22.10.2006
Lieber Achmed,
hier zunächst die Quellenangabe, falls Du den ganzen Text bestellen möchtest:
Marmardji, A.S. (1937): La Lexicographie Arabe á la Lumière du Bilittéralisme et de la Philologie Sémitique, Jerusalem
Ist auf Französisch, aber die Beispiele sind natürlich auf Arabisch, man kann gut damit arbeiten. Das Faszinierende ist eben, dass es aus vorislamischer Zeit so gut wie nichts Schriftliches bzw. Überlierfertes gibt. Aus dem sechsten Jahrhundert, ja gut, da gab es ein paar Sachen, die mu'allaqaat-Gedichte und so. Aber woher kommt die Arabische Sprache? Man müsste die toten semitischen Sprachen lernen, aber wer schafft das alles... Aramäisch, immerhin, da kennen wir einige frühchristliche Texte, auch eine semitische Sprache, die Sprache Jesu. Hast Du gelesen, dass Knut eine Jesusbiografie schreiben möchte? (Ganz am Ende des Interviews)
Für die Zusendung des Stücks „Der Pessoptimist“ von Mohammad Bakri danke ich Dir. 42 Seiten. Was steht da unten? Aha. „Übersetzung von Achmed Khammas. Das 1-Personen Stück ‚Der Pessoptimist' beruht auf dem gleichnamigen Roman des verstorbenen palästinensisch-israelischen Schriftstellers Emile Habibi.“ Es wäre mir eine Ehre, den Text hier auszustellen. Dafür benötige ich allerdings eine Glauhaftmachung, dass es urheberrechtlich in Ordnung ist. Was ist mit Mohammad Bakri, hat der nichts dagegen? Und sein Verlag und wer auch immer Rechte an dem Stück hat? Ich bin da korrekt, das gehört zum Hauskodex. (Ich hoffe jedenfalls, dass ich in diesen Dingen korrekt bin.)
Du erwähnst die Jinn. Es sind Verwandte von uns. (Sind wir wirklich aus Wasser, war es nicht doch Lehm??) Manchmal schreibe ich über sie in meiner Literatur. Sie sind in vielen Geschichten, vielleicht findest Du mal einen. Es gibt schöne unter ihnen und hässliche, wie bei den Menschen.
Für heut gut Nacht,
Anis
Zwischenruf Achmed: „No worry – die Rechte an der Übersetzung habe ich!“
24.10.2006
Ach so, gut, dann stelle ich es ins Netz... Bis gestern waren 450 Clicks auf dieser Seite... Gilad hat mir seine neue CD geschickt, „Artie Fishel and the Promised Band“, lustige Platte. Was wollte ich noch mal? Ach ja, arabische Sprachwissenschaft. Also, von meiner Magisterarbeit habe ich nur ein Exemplar, aber es war sowieso nur eine Vorarbeit. Ich wusste damals nicht, ob ich nun eine linguistische (Lakoff's Metapherntheorie) Arbeit schreibe oder eine historische oder was eigentlich? Ich habe alle sprachlichen Zusammenhänge untersucht, in denen der Begriff 'ilm für „Wissen“ und „Wissenschaft“ verwendet wurde, und eine kleine Datenbank hergestellt. Interessant für Dich ist vielleicht, dass der Begriff stark mit dem geschriebenen Wort assoziiert wird, wie in „al-'uluum al-mudauwana“, die niedergeschriebenen Wissenschaften. Alles, was mit 'ilm zu tun hat, hat einen lexikalischen Aspekt. Hervorgegangen ist es vermutlich aus der Bedeutung „markieren“ (s.a. deutsch markieren --> merken). Anders gesagt: Wenn es nicht mit Worten gefasst werden kann, ist es kein Wissen. Wobei hier mehr gemeint ist als beim rein Intellektuellen, denn das Wort hat ein Inneres, Verborgenes (Mystisches) und ein Äußeres, einen formalen Sinn. So kann das Wort als Markierung eben auch den Weg in die Versenkung leiten. – Es gibt online einen Artikel The Concept of Science in Early Islamic History, der im Grunde meine Doktorarbeit darstellt, inoffiziell natürlich. Aber wenn ich bei der Wissenschaft geblieben wäre, wäre es in diese Richtung gegangen. Es sind nur sieben Seiten, aber es ist ziemlich dicht geschrieben. Dr. Anees hatte es in einer Internet-Mailingliste entdeckt, wo ich die Thesen postete. Es war meine erste Online-Erfahrung. Es ist 1996 in der Zeitschrift „Periodica Islamica“ erschienen. Diese Zeitschrift war zunächst eine Referenz-Zeitschrift, in der alle Titel von islamwissenschaftlichen Magazinen auf der ganzen Welt pro Quartal gesammelt wurden. Mein Artikel war der erste in diesem Magazin, das erweitert wurde. Dr. Anees habe ich später im Internet gegoogelt und war sehr erschrocken. Hier, ich habe eine Seite zusammengestellt. Habe schon länger nichts mehr von ihm gehört.
