home ao english musik literatur journalismus bilder sprachen mehr shop sitemap |
mit Flügeln aus Staub Erinnerungen an die Shalom-Salam-Tournee von Anis Hamadeh - August 2004 - PDF (125 S./0,8 MB) |
with Wings of Dust Memories of the Shalom Salam Tour by Anis Hamadeh - August 2004 - PDF (118 pp/1,2 MB) |
Seitenzahlen des Manuskripts (129 S.): Könige sind wir, mit Flügeln aus Staub Erinnerungen an die Shalom-Salam-Tournee von Anis Hamadeh – August 2004 – Vorwort S. 1 Kapitel 1: Leipzig und Halle S. 2-16 Im Gewandhaus (2-3) – Duo Rubin live (4-7) – Shalom-Salam-Infos (7-12) – Essen am Runden Tisch (12-13) – Mittags in Halle (13-14) – Konzerthalle Ulrichkirche, Halle (15-16) Kapitel 2: Vreden und Wesel S. 17-25 Vreden (17-18) – Auftritt in der Stiftskirche (18-20) – Ausgangssperre für Gefühle (21-23) – Bettina (23-24) – Wesel (24-25) Kapitel 3: Bücher und Pressegespräche S. 26 – 38 Bücher (26-27) – Meggle, Terror, Wittgenstein (27-28) – Pressegespräche in Berlin, Leipzig und Halle (29-31) – Die Presse (31-32) – Unterwegs mit Michael Krebs (32-33) – Paul Spiegel (33-36) – Was ist die Ursache von Terror? (36-38) Kapitel 4: Düsseldorf und Bocholt S. 39 – 49 Thomaskirche Düsseldorf (40-41) – Zuvor in Düsseldorf (41-42) – Im Historischen Rathaus (42-43) – Im Garten (44-45) – Im Zug nach Berlin (45-49) Kapitel 5: Oldenburg, RBB, Köln S. 50 – 64 Oldenburg (50-51) – Ellen Rohlfs' Texte (51-53) – Auftanken und Nachdenken (53-54) – Radiotermin in Berlin (55-62) – Köln, Wallraf-Richartz-Museum (62-64) Kapitel 6: Berlin S. 65 – 77 Im Stefans (65-66) – Über Kritik an der Tournee (66-71) – Bei DaimlerChrysler (71-72) – Das Finale (72-76) – Das war die Tour (76-77) Kapitel 7: Haviva-Reik-Friedenspreis S. 78 – 99 Daniel Barenboim (78-79) – Die Preisverleihung (80-85) – Das Krokodil aus Kiel (85-87) – Ideal und Realität (87-88) – Kulturelle Identitäten (89-92) – Falckenstein (93-97) – Mit Jörn am Spreebogen (98-99) Anhang S. 100 – 129 |
Pagination of the Manuscript (123 pp): Kings We Are, with Wings of Dust Memories of the Shalom Salam Tour by Anis Hamadeh – August 2004 – Introduction Chapter 1: Leipzig and Halle pp 2-15 In the Gewandhaus (2-3) – Duo Rubin live (3-7) – Shalom Salam Infos (7-12) – Round Table Dinner (12-13) – At Noon in Halle (13-14) – Concert Hall, Ulrich Church, Halle (14-15) Chapter 2: Vreden and Wesel p. 16-24 Vreden (16-17) – Performance in the Stifts Church (17-19) – Curfew for Feelings (19-21) – Bettina Oehmen (21-22) – Wesel (23-24) Chapter 3: Books and Press Meetings p. 25 – 36 Books (25-26) – Meggle, Terror, Wittgenstein (26) – Press Meetings in Berlin, Leipzig and Halle (27-29) – The Press (30) – On the Road with Michael Krebs (31-32) – Paul Spiegel (32-35) – What is the Cause of Terror? (35-36) Chapter 4: Düsseldorf and Bocholt p. 37 – 46 Thomas Church Düsseldorf (37-38) – Before in Düsseldorf (38-39) – In the Historic Town-Hall (39-40) – In the Garden (40-42) – On the Train to Berlin (42-46) Chapter 5: Oldenburg, RBB, Cologne p. 47 – 61 Oldenburg (47-48) – Ellen Rohlf's Texts (48-50) – A Short Break (50-51) – Radio Meeting in Berlin (51-59) – Cologne, Wallraf Richartz Museum (59-61) Chapter 6: Berlin p. 62 – 73 In the Stefan's (62-63) – On Criticism of the Tour (64-67) – At DaimlerChrysler's (68-69) – The Finale (69-72) – This was the Tour (72-73) Chapter 7: Haviva Reik Peace Prize Award p. 74 – 94 Daniel Barenboim (74-75) – The Prize Award (75-80) – The Crocodeel from Kiel (80-82) – Ideal and Reality (82-84) – Cultural Identities (84-88) – Falckenstein (88-92) – With Jörn at the Spreebogen (92-94) Appendix p. 95 – 123 |
„Könige sind wir, mit Flügeln aus Staub“ ist mein bearbeitetes Tagebuch zur Benefiztournee „Shalom – Salam“ (09.05. bis 26.05.2004). Das jüdisch-israelische Musiker-Duo Rubin hatte die Idee zu der Konzert- und Lesereise, und ich übernahm den palästinensischen und literarischen Part. Zugunsten der bikulturellen Begegnungsstätte Givat Haviva traten wir drei Künstler in neun deutschen Städten auf, mit klassischer Musik, Lyrik und vielen Begegnungen. |
"Kings We Are, with Wings of Dust" is my revised diary of the benefice tour "Shalom – Salam" (09 until 26 May 2004). The Jewish Israeli musical Duo Rubin had the idea to venture a concert and literary tour and I took the Palestinian and literary part. For the benefit of the bi-cultural communication center Givat Haviva we three artists appeared on stage in nine German cities, with classical music, poetry, and many encounters. |
Kapitel 1: Leipzig und Halle | Chapter 1: Leipzig and Halle |
(09.05.04) Der Bahnhof in Leipzig war voller grölender Fußballfans. Kampf der Subkulturen. Ich rollte den Koffer hinter mir her und sah in die Menge der selbstmarkierten Jugendlichen. An den Ausgängen Polizei, nur Routine. Ich fragte nach dem Gewandhaus, aber die Polizisten kamen nicht von hier. Stau. Olee, olee olee olee. Gruppenidentität. Im Prinzip nichts Schlechtes. Außer man braucht einen Feind dafür. |
(May 09, 2004) The station in Leipzig was crammed with bawling soccer fans. Struggle of the sub-cultures. I pulled the suitcase which was rolling behind me and looked into the crowd of self-marked young people. At the gates the police, only routine work. I asked for the way to the Gewandhaus, but the policemen were no locals. Traffic jam. Olee, olee olee olee. Group identity. Generally not a bad thing. Except you need an enemy for it. |
Das Duo Rubin so nah auf der Bühne zu erleben war etwas Besonderes. Die beiden sind sehr gut aufeinander eingespielt, weil sie sich lange kennen und ähnliche Begabungen haben. Piano und Cello klingt auch gut zusammen, da fehlt nichts. Ungefähr zwölf Mal habe ich insgesamt das Programm live gehört, ohne die Proben, und es ist mir nie langweilig geworden, obwohl ich ein ungeduldiger Mensch bin. Das mag auch daran liegen, dass wir ähnliche Stücke und Stile schön finden. Bach etwa ist für uns alle drei einer der, wenn nicht der wichtigste Komponist. Beim Soundcheck in Düsseldorf spielte Ithay einmal die Musette aus dem Notenheft von Anna Magdalena an. Er zeigte mir eine einfache Rhythmusbegleitung für die Gitarre. Es macht Spaß, mit einem Cello zusammenzuspielen. Mein hauptsächlicher Part war aber Literatur. Ich las aus dem aktuellen Jugend-Buch „Wir wollen beide hier leben“ (herausgegeben von Sylke Tempel) und aus meinem Lyrikband „Loving Jay“. |
To have experienced the Duo Rubin so close on stage was something special. They play together in perfect harmony as they have known each other for a long time and have similar talents. Piano and cello sound well together, too, there is nothing missing. All in all, I listened to the program about twelve times live, not counting the rehearsals, and I never got bored or tired, although I am an impatient fellow. Maybe it is due to the fact that we like similar pieces and styles. Bach, for example, for all three of us is one of the, if not the most important composer. At the soundcheck in Düsseldorf Ithay once started to play the Musette out of the "Notenheft von Anna Magdalena". He showed me how to accompany the melody with a simple guitar rhythm. It is fun to play with a cello. My major part was literature, though. I read an excerpt from the current book for young people: "We Both Want to Live Here" (edited by Sylke Tempel) and some poems from my poetry album "Loving Jay". |
Bevor es mit der Reise weitergeht, hier einige allgemeine Informationen über das Projekt Shalom-Salam, über das Projekt „Kinder lehren Kinder“ von Givat Haviva, über das Duo Rubin und über mich. Kein Krieg hat ewig gedauert. Irgendwann wird auch dieser Krieg zuende sein und dafür wollen wir bereit sein. Die folgenden Pressemitteilungen sind auch zu finden unter www.anis-online.de/journalismus/salam-shalom.htm: Am Sonntag, dem 9. Mai, beginnt im Leipziger Gewandhaus eine einmonatige Benefiz-Konzertreihe zu Gunsten des jüdisch-arabischen Begegnungsprojektes „Kinder lehren Kinder“ des Friedenszentrums Givat Haviva in Israel. „Shalom – Salam“, das hebräische und das arabische Wort für „Frieden“ bilden den Tourneetitel, unter dem das in Berlin lebende israelisch-ungarische Duo Rubin und der deutsch-palästinensische Schriftsteller Anis Hamadeh in zahlreichen deutschen Städten auftreten werden. Givat Haviva ist eines der größten, ältesten und führenden Institute, das sich in Israel für jüdisch-arabische Verständigung einsetzt, den kulturellen und religiösen Pluralismus fördert, für demokratische Werte und Frieden wirkt und die Vergangenheit des jüdischen Volkes in erzieherischer Arbeit der Jugend von heute nahe bringt. Seit dem Ausbruch der zweiten Intifada im Oktober 2000 haben sich viele die Frage gestellt, wie es mit dem Friedensprozess weitergeht. Israel und Palästina stecken heute – und wohl nicht zum letzten Mal – in einer Sackgasse. Trotzdem sind sich die Friedensinstitute wie Givat Haviva einig, dass der Frieden vor allem von unten wachsen muss. Erst, wenn die Menschen in der Region sich begegnen wollen, fängt der Prozess der Verständigung und des Vertrauens zueinander langsam an. Dies erfordert eine geduldige Erziehungsarbeit, die auch im Oslo-B Abkommen vertraglich vereinbart wurde. Nur: Diese Forderungen müssen dann auch in die Praxis umgesetzt werden, wenn auf beiden Seiten geschossen wird, wenn sich das politische Klima verschlechtert, und es scheint, dass frühere Versuche der Annäherung keine Resultate eingebracht haben. Der brillante israelische Cellist Ithay Khen war Stipendiat der berühmten Karajan-Akademie des Berliner Philharmonischen Orchesters und musizierte unter den Dirigenten Claudio Abbado, Georg Solti, Daniel Barenboim und Sir Simon Rattle. Mit der erfolgreichen Konzertpianistin Gabriella Gonda-Khen unternahm er Konzerttourneen durch ganz Europa, in die USA und nach Asien. Damit begründete das Duo Rubin sein internationales Renommee. Die beiden Künstler nehmen ihre unterschiedliche Herkunft zum Anlass, den Gedanken der Völkerverständigung in ihre Arbeit einfließen zu lassen und die Musik als internationales Kommunikationsinstrument zu verwenden. Mehr über das Duo Rubin auf der Homepage www.duorubin.de. Anis Hamadeh ist Musiker, Schriftsteller und Essayist und lebt in Kiel. Den Nahen Osten kennt der deutsch-palästinensische Islamwissenschaftler seit vielen Jahren unter anderem durch intensive Reisen. Im Februar war er auf einer Lesereise durch Ägypten. Die Freiheit und Selbstbestimmung der Palästinenser ist ihm ein wichtiges Anliegen, das er auch literarisch umsetzt. Er ist engagiert und streitbar; für ihn gibt es keinen Konflikt, den man nicht lösen kann. Anis Hamadeh hat circa zehn Bücher geschrieben und einhundert Lieder. Er ist Redakteur von www.anis-online.de. Pressemitteilung zur Shalom-Salam-Tournee, Anis Hamadeh, 12.04.04 Als mich das Duo Rubin vor einem halben Jahr gefragt hat, ob ich bereit sei, den palästinensischen Part für eine Benefizveranstaltung zu Gunsten palästinensischer und israelischer Kinder im Rahmen der Friedens- und Dialogarbeit von Givat Haviva zu übernehmen, habe ich natürlich Ja gesagt. Denn zwei Dingen – so sie wirklich ernsthaft gewünscht werden – darf man sich nicht verweigern: dem Frieden und dem Wohl der Kinder. So lernte ich Ithay Khen und Gabriella Gonda-Khen kennen. Nermin Sharkawi aus Berlin hatte das vermittelt. „Israel – Vadi Ara – September 2000, wir sind unterwegs, um Verwandte zu besuchen. Uns bietet sich ein erschütternder Anblick: überall verbrannte Autoreifen, Bushaltestellen und Straßenlaternen sind zertrümmert, die Fahrbahn ist beschädigt, das Tal ist unpassierbar. Wir sind schockiert, diese Strecke ist uns seit Jahren vertraut, wir kennen das Vadi Ara als ruhige, friedliche, geradezu idyllische Gegend. Niemals hätten wir geglaubt, dass bei der hier überwiegend arabischen Bevölkerung eine derart große Wut herrschen könnte, die – als Ausdruck ihrer Solidarität mit den Palästinensern – ein solches Ausmaß an Zerstörung hervorrufen würde. |
