häuser in die ich hinein bin liebe Leute da fand ich bereits gefüllte Kaffeetassen doch die Leute hatten keine Zeit mehr gehabt sie auszutrinken da trank ich den Kaffee und steckte mir die Tassen in die Taschen. Von Haus zu Haus habe ich mir ein Haus geschaffen worauf die Kommunisten sauer wurden und darüber in ihrer Zeitung schrieben – fang, fang, fang den Hut also in der ‚Union' worauf ich mich wichtig und bedeutend fühlte immerhin, die Kommunisten schrieben schließlich über mich! – fang, fang, fang den Hut Jakob hatte mich ja als Arbeiterführer eingesetzt wie ich Euch schon erzählt habe und nun schrieben sie in der Zeitung über mich ich fühlte, daß ich kein irgend jemand mehr war sie schrieben ja schließlich in der Zeitung über mich und da ergoß sich plötzlicher Mut in meine Adern wie ein Erguß von Bananen und Äpfel und Trauben und ich erinnerte mich an unser Haus am Rand von Haifa gleich gegenüber der katholischen Kirche. Ich schulterte also meine Angel nahm den Bus und kein Taxi – fang, fang, fang den Hut stieg dann aus dem Bus überquerte schnell die Schienen – besser als daß mich ein Zug überfährt ich verletzt werde und sterbe – und ging um nach unserem Haus zu schauen. Doch zuerst besuchte ich meine Tante Umm As'ad eine alte Frau und ziemlich kurzsichtig die immer die katholische Kirche fegte schon seitdem wir klein waren und tatsächlich fand ich sie noch immer dabei die Kirche zu fegen und sagte, Gott sei's gelobt ich stürzte mich auf ihre Hand um sie zu küssen doch sie dachte ich sei jemand vom statistischen Amt einer von jenen Beamten, die zählen was uns noch geblieben ist und die gezählt so falsch aussprachen so daß es wie gezähmt klang deshalb zog sie ihre Hand weg und sagte mir – ich bin schon gezähmt, mein Herr was wollt Ihr von mir? wollt Ihr mich etwa jeden Tag von neuem zähmen? ich bin schon gezähmt, gezähmt unser Vater Priester hat mich gezähmt verstehst ihr nicht, gezähmt, gezähmt! unser Vater Priester hat mich gezähmt hat das ganze Viertel gezähmt und das ganze Dorf – ich bin Said, meine Tante hast du mich denn schon vergessen? – welcher Said? – der Sohn des Unheils – Sohn des Unheils? oh, wo bist du, mein Liebling, wo? ich umarmte sie, damit sie mich fand – wie geht es deiner Mutter, Kleiner? und was macht die Milch panscht ihr sie immer noch mit Wasser? – unser Haus, Tante was ist mit unserem Haus passiert? – ist bewohnt, Kleiner – von wem? – von Juden – und kennst du sie? – Gott zerstöre ihre Heime die sind doch einer wie der andere – meinst du, sie machen mir auf wenn ich klopfe damit mir abschauen kann was aus unserem Haus geworden ist, Tante? – das weiß ich genausowenig wie du, mein Liebling komm, ich mache dir eine Tasse Kaffee – nein, nicht nötig vielleicht das nächste mal. Ich küßte die Hand meiner Tante Umm As'ad und ging, um mir unser Haus anzuschauen ich sah davor eine Wäscheleine hängen und so traute mich nicht hinein sondern tat so als würde ich am Meeresufer spazieren gehen und die frische Luft genießen
hin und her – hin und her bis eine Frau aus dem Haus trat und mich sah und irgend etwas mit irgend wem redete worauf ein Mann, wohl ihr Gatte aus dem Haus trat und zusammen mit seiner Frau die Wäsche abnahm also wirklich! gab es – bei Gott – je einen Mann der die Wäsche seiner Frau abnahm? das war bestimmt ein Plan wer weiß, was die da gegen mich vorbereiteten ich floh
ging schneller um noch den Bus zu erwischen auf der Straße sah ich jüdische Arbeiter – woher ich wußte, daß es Juden waren? na, die alle waren khakifarben gekleidet und ich wollte wissen wie spät es ist aber wie sagt man bloß auf Hebräisch wieviel Uhr ist es? ach ja, ma scha'a – ma scha'a? – acht
– acht? oh, acht ist ja auf deutsch...! jedenfalls ging ich in Richtung Nisnas-Tal und nahm mir fest vor Hebräisch zu lernen da half alles nichts
und tatsächlich, nach zehn Jahren hielt ich meine erste Rede in Hebräisch vor dem Bürgermeister von Haifa sie haben die Rede sogar aufgenommen und im Lokalblatt veröffentlicht worauf mich die Kommunisten wieder einmal beschimpften. [Ende des ersten Teils – Pause]