Und Du meinst also, die arabischen Wörter stammen von einradikaligen ab... dal = zeigen, hinweisen; qaf = aufstellen... hm hm. Ich habe doch auch mal so etwas gehabt... Das Miim, natürlich, das M. Es ist eine Art Haiku-Gedicht, das ich zufällig einmal in einer Quelle aus dem 13ten Jahrhundert gefunden habe, ach ja, als ich in den Lexika nach a'lam für „hasenschartig“ suchte (a'lam hat die selbe Wurzel wie 'ilm). Da fand ich: „Ana l-miim wa-l-aiyaamu aflahu a'lam“. aflah sagten die Araber, wenn sie eine markierte Unterlippe meinten und a'lam ist die obere Lippe. Ich war sehr erstaunt über diese Zeile und habe sie nie vergessen. In meinem Lyrikband „Loving Jay“ habe ich ein Gedicht dazu, da übersetze ich den Spruch so: „Ich bin das M, und die Tage zwei schartige Lippen.“ Ich liebe das M, es ist mein Buchstabe. Es ist die Mutter aller Buchstaben.
Christoph Luxenberg, ich habe mir das mal ein bisschen angesehen, aber nur ein bisschen. Es wäre interessant, sein Buch zu lesen, das kann man nicht so aus dem Bauch beurteilen. Kennst Du auch Kamal Salibi: „Die Bibel kam aus dem Lande Asir“? (1985) Handelt davon, dass Israel in Saudi-Arabien liegt. Alte biblische Ortsnamen lassen sich in Asir besser wiederfinden als in Palästina. Und es gibt weitere Hinweise. Ist ungefähr das Luxenberg-Kaliber.
Beste Grüße,
Anis
28.10.2006
Lieber Anis,
besten Dank für die Details zu Marmardji, ich werde ganz sicher darauf zurückkommen, sobald ich mich wieder etwas intensiver mit den linguistischen Themen befasse.
Ja, woher kommt wohl die arabische Sprache? Ganz sicher aus der Wüste. Aber wie alt ist sie tatsächlich?! Ich empfinde es heute als sehr, sehr schade, daß in der syrischen Schulausbildung nicht auch nur ansatzweise etwas über 'alte Sprachen' vermittelt wurde (und wird). Hier in Deutschland hätte ich vielleicht Griechisch und Latein gelernt, aber in Damaskus wurden zwar alle die großartigen Kulturen der Vergangenheit behandelt – aber *zum sprechen* wurden sie nicht gebracht.
Aramäisch: In drei Dörfern in der Nähe von Damaskus, gemischt-religiös übrigens, spricht man es als lebendige Sprache. Im Irak soll es auch noch ein paar Dörfer geben. Meine Mutter hatte früher einmal zwei Hausmädchen, Schwestern, die aus einem der Dörfer kamen. Ich war noch klein und fand, daß ihr ständiges lustiges Geschnatter so klang wie Arabisch, das man dermaßen kräftig durchgeschüttelt hatte, daß ich nicht ein einziges Wort mehr verstand. Neuhebräisch empfinde ich übrigens eher wie ein Arabisch, das im Tonband rückwärts läuft (grins).
Noch eine Jesus-Biographie? Es gibt sicherlich schon Hunderte, Tausende, ja sogar Zehntausende – wenn man alle Sprachen nimmt – oder? Trotzdem hat Knut bestimmt eine ganz eigene Geschichte zu erzählen. Ich bin neugierig, welche Jesus selbst wohl autorisiert hätte ...
Wie hat Dir der *Pessoptimist* eigentlich gefallen? Schon die Zeit gehabt dafür? Ein Theatertext wirkt gedruckt immer etwas trocken, aber ich finde, Mohammad Bakri erweckt ihn richtig liebevoll zum Leben. Er war auch der Hauptdarsteller von Private von Saverio Constanzo (2004).
Im Sinne des gemeinsamen Geschöpftwerdens sind die Jinn ganz sicher Verwandte von uns, aber die Engel dann natürlich genauso. Und wir? Na klar sind wir umherwandelnde Wassersäcke und keine Golems aus Lehm (breit grins). Allerdings haben wir auch noch viele anderen Elemente der Erde in uns... und Lehm ist ja an sich schon eine ganz phantastische Sache, beim Hausbau beispielsweise.
Noch einmal zu Deiner Magisterarbeit. Scan sie doch einfach ein, per OCR. Ich behandele den Text auch ganz vertraulich... Die 'Ilm – Sache finde ich jedenfalls großartig, und den genannten Artikel werde ich mir baldigst zu Gemüte führen (ich zucke vor englischen Texten immer erst zurück).
Das MIM als die Mutter aller Buchstaben? Ok – einverstanden!