Before the journey goes on here is some general information about the project Shalom-Salam, about the project "Children teach children" by Givat Haviva, about the Duo Rubin and about me. No war has lasted forever. One day this war will be over, too, and we want to be ready for this day. The following press information is also online at www.anis-online.de/journalismus/salam-shalom.htm: On Sunday, May 9, in the Gewandhaus in Leipzig, starts a one month benefice tour to the benefit of the Jewish Arab communication project "Children teach children" of the peace center Givat Haviva. "Shalom – Salam", the Hebrew and the Arabic words for "peace" make up the title of the tour in the course of which the Israeli Hungarian Duo Rubin, who live in Berlin, and the German Palestinian writer Anis Hamadeh will appear in numerous German cities. Givat Haviva is one of the biggest, oldest, and leading institutions which in Israel concern itself with Jewish Arab mutual understanding, which support cultural and religious pluralism, which work for democratic values and peace, and which bring the past of the Jewish people to the consciousness of the youth of today in its educational work. Since the outbreak of the second Intifada in October 2000 many people have posed the question of how the peace process should continue. Israel and Palestine today – and probably not for the last time – are stuck in a dead end. Nevertheless, the peace institutions like Givat Haviva agree that peace foremost has to grow bottom-up. Only when the people in the region will want to meet each other the process of mutual understanding and trust can slowly begin. For this a patient educational work is needed, this was also agreed upon in the Oslo B treaty. But: these demands must also be realized in practise if both sides are shooting, if the political climate worsens, and it seems that earlier attempts of approximation have not brought about any results. The brilliant Israeli cellist Ithay Khen was scholarship holder of the famous Karajan Academy of the Berliner Philharmonisches Orchester and made music under the conductors Claudio Abbado, Georg Solti, Daniel Barenboim and Sir Simon Rattle. With the successful concert pianist Gabriella Gonda-Khen he ventured concert tours all over Europe, to the USA and to Asia. With this the Duo Rubin laid the foundation of its international reputation. The two artists take their different backgrounds for a reason to let the idea of mutual understanding between peoples flow into their work and to use music as an international instrument of communication. More about the Duo Rubin on the homepage www.duorubin.de. Anis Hamadeh is a musician, literary writer and essayist and lives in Kiel. The Middle East is known to the German Palestinian graduate of Islamic Studies since many years, by way of intensive journeys and studies. In February he went on a literary reading tour through Egypt. Freedom and sovereignty of the Palestinians is an important issue for him which he also transforms into literature. He is engaged and does not escape arguments; for him there is no conflict which cannot be solved. Anis Hamadeh wrote about ten books and one hundred songs. He is the editor of the sites www.anis-online.de and www.virtual-palestine.org. Press info for the Shalom Salam Tour, Anis Hamadeh, April 12, 2004 When the Duo Rubin asked me half a year ago whether I was interested to take the Palestinian part for a concert tour to the benefit of Palestinian and Israeli kids in the framework of the peace and dialog work of Givat Haviva, I said yes, of course. For there are two things which – if really honestly wished – one must not refuse: peace and the wellbeing of the children. This was the way I first met Ithay Khen and Gabriella Gonda-Khen. Nermin Sharkawi from Berlin made the connexion. "Israel – Vadi Ara – September 2000, we are on the road to visit relatives. A violent view reveals itself to us: burnt car-tyres all over the place, bus stops and street lanterns are destroyed, the road is damaged, the valley is unpassable. We are shocked, this track has been familar to us for years, we know the Vadi Ara as a calm, peaceful, even idyllic area. Never would we have thought that the here prevailing Arab population could have such an anger which – as an expression of their solidarity with the Palestinians – could evoke such an extend of destruction. |
Wir gingen nach der Premiere über die Fußgängerzone, wo große Bilder von Daniel Barenboim hingen, der im Juli hier spielen würde. Ich grüßte den Maestro. Ithay und Gabriella haben schon mit ihm gespielt, sie kannten ihn. Mir fiel auf, dass er eine gute Klammer bildete, weil wir ihn gemeinsam hoch schätzten. Georg Meggle führte uns zu einer historischen Wirtschaft. Professor Meggle war der einzige in der Runde, der sozusagen von meiner Seite dazukam, die anderen, Alex Elsohn, Stefan, Benny und Michael Krebs, sie kamen im weitesten Sinne über das Duo Rubin dazu. Meggle lehrt Philosophie an der Uni in Leipzig und arbeitet unter anderem zum Thema „Terror“, wovon später ausführlicher erzählt wird. Ich war froh, dass diese erste größere Runde während der Tour so harmonisch war. Im Verlauf der Wochen fiel mir das immer wieder auf: Wir kamen mit den Leuten des jeweils anderen gut zurecht. |
After the première concert reading we went through the pedestrian zone in the city center, there hung huge pictures showing Daniel Barenboim who would play here in July. I said hello to the maestro. Ithay and Gabriella had already played with him, they knew him. I realized that he constituted an overall frame for us, as we all held him in high esteem. Georg Meggle guided us to a historic inn. Professor Meggle was the only one in the circle who joined the group from my side, so to speak. The others, Alex Elsohn, Stefan, Benny and Michael Krebs, they all came from the side of the Duo Rubin, in the broadest sense. Meggle teaches philosophy at the uni in Leipzig and works, among other things, on the subject "terror" which will be mentioned later on in more detail. I was glad that this first bigger circle during the tour was together in such a harmony. In the course of the weeks I have noticed this fact again and again: we got along well with the people of the respective other. |
(10.05.04) Am Vormittag brachte mich Michael das kurze Stück nach Halle. Er fuhr zu einer parallelen Lesung weiter, bei der aus den Memoiren des Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, gelesen wurde. Wir holten eine professionelle Schauspielerin ab, die den Text lesen würde. Das Duo Rubin war bei diesem Event auch dabei und spielte, ich verzichtete und ruhte mich ein paar Stunden im Hotel aus. Es waren viele Eindrücke zu verarbeiten. Zum späten Mittagessen trafen wir uns im Hotelrestaurant und besprachen die Lage. Wir fühlten uns wohl, wenn wir auch ausgepowert waren. Wir kamen überein, dass wir in der zweiten Hälfte des Programms den Ausschnitt aus dem Jugendroman „Samir und Jonathan“ von Daniella Carmi (Hansa-Verlag, 1994) ersetzen wollten, da ein langer Text reichte. Im ersten Teil las ich nämlich Ausschnitte aus: „Wir wollen beide hier leben. Eine schwierige Freundschaft in Jerusalem“ von Amal Rifa'i und Odelia Ainbinder (mit Sylke Tempel, Rowohlt Berlin, 2003), der Sammlung eines authentischen Briefwechsels zwischen einer jungen Israelin und einer jungen Palästinenserin, beide aus Jerusalem. Dieser Text hatte viele im Publikum beeindruckt und er zeigt den Konflikt, zu dessen Lösung wir beitragen wollten. Die Presse hat zuweilen leider geschrieben, dass dieses Buch von mir sei. Das ist nicht der Fall, ich habe daraus nur vorgelesen, das hatte ich aber auf der Bühne auch deutlich gesagt. |
(May 10, 2004) After breakfast Michael drove me the short distance over to Halle. He was going on to another, parallel reading at which the memories of the chairman of the Central Council of the Jews in Germany, Paul Spiegel, were recited. On our way we picked up a professional actress who would read out the text. The Duo Rubin would also join the event and play there, I renounced and took a rest for some hours in the hotel. There were a lot of impressions to digest. For a late lunch we met in the hotel restaurant and analyzed the situation. We were feeling well, only a bit exhausted. We agreed to leave out the excerpt from the youth novel "Samir and Jonathan" by Daniella Carmi (Hansa Publishing House, 1994) and substitute it in the second half of the program, because one long text was enough. In the first half I read excerpts from: "We Both Want to Live Here. A Difficult Friendship in Jerusalem" by Amal Rifa'i and Odelia Ainbinder (with Sylke Tempel, Rowohlt Berlin, 2003), the collection of an authentic letter exchange between a young Israeli and a young Palestinian, both from Jerusalem. This text had impressed many people in the audience and it shows the conflict to the settlement of which we wanted to contribute. The press sometimes unfortunately wrote that this book was by myself. This is not the case, I only read out of it, but I had made that point clear on stage. |
Ithay war etwas angespannt, weil einige seiner Kollegen aus dem Orchester von Halle im Publikum saßen. Es klappte aber alles gut. Auch der Film funktionierte dieses Mal. Gabriella kam auf die Bühne und kündigte ihn an. Er dauerte nur ein paar Minuten und zeigte die Arbeit von Givat Haviva. Man sah Jugendliche, die sich gegenseitig fotografierten. Man konnte nicht genau sagen, wer von ihnen Israelis, nein: Juden waren, und welche ursprünglich Arabisch sprachen und palästinensisch waren. Es waren einfach junge Leute, die einander begegneten. Es gab mehr Neugier als Spannung. Sie gingen auch über die Grenzen in die Häuser der jeweils anderen. Sahen sich dort um, fotografierten, was im Kühlschrank und im Kleiderschrank war, waren ausgelassen. |
Ithay was a bit under tension, because some of his colleagues from the orchestra in Halle were sitting in the audience. But it went all well. The film worked this time, too. Gabriella entered the stage and announced it. It only lasted for some minutes and showed the work of Givat Haviva. You could see young people taking pictures of one another. It was not really possible to say who of them was Israeli, no: Jewish, and who originally spoke Arabic, being Palestinian. They were only young people meeting each other. There was more interest than tension. They also crossed the border into the homes of the respective other. Took a look around, taking pictures of the contents of the refrigerator and the wardrobe, all relaxed. |
Kapitel 2: Vreden und Wesel | Chapter 2: Vreden and Wesel |
(11.05.04) Im Pfarrhaus von Vreden war es recht gemütlich. Wir hatten die halbe obere Etage, in der wir uns ausruhen konnten, bevor in zwei Stunden der Auftritt begann. Ich saß auf dem Balkon, die Sonne schien, Vögel zwitscherten und von irgendwo hinter den Bäumen hörte man ein Wasser rauschen. Auf dem Platz zwischen dem Pfarrhaus und der Stiftskirche, in der wir gleich sein würden, spielten Kinder. Wir waren vom Rathaus herübergekommen, wo wir einen kleinen Empfang hatten, fünf Minuten von hier. |
(May 11, 2004) It was quite cosy in the parsonage of Vreden. We had half of the upper flight for our disposal, so we could take a rest before two hours later the performance would begin. I was sitting on the balcony, the sun was shining, birds were chirping, and from somewhere behind the trees one could hear a murmuring water. On the square between the parsonage and the Stifts Church, in which we would be soon, there were children playing. We had come over from the town-hall where we had a meeting with local politicians, five minutes from here. |
Der Auftritt und das ganze Drumherum in Vreden war ausgezeichnet, bis auf diese eine Sache. Zu Beginn des zweiten Teils der Aufführung sprach zunächst einer der Veranstalter ein kurzes Wort, so war es üblich. Danach kam mein Part, ein längerer Literaturblock, darunter jetzt auch das Stück „Ausgangssperre für Gefühle“ sowie einige weitere Gedichte aus „Loving Jay“. Es gab mir ein besseres Gefühl, wenn ich aus meinen eigenen Sachen las, ich konnte mich dann mehr einbringen und es war authentischer. Schon während des Vorlesens in dem halligen Raum spürte ich jedoch eine seltsame Distanz des Publikums. Seltsam deshalb, weil sie nicht echt war. Da war eine Mauer, Gabriella hat das später beim Abendessen bestätigt. Als ich jedenfalls zuende gelesen hatte, war Totenstille. Mir zog sich der Magen zusammen, aber ich ließ mir nichts anmerken. Ich hatte extra am Schluss „Vielen Dank“ gesagt, damit das Publikum merkte, dass Finito war, es gab auch keinen Zwischenapplaus. Was hätte ich tun sollen? Später dachte ich, ich hätte sie vielleicht länger anschauen sollen, anstarren vielleicht, sodass sie sich nur durch den Applaus vor meinem Blick hätten retten können. Ein Teppich aus Blei senkte sich weitläufig auf mich, während ich unauffällig die kleine, und hauptsächlich vom Flügel ausgefüllte, Bühne verließ. Das Duo Rubin kam mir entgegen, um mich abzulösen. Sie sahen mir an, dass etwas nicht stimmte. Vorsichtig bewegte ich mich zu meinem Warteplatz, hoffend, dass das Duo Rubin nicht mit einem Applaus begrüßt würde, weil es mir dann wohl unmöglich wäre, das nicht persönlich zu nehmen. Auch wenn ich ahnte, dass ich hier nicht die ganze Realität erfasste, dass ich stattdessen in einen Atavismus zurückfiel, weil ich heftig an andere Situationen in meinem Leben erinnert wurde ... |
The appearance and all the circumstances in Vreden were excellent, with the exception of this one thing. At the beginning of the second part of the performance one of the organizers spoke a word, this was how it usually went. Thereafter came my part, a longer literary block, comprising now also the piece "Curfew for Feelings" as well as a couple of further poems out of "Loving Jay". It gave me a better feeling when I recited my own stuff, I felt more at home and it was more authentic. Yet during the reading in the room with the reverberating sounds I already sensed a strange distance coming from the audience. Strange, because it was not genuine. There was a wall, Gabriella later varified that when we had dinner together. The thing was, when I had finished the reading, there was dead silence. My stomach contracted, but I did not show it. At the end I had deliberately said "thank you" for the audience to know that it was finito, there also had not been any applause in between. What should I have done? Later I thought I maybe should have looked at them more intensely, even stared at them so that only the applause could have saved them from my gaze. A carpet of lead spaciously sunk down on me as I left the small stage, which was mainly filled with the piano, in an unconspicious way. The Duo Rubin entered at the same time to continue. They could tell by the look on my face that there was something wrong. Carefully I proceeded to my waiting place, hoping that the Duo Rubin was not welcomed with an applause, because this would probably have made it impossible for me to not take it personally. At the same time I had the predicament that I did not perceive the whole reality here, that instead I was relapsing into an atavism, for I got massively reminded of earlier situations in my life ... |