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[Der zweite Teil] Während eines Frühlings in den fünfziger Jahren ging ich angeln bei Djisr Al-Sarka am Meeresstrand und dieses Djisr Al-Sarka ist bei Gott ein seltsamer Ort denn dieses Djisr Al-Sarka und auch der Ort Al-Fredies haben standgehalten obwohl sie zu den kleinsten Ortschaften gehörten zwischen Haifa und Jaffa während Al-Teirah, Kafar Lam und Jabbaa Igzem und Sarfand und Umm Khaled das nördliche Jalila und das südliche Jalila Khirbat Al-Sababdeh und Khirbat Al-Burj Al-Tantoura, Kissaria, Ain Al-Hod und Ain Al-Ghazal und Zammarien während alle diese anderen Orte vom Antlitz der Erde verschwunden sind – nur nicht Al-Fredies und Djisr Al-Sarka . Al-Fredies blieb bestehen aus einem Grund der ‚in der Seele Jacobs verborgen' blieb wie es im Koran so schön heißt doch nicht etwa der des Jakob Safsarscheks dem Freund meines Vaters sondernd der von Jacob de Rothschild diesem geizigen englischen Millionär der Sichron Jaakov gebaut hat und die Bewohner von Sichron Jaakov sind alle Aschkenasim die aus Europa gekommen sind die haben Wein angebaut und an die arabischen Könige und Emire verkauft in der weiten arabischen Wüste und so blieb Al-Fredies bestehen wegen seinen Söhnen die in den Weinbergen gearbeitet haben von Sichron Jaakov wobei wir nicht böse sein dürfen auf die Araber von Al-Fredies die in den Weinbergen gearbeitet haben
denn wer hat die Straßen gebaut? und wer hat die Häuser gebaut? wer hat die Bunker gebaut und all die anderen Verteidigungsanlagen? wer hat die Baumwolle angepflanzt, geerntet und gesponnen und die Stoffe gewebt mit denen sich die arabischen ‚Herrschaften' der Dynastien Raghdan und Basman einkleiden konnten? wer hat denn in der berühmten israelischen Textilfabrik ATA gearbeitet außer den Arabern? es war sogar die Rede davon daß die Arabische Nationalunion aus dem Stoff von ATA eine einheitliche Kleidung schneidern wird für alle Teilnehmer der Arabischen Gipfeltreffen damit sich alle gleichen wie die Zähne eines Kamms denn kein Araber ist besser als ein Fremder außer...?! na, außer durch seine Monarchien und durch seine Kopfbedeckungen Kufija und Akal jene Symbole von Ritterlichkeit und Arabertum und wenn dann das arabische Blut in Wallung gerät was passiert dann wohl? gar nichts dann schimpfen sie nur auf all die ausländischen Importe nur nicht auf die Monarchien und die Kufija und nicht auf Kneipen, Flugzeuge und Autos Dollars und Fotos und Untertänigkeit Handküsse und Thronfolger Unterdrückung und Ausbeutung der Arbeiter Unmoral und Korruption im Zeitalter des Entblößens und des blinden Gehorsams so daß sie sogar sagen entblöße dich für den Krieg und opfere dich und entblöße dich für den Frieden und opfere dich und rufe: hoch lebe der König! Wer hat denn die Erde gepflügt und bepflanzt in Israel außer den Arabern die in Israel geblieben sind und die nie erwähnt worden sind in jenen Reden in denen herumgetönt wurde wir schmeißen sie alle ins Meer! Einmal, so hat Jakob mir erzählt gab es Streit unter den Aschkenasim von Sichron Jaakov ob man denn seine Frau am Sabbat vögeln darf oder ob dies Avoda ist, also Arbeit? ist es ein lustvoller Spaß – oder Arbeit? sie gingen also zum Rabbi und fragten ihn – Spaß oder Arbeit? der Rabbi dachte lange, lange nach – nein, das ist Spaß und erlaubt da sagten sie – und wie sollen wir das verstehen? und er antwortete – wenn das nämlich Avoda ist also Arbeit dann müßtet ihr die Araber aus Al-Fredies holen um diese Arbeit zu tun! Jakob und ich brüllten vor Lachen Jakob lachte, weil er die Aschkenasim nicht mochte und ich lachte um zu lachen und so blieb also Al-Fredies bestehen und wurde nicht zerstört... aber Djisr Al-Sarka ist eine ganz andere Geschichte denn als die Armee'48 dort einrückte um den Ort zu besetzen diese unbezwingbare israelische Armee... – also hat das eigentlich schon mal jemand ernsthaft probiert und sie tatsächlich nicht bezwungen?! – jedenfalls als die Armee in den Ort einrückte da war er völlig leer und die Armee dachte die Leute wären geflüchtet aber die waren gar nicht geflüchtet wißt Ihr wo die waren? die waren am Krokodilfluß um Fische zu fangen. Ich habe sie gesehen, wie sie in den Fluß hinabgestiegen sind kurz vor Sonnenuntergang und sich in Reihen aufstellten die Männer vorne und die Frauen hinten ihre Hände in das Wasser des Flusses streckten und zappelnde Fischer herauszogen alle machten das gleiche außer einem Mädchen einem blondem, mit blauen Augen diese stand alleine auf einem Felsen und fing keine Fische wie die anderen Dorfbewohner aber jedes mal wenn einer einen Fisch fing bebten ihre Lippen