Ich hatte nämlich auch mal eine 'Affäre' mit dem MIM – aber eher mit seiner grafischen Gestalt. Denn die Maschine, die ich immer nur andeute, solange bis endlich die Seiten zum freischalten bereit sind (stöhn), wird auch als Kreis symbolisiert... aus dem sich ein Wasserfall nach unten ergießt, wie aus einem Füllhorn. Und genau so sieht das MIM aus:
م
Schön, daß Du abschließend noch Salibi erwähnst. Als Augstein ihm damals ermöglicht hat, die Geschichte des Heiligen Landes Asir in einem Dreiteiler (!) im SPIEGEL zu veröffentlichen, war ich ehrlich gesagt sehr erstaunt. Noch erstaunter bin ich allerdings, wie schnell es dann gelang, die Sache so weit unter den Teppich zu kehren, daß außer uns beiden heute niemand mehr davon redet – oder überhaupt davon weiß. Jedenfalls freue ich mich wieder einmal über Wikipedia. (Danke für den Hinweis!)
Da Du der Gastgeber dieses Gesprächs bist, das ich wirklich sehr genossen habe, möchte ich Dir nun auch das abschließende 'Wort zum Monat' überlassen.
Hey! Dieses „Format“, bei dem sich zwei Personen einen Monat lang online öffentlich austauschen, ist meines Wissens neu – und wir sollten zumindest auf der EHRE der Urheberschaft bestehen! Es repräsentiert die moderne, digitale Form der früher aufmerksam verfolgten und auch heute noch vielgelesenen 'Briefwechsels'. Mal sehen, wo uns dieses Format nun in Zukunft begegnen wird ...
So verabschiede ich mich nun von Dir und allen unseren Leserinnen und Lesern, mit den besten Grüßen
Achmed
PS.: Sobald die Seiten mit den erwähnten Artikeln und dem 'Buch der Synergie' freigeschaltet sind, werde ich Anis bitten, hier noch die entsprechenden links einzufügen.
31.10.2006
Lieber Achmed,
ja, das war eine angenehme Unterhaltung. Wenn Du eine Urheberschaft für ein neues Genre ins Spiel bringst, dann lass mich zum Besonderen an diesem Gespräch hinzufügen, dass es sich nicht nur um einen öffentlichen Austausch handelt, sondern darum, dass sich zwei Leute auf diese Art kennengelernt haben. Wir können ja gern zugeben, dass es vor dem ersten Eintrag oben zwei Emailkontakte gab und ein Telefonat. Erst danach sagte ich: Ich könnte Dich ja interviewen, oder Du mich... Dann meintest Du: Warum nicht gleichzeitig? Und ich bat Dich, noch mal von vorn anzufangen und mir eine Email zu schreiben. Und jetzt weiß ich tatsächlich mehr über Dich, Dein Engagement für Energie – sicher werde ich die Links einfügen -, Deinen Namen, über Hippies, Promis und Deine anderen vielfältigen Interessen, die Du gleichzeitig literarisch umsetzt. Es gibt offenbar viele Orte, an denen wir uns begegnen.
Leider war ich eine Woche lang offline, der Rechner in Reparatur. Daher habe ich es noch nicht geschafft, das Stück zu lesen. Nur beim Formatieren habe ich es überflogen, ich möchte später noch einmal darauf zurückkommen. Und zwar könnten wir ein paar Hintergrunddaten sammeln, um das Stück für die Leser mit einer Einleitung zu versehen. In der Zeit ohne Rechner habe ich viel gemalt. Auch für Omega 5, ich bin kurz davor, es weiterzuschreiben. Ein kleines Geschenk habe ich auch: Den Schluss von Kapitel 3 und den Beginn von Kapitel 4 sende ich Dir in den nächsten Tagen. Diese Teile sind bereits fertig und nicht online. Es ist gar nicht so leicht für mich, nicht online zu schreiben.
Ich schätze, wenn diese Kieler Geschichte nicht gewesen wäre, dann wäre es insgesamt etwas heiterer geworden. Hat sich übrigens inzwischen erledigt, ich habe abgesagt. Die haben gar nicht erst verstanden, worüber ich mich aufgeregt habe. Das ist schon ein Hammer. Die Begegnung mit einer anderen Art. In solchen Fällen sind Gespräche einfach sinnlos.
Also, bis demnächst auf dieser Welle,
herzlich,
Anis
Nachtrag von Anis: Der im Briefwechsel angesprochene Berlinbesuch fand zwischen dem 31.01. und dem 03.02.2007 statt. Wir haben einige Themen detaillierter besprechen können, während Achmed an der Schlussredaktion des Buchs der Synergie arbeitete: www.buch-der-synergie.de. Zur Vollmondnacht gab es eine kleine Party und ich habe Gitarre gespielt. Aziz, Achmeds 9-jährigem Sohn, habe ich E-Moll, E-Dur, A-Moll und zum Schluss noch D-Dur und C-Dur auf der Gitarre gezeigt. Er lernt schnell. Wir haben auch das Tanzlied zusammen gesungen. War schön, mal wieder in Berlin zu sein ...