Nun las ich also doch „Ausgangssperre für Gefühle“, das Stück, das ich im Januar geschrieben und im Februar in Ägypten gelesen hatte. Inzwischen hat die Literaturzeitschrift Akhbar al-Adab die arabische Übersetzung veröffentlicht. Es war gut für das Programm geeignet, weil es eine Art „Loving Jay“ in Kurzversion ist. Der Lyrikband „Loving Jay“ war deshalb passend für die Tour, weil es darin um grundsätzliche Gefühle und grundsätzliche Fragen der Menschlichkeit geht. Auch um Emanzipation von allem Unterdrückenden, selbst der eigene Liebe, wenn sie jemanden unterdrückt. Das schien mir die richtige Ebene zu sein. Hier ist das Gedicht im Wortlaut: bambus # 232 – anis 26.01.04 alarm ist ausgerufen worden – die checkpoints ihres herzens – sind sämtlich geschlossen – an den toren sicherheitsposten – nicht unfreundlich – doch streng – wer keine gültigen papiere hat – kommt hier nicht weiter -- es hatte tage gegeben – da war ich mehrere kilometer tief – in ihrem gebiet – fand dort spuren meines traums – und suchte das ohr – heute seit sonnenaufgang – sind alle wege abgeriegelt – keine eindringlinge können – durch die mauer – worte, gesten prallen ab – an berührung nicht zu denken – ausgangssperre für gefühle – keine infiltration – um der ruhe willen – mehr hat sie nicht verlangt – nur ruhe – aber wolltest du nicht etwas? – fragte ich – und sie sagte – sie habe es doch schon – aber hattest du nicht von einem traum erzählt – ganz zu beginn? – und sie sagte – das könne wohl sein – doch schaue sie nach vorn – ob denn etwas nicht in ordnung sei? – fragte sie und ich antwortete: – nein nein – das ist es nicht – nur diese mauer – sie ist sehr hoch – und die sicherheitsmaßnahmen – vorher war hier eine kleine wiese – nur für uns – da ließ sie mich – einen moment lang allein -- ich fuhr die hügeligen straßen ab – und versuchte an mehreren stellen – einen eingang zu finden – ich wollte mit ihr selbst sprechen – aber es ging nicht mehr – da war kein raum – dieses mal – hätte sie zuhören müssen – und ich hätte ebenfalls zuhören müssen -- die einzig verbleibende möglichkeit – jetzt noch zu ihr zu gelangen – war der affekt – das extrem – die verzweiflungstat – frontal auf den checkpoint zufahren – und beschleunigen – bis es kracht – denn wenn es kracht – muss da etwas wichtiges gewesen sein – etwas – worüber man nachdenkt – etwas – bei dem man sich fragt – warum es geschehen ist – so hatte ich es früher gemacht – bei einigen ihrer schwestern – allein es funktionierte nicht – am ende war da – immer nur ein trümmerfeld – wo vorher die wiese stand – schlechte träume – und kakerlaken – das war alles – von uns blieb jeweils gar nichts mehr -- nun ist die grenze also zu – ich steh hier in der eiseskälte – rauche eine zigarette – verabschiede mich von ihr – und recke meine knochen – drei panzer haben mich unterwegs – versehentlich überrollt – kollateral – das hatte ich in kauf genommen – ich wollte wissen – was dahintersteckt – und nun weiß ich's – es war da – den rest werde ich überleben -- hohe sicherheitsstufe – im kino wenig worte – wir starrten auf die leinwand – und ich verhielt mich unauffällig – fand mich in der ungeliebten rolle – eines under-cover-agenten – wir lächelten – während sie – mit dem ausbau der sperranlage – beschäftigt war – sie war immer wunderschön – ihre augen leuchteten – im abendland – ich konnte nur zusehen – denn ich kam gleich zu beginn – von der verkehrten seite -- nur kurz war ich heute der andere – der fremde – sah mich im spiegel der spiegelfrau – da war er wieder – ich kannte ihn schon lange – er hatte seinen platz – und schien ein wenig kümmerlich – ich mochte ihn nicht – er redete oft durcheinander – und war maßlos – dabei recht ungeschickt – ich verstand – dass sie ihm nicht zuhören mochte – ich mochte ihm selbst nicht zuhören – so waren wir uns – am ende fast einig – und ich brauchte mich nicht gehen zu lassen – sondern nur sie |
Now I had changed the literary program and read "Curfew for Feelings", the piece which I had written in January and read in Egypt in February. Meanwhile, the literary magazine "Akhbar al-Adab" published the Arabic translation. It was well fit for the show, because it is a kind of "Loving Jay" in short version. The reason why the poetry album "Loving Jay" was adequate for the readings was that it deals with principle feelings and principle questions of humanity. Also with the emancipation of all oppressing, even of the own love, when it oppresses someone. This seemed to me to be the right level. Here is the wording of the poem: bamboo # 232 – anis 26 jan 04 there was an alarm call – the checkpoints of her heart – are all closed – security squads at the gates – not unfriendly – but strict – no one can get any further – without the valid papers -- there had been days – when i was several kilometers deep – in her territory – i found traces of my dream there – and was looking for the ear – today since dawn – all the roads are blocked – no intrudors can – get through the wall – words, gestures, they rebound – not to think of touches – curfew for feelings – no infiltration – for the sake of calm – more she has not demanded – only calm – but was there not something that you wanted? – i asked – and she said – actually she already has it – but did you not tell about a dream – right at the start? – and she said that – this may well be the case – yet she is looking way ahead – if there was anything not alright? – she asked and i replied: – no no – it is not that – only this wall – it is very high – and the security measures – before there had been a little meadow here – only for us – at that she left me alone – for a moment -- i drove up and down the hill-streets – and tried at several spots – to find an entrance – i wanted to speak to her herself – but there was no way anymore – there was no space – this time she would have had to listen – and i would have had to listen, too -- the only remaining possibility – to reach her now – was the affect – the extreme – the deed out of despair – to drive straight into this checkpoint – accelerating – until the bang – because when there is a bang – then there has to be something important behind it – something you would think about – something where you ask yourself – why it happened – this is how i used to do it – with some of her sisters – only that it never worked out – in the end there was always only – a field of broken pieces – where before there was – the meadow – there were bad dreams – and cochroaches – that was all – nothing remained of the respective us -- so now the boarder is closed – i am standing here in the ice-cold day – smoking a cigarette – say goodbye to her – and stretch my bones – three tanks have rolled over me – on the way – by accident – collaterally – i had taken that into account – for i wanted to know – what was behind all that – and now i know – it was there – and i'll survive the rest -- security alarm – few words in the cinema – we stared onto the screen – and i behaved in an unconspicuous way – found myself in the undesired role – of an under-cover agent – we smiled – while she was busy – working on the separation device – she was always beautiful – with eyes shining – in the occident – i could only watch – for i came in from the wrong side – right at the start -- for a short moment only – had i today been the other – the stranger – saw myself in the mirror of the mirror woman – there he was again – i had known him for long – he had his place – and seemed to be a bit wretched – i did not like him – he used to talk in confusion – and was boundless – in a clumsy way – i understood – that she did not want to listen to him – i did not want to listen to him either – thus in the end – we almost agreed – and i did not have to let myself go – but only her |
(12.05.04) Am nächsten Tag lernte ich Bettina Oehmen kennen, die Frau des Cellisten Christoph, der die Auftritte in Vreden, Wesel und Bocholt organisiert hat und ein Freund vom Duo Rubin ist. Bettina ist eine vielseitige, energetische Frau mit vier Kindern. Sie komponiert, schreibt, zeichnet, stellt Bachblüten-Extrakte her, kocht und ist ständig aktiv. Auf ihrer und Christophs Homepage www.oehmen-art.de kann man sich davon ein Bild machen. Die Begegnung mit ihr empfand ich als wichtig, denn Bettina war mir in vielem ähnlich, etwa was die spirituelle Mentalität betrifft. Sie drückt sich auch ähnlich wie ich in Wort, Bild und Ton öffentlich aus. Bestimmt gibt es einige Unterschiede zwischen uns, vielleicht auch gravierende, doch brauchte ich nur ihre und Christophs Bibliothek zu betrachten, um mich zu orientieren. Dort fand ich mindestens vier meiner Top-10-Bücher, darunter die Prophezeihungen von Celestine von James Redfield, Zur Quelle der Kraft von Jose und Lena Stevens, Der Traumfänger von Marlo Morgan. Kann sein, dass ich dort auch das Tibetische Buch vom Leben und vom Sterben von Sogyal Rinpoche gesehen habe. Das bedeutete, dass ich hier nicht fremd war. |
(May 12, 2004) On the next day I met Bettina Oehmen, the wife of cellist Christoph who had organized the concerts in Vreden, Wesel and Bocholt and who is a friend of the Duo Rubin's. Bettina is a versatile, energetic woman with four children. She composes, writes, draws, produces blossom extracts for health, cooks and is always in action. On her and Christoph's homepage www.oehmen-art.de one can get an idea about these activities. I regarded the encounter with Bettina as important, because we were similar in many things, for example concerning our spiritual mentality. Also, she expresses herself publically in word, picture and sound, similar to me. Surely there also were some differences between us, maybe even grave ones, but I just had to take a look at her and Christoph's library to find orientation. There I discovered at least four of my top 10 books, among them The Celestine Prophecies by James Redfield, Secrets of Shamanism by Jose and Lena Stevens, The Dream Catcher by Marlo Morgan. It may be that I also saw the Tibetan Book of Living and Dying by Sogyal Rinpoche there. This meant that I was not an alien here. |
„Die Sache“ war allgegenwärtig, wenn auch leise. Nach Vreden ging es nach Wesel, wo wir in der Musikschule auftraten. Wieder ein schönes Gebäude, von 1809, eine umgebaute Kaserne, langgezogener Backsteinbau mit einer Wiese davor. Zuerst aber fuhren wir ins Rathaus zu einem Empfang. Ich hatte gehört, dass man sich in Wesel bei den Vredenern informiert hatte wegen des Status' der offiziellen Begrüßung. Irgendwie süß. Man war im Besonderen davon angetan (vor allem in Vreden), dass man in einer Reihe mit dem Gewandhaus Leipzig stand. Plus natürlich Shalom-Salam. Da war schon ein ehrliches Interesse, kam jedenfalls so bei mir an. Es begrüßte uns nicht der sprichwörtliche Bürgermeister von Wesel, denn der war zur Kur, sondern sein Stellvertreter, ebenso wie einige weitere Vertreter der Stadt in offizieller Kleidung. |
"The thing" was omnipresent, but on a low level. After Vreden we went on to Wesel where we would appear in the music school. Again a beautiful building, from 1809, re-arranged former barracks, a widely stretched brick building with a meadow in front of it. But at first we drove to the city hall for a meeting. I had overheard that the people in Wesel had gathered some information from the people in Vreden concerning the status of the official welcome. That was somehow sweet. They (especially in Vreden) highly appreciated that they stood in one line with the Gewandhaus Leipzig. Plus, of course, Shalom-Salam. There was, in fact, an honest interest, this is how I received it, at any rate. The mayor from Wesel was not there, due to a health treatment, so we were welcomed by the vice mayor. Also attending were some representatives of the city in official clothing. |
Kapitel 3: Bücher und Pressegespräche | Chapter 3: Books and Press Meetings |
Diese Reise war nicht nur eine von Konzertlesung zu Konzertlesung, mit eingearbeiteten Betrachtungen und Dokumenten. Da waren auch einige Bücher, die zum Thema gehörten und die in meinem Koffer lagen. Zum Beispiel Georg Meggle (Hg) (2003): „Terror und der Krieg gegen ihn. Öffentliche Reflexionen“ (Mentis-Verlag), Sophia Deeg (2004): „Ich bin als Mensch gekommen. Internationale Aktivisten für einen Frieden von unten“ (Aufbau-Verlag), Paul Spiegel (2001): „Wieder zu Hause? Erinnerungen“ (Ullstein-Verlag), Rifa'i, Ainbinder, Tempel (2003): „Wir wollen beide hier leben. Eine schwierige Freundschaft in Jerusalem“ (Rowohlt-Berlin-Verlag). |