und ihre Augen füllten sich mit Tränen und in diesen Augen sah ich Verwirrung und Fremdheit und überschäumendes Leben und Rasse was mein Interesse für sie weckte doch als sie merkte, daß ich mich für sie interessiere tat sie so, als würde sie es nicht bemerken doch da war ein Junge aus Djisr Al-Sarka der sich immer neben mich setzte und hinuntertauchte wenn sich mein Angelhaken im Schlamm verfing um ihn wieder loszumachen den fragte ich – he, warum fängt das Mädchen da keine Fische wie die anderen aus dem Dorf? und er antwortete mir – kümmere dich nicht um sie, Mann die ist ein Flüchtling hier die ist aus Al-Tantoura das zerstört wurde und ihre Onkel wohnen hier bei uns aber die ist verrückt kümmere dich nicht um sie mal lacht sie, mal weint sie außerdem liest sie ständig Bücher kümmere dich nicht um sie ich fragte ihn wer diese Onkel sind die in Djisr Al-Sarka wohnen er solle das mal für mich herausfinden und in der darauf folgenden Woche am Samstag als ich zum Fischfang ging kam dieser Junge zusammen mit vielen, vielen anderen Kindern und alle fingen an Steine nach mir zu werfen also ging ich zurück nach Hause ins Nisnas -Tal sperrte mich in mein Zimmer ein und sagte mir Junge, wer kein Glück hat der sollte besser weder kommen noch gehen! du hast die aus Tantoura verloren genau wie du Yu'ad verloren hast. Und – bei Gott – während ich so völlig betrübt und vergraben da saß stürzte plötzlich Jakob herein, ohne an die Tür zu klopfen – was hast du in Djisr Al-Sarka gemacht? – Fische fangen, ist das verboten? – und was willst du von den Mädchen aus dem Ort? – he, ich wußte doch nicht daß das ein kommunistisches Mädchen ist! Jakob brach in schallendes Gelächter aus über mich und ich lachte auch über mich – es besteht keine Gefahr daß sich jemand als Kommunist entpuppt in so einem isolierten Ort hinter Sand, Dunkelheit und Spinnweben – was meinst du mit Spinnweben? – die sind alle eine einzige Sippschaft sie sind verbandelt und verwoben miteinander wie die Spinnweben – und das Mädchen aus Tantoura ? – sie heißt eigentlich Bakija und es besteht keine Gefahr denn ihre Onkel gehören zu uns. Er beruhigte mich jedenfalls daß sie sich nicht als Kommunistin entpuppen würde und versprach mir mich mit ihr zu verheiraten genau wie er mir zuvor versprochen hatte nach Yu'ad zu schauen jedenfalls habe ich Nachts nicht mehr geschlafen sondern bin los, um die arabischen Arbeiter aufzusuchen die in Haifa die Häuser bauten und die auch in den Häusern in Haifa schliefen ich weckte sie mitten in der Nacht und verabreichte ihnen eine Gehirnwäsche gegen die Kommunisten und wenn ich dann morgens eingeschlafen bin sind sie los zu ihrem Tagewerk. So ging die Geschichte bis zu den ersten Knesset-Wahlen '51 als Jakob plötzlich bei mir im Büro erschien – ich beneide dich, Sohn des Unheils ich beneide dich! – um was beneidest du mich? – die Kommunisten haben 16 Stimmen in Djisr Al-Sarka bekommen und unser großer Boß hat beschlossen dich hinzuschicken um den Baum der kommunistischen Partei mitsamt seinen Wurzeln auszureißen – und wie? – wir werden dich mit Bakija verheiraten! Und noch bevor ein Monat herum war verheirateten sie mich tatsächlich mit Bakija und in der Hochzeitsnacht... mach dich bereit, du Schöne, du Schmuckstück du Blume eines herrlichen Gartens tam-tiriram – tam-tiriran... steh auf und schau hinaus in den Salon wie es wohl deinem Bräutigam geht oh, du Licht, du Licht, du Licht meiner Augen... – Oh Liebling meines Herzens oh mein Leben... – warte mal, Said, ich liebe dich genau wie du mich liebst denn du bist meine einzige Hoffnung die mir auf der Welt verblieben ist aber ich muß dir mein Geheimnis verraten mein Geliebter: bei unserem Ort Tantoura inmitten einer Felshöhle im Meer ruht eine verschlossene Eisentruhe voller Gold das Gold meiner Mutter, meiner Großmutter und meiner Schwestern das mein Vater für uns versteckt hat und der mir auch sagte wo bevor er starb wir müssen es holen, mein Geliebter denn ich möchte nicht daß meine Kinder mit gebeugten Rücken aufwachsen, mein Geliebter ich habe mich daran gewöhnt in Freiheit zu atmen, mein Geliebter – he, was erzählst du da von wegen in Freiheit atmen, mein Geliebter... machst du dir keine Sorgen um den großen Boß mit der Sonnenbrille? oder um die Regierung? Und so hörte ich plötzlich daß es in diesem Land auch Leute gibt die keine