This was not only a journey from concert reading to concert reading, with integrated reflections and documents. There also were some books related to the subject, thy were deposited in my suitcase. For example Georg Meggle (ed.) (2003): "Terror and the War Against it. Public Reflections" (Mentis Publishing House), Sophia Deeg (2004): "I have Come as a Human. International Activists for a Bottom-up Peace" (Aufbau Publishing House), Paul Spiegel (2001): "Home Again? Memories" (Ullstein), Rifa'i, Ainbinder, Tempel (2003): "We Both Want to Live Here. A Difficult Friendship in Jerusalem" (Rowohlt-Berlin). |
(04.05.04, Flashback) Am Mittwoch vor der Premiere hatten das Duo Rubin und ich Pressegespräche in Leipzig und Halle. Dies war eine Gelegenheit, Georg Meggle endlich persönlich kennen zu lernen. Ich kam am Dienstag um 20 Uhr mit großem Koffer und Gitarre in Leipzig an. Georg Meggle wohnt nur ein paar Busstationen vom Bahnhof entfernt in einer gemütlichen Altbauwohnung. Gesprächsstoff hatten wir genug. Seit unserem ersten Kontakt hatten wir uns hin und wieder gemailt, entweder hatte ich einen neuen Artikel geschrieben oder er hatte von Veranstaltungen zu berichten. Meggle geht gesellschaftlichen Kontroversen nach. Wo denn sonst, wenn nicht in der Universität, soll darüber diskutiert werden? Für ihn ist die Sache klar: „Das Thema TERROR & DER KRIEG GEGEN IHN schreit nicht erst seit dem 11. September 2001, aber seitdem auch im Westen lauter als bisher nach mehr Rationalität. Je mehr also die sonstigen öffentlichen Meinungsbildungs-Institutionen (...) versagen, desto stärker ist die Institution Universität in der Pflicht. Einer ratlosen, desinformierten und durch Terror & Gegen-Terror zunehmend angstblockierten Öffentlichkeit Orientierungshilfen anzubieten gehört zu ihren wichtigsten Aufgaben. Dies ist ein Payoff, den eine Demokratie von ihren Universitäten zu Recht einfordert. Wozu sind Universitäten überhaupt da?“ (Seite 12 seines Buches). |
(May 4, Flashback) On Wednesday before the first performance the Duo Rubin and I had press meetings in Leipzig and Halle. This was an opportunity to meet Georg Meggle personally at last. On Tuesday at 8 p.m. I arrived in Leipzig with a huge suitcase and my guitar. Georg Meggle lives only a couple of bus stops away from the station in a cosy flat with a high ceiling. We had enough to talk about. Since our first contact we had mailed here and there, sometimes I had written a new article or he had news from seminars and the academic world. Meggle analyses social controversies. Where else, if not in the university, shall people discuss such things? For him the issue is straightforward: "The subject TERROR & THE WAR AGAINST IT is shouting not only since September 11, 2001, but since that day with a louder voice, and also in the West, for more rationality. The more the other public opinion-building institutions (...) fail the more responsible is the institution of the university. It belongs to its major tasks to provide orientational support for a perplexed, desinformed public which is increasingly blocked by the fear of terror & counter-terror. This is a payoff which a democracy by right demands from its universities. What is the use of universities, anyway?" (on page 12 of his book). |
(05.05.04) Weiter ging es am nächsten Morgen in die Stadtbibliothek in Leipzig, wo wir uns wegen des Pressetermins treffen wollten. Das Duo Rubin war schon da, als ich kam. Ich hörte das Klavier aus der Entfernung. Auch Michael Krebs aus Köln war bereits eingetroffen. Mit ihm würde ich die nächsten zwei Tage verbringen. Zu den Pressegesprächen allgemein kann man sagen, dass sich einige Leute wirklich Mühe bei den Vorbereitungen gemacht haben, wie der Journalist Martin Forberg und auch Michael Krebs. Ich bin vollständig ohne Erwartungen hingegangen. Das hatte ich mir von Anfang an vorgenommen: keine Erwartungen außer guten Konzerten, guter Friedensarbeit und Unterstützung von Givat Haviva. Ich hatte nicht vor, irgendjemanden von irgendetwas zu überzeugen, außer vielleicht von der Machbarkeit einer friedlichen Zukunft und der Tatsache, dass Palästinenser Menschen sind wie alle Menschen. |
(May 5, 2004) On it went on the next morning to the public library of Leipzig where we were set to meet for talks with the local press. The Duo Rubin was already there when I entered. I heard the piano from a distance. Michael Krebs from Cologne had already arrived, too. With him I would spend the next two days. Concerning the press meetings in general one can say that some people had really done a lot of work in the preparation, like the journalist Martin Forberg and also Michael Krebs. I went there without any expectations. This is what I had told myself right from the start: no expectations except good concerts, good peace work and support for Givat Haviva. I had no intention of convincing anybody from anything, except maybe the possibility of a peaceful future and the fact that Palestinians are human beings like all human beings. |
Michael Krebs hat nach der Tour eine Mappe für uns gemacht, mit allen Zeitungsartikeln, vielen Fotos von den Auftritten und den Rednern, dem Grußwort von Bundespräsident Rau, den Terminen, Infos zum Programm etc. Er war die ganze Zeit Feuer und Flamme für das Projekt, hat Tausende von Kilometern abgerissen, Sponsoren aufgetrieben, Briefe geschrieben, Einladungen verschickt, Pressekontakte gemacht. Die meisten Sachen, die ich in der Presse gelesen habe, waren okay. Am Schönsten fand ich den Artikel „Plädoyer der Völkerverständigung. Duo Rubin und Anis Hamadeh bieten Musik und Lyrik in einem Konzert“ von Vera Timotijevic in der Bocholter Zeitung vom 17.05.04. Auf dem Foto stehen wir gemeinsam auf der Bühne nach dem Konzert. Auch der Mini-Artikel „Drei Künstler für den Frieden“ in der B.Z. (am 26.05., mit kleinem Farbfoto von uns dreien) war nett, weil auf derselben Seite ein Interview mit Yoko Ono war und ein riesiges Bild mit John beim Amsterdamer Bed Peace. |
Michael Krebs after the tour made a file for us with all the newspaper articles, many photos of the events and the speakers, the supporting address of Federal President Rau, the tour dates, infos on the program etc. He had the whole time been enthusiastic about the project, has traveled thousands of kilometers, found sponsors, wrote letters, sent invitations, made press contacts. Most of the things I read in the press were alright. The nicest one for me was the article "Plea for the mutual understanding between peoples. Duo Rubin and Anis Hamadeh present music and poetry in a concert" by Vera Timotijevic in the Bocholter Zeitung on May 17, 2004. On the photo we are standing together on stage after the concert. The mini-article "Three artists for peace" in the B.Z. (on May 26, with small colored photo of us three) was also nice, because on the same page there was an interview with Yoko Ono and a huge picture with John at the Amsterdam Bed Peace. |
Wir fuhren weiter nach Halle, dort war ein zweites Pressegespräch in der Ulrichkirche, wo wir eine Woche später auftreten würden. Es kamen ein paar Journalisten, ich erinnere mich, auch in einen Kassettenrekorder gesprochen zu haben. Als wir in den Raum kamen, lag ein großer Stapel mit eingepackten Büchern auf dem Tisch. Ich ging hin und sah, dass es sich um Paul Spiegels Memoiren handelte. Der Mann sollte uns im Laufe der Tour noch mehrfach über den Weg laufen, wenn auch nicht persönlich. Wie es sich nämlich ergab, kannte Michael Krebs Herrn Spiegel über den Düsseldorfer Heinrich-Heine-Freundeskreis, der auch unser Projekt unterstützte. |
On we rode to Halle, a second press meeting was scheduled in the Ulrich Church where we would appear one week later. Some journalists attended, I remember having spoken into a cassette recorder also. When we entered the room there was a huge pile with wrapped books on the table. I had a look and saw that it was the autobiography of Paul Spiegel. This man would come across our way some more times during the tour, yet not personally. As it happened, Michael Krebs knew Mister Spiegel by way of the Heinrich Heine Society in Düsseldorf which was also supporting our project. |
Viele sehen in Paul Spiegel eher einen Aufklärer und jemanden, an dessen Schicksal man die deutsche Geschichte erkennen kann. Jemanden, der emanzipiert über das Unrecht der Nazizeit spricht und für die Toleranz eintritt, die es damals in Deutschland nicht gegeben hat, was zu schrecklichen Konsequenzen geführt hat. Andere bemerken, dass Paul Spiegel regelmäßig repressive und gewalttätige Konfliktlösungen befürwortet, wenn es um Juden oder Israel geht, sei es gegen „die Antisemiten“, “die Terroristen“ oder die Irakis. Auch im aktuellen inneren Konflikt zwischen dem Zentralrat und den liberalen Juden hat er weitgehend repressiv reagiert. Er hat mich schon öfters mit seinen Äußerungen erschreckt. In einer Rede, die er zum 60. Jahrestag des Aufstandes im Warschauer Getto in Berlin hielt und die die Tageszeitung die Welt in gekürzter Fassung am 30.04.03 gedruckt hat, spricht Paul Spiegel von einer Neuinterpretation der Zehn Gebote und einem „göttlichen Auftrag“ der Juden, die Würde des Menschen auch in dunkelsten Zeiten zu bewahren und sich zu wehren, „notfalls selbst mit Waffengewalt“. Schon der Titel: „Wer sich den Tod erkämpft“ hat martialischen Charakter. Hier ein Zitat daraus: |
Many people in Germany regard Paul Spiegel rather as an enlightener and someone in whose fate the German history is showing. Someone who talks about the injustice of the Nazi period in an emancipated way and who stands for the kind of tolerance which former Germany was lacking, which had led to terrible consequences. Others notice that Paul Spiegel regularly advocates repressive and violent conflict solutions whenever Jews or Israel are in question, be it against "the anti-Semites", "the terrorists" or the Iraqis. In the current internal conflict between the Central Council of the Jews in Germany and the liberal Jews in Germany he has also predominantly reacted in a repressive way. More than once he deterred me with his utterances. In a speech which he held in Berlin on the occasion of the 60th anniversary of the riot in the Warsaw Ghetto and which the newspaper "Die Welt" printed in abridged form on April 30, 2003, Paul Spiegel speaks about a re-interpretation of the ten commandments and a "divine mission" of the Jews to guard human dignity even in darkest times and to put up a resistance, "if necessary even with armed force". The title aleady has a martial character: "Those who are fighting for death". Here is a quote: |
(11.05.04) „Was ist die Ursache von Terror?“ An dieser Frage scheiden sich zwei Welten. Auf der Autofahrt von Halle nach Vreden, circa 470 Kilometer, sprach ich mit Ithay darüber, nachdem wir eine Weile lang über „die Sache“ geredet hatten. Ich erzählte ihm meine These: Es gibt Leute, die meinen, dass Terror aus Unterdrückungssituationen heraus geschieht, und es gibt Leute, die verschiedene Ursachen des Terrors annehmen. Radikalisierung etwa könne zu Terror führen, oder Feindschaft. Das Streben nach Macht vielleicht. Übertriebene Religiosität oder Ideologie. Für die These, dass Terror im Allgemeinen Unterdrückung zur Ursache hat, spricht zum Beispiel, dass Selbstmordanschläge empirisch sichtbar regelmäßig aus Unterdrückungssituationen erwachsen, etwa aus Besatzung. In Palästina, im Irak, in Tschetschenien. Solche Attentate sollen auf eine hoffnungslose Lage aufmerksam machen. Das rechtfertigt sie nicht, aber man kann diesen Aspekt nicht ignorieren, wenn man die Situation verstehen will. Das schreibt selbst Paul Spiegel, freilich bezogen auf die eigene Gruppe: Zu dem Attentat von Herschel Grynszpan am 7.11.1938 anlässlich der Deportation der polnischen Juden analysiert Spiegel, dass Grynszpan versuchte, „durch ein spektakuläres Attentat auf das Schicksal der Verschleppten aufmerksam zu machen. (...) Die Nazis hatten auf einen solchen Vorwand (...) nur gewartet.“ (Wieder zu Hause, S. 28). |
(May 11, 2004) "What is the Cause of Terror?" This question divides two worlds. In the car from Halle to Vreden, circa 470 kilometers, I talked with Ithay about it, after having discussed "the thing" for a while. I told him my thesis: there are people who think that terror originates in situations of oppression and there are other people who suppose a multitude of causes for terror. Radicalisation, for instance, could lead to terror, or hostility. The longing for power, maybe. Exaggerated religiosity or ideology. Supporting the thesis that generally terror is caused by oppression is, for example, the fact that suicide attacks empirically visible and regularly spring from situations of oppression, like occupation. In Palestine, in Iraq, in Chechenia. Such assaults are meant to draw the attention to a hopeless situation. This does not justify them, but one cannot ignore this aspect if one wants to understand the situation. Even Paul Spiegel writes this, certainly referring to the own group: concerning the assault of Herschel Grynszpan on November 7, 1938, on the occasion of the deportation of the Polish Jews Spiegel analyses that Grynszpan attempted "to draw the attention to the fate of the deported with a spectacular assault. (...) The Nazis had only waited (...) for such a pretext." (Home again, p. 28). |
Kapitel 4: Düsseldorf und Bocholt | Chapter 4: Düsseldorf and Bocholt |
(13.05.04) Nach Düsseldorf zu kommen war kein Stress. Zwar ist die Bocholter Gegend an der niederländischen Grenze etwas völlig anderes als die NRW-Landeshauptstadt Düsseldorf, eine andere Kultur fast, doch geografisch liegen die beiden Städte nicht weit auseinander. Wir kamen entspannt am Nachmittag an der Thomaskirche an und hatten Zeit. Da der Techniker noch nicht da war, wurden wir zu einem Tee in einen kirchlichen Laden direkt an der Kirche eingeladen, wo wir den Gesprächen der Damen lauschten, die das Geschäft betrieben. Esoterik-Teestuben-Birkenstock-Atmosphäre. Meditativ, fast inspirativ. Es wurden Plätzchen gereicht. Der Techniker erschien und nahm uns mit in den Saal. Er erzählte uns, dass Elton John in diesem Konzertsaal bereits Aufnahmen gemacht hat. Es war ein recht großer Raum, dessen geräumige Frontseite aus der Bühne bestand, die gleichzeitig ein Altar war. Auf der gegenüberliegenden Seite war ein Raum, in dem wir uns umziehen konnten. Unsere Laune war ganz gut. |
(May 13, 2004) It was no trouble to get to Düsseldorf. While the area around Bocholt, close to the Dutch border, is something completely different from the capitol of Northrhine Westfalia, Düsseldorf, another civilisation almost, the two cities are not far apart from each other geographically. Relaxed we arrived at the Thomas Church in the afternoon and we had time. As the technician was not there yet we were invited to a cup of tea in a church shop right at the church where we overheard the chats of the ladies who ran the shop. Esoteric, tea-house kind of atmosphere. Meditational, almost inspiring. Cookies were offered. The technician appeared and took us to see the hall. He told us that Elton John made recordings in this concert hall. It was quite a huge hall the spacious front part of which consisted of the stage which at the same time served as an altar. On the opposite side there was a room where we could dress. Our mood was quite good. |
(Flashback 06.05.04) Zum zweiten Mal betrat ich das Düsseldorfer Sterne-Hotel, in dem der Heinrich-Heine-Freundeskreis tagt. Dieses Mal war das Duo Rubin dabei. Ein weiteres Pressegespräch für Shalom-Salam in einem der Konferenzräume. Ich unterhielt mich mit Stephan Lorsbach, der bei den Vorbereitungen in Düsseldorf half und auch Musiker ist. Es kamen einige Journalisten, mehr als bei den anderen Gesprächen dieser Art zuvor. Von der lokalen Presse, aber auch jemand von der „Welt“ war da. Draußen im Garten machten wir ein paar Fotos. Es war entspannt, eine gewisse Routine hatte sich bei uns inzwischen eingestellt. Ich hatte anlässlich der Tour eine CD kompiliert mit sechs meiner Lieder. Zehn Exemplare hatte ich gemacht, nur für die Beteiligten der Tour. Ich gab eine Herrn Theisen vom Freundeskreis, eine Stephan und Michael. Nach dem journalistischen Teil besprachen wir das bevorstehende Konzert in Düsseldorf. |
(Flashback May 6, 2004) It was the second time that I entered the starry hotel in Düsseldorfer in which the Heinrich Heine Society gathers. This time I was there together with the Duo Rubin. Another press meeting for Shalom-Salam in one of the conference rooms. I talked with Stephan Lorsbach who was helping us with the preparations in Düsseldorf and who also is a musician. Some journalists came, more than before in other meetings of this kind. The local press, but also someone from the newspaper "Die Welt" was there. Outside in the garden we took some photos. It was relaxed, we felt a certain routine in the meantime. On the occasion of the tour I had compiled a CD with six of my songs. I made 10 copies, only for the participants of the tour. One I gave to Mister Theisen from the Society, one to Stephan and to Michael. After the journalistic part we planned the impending concert in Düsseldorf. |
(14.05.04) Am nächsten Tag ging es zurück nach Bocholt. Wieder gab es einen Empfang, wir bekamen Bildbände der Stadt und Umgebung geschenkt. Die Bürgermeisterin war dabei, und sie hat in ihrer Rede im kleinen Kreis deutlich gemacht, dass sie tatsächlich für Verständigung eintritt. Es war keine floskelhafte Rede, sie war echt. Bedauerlicherweise habe ich nichts davon aufgeschrieben. Es war kurz vor dem Konzert im Stockwerk unter dem Auftrittssaal. Wir saßen an einem langen antiken Tisch mit etwa zehn Leuten. Bettina Oehmen war auch gekommen und die Deutsch-Israelische Gesellschaft. Zwischen der DIG und mir hatte es kleinere Spannungen gegeben, die ich aber nicht als destruktiv empfand. Ein bisschen anstrengend für alle Beteiligten vielleicht. Aber wir waren nicht auf Wellness-Tour, sondern es ging um Annäherungen. Realen Konflikten sollte man nicht ausweichen, das bringt nix. So lernten wir jeweils, was vom anderen zu halten war, welche die konstruktiveren Anknüpfungspunkte waren und welche die destruktiveren. |
(May 14, 2004) On the next day we went back to Bocholt. Again there was a meeting in the town-hall, we got photo books of the city and its surroundings. The mayor was there and she made clear in her speech that indeed she supported the mutual understanding. The speech was not a flourish speech, it was genuine. Regrettably I did not write down anything of it. It was shortly before the concert on the floor underneath the hall we would play in. We sat at a long antique table with about ten people. Bettina Oehmen had also come, and the German Israeli Society (DIG). Between the DIG and me there had been smaller tensions, but I did not consider them to be destructive. Maybe a little exhausting for all parties. But we were not on wellness tour, our tour was about approximations. One should not escape real conflicts, it is no use. In this way we learned what to think about the respective other and which the more constructive starting-points were and which the more destructive ones. |
(16.05.04) Ruhe. Vor mir eine Wiese, hinter mir das Haus von Annette und Willy, ihren Kindern Aino und Till sowie verschiedenen Haustieren, darunter eine elegante schwarze Katze. Ich hatte mich mit meinem Rucksack auf die Terrasse zurückgezogen. Es war Vormittag, und ich war allein. Willy unterrichtet Mathematik und Niederländisch, Annette Geschichte. Eine Lehrerfamilie wie aus dem Bilderbuch. Es waren Nachbarn von Bettina und Christoph. Das Duo Rubin war bei ihnen einquartiert, ich bei den Nachbarn. Eine Art heile Welt kam hier über mich, eine freundliche Normalität von Menschen. Mehr brauchte ich nicht, dachte ich. Den Garten vor mir atmete ich ein, während ich Tagebuch schrieb. Es sollte schön werden. Konnte ich das schaffen? Wenn ich an Willy und Annette dachte, konnte ich es vielleicht schaffen. Sie akzeptierten mich so, wie ich bin. Sie mochten mich sogar. Dass ich Schriftsteller und Musiker bin, kritisch dazu, das war hier ganz normal. Natürlich, es kommt immer darauf an, durch welche Tür man kommt. Unter anderen Umständen wären wir vielleicht aneinander vorbeigelaufen. Probleme liegen meistens nicht an den Leuten, sondern an den Situationen, in denen sie sich begegnen. Durch welche Tür kommst du? Wie lerne ich dich kennen? |
(May 16, 2004) Silence. In front of me a lawn, behind me the house of Annette and Willy and their children Aino and Till as well as diverse pets, among them an elegant black cat. I had withdrawn onto the terrace with my rucksack. It was before noon and I was alone. Willy taught mathematics and Dutch, Annette history. A teacher family like from a picture book. They are neighbors of Bettina and Christoph. The Duo Rubin stayed with them and I with the neighbors. A feeling of "everything is ok" came over me here, a friendly normality of people. More I do not need, I thought. I breathed the garden in front of me while writing the diary. I wanted it to become beautiful. Could I make this? If I thought of Willy and Annette maybe I could make it. They accepted me the way I am, even liked me. That I am a writer and musician, and critical, too, was completely normal here. Of course, it is always important through which door one is coming in. Were the circumstances different we might have missed each other. Problems mostly don't happen because of the people, but because of the situations in which they meet. Through which door are you coming in? How are you introduced? |
(Sonntag 16.05.04) Das Wochenende hatte ich bei meinen Eltern verbracht. Sie waren über Nacht in Bocholt geblieben, und wir fuhren über die Dörfer zu ihnen nach Hause. Die Hälfte der Strecke bin ich gefahren. Diese herrliche westfälische Landschaft! Wir hörten Bettina Oehmens CDs im Auto, bei der wir einige Stunden zuvor gemeinsam am Tisch saßen. Sie hatte sogar spontan Bachblüten-Extrakte für uns alle hergestellt und uns gegeben. Nun saß ich schon wieder im Zug. Der nächste offizielle Auftritt war erst am Dienstag, in Oldenburg. Wir hatten aber noch ein Extra-Konzert in Berlin am Montag, in der Schule von Ithays und Gabriellas Sohn, daher machte ich diesen Umweg. |
(Sunday, May 16, 2004) The weekend I had spent with my parents. They had stayed overnight in Bocholt and we drove off the highway to their place. Half of the way I drove. This wonderful Westfalian landscape! We listened to Bettina Oehmen's CDs in the car. A couple of hours earlier we had sat together at the table. She had even spontaneously mixed her blossom extracts for all of us and gave it to us. Now I was on the train again. The next official appearance was only on Tuesday, in Oldenburg. But we had an extra concert in Berlin on Monday, in the school of Ithay's and Gabriella's son, therefore I took this roundabout way. |
Kapitel 5: Oldenburg, RBB, Köln | Chapter 5: Oldenburg, RBB, Cologne |
(18.05.04) Der Auftritt in Oldenburg war ein wenig schwerfällig. Wir haben während der Tour manchmal erlebt, dass es nicht leicht ist, Leute zu aktivieren. Dieses Mal allerdings wurde auch einigermaßen wenig Werbung gemacht. Die allermeisten Plakate sahen wir auf einem Stapel, sie waren nicht verwendet worden. Auch am Eingang des Konzertsaals von Oldenburg waren keine, nur ein einziges Poster hing verloren in der Halle. Der Veranstalter, die dortige Jüdische Gemeinde, meinte, dass die Stadt es Ihnen nicht erlauben würde, vorne am Haupteingang etwas hinzuhängen. Die betreffenden Leute wüssten schon, wo das Konzert zu finden sei. Das hat mich gewundert. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass die Stadt Oldenburg Shalom-Salam nicht unterstützt hätte, wenn sie davon erfahren hätte. Wir konnten auch unseren Bücher/CD-Tisch nicht adäquat aufstellen, weil die Veranstalter selbst einen Verkaufstisch hatten mit einer – recht hübschen – zweidimensionalen Harlekin-Figur aus bemaltem Metall, die ebenfalls mit Givat Haviva zu tun hatte und zu dessen Gunsten verkauft wurde. Die Situation war entsprechend nicht vollständig entspannt, und wir Künstler erinnerten einander daran, dass wir für das Publikum gekommen waren und dass das Publikum nichts mit diesen Irritationen zu tun hatte. Es kamen auch Leute, und sie hörten uns zu. |
(May 18, 2004) The performance in Oldenburg was a little combersome. We did a couple of times experience on tour that it is not easy to activate people. But this time there was hardly any advertisement. The biggest part of the posters we saw on a pile, they had not been used. Also at the main entrance of the concert hall in Oldenburg there was none, only a single poster was attached lonely in the hall. The organizer, the Jewish community there, said that the city would not allow them to stick posters at the main entrance. The respective people, however, would know about the concert and would find it. This surprised me. I could not imagine that the city of Oldenburg would not have supported Shalom-Salam if it had known about it. We could not adequately have our table with books and CDs placed, either, because the organizers had a sales table themselves, with a – quite nice – two-dimensional harlekin figure out of painted metal which also had to do with Givat Haviva and which was sold to its benefit. The situation was accordingly not completely relaxed and we artists reminded each other of the fact that we have come for the audience and that the audience had nothing to do with these irritations. And there were indeed people attending and they listened to us, too. |
Von Ellen Rohlfs gibt es neben zahlreichen Artikeln, Übersetzungen und Gedichten die beiden Bücher „Die Kinder von Bethlehem. Dokumentation“ (mit Muna Hamzeh-Muhaisen, 2000) und: „Sag, Mutter, wie sieht Frieden aus? Nachdenkliches und Frag-Würdiges zum Israel-Palästina-Konflikt“ (Dura-Verlag 1993). Beides sind Textsammlungen. Im ersten kommen viele palästinensische Stimmen zu Wort. Sie erzählen von Erinnerungen und vom Alltag. In "Wie sieht Frieden aus?" stehen Texte zur palästinensischen Geschichte und Gegenwart von Ellen Rohlfs und aus Quellen, die sie gesammelt hat. „Wie sieht Frieden aus?“ liegt ihr besonders am Herzen. Im Internet findet man einiges über sie. Ein neueres Gedicht von Ellen Rohlfs ist Daniel Barenboim gewidmet: |