Angst vor der Regierung haben oder vor den Leuten der Regierung doch bestimmt hat jeder von diesen Leuten irgendein Tantoura irgendwo und eine verschlossene Goldkiste schließlich habe auch ich jetzt ein Tantoura und eine verschlossene Goldkiste jedenfalls – um es kurz zu machen – schlief sie auf meinem Arm ein worauf auch dieser einschlief während ich nur an Tantoura dachte und an die Kiste... Doch ohne nun eine lange Geschichte daraus zu machen – obwohl die Geschichte wirklich recht lang war – wurde uns das Haus im Nisnas -Tal irgendwann zu klein und ich fand ein etwas besser geeignetes Haus am Hang in Schderot Hazionutin Haifa ich zahlte die Ablösesumme hatte nun aber nicht mehr genug Geld um einen Wagen zu mieten und so zog ich meine Sachen die ich aus den anderen verlassenen arabischen Häusern gezogen hatte Stück für Stück zu Fuß hinüber und – bei Gott – als ich da lief hielt plötzlich neben mir ein Wagen an und ein Mann stieg aus der wahrlich Unglücksbote hieß der zog einen Stift und ein Papier hervor und sagte – wir... er sagte ‚wir', dabei war er doch alleine... wir sind die Wärter des Eigentums der abwesenden Feinde Rechush Natush ich verstand aber nicht was Rechush Natush heißen soll – ich bin der Freund von Jakob – nein, nein, nein, ich will eine Bestätigung einen Beweis daß diese Sachen deine sind und nicht geklaut – mein Bruder wer und wann trägt denn jemand eine Bestätigung mit sich herum daß die Kleider, die er an sich hat seine Kleider sind und nicht geklaut? – nein, nein, nein, das ist Staatseigentum das ist Rechush Natush – aber lieber Onkel wir sind doch alle Rechush Natush! jedenfalls ließ er nicht ab von mir bis Jakob erschien und mich aus der Hand der Regierung befreite aber sicher fühlte ich mich doch nicht und fürchtete daß mich dieser Rechush Natush nicht in Ruhe lassen würde und jedes mal wenn es Nachts klopfte sprang ich erschrocken auf und sagte das ist jetzt der Rechush Natush! und nachdem mir meine Frau Bakija die Geschichte von Al-Tantoura und der Kiste erzählt hatte selbst wenn nur jemand von den Nachbarn anklopfte um uns zur Verlobung seiner Schwester einzuladen schreckten Bakija und ich auf – sie haben das Geheimnis entdeckt! – nein, haben sie nicht! – sie haben es! – nein, haben sie nicht! haben es, haben es nicht haben es, haben es nicht haben es, haben es nicht sie wurde jedenfalls schwanger und gebar einen Sohn und wollte den Jungen Fathi nenne, nach ihrem Vater – Gott habe ihm selig, dem Fathi – doch da kam der große Boß der mit der Sonnenbrille also der Schin Bet der Mossad und meinte – Fat'khi... Fat'h?! Nein! worauf wir sofort zum Innenministerium sind und den Jungen von Fathi, dem Eroberer zu Walaa, dem Loyalen gemacht haben und weil ich ja wußte daß die Geburtenbeschränkung bei den Arabern in Israel aus einem Gefühl der Loyalität gegenüber dem Staat entspringt haben wird außer Walaa auch kein weiteres Kind gezeugt denn wie das arabische Sprichwort schon sagt bedächtig bleibt unversehrt – und eilen heißt bereuen und so geduldete ich mich bis mein Sohn Walaa 14 Jahre alt wurde und schön wie ein Weidensproß. Ich nahm ihn mit an das Ufer bei Al-Tantoura ließ ihn auf einem Felsen stehen und gab ihm eine Angel während ich mir die Kleider auszog und in der Nähe der Ruinen von Al-Tantoura schwimmen ging und nach der Höhle tauchte von der mir meine Frau Bakija erzählt hatte doch ich sah nur die bunten Fische und hörte meinen Sohn Walaa nach mir rufen – nach was suchst du denn, Papa? – nach dem Goldenen Fisch, mein Sohn – meinst du, du findest ihn? – vielleicht, mein Sohn wenn du mir nicht soviel Fragen stellst und ich noch etwas tiefer tauchen kann – hat denn hier schon jemand vor dir den Fisch gefunden, Papa? – ja, mein Sohn ich hörte die Leute davon reden – und was machen wir mit ihm wenn wir ihn finden, Papa? – dasselbe, was die anderen gemacht haben mein Sohn – und was haben die anderen gemacht, Papa? – das haben sie mir nicht gesagt mein Sohn – komm, laß uns gehen, Papa. Ich konnte nie verstehen warum es Walaa immer so eilig hatte den Strand wieder zu verlassen bis er mir einmal sagte – warum hast du denn Angst davor, Papa daß dich jemand sieht, wie du den Goldenen Fisch suchst? – hmm, besser daß mir keiner zuvorkommt und ihn vor mir findet – gut, aber wenn du den Goldenen Fisch findest und die Regierung davon erfährt nimmt sie