Next to numerous articles, translations and poems there are two books which Ellen Rohlfs wrote and compiled (in German), "The Children of Bethlehem. Documentation" (with Muna Hamzeh-Muhaisen, 2000) and: "Say Mother, what does Peace Look Like? Reflective and Questionable Issues of the Israel Palestine Conflict" (Dura Publishing House 1993). Both are compilations. In the first book you can find many Palestinian voices. They talk about memories and everyday life. "What does Peace Look Like?" is made of texts concerning Palestinian history and present, both by Ellen Rohlfs and from sources she collected. "What does Peace Look Like?" is especially important to her. On the internet you can find a lot about her. A recent poem of Ellen Rohlfs' is dedicated to Daniel Barenboim: |
(Mittwoch, 19.05.04) Acht Auftritte lagen jetzt hinter uns. Eigentlich neun, wenn man die Generalprobe im Jüdischen Gymnasium mitzählte. Zwei Wochen lang waren wir zusammen unterwegs. Als ich am nächsten Morgen oder Mittag im Hotel aufwachte, war ich ziemlich groggy. Wir verabschiedeten uns jetzt vorerst, das Duo Rubin und ich. Sie fuhren zurück nach Berlin, es waren fünf Tage frei bis zum Auftritt in Köln. Allerdings mussten wir erst einmal nach Hause kommen, und wir hatten zudem am Köln-Tag mittags noch ein Radio-Interview beim Rundfunk Berlin Brandenburg, sodass die freie Zeit zu drei Tagen zusammenschmolz. Am Frühstücksbüffet war ich der Letzte, im Anschluss schnorkelte ich zum nahen Bahnhof herüber. Die Gitarre hatte ich beim Duo Rubin gelassen. Nach Kiel ist es von Oldenburg nicht allzu weit, irgendwann am Nachmittag bin ich dann zu Hause ins Bett gefallen und wollte am Liebsten vier Wochen durchschlafen. |
(Wednesday, May 19, 2004) Eight performances were now behind us. Actually nine, if one took the last rehearsal in the Jewish High School into account. For two weeks we had been on the road together. When I woke up in the hotel the next morning or noon I was rather groggy. We said goodbye now for the time being, the Duo Rubin and I. They went back to Berlin, we had five days off until the performance in Cologne. Yet first we had to get back home, and moreover we had a radio interview at the Rundfunk Berlin Brandenburg (RBB) on the Cologne day at noon. So the free time melted to three days only. At the breakfast buffet I was the last one, subsequently I made my way to the station nearby. The guitar I had left with the Duo Rubin. It is not too far from Oldenburg to Kiel, sometime at noon I finally fell into my bed at home and wanted to sleep for four weeks. |
(23.05.04) Im Gebäude des Rundfunk Berlin Brandenburg trafen wir Dagmar Schmidt wieder, die Bundestagsabgeordnete, und die Journalistin Gesine Strempel. Wir saßen um einen runden Tisch herum, in einem kleinen Aufnahmeraum. Das Gespräch wurde wenige Stunden später gesendet. Barbara Fuchs, eine Bekannte von mir aus Attac-Kreisen, die auch Öffentlichkeitsarbeit macht, schrieb mir später, sie habe es im Radio gehört. Wir hatten uns vorher kaum abgesprochen, das Duo Rubin und ich, nur kurz über die Grundaussage geredet. Wir waren bereits aufeinander eingespielt und konnten einschätzen, was geschieht. Es muss Raum für Spontaneität bleiben. Mit Dagmar Schmidt haben wir uns gar nicht besprochen, das war eigentlich alles kein Problem. Ich betone das, weil es nicht selbstverständlich ist. Hier ist das Gespräch im Wortlaut: |
(May 23, 2004) In the building of the Rundfunk Berlin Brandenburg we met Dagmar Schmidt again, the legislator, as well as the journalist Gesine Strempel. We sat around a round table, in a small recording room. The discussion was broadcast a few hours later. Barbara Fuchs, an acquaintance from Attac circles, who is also doing public work, later wrote to me that she heard it on the radio. We had hardly talked about it before, the Duo Rubin and me, we just spoke about the central message for a moment. We already knew each other and were able to assess what would happen. There has to be space left for spontaneity, too. With Dagmar Schmidt we did not talk at all before the interview, all this actually did not pose a problem. I emphasize this, because it is not a matter of course. Here is the wording of the conversation in English translation: |
(23.05.04) Jemand sagte mir nach dem Auftritt in Köln, ich hätte auf der Bühne „Richard-Wagner-Museum“ gesagt anstatt „Wallraf-Richartz-Museum“. Ich konnte mir das zwar nicht vorstellen, aber passieren kann so etwas natürlich in einer Live-Situation. Normalerweise vergaß ich immer nur den Vornamen des Komponisten Hemsi und blickte dann fragend auf Ithay. – Ausgerechnet Wagner. Wobei mir seine Musik gefällt, sie ist groß. Es handelt sich beim Wallraf-Richartz-Museum, das in der Nähe des Kölner Doms steht, um ein architektonisch bemerkenswertes Gebäude, in dem hauptsächlich historische Gemälde und Grafiken ausgestellt werden. Es ist aber auch ein Veranstaltungsort, und wir spielten im Stiftersaal. Ich bin wirklich dankbar dafür, an so vielen schönen Orten aufgetreten zu sein. |
(May 23, 2004) Somebody said to me after the performance in Cologne that I allegedly said "Richard Wagner Museum" on stage instead of "Wallraf Richartz Museum". I didn't think I did, but of course something like this can happen in a live situation. Normally I only forgot the first name of the composer Hemsi and then looked at Ithay in a questioning way. – But that it had to be Wagner... whereas I like his music, it is big. The Wallraf Richartz Museum, which is situated near the Dome of Cologne, is an architecturally remarkable building in which mainly historic paintings and graphics are exhibited. But it also is a place for performances, and we played in the Stifter Hall. I am really grateful for having appeared on stage in so many beautiful places. |
Kapitel 6: Berlin | Chapter 6: Berlin |
(Dienstag 25.05.04) Ich stand auf dem kleinen Balkon im dritten Stock über dem Stefans, einem Kaffeehaus mit Konditorei, und sah auf die Straßenecke unter mir. Berlin. Inzwischen mag ich die Stadt. Früher fand ich sie fürchterlich, wegen der Insel-Atmosphäre, des Akzents und der schmutzigen Straßen. Seit ein zwei Jahren aber fahre ich immer öfter hierher. Erst war es Kulturattac, dann eine Palästina-Konferenz, bei der ich einige Berliner Araber traf. Dann Shalom-Salam, die Vorgespräche und Proben. Der erster Solo-Auftritt meines Lebens in Berlin fand heute Abend unten im Kaffeehaus statt: „Wolken im Kopf. Satiren und Songs“. Gerade hatte ich einige Stunden lang Gitarre gespielt, um mich vorzubereiten. Schon lange hatte ich nicht mehr mit so viel Ausdauer gespielt und gesungen, es war befreiend. Nun schrieb ich Tagebuch. Angekommen war ich gestern schon. Stefan hatte mir freundlicherweise angeboten, für die Zeit meines Aufenthalts diese Wohnung zu beziehen. Das entlastete auch Gabriella und Ithay, zu denen ich sonst gegangen wäre. Morgen war das Finale der Tour, im Daimler-Chrysler-Gebäude am Potsdamer Platz. Obwohl ich hier mitten in der Stadt untergebracht war, am Olivaer Platz am Ku'damm, war eine angenehme Ruhe und Abgeschiedenheit in der Wohnung zu spüren. |
(Tuesday, May 25, 2004) I stood on the little balcony on the third floor above the Stefan's, a coffehouse with a confectioner's shop, and looked at the street corner below me. Berlin. By now I like the city. In former times I found it terrible, because of the island atmosphere, the accent, and the dirty streets. But since one or two years I have come here more regularly. At first it was Kulturattac, then a Palestine conference where I met some Berlin Arabs. Then Shalom-Salam, the agreement talks and rehearsals. The first solo appearance of my life in Berlin would take place this evening down in the coffeehouse: "Clouds in the Heads. Satires and songs". I had just finished playing for some hours on the guitar, rehearsing. For a long time I had not been playing and singing with such patience, it was liberating. Now I was writing the diary. My arrival was yesterday already. Stefan was so friendly as to offer me this apartment for the duration of the stay. This was also easier for Gabriella and Ithay, as I would have gone to them otherwise. Tomorrow was the finale of the tour, in the Daimler Chrysler Building at the Potsdamer Platz. Although I was put up here in the center of the city, on Olivaer Square at the Kurfürstendamm there was a pleasant air of calm and seclusion in the apartment. |
Gegen Ende der Tour leitete ich Alex Elsohn eine Mail von einer kritischen Zuschauerin aus Köln weiter. Diese bemängelte, dass das Vorwort vom Duo Rubin (siehe Kapitel 1) einseitig sei, weil es von palästinensischer Gewalt ausging. Auch dass wir uns von DaimlerChrysler sponsoren ließen, stieß dort auf Kritik, ebenso wie es Misstrauen gegenüber Givat Haviva gab. Ich hatte auf die Kritik am Vorwort des Duo Rubin geantwortet, dass das authentische Erlebnis am Vadi Ara sie überhaupt erst zu ihrer Initiative gebracht hat, und dass es also völlig legitim war, dass sie ihre Wahrnehmungen frei äußerten. Ich hatte es ja genauso getan und eine Pressemitteilung geschrieben, um meine eigenen Wahrnehmungen zu äußern, und jetzt dieses Buch als Nachbereitung, um mich innerlich auszugleichen. Da es in der Kritik auch um Givat Haviva ging und es sich um grundsätzliche Fragen handelte, leitete ich die Mail und meine Antwort also weiter, damit Alex Elsohn die Gelegenheit hatte, dazu Stellung zu nehmen. Er widmete sich dieser Mail ausführlich und schrieb unter anderem: „Die zentralen Aktivitäten Givat Havivas betreffen die pragmatische Arbeit mit der Zivilbevölkerung in vielen unterschiedlichen Bereichen der Erziehung und Bildung. Daraus ergeben sich automatisch engere Beziehungen mit Organisationen wie Chalonot, Reut/Sadaka usw. und eher freiere Kontakte unter dem Dach der ‚Friedenskoalition‘ mit Organisationen wie Taayush, Women Link, Peace Now etc.“ |
It was around the end end of the tour that I forwarded Alex Elsohn a mail by a critical spectator from Cologne. She criticized that the introductory word of the Duo Rubin (see Chapter 1) is one-sided, because it started with Palestinian violence. Also the fact that DaimlerChrysler sponsored us was part of her critique, as was Givat Haviva's credibility. My answer to the criticism of the word of the Duo Rubin was that the authentic event at the Vadi Ara was the motif for their initiative to begin with. Thus it was completely legitimate that they freely uttered their perceptions. I did it likewise myself and had written a press info to utter my perceptions, and now this book as a summary to reach my inner balance. As this critique also dealt with Givat Haviva and principle questions I forwarded the mail with my reply so that Alex Elsohn had the opportunity to respond to it. He devoted himself to this mail in detail and wrote among other things: "The central activities of Givat Haviva concern the pragmatic work with the civil population in many different areas of education. This automatically leads to closer ties with organisations like Chalonot, Reut/Sadaka etc. and rather free contacts under the roof of the 'peace coalition' with organisations like Taayush, Women Link, Peace Now etc." |
(26.05.04) Michael Krebs und ich frühstückten im Stefans und spazierten dann über den Ku'damm gleich um die Ecke. Ich kaufte Zeitungen, denn heute wurde in mehreren Blättern über uns geschrieben. Ein aufregendes Leben. Nun also DaimlerChrysler. Erst mal finden! Wir bemerkten in einer Tiefgarage am Potsdamer Platz, dass es hier diverse Daimler-Chrysler-Gebäude gab. Ich dachte an den Film „Der Himmel über Berlin“, an den Monolog am Potsdamer Platz. Es ist einer meiner Lieblingsfilme. Wie eine Filmkulisse kam mir auch das ganze Viertel vor. Ich war noch nie hier. Es schien ein reines Arbeits- und Vergnügungsviertel zu sein. Unbewohnt, aber voller Leute. Nach einigen Straßen hatten wir es dann gefunden. |
(May 26, 2004) Michael Krebs and me had breakfast in the Stefan's and after that strolled over the Kurfürstendamm right around the corner. I bought some newspapers, because today several papers had written about us. An exciting life. So now DaimlerChrysler. First we had to find it at all. In a parking house at the Potsdamer Platz we noticed that there were diverse Daimler Chrysler buildings around. The movie "The Sky Over Berlin" came to my mind, the monologue at the Potsdamer Platz. It is one of my favorite movies. The whole quarter resembled a movie setting a little. I had never been here before. It seemed to be a pure working and entertainment quarter. Uninhabited, but crowded with people. Some streets later then we found it. |
Am Begrüßungsapplaus merkten wir schon, dass sich hier ein zahlreiches Publikum versammelt hatte. Wir blickten von der Bühne auf die Zuschauer. Es waren über dreihundert, und kaum noch Stühle frei. Einige Besucher waren festlich gekleidet, manche sogar super-seriös. Auch ich trug stets einen Anzug auf der Bühne, es war angemessen. Gabriella machte die Begrüßung und die Überleitung zum Film, während Ithay und ich unsere Plätze in der ersten Reihe einnahmen. Es war eine Erleichterung gewesen, dass die Technik perfekt organisiert war, man konnte sich einfach fallen lassen in die Aufführung und musste sich über nichts anderes Gedanken machen. Die Leinwand war groß, der Ton ausgezeichnet. Nun sehe ich Euch vorerst zum letzten Mal, dachte ich, an die Jugendlichen in dem Film gerichtet. Ob diese jungen Leute einen Bezug dazu hatten, was wir hier taten? Hätten sie Fragen an uns, wenn sie uns begegnen würden? Hätten wir Fragen? Wenn sie zusammen feierten wie in diesem Film, konnte ich da mitfeiern? Ja, ich glaube schon. Irgendwann. |