ihn dir dann nicht weg so wie sie Großmutter und Großvater Tantoura weggenommen haben? – wer hat dir denn das erzählt, mein Sohn? – meine Mutter, Papa – verflucht sei der Vater deiner Mutter, mein Sohn! Und in jener Nacht gab es einen Streit zwischen mir und meiner Frau aber nur ganz leise und flüsternd besser, Walaa hört uns nicht und ich machte ihr klar daß sie ihm klar zu machen hat daß er niemandem vertrauen darf sich mit niemandem befreunden darf mit niemandem reden darf mit niemandem gehen darf und daß er niemanden glauben darf ich machte ihr gerade klar daß sie ihm klar zu machen hat daß er mit niemanden über diese Sache reden darf als plötzlich Walaa auf Zehenspitzen herein kommt – seid still die Milchfrau ist da paßt also auf man sagt, sie arbeitet für den CIA! Tatsächlich die Sprichwörter lügen nicht wenn dein Sohn heranwächst, dann verbrüdere dich mit ihm denn was uns mit unserem Sohn Walaa passierte war das gleiche wie was dem Bauern passierte der ein sehr hübsches Mädchen heiratete. Also da war einmal ein Bauer der heiratete ein hübsches Mädchen aber er war dermaßen eifersüchtig auf sie vor den Blicken der Leute daß er sich eine große Kiste nahm und sie da hineinpackte die Kiste mit einem großem Schloß sicherte und das ganze dann auf seinen Rücken hob wohin er auch ging blieb sie immer in der Kiste und eines Tages als er gerade beim Pflügen seines Landes war und dabei die Kiste auf seinem Rücken trug in der sie hockte kam der Emir Badr Al-Zaman vorbei und wunderte sich sehr – was hast du denn da auf deinem Rücken, Bauer? – bei Gott, da ist mein Weib drin – laß herunter, das will ich sehen! der arme Bauer läßt also die Kiste von seinem Rücken runter macht sie auf und erwischt seine Frau mitsamt dem Nachbarn in der Kiste... Das also ist die orientalische Phantasie und gäbe es nicht diese orientalische Phantasie dann wäre wohl kein einziger Araber im Land geblieben nicht einen einzigen Tag mehr nach '48 denn schau doch was die Araber Israels machen am Unabhängigkeitstag sie hängen israelische Flaggen aus eine Woche vor den Feierlichkeiten bis zwei Wochen danach und du kannst einen arabischen Fahrer an seiner Flagge erkennen also wer eine große Flagge am Auto hat der ist Araber. Einmal in den Tagen der arabischen Phantasie also während der Zeit der Militärverwaltung da stand ich im Militärgericht von Nazareth als ein Junge aus dem Saal kommt und nach mir ruft und sagt – Onkel, Onkel, der Richter ruft nach dir ich gehe also hinein – guten Tag, Herr Richter da springt der Junge auf und sagt – das ist mein Vater ich blieb still was sollte ich ihm auch sagen der Richter schaut sich die Papiere an und verurteilt mich zu 50 Pfund Strafe oder drei Monate Gefängnis weil mein Sohn nach Haifa gefahren ist ohne eine Genehmigung des Militärgouverneurs ich bin dann raus um ihn zu suchen hätte ihn erwürgen können doch da komm ein Mann auf mich zu und meint – bei Gott, laß' gut sein orientalische Phantasie eben orientalische Phantasie! Doch mein einziger Sohn Walaa der hat einen anderen Weg gefunden um seine orientalische Phantasie zu beleben denn die ganze Zeit über in der meine Frau und ich beschäftigt waren mit der Kiste und mit Tantoura und mit dem Flüstern und dem Verstecken wuchs Walaa heran und wurde ein etwas eigenartiger Jüngling der nur ganz, ganz, ganz wenig redete als ob sein Mund mit einer Nadel vernäht wäre aber wenn er dann mal redete dann hatte ich Angst vor seinen Worten. Im Herbst '66 da saß ich einmal im Büro als plötzlich Lärm von Fahrzeugen und Soldaten ertönte die mit gezogenen Waffen hereinstürmten und vorneweg der große Boß der mit der Sonnenbrille und mit ganz, ganz finsterem Gesicht während Jakob den Kopf hängen ließ worauf meine Beine vor Angst schlotterten mein Blick verschwamm und ich nur noch Köpfe, Köpfe, Köpfe sah aufgerissene, schreiende Münder und schwarze Gewehre und alle schrieen herum – du Hurensohn!! ich lachte laut auf – aber so redet man doch nicht, Leute... und fand mich plötzlich zwischen ihren Beinen wieder die mich wie einen Fußball traten ich wachte erst durch einen Eimer Wasser wieder auf und verstand zwischen all den Beschimpfungen daß mein einziger Sohn Walaa der kleiner Fliege etwas zuleide tun konnte ein Freischärler geworden sei und daß ich verantwortlich bin und daß seine Mutter diese Giftschlange aus Al-Tantoura die besser