From the welcoming applause we could tell that a numerous audience has gathered together here. We looked from the stage into the audience. They were more than threehundred and hardly any seats left. Some of the visitors were dressed up, a few even super serious. I, too, always wore a suit on stage, it was adequate. Gabriella held the short welcome speech and turned over to the film while Ithay and me took our seats in the front row. It was a relief that the technical things had been perfectly arranged, one could just live the performance and did not have to worry about anything. The screen was huge, the sound excellent. Now I see you for the last time in the near future, I thought while looking at the young people in the film. Could they relate to what we were doing here? Would they have questions if they met us? Would we have questions? If they celebrated together like there in the documentary, was I able to celebrate with them? Yes, I think so. One day. |
Im Anschluss wurde im vorderen Bereich des enormen Atriums Sekt ausgeschenkt. Es waren viele Eindrücke. Schade allein, dass die überregionale Presse nicht dabei war. Jemand kam auf mich zu, grüßte mich und stellte sich als Michael Eiser vor. Er ist der Direktor des Sorat-Hotels am Spree-Bogen, wo in einem Monat die Preisverleihung an Maestro Barenboim stattfinden würde. Mit Jörn ging ich an einen Tisch, an dem auch Martin Forberg stand. Das Duo Rubin zog sich noch um und kam später dazu. Wir realisierten erst langsam, dass wir nun entspannt aufatmen konnten. Nach einigen Gesprächen im Atrium gingen wir in einer kleinen Gruppe zum Restaurant herüber, das wir nicht gleich fanden. Ich machte mir klar, dass wir es geschafft hatten, war aber in Gedanken noch bei den Ereignissen der letzten Stunden. Als wir das gut gefüllte Restaurant betraten, wurden wir davon überwältigt, dass sich die Leute erhoben und lange klatschten. Es waren Besucher unserer Veranstaltung. So etwas habe ich noch nie erlebt, es war unglaublich, wie in einem Märchen. Ich konnte das nicht mit meiner Person in Verbindung bringen. Zuerst irritierte es mich, während ich einen Platz fand neben Frau Robin Ben-Hur, dann freute ich mich, denn dies waren Leute, die unser Anliegen unterstützten. Sie klatschten für den Frieden zwischen Israelis und Palästinensern. Wir hatten unsere Aufgabe erfüllt. Wir hatten Tausende von Menschen auf der Bühne und über die Medien erreicht. Wir hatten Politiker, Veranstalter und andere Künstler mobilisiert. Wir waren uns am Ende der Tournee nähergekommen und hatten uns nicht voneinander entfernt. Wir hatten ein Muster vorgegeben, eine Art der Begegnung. Wir hatten uns verändert. |
After the appearance there was sparkling wine served in the front area of the enormous atrium. Many impressions. Pity was only that the national press was not sharing this. Someone approached me, said hello and introduced himself as Michael Eiser. He is the hotel manager of the Sorat in Berlin at the Spreebogen, where one month later the prize award to Maestro Barenboim would take place. Together with Jörn I went to the table where Martin Forberg was standing. The Duo Rubin was still changing clothes and later joined us. Only slowly we realized that now we could relax and cool down. After we had chatted a little in the atrium we continued in a small group and walked over to the restaurant which we did not find at once. I tried to make clear to myself that we made it, but was still in thought with the happenings of the past hours. When we entered the crowded restaurant we were overwhelmed by the people who all arose from their seats and applauded. They were from the audience of our performance. I have never experienced such a thing before, it was incredible, like in a fairytale. I could not relate this to my own self. At first it irritated me, while I found a seat next to Mrs. Robin Ben-Hur, then I was glad, because these were people who supported our concern. They applauded for peace between Israelis and Palestinians. We had accomplished our mission. We had reached thousands of people on stage and over the media. We had mobilized politicians, organizers and other artists. At the end of the tour we had come closer to each other and had not moved away from each other. We had set a sample, a precedence, a way of togetherness. We had changed. |
Kapitel 7: Haviva-Reik-Friedenspreis | Chapter 7: Haviva Reik Peace Prize Award |
Daniel Barenboim begann seine musikalische Karriere etwa zeitgleich mit Elvis, im Sommer 1954. Im Grunde schon im August 1950, als er mit sieben Jahren sein erstes offizielles Konzert in Buenos Aires gab. Das Debüt als Pianist folgte 1952 in Wien und Rom. Die Worte des Dirigenten Wilhelm Furtwängler werden oft zitiert: „Der elfjährige Barenboim ist ein Phänomen ...“, und sie schienen eine ähnliche Initialzündung darzustellen wie die in der selben Zeit über Radio verbreiteten Worte eines jungen Künstlers aus Memphis, der da sang: „That's alright Mama, that's alright for you.“ Da lebten die Barenboims bereits seit zwei Jahren im frisch gegründeten Israel, und Daniel machte erste Plattenaufnahmen: Mozart, Beethoven, Brahms, Bartok. Einige Stationen: 1967 dirigierte Daniel Barenboim das New Philharmonia Orchestra in London, 1973 dirigierte er zum ersten Mal eine Oper, Don Giovanni. 1991 wurde er Musikdirektor beim Chicago Symphony Orchestra, seit 2000 ist er Chefdirigent der Staatskapelle Berlin. Die Musik Daniel Barenboims wird in der ganzen Welt geschätzt. Seine über die Musik hinausgehende Integrations-Arbeit auch. Sie zeigt sich zum Beispiel in seiner Zusammenarbeit mit deutschen Orchestern, die immer auch eine deutsch-israelische Zusammenarbeit bedeuten. In den frühen Neunziger Jahren traf er durch einen Zufall in einer Londoner Hotel-Lobby auf den palästinensischen Denker Edward Said, mit dem ihm fortan eine Freundschaft verband. Dies führte zur Gründung des „West-Östlichen Diwan“, einem interkulturellen musikalischen Projekt, sowie zu seinem ersten Auftritt in der Westbank, an der Bir-Zeit-Universität im Februar 1999. Das musikalische Spektrum des Maestro und Pianisten ist breit und beInhalt et auch Jazz und Tango, afroamerikanische und brasilianische Musik. Im Herbst 2002 erschien die ergänzte Fassung seiner Autobiografie "Ein Leben in Musik" in englischer und spanischer Sprache. Auch sein Ideenaustausch mit Edward Said liegt in Buchform vor. |
Daniel Barenboim started his musical career approximately at the same time as Elvis, in summer 1954. Or even in August 1950, when he gave his first official concert in Buenos Aires. The debut as a pianist followed in 1952 in Vienna and Rome. Often quoted are the words of the conductor Wilhelm Furtwängler: "The eleven-year old Barenboim is a phenomenon...", and it seemed to have been a similar initial ignition like the simultaneous words of a young artist from Memphis – transmitted via radio – who sang: "That's alright Mama, that's alright for you." At that time the Barenboims have already lived for two years in the freshly founded Israel and Daniel made first recordings: Mozart, Beethoven, Brahms, Bartok. Some stations: in 1967 Daniel Barenboim conducted the New Philharmonia Orchestra in London, in 1973 he conducted an opera for the first time, Don Giovanni. In 1991 he became Music Director of the Chicago Symphony Orchestra, and since 2000 he is Chief Conductor at the Staatskapelle Berlin. The music of Daniel Barenboim is appreciated in the whole world. So is his integration work beyond the realm of music. It is showing, for instance, in his cooperations with German orchestras: they always constitute a German-Israeli cooperation, too. In the early nineties he met the Palestinian thinker Edward Said by accident in a London hotel lobby and ever since they had been tied by a friendship. This led to the foundation of the "West Eastern Divan", an inter-cultural musical project, as well as to his first appearance in the Westbank, at Bir Zeit University in February 1999. The Maestro's and pianist's musical range is broad and includes Jazz and Tango, Afro-American and Brazilian music. In fall 2002 the updated version of his autobiography "A Life in Music" was published in English and Spanish. His exchange of ideas with Edward Said also is available in book form. |
(27.06.04) „Der Friedenspreis, der nach der Kibbuzaktivistin und Widerstandskämpferin Haviva Reik – sie wurde 1944 von deutschen Soldaten hingerichtet – benannt ist, wurde 2004 zum zehnten Mal verliehen. Viele der vorherigen Preisträgerinnen und Preisträger waren dabei im Berliner Sorat-Hotel anwesend. So die Schweizer Ellen Ringier, Professor Eduard Badeen und Peter Liatowitsch. Dahlia Rabin-Pelessof, ehemaliges Knesset-Mitglied und Vizeministerin, die 1997 mit dem Haviva-Reik-Friedenspreis geehrt wurde, hielt die Laudatio für den Dirigenten und Musiker Barenboim. Zu den 120 Gästen des Festaktes gehörten unter anderem Berlins regierender Bürgermeister Klaus Wowereit und ARD-Moderatorin Sabine Christiansen. Die Gäste wurden von den arabisch-jüdischen Friedensköchen (Chefs for Peace) im Rahmen eines Benefiz-Gala-Diners köstlich bewirtet. Das israelisch-ungarische Duo Rubin und der deutsch-palästinensische Schriftsteller Anis Hamadeh, die ein Monat zuvor ihre erfolgreiche Benefiz-Konzertreihe ‚Shalom – Salam‘ zugunsten von Givat Haviva beendet haben, sorgten für einen angenehmen musikalisch-literarischen Rahmen.“ So in der Pressemitteilung. |
(June 27, 2004) "The peace prize, which is named after the Kibbuz activist and resistance fighter Haviva Reik – she was executed by German soldiers in 1944 -, was awarded for the tenth time in 2004. Many of the former prize winners attended this event in the Sorat hotel in Berlin, like the Swiss Ellen Ringier, Professor Eduard Badeen und Peter Liatowitsch. Dahlia Rabin-Pelessof, former member of the Knesset and vice minister, honored with the Haviva Reik Peace Award in 1997, held the laudatio for the conductor and musician Barenboim. Among the 120 guests of the ceremony were Berlin's ruling mayor Klaus Wowereit and ARD (TV) host Sabine Christiansen. The delicious catering for the guests was prepared by the Arab and Jewish Chefs for Peace within the frame of a benefice gala dinner. The Israeli Jewish Duo Rubin and the German Palestinian writer Anis Hamadeh, who have ended their successful series of benefice concerts under the name 'Shalom – Salam' for the benefit of Givat Haviva a month earlier, provided a pleasant musical and literary frame." So in the press information. |
Wenn mir jemand einen Monat zuvor gesagt hätte, dass ich an diesem Tag Daniel Barenboim sehen und das Krokodil aus Kiel für ihn lesen würde, hätte ich es kaum geglaubt. Aber es ergab sich wirklich so. Das Krokodil hatte ich gerade zu Ende geschrieben, sieben gereimte Folgen. Der Maestro wurde im Saal im Sorat-Hotel erwartet, die Leute saßen schon an den zehn oder zwölf Tischen, und der erste Gang kam gerade herein. Alex Elsohn, der die gesamte Veranstaltung koordiniert und organisiert hat, meinte, wenn ich Lust hätte, könnte ich jetzt das Krokodil lesen, dann würde keine Pause entstehen. So geschah es auch. Das Krokodil aus Kiel fraß ungeheuer viel. Das ließ sich leicht erklären: Es musste sich ernähren. Ich habe es in ein orangenes ZDF-Mikrofon gesprochen und noch ein blaues vom Bayerischen Rundfunk und noch ein drittes. Gefilmt wurde es auch. Was wohl die Kieler davon gehalten hätten, wenn sie daran Anteil gehabt hätten? In Kiel gabs niemals Krokodile, meinten viele. Andere verwiesen auf finanzielle Krisen ... Es war eine weitere Kielerin am Nebentisch, Barbara, die mit einem der anwesenden Köche für den Frieden verschwägert ist und mitgefeiert hat. Daniel Barenboim hat das Krokodil aber nicht gehört. Obwohl, Alex erzählte mir später, dass er ihn am Eingang abgeholt hat, und dass Herr Barenboim gefragt haben soll, wer da lese. Als Alex es ihm sagte, meinte er angeblich, er hätte schon mal von mir gehört. Na gut, das konnte alles Mögliche bedeuten. |
Had somebody told me a month earlier that on that day I would see Daniel Barenboim and read "Das Krokodil aus Kiel" for him, I would hardly have believed it. But it really happened to be that way. I had just finished writing the crocodile, seven rhymed episodes. The Maestro was expected in the hall of the Sorat hotel, the people already sat at the ten or twelve tables and the first dish just came in. Alex Elsohn, who had coordinated and organized the whole performance, said if I wanted I could read the crocodile now, to avoid a pause at that moment. So it happened. The crocodeel from Kiel had an enormous meal. This was easy to explain: without nutrition it felt pain. I read it into an orange microphone from TV channel 2 and into a blue one from the Bavarian Broadcast, and a third one. It was also filmed. What the people from Kiel would have thought about that, I wondered, had they had an interest in this event. Kiel never had a crocodile, says an inborn juvenile. But his brother emphasizes long and strong financial crises... There was a woman from Kiel attending, Barbara, who is an in-law to one of the Chefs for Peace and who was celebrating with us. Daniel Barenboim did not hear the crocodile, though. No, wait, Alex told me later that he escorted him from the entrance and that Mister Barenboim asked who was reading there. When Alex told him he allegedly said that he had heard about me before. Well, this could mean anything. |