mit ihrer Familie hätte verschwinden sollen ebenfalls verantwortlich ist und daß sogar Jakob verantwortlich ist weil er ein Esel sei der sich mit orientalischer Kochkunst beschäftigt hat und dabei seine nationale Pflicht vergessen hätte und bestimmt haben wir uns alle gegen den großen Boß verschworen und gegen die Regierung um sie zugrunde zu richten aber nun werden sie uns zugrunde richten denn der Staat weiß schon, wie er zu seinem Recht kommt und zwischen der einen und der anderen Beschimpfung und den ganzen Boxhieben und Tritten verstand ich daß mein Sohn Walaa eine Freischärler-Zelle gegründet hätte und sich in den Ruinen von Al-Tantoura verschanzt – wir sind gekommen, du Sohn des Unheils um dir genauso zu dienen wie du uns gedient hast los jetzt, hol die Mutter deines Sohnes und kommt zusammen zu den Ruinen von Al-Tantoura bevor auch euer Leben ruiniert wird und sagt ihm, daß er sich freiwillig stellen soll aus Barmherzigkeit seiner Mutter und dir gegenüber! Liebe Leute, keiner weiß so sehr wie teuer ein Kind ist als derjenige der eines verloren hat ich wollte mich also aufrichten doch meine Beine weigerten sich, mich zu tragen also haben mich zwei Soldaten vom Stuhl gehoben und in Jakobs Wagen verfrachtet Jakob steuerte den Wagen und die ganze Fahrt über vom Büro bis nach Hause sprach er kein einziges Wort mit mir meine Frau Bakija schaute vom Balkon herab und als sie mich mit dem Militär, mit den Soldaten sah da fing sie an Wasserfälle zu heulen sie brachten sie herunter und setzten sie neben mich in den Wagen aber ich traute mich nicht, ihr die Tränen abzuwischen. Wir kamen an das Ufer von Al-Tantoura als die Sonne gerade unterging die Soldaten blieben in einiger Entfernung zurück und umstellten die Ruinen während meine Frau Bakija und ich vor den Ruinen von Al-Tantoura stehen blieben – setz dich, oh Said ich habe ihm mit meiner Milch gesäugt ich werde mit ihm reden und so setzte ich mich auf eine verfallene Mauer schaute aufs Meer hinaus und sah doch kein Meer ich schaute auf die untergehende Sonne und ging selber auch unter und fühlte mich sehr, sehr allein meine Frau Bakija ging einen Schritt näher und dann noch einen Schritt – mein Sohn, Walaa, schieß nicht, ich bin deine Mutter Wiederstand ist zwecklos! sie haben dich entdeckt – wie? – sie haben mir dein Versteck gezeigt, mein Sohn – ich habe mich doch gar nicht versteckt, Mutter ich trage meine Waffe weil ich euer Verstecken leid war! du Frau, die du da stehst, wer bist du? – deine Mutter, oh Walaa gibt es denn ein Kind, das seine Mutter verleugnet? – meine Mutter... und kommst mit ihnen? – sie haben mich doch hergebracht, mein Sohn gemeinsam mit deinem Vater hier ist er er sitzt auf der zerstörten Mauer – und warum redet er nicht? – er hat noch nicht gelernt, zu sprechen mein Sohn, mein Liebling – was willst du, Mutter? – ich bin gekommen, mein Sohn dich zu überzeugen, deine Waffe wegzuwerfen und aufzugeben – warum? – aus Barmherzigkeit deinem Vater gegenüber und mir – hahahaha! – du lachst, oh Walaa?! du lachst über den Leib der dich getragen und gehütet hat?! – nein, Mutter, ich lache nur darüber daß die sich nicht schämen über Barmherzigkeit zu reden obwohl sie selbst mit niemandem Erbarmen haben hast du deshalb so Angst vor ihnen? – nein, mein Sohn, um dich habe ich Angst mein Liebling, komm wirf deine Waffe weg, mein Sohn und komm heraus – du Frau, die du mit ihnen gekommen bist wohin willst du, daß ich heraus komme? – komm heraus in die Weite, komm an die Luft diese Höhle ist eng und erstickend du wirst darin sterben – ersticken? Ich bin doch in diese Höhle hinein gerade um in Freiheit zu atmen und wenn es nur ein einziges mal in meinem Leben ist, Mutter! als ich klein war da habt Ihr mich zum schweigen gebracht wenn ich geweint habe und als ich größer wurde da suchte ich stets nach dem Sinn eurer Worte verstand aber nichts außer Geflüster ihr habt mir gesagt paß in der Schule auf und rede nicht viel vertraue niemandem befreunde dich mit niemandem zieh mit niemandem herum und rede mit niemandem ich sagte euch daß mein Lehrer der Erzieher unserer Klasse mein Freund ist doch ihr habt gesagt hüte dich vor ihm der soll dich nur ausspionieren und als ich die Geschichte von Al-Tantoura gehört habe, Mutter da habe ich sie beschimpft und ihr habt gesagt paß auf, rede nicht so viel und als sie mich beschimpften da habt ihr auch gesagt paß auf, rede nicht so viel und wenn ich morgens aufgewacht bin, Mutter da bist du gekommen und hast mir gesagt du hast geträumt, als du geschlafen hast und mit lauter Stimme geredet paß auf und rede nicht so viel paß auf und träume nicht so viel paß auf, paß auf paß auf, paß auf ich will aber nicht mehr aufpassen! diese Höhle ist eng aber weiter als euer Leben, Mutter sie ist eine Sackgasse aber sie ist der Weg in meine Freiheit, Mutter – der Tod? der Tod als einziger Weg in die Freiheit? – ich schämte mich für euch, Mutter und senkte den Kopf wenn ich zwischen den Menschen war
– du schämst dich wegen uns, oh Walaa? dabei haben wir uns doch nur darum bemüht leben zu können damit du aufwachsen und leben kannst komm also heraus dann wirst du leben – ihr seid nicht stark genug um mich hier heraus zu holen! – wir sind doch nicht deine Feinde oh Walaa – ihr seid aber auch nicht bei mir, Mutter – paß auf, mein Sohn – sag das noch mal, Mutter paß auf, mein Sohn – paß auf, mein Sohn aber ich bin jetzt frei, Mutter! – hör mal, Walaa, wenn wir frei wären dann wären wir einer Meinung du würdest kein Gewehr tragen und ich würde dir nicht sagen müssen paß auf wir wollen es werden aber wir sind es noch nicht – und wie sollen wir es werden? – wie die Natur auf die Nacht folgt die Morgendämmerung und niemand kann das ertragen was du hier tust – ich will es ertragen! – mein Sohn, mein Liebling gibt es denn etwas Schöneres als die Blüte einer Damaszenerrose die sich ein Jüngling hinter das Ohr steckt? – aber wenn die Rose gepflückt wird dann wird sie welken und stirbt – laß mich dich umarmen, oh Walaa – und wann kommt die Erlösung, Mutter? – gedulde dich, oh Walaa – ich habe mich ein Leben lang geduldet – gedulde dich noch weiter – ich kann mich aber nicht noch mehr gedulden ich sehe um mich herum nur die Höhle und nur die Finsternis – in der Höhle? – mein ganzes Leben ist eine Höhle! – gut, dann komm heraus ans Licht der Sonne – und wo ist mein Platz unter der Sonne? – die Welt ist schön so viele Völker haben ihren Platz unter der Sonne gefunden und sind frei geworden – nein, Mutter mein Leben mit euch ist kein Leben es hat keinerlei Bedeutung denn wenn das Leben billiger wird als der Tod dann hat es einfach keinen Sinn mehr – was für eine Waffe hast du denn, mein Sohn? – ein Maschinengewehr das ich hier in der Kiste fand... aber Mutter, Mutter, Mutter! du schützt sie hinter deinem Rücken Mutter, bei meiner Liebe zu dir du beschützt sie hinter deinem Rücken, Mutter – nein, oh Walaa in der Kiste ist noch ein Maschinengewehr ich komme zu dir und ich werde dich mit meiner Liebe beschützen mein Sohn! Bakija verschwand gen Meer und die Soldaten stürmten vor ein wilder Schußwechsel begann und ich saß wie versteinert da ohne zu verstehen was da passierte und hörte nur den großen Boß brüllen – keine Schießerei! ich will sie lebend! sie sind dort getaucht! sie sind dort getaucht... Plötzlich brachten sie große Scheinwerfer und Froschmänner doch in dem Moment kam Jakob und legte meinen Kopf auf seine Schulter nahm mich mit zum Wagen und brachte mich nach Hause, nach Haifa. Am nächsten Tag ging ich nicht zur Arbeit zum Teufel mit der Arbeit für wen soll ich denn noch arbeiten? für wen? als es plötzlich an der Tür pochte bumm bumm bumm – guten Morgen, oh Said – willkommen, Jakob – hör mal, Said, du mußt zurück an die Arbeit aber unter einer Bedingung das was gestern passiert ist mußt du vollständig vergessen – gut, gut... dann versetze dich doch mal in meine Lage wenn sie deine Frau und deinen Sohn umgebracht hätten würdest du das vergessen? wie willst du also daß ich das vergesse? – wer hat dir denn gesagt, das sie umgebracht worden sind? sie haben herumgesucht aber niemanden gefunden auch heute am hellichten Tag haben sie gesucht und niemanden gefunden sie haben es also geschafft und sind geflüchtet! In Wahrheit war Jakob einfach ein guter Kerl und ich tat ihm leid ich fühlte, daß ich ihm leid tat aber er traute sich nicht, es zu sagen und ich? ich vertraue ja nicht einmal meiner eigenen Mutter und hatte ihm deshalb auch nie die Geschichte von der Kiste erzählt und von Al-Tantoura und sagte mir deshalb im Stillen die haben sicherlich beschlossen lieber zu sterben als aufzugeben und deshalb habe ich selber beschlossen gar nicht wissen zu wollen was wirklich mit ihnen passiert ist weil die Hoffnung sie am Leben zu wähnen für mich viel besser ist als eine Bestätigung ihres Todes wie eng wäre das Leben ohne die Weite der Hoffnung! und seit jenem Tag gehe ich an die Küste von Al-Tantoura zahle mein Touristenbillet nehme die Angel und tu so als würde ich Fische fangen ich stelle mich auf den selben Felsen auf dem Walaa gestanden hat und tu so als würde ich angeln dabei rufe ich ihn in meinem Herzen vielleicht hört er mich ja, bei Gott Blut ist dicker als Wasser vielleicht hört er mich und kommt heraus ehhhhh, Walaa heeeeee, mein Sohn ehhhhh, oh Walaa komm doch heraus, mein Sohn ich habe solche Sehnsucht nach dir... als plötzlich ein kleiner jüdischer Junge neben mir sagt – Onkel, Onkel welche Sprache sprichst du denn da? – Arabisch – und mit wem redest du? – mit den Fischen – aha, die Fische verstehen also Arabisch? – ja, die großen Fische die schon hier waren als die Araber noch hier waren – und die kleinen Fische verstehen Hebräisch? – ja, die verstehen Hebräisch und Arabisch und alle anderen Sprachen denn das Meer ist weit und grenzenlos – grenzenlos?! ...oj wa-woi! was in Hebräisch soviel heißt wie ... oh Weh! – Itzik, komm her, der Vater des Jungen rief nach ihm – Papa, Papa das hier ist unser Herr Salomon! ich nahm einen kleinen Fisch und gab ihn ihm – nimm, der ist für dich – oh, spricht der Hebräisch? – noch nicht, der ist noch zu klein worauf er ihn wieder ins Meer warf damit er wachsen könne und Hebräisch lernt während ich mir im Stillen sagte oh Gott, würden doch alle Kinder kleine Kinder bleiben dann hätte wohl nie eine Mutter ihren Sohn verloren und ich fragte mich ob unser großer Boß der mit der Sonnenbrille und seinesgleichen nicht auch irgendwann einmal kleine Kinder gewesen sind...? Und nach zwei Tagen als ich auf den Basar im Nisnas-Tal ging um einige Dinge einzukaufen da höre ich zwei Jünglinge der eine rief den anderen heran und flüsterte ihm zu – Mensch, ich hab gehört es gibt da eine Gruppe bei den Freischärlern die sich Al-Tantoura nennt die verwenden eine geheime Chiffre in den Sendungen der Stimme Palästinas aus Kairo worauf ich nach Hause rannte Fenster und Türen verrammelte das Transistorradio umarmte und nach Al-Tantoura zu suchen begann. Und am 5. Juli 1967 am Tag der Katastrophe da hörte ich wie die Stimme Israels im arabischen Programm alle Araber aufforderte weiße Fahnen zu hissen was mich verwirrte, weil ich nicht wußte welche Araber sie meinten die Araber von '47 oder die Araber von '48 oder die Araber von '67 da sagte ich mir, Junge sicher ist sicher mach lieber mit, dann passiert dir nichts es ist ja nur ein Stück Fahne warum sollten sie deshalb böse auf dich werden? bei Gott, ich folgte also der Aufforderung und zerriß das weiße Bettlaken band es um den Besenstiel und hißte das Ganze auf dem Dach unseres Hauses in Schderot Hazionut. Am nächsten Tag wachte ich früh auf und fragte mich ob denn mein Signal schon verstanden worden sei doch kaum war das Laken im Tageslicht zu erkennen als schon Jakob erschien – nimm das sofort da runter, du Maulesel! – der Rundfunksprecher hat das aber so gesagt – Mensch, der Sprecher meinte doch die Araber im Westjordanland während du hier in Haifa bist was also geht dich das an? – man kann des Guten nie genug tun! – aha, das bedeutet also daß du Haifa als besetzte Stadt betrachtest und sie vom Staat abtrennen willst – das ist mir so nie in den Sinn gekommen das ist nur deine Deutung – Mensch, mir ist völlig egal was dir in den Sinn gekommen ist mir ist nur wichtig was dem großen Boß in den Sinn kommt und der sagt, daß du nicht dumm bist sondern nur so tust daß du nicht ein Quentchen Treue in dir hast sondern nur so tust daß du den Staat nicht ein Quentchen liebst sondern nur so tust denn warum hast du außer Yu'ad sonst niemanden geliebt und außer Bakija sonst niemanden geheiratet und außer Walaa sonst kein anderes Kind gezeugt? – und warum hat dich der große Boß nicht auch gefragt warum ich ausgerechnet als Araber geboren wurde und warum ich keine andere Heimat als ausgerechnet diese Heimat hier gefunden habe? – komm mit und frag ihn selbst! Er holte mich vom Dach herunter nahm mir die Fahne und den Besenstiel weg und brachte mich hierher und seitdem bin ich hier und ihr auch ihr seid hier und wir auch... ENDE
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