Eine Reihe von prominenten israelischen Beobachtern hat in den letzten Monaten und Jahren mit zum Teil scharfen Worten auf die negative Entwicklung des Landes aufmerksam gemacht, so Avraham Burg, Jossi Beilin, Moshe Zuckermann und andere. Die Diskrepanz zwischen dem klischeehaften „Asyl aller Juden“ und dem realen, handelnden Staat ist durch die Jahre und Jahrzehnte größer geworden. Beide heißen Israel. Daniel Barenboim hatte gesagt: „Die einzige Sicherheit und die einzige Stärke für Israel und für das jüdische Volk ist die Akzeptanz durch die Nachbarn. Wenn wir das nicht schaffen, sind nicht die Palästinenser in Gefahr, sondern wirklich die Zukunft des Staats Israel.“ Ich fragte mich, wie viele Leute im Saal verstanden hatten, was er damit meinte. DASS er es so meinte. Dass es DIESEN Staat in dieser Form bald nicht mehr geben könnte, weil er sich selbst zerstört. In Gewaltfragen ist Israel stärker, das ist unbestritten. Sie haben Atombomben und eine hoch ausgerüstete Armee. Man muss das anerkennen. Es gibt keine militärische Kraft, die es mit Israel aufnehmen könnte. Man sollte vielmehr an dem Punkt ansetzen, dass die Israelis nicht glücklich sind. Das fällt mir bestimmt wesentlich leichter als Palästinensern, die nicht in einem sicheren Land wie Deutschland leben, sondern in Palästina oder Israel, im Kriegsgebiet. |
In the last months and years a number of prominent Israeli observers has, partly in sharp words, drawn the general attention to the negative development of the country, among them Avraham Burg, Jossi Beilin, and Moshe Zuckermann. The discrepancy between the clishé of the "asylum of all Jews" and the real, acting state has grown through the years and decades. Both are called Israel. Daniel Barenboim had said: "The only security and the only power for Israel and for the Jewish people is the acceptance by the neighbors. If we fail to achieve this not the Palestinians are in danger, but really the future of the state of Israel." I wondered how many people in the hall had understood what he meant by this. THAT he meant it like this. That THIS state in this form could vanish, because it is destroying itself. In matters of force Israel is stronger, that's undisputed. They have atomic bombs and a well-equipped army. One has to acknowledge this fact. There is no military power which could compete with Israel. One should rather start with the fact that the Israelis are not happy. This surely is much easier for me than for Palestinians who do not live in a safe country like Germany, but in Palestine and Israel, in the war zone. |
Am Abend nach der Preisverleihung trafen wir uns in der Lobby vom Sorat-Hotel und warteten auf die Autos, die uns zu Stefan nach Haus brachten, außerhalb von Berlin, wo es eine Grillparty gab. Die Chefs for Peace waren sehr müde, meinten aber, dass sie später wieder wach würden. Wir fuhren eine knappe Stunde. Die Party war gelungen, viele Leute aus unterschiedlichen Kulturen waren dabei. Sie aßen zusammen und unterhielten sich. Ich sprach mit einigen Leuten, darunter Frau Osacky-Lazar, die gutes Arabisch spricht. Sie ist Historikerin und erzählte mir, dass sie darüber nachdachte, über ihre eigene Geschichte zu schreiben. Ich versuchte sie dazu zu ermutigen. Bestimmt hatte sie viel zu erzählen. Ich sagte ihr, dass ich es lesen würde. Während vor der Tür zum Garten das Barbecue im Gange war und sich die Teller füllten, kamen wir auf das Thema Musik, und als sie erfuhr, dass ich Songwriter bin, wollte sie einen Song hören. Stefan besorgte eine Gitarre von seinem Nachbarn und drückte sie mir in die Hand. Ich war nicht sicher, ob es eine gute Idee war, aber was sollte ich machen? Ich spielte „Wie oft wirst du es noch tun“. Leider hatte ich die Gitarre nicht richtig gestimmt, was ich erst bemerkte, als es zu spät war. Ich hielt durch, aber es war mir doch etwas peinlich. Neben mir saß ein lustiger Niederländer, der mich fragte, ob ich „Proud Mary“ von Creedence Clearwater Revival bzw. Ike und Tina Turner spielen könne. Natürlich kann ich „Proud Mary“ spielen. Ich stimmte kurz durch, diesmal richtig, und fing mit dem Intro an. Der Holländer sang ganz gut, ich sang mit ihm und beim Refrain die zweite Stimme. Ich habe keine Ahnung, wie dieser Mann zu uns gestoßen war, ich glaube, das wusste keiner. Aber es war gut, auch jemanden aus den Niederlanden dabei zu haben. Während der Tour war es das zweite Mal. In Wesel war auch einer, der kam kurz vor der Aufführung in unsere Garderobe und hat uns vollgetextet. Er hatte irgendwelche Pläne mit uns, konnte sie aber nicht genau beschreiben. |
On the evening after the peace prize award we gathered in the lobby of the Sorat hotel and waited for the cars which would bring us to Stefan's home, outside Berlin, where we had a barbecue. The Chefs for Peace were very tired, but said that they would wake up again later. The ride took about an hour. The party was a success, there were many people from different cultures. They ate together and chatted. I talked to several people, among them Mrs. Osacky-Lazar who speaks good Arabic. She is a historian and told me that maybe she wanted to write about her own history. I tried to encourage her. She would surely have a lot to recount. I told her I would read it. While the barbecue was sizzling in front of the door to the garden and while the plates were filled we turned to talk about music, and when she heard that I am a songwriter she wanted to hear a song. Stefan went and borrowed a guitar from his neighbor and handed it over to me. I was not too sure if it was a good idea, but what should I do? I played "Wie oft wirst du es noch tun". Unfortunately, I had not tuned the guitar correctly which I only noticed when it was too late. I made it through the song, but felt a bit embarrassed. Next to me sat a jolly Dutchman who asked me if I could play "Proud Mary" by Creedence Clearwater Revival / Ike and Tina Turner. Of course I can play "Proud Mary". I tuned the instrument, this time correctly, and started with the intro. The Dutchman sang quite well, I accompanied him and sang the second voice in the chorus. I have no idea how this man came to our goup, I think nobody exactly knew. But it was good to also have someone from the Netherlands with us. It was the second time during the tour. There had been another one in Wesel, he approached us short before the performance in the dressing room and was rich in words. He had some plans with us, but couldn't articulate them exactly. |
(06.08.2004) Während der letzten Wochen war ich damit beschäftigt, die Tour-Erinnerungen aufzuschreiben. Nun war das Buch fast fertig. Das Manuskript lag neben mir in der Sonne. Eine einlaufende Fähre tutete laut den Schwimmern zu, die sich in der Nähe des Stegs im Wasser aufhielten. Es war hell. Ein kühler Wind flog über den Strand, ich zog mein schwarzes T-Shirt wieder an. Falckenstein. Es war die richtige Entscheidung, heute noch einmal herzukommen, nachdem ich gestern einen Auftritt im Sommercamp der „Föderation der demokratischen Arbeitervereine“ (DIDF) hatte. Dieser Dachverband wurde vor 25 Jahren gegründet, um die Interessen der türkischen Arbeiter in Deutschland organisiert zu vertreten. Ungefähr 300 Jugendliche aus ganz Deutschland waren für eine lange Woche nach Kiel/Falckenstein gekommen. Es gab ein kulturelles und akademisches Programm, darunter Musik am Lagerfeuer, und ich wurde von Attac-Kreisen eingeladen. (Wobei, wenn ich „Attac“ sage, ich das Netzwerk meine, nicht den Kader.) Es war mir ein Vergnügen, und ich brauchte auch Praxis. Auch den brandneuen Song spielte ich, „Give Your Lonely Heart Away“, von dem Björn gesagt hat, er sei einer meiner besten. Mit Björn Högsdal von AssembleArt nahm ich gerade den Krokodil-Jingle auf, er ist Rapper und Schriftsteller und organisiert mit zunehmendem Erfolg kulturelle Veranstaltungen in Kiel. Ich setzte mich neben den Maler mit den langen Haaren. Er war um die 50 und gab den jungen Leuten Tipps, die am Tisch malten. Da saß auch Selvi, sie war gestern ebenfalls bis zum Schluss dabei gewesen. Sie war aus Frankfurt, Schülerin wahrscheinlich, und schien gerade Langeweile zu haben. Ich fragte sie nach ihren Sprachen. Unter den Campteilnehmern waren die meisten türkisch-stämmig, die Muttersprachen variierten aber je nach dem, ob die Leute in Deutschland geboren oder aber in der Türkei zur Schule gegangen sind, so wie Selvi, deren Deutsch inzwischen aber die Hauptsprache ist. Sie war perfekt für den Gedanken, den ich gerade hatte. „Kannst du etwas Kurzes für mich ins Türkische übersetzen?“ fragte ich sie, und sie meinte: „Klar.“ Ich nahm mein Klemmbrett aus dem Rucksack und schrieb: „Arten der Liebe: Herrschen will die menschliche Liebe. Heilen will die göttliche Liebe. Könige sind wir, mit Flügeln aus Staub.“ Sie dachte eine Weile nach und schrieb dann darunter: „Sevginin Türleri: Hüküm etmek istiyor insanlik sevgisi. Yaralari sarmak istiyor tanrilik sevgisi. Krallariz biz, kanatlari tozdan olan.“ (Es ist ein "i" ohne Punkt darin, das ich auf der Tastatur nicht reproduzieren kann.) "أنواع الحب: الحكم هو مراد الحب البشري. الشفاء هو مراد الحب الإلهي. إننا ملوك بأجنحة من تراب." Vor dem Imbiss-Stand fanden wir den Kurdisch-Experten, den wir die ganze Zeit gesucht hatten, weil er uns von mehreren Personen empfohlen worden war. Wir zeigten ihm die Liste mit den inzwischen neun Versionen, und er meinte, er könne nur Zaza, einen dem Kurdischen verwandten Dialekt, der von den beiden kurdischen Sprachen/Dialekten Kurmanci und Sorani abwich. Schön, sagte ich, mach es auf Zaza. Er runzelte die Stirn ein wenig und beriet sich mit einem Freund. Sie nahmen die türkische Übersetzung als Grundlage. Ich holte den beiden Stühle und schob sie ihnen in die Kniekehlen. Im Sitzen sprachen sie weiter. Es standen plötzlich allerhand Leute um uns herum, darunter einer, den ich vorher gesehen hatte, wie er den Backgammonspielern zusah und sie mit Worten und Gesten beriet. Jetzt stand er mit demselben Gesichtsausdruck über dem Papier gebeugt und brachte sich genauso ein. Heraus kam das Gedicht auf Zaza: „Eschke Rengan: Najeno hüküm bikero êschkê insanan. Najeno birinan bipeso êschkê heke. Ma kralime, puru ma nelerao.“ (Das „sch“ ist eigentlich ein „s“ mit einer Schlange darunter). Sie versuchten es noch eine Weile auf Kurdisch, konnten sich aber nicht zu einer Übersetzung durchringen. Jemand versuchte Griechisch, konnte aber nur den mittleren Satz: „To kalo theli i agapi ton theon.“ Immerhin. Ich dankte Selvi, der die Sache Spaß gemacht hat und deren Name „Zypresse“ bedeutet, dann erklärte ich die Mission für erfolgreich beendet. |
(August 6, 2004) During the past weeks I had been busy writing down the tour memories. Now the book was almost finished. The manuscript laid beneath me in the sun. An entering ferry-boat violently honked at some swimmers who stayed in the water in the vicinity of the pier. It was a light day. A cool wind blew across the beach, I put my black T-shirt on again. Falckenstein. It was the right decision to come back here today, after having given a concert yesterday in the summer camp of the "Federation of the Democratic Working Class Associations" (DIDF). This roof organisation was founded 25 years ago with the aim to represent the interests of the Turkish workers in Germany in an organized way. About 300 young people from all over Germany had come together for a long week in Kiel/Falckenstein, in the very north of Germany. There was a cultural and an academic program, including camp-fire music, and I was invited from Attac circles. (And when I say "Attac" I mean the network, not the cadre.) It was my pleasure and I also needed practise. I also played the brandnew song, "Give Your Lonely Heart Away", of which Björn had said it was one of my best. Together with Björn Högsdal from AssembleArt I was currently recording the crocodile jingle, he is a rapper and writer and he organizes cultural events in Kiel with growing success. I sat down next to the painter with the long hair. He was about 50 and counseled the young people who were painting at the table. There also sat Selvi, she was another one of those who had been with us yesterday until the end. She was from Frankfurt, probably a school student, and she seemed to be a bit bored. I asked her about her languages. Among the camp participants there was a majority of Turkish rooted people, yet the mother languages varied, depending on whether they were born and/or raised in Germany or in Turkey. Selvi went to school in Turkey, but her German by now had become her main language. She was perfect for the idea I just got. "Could you translate something short for me into Turkish?" I asked her, and she replied: "Sure." I took my clipboard out of the rucksack and wrote: "Kinds of Love: To rule wants human love. To heal wants divine love. Kings we are, with wings of dust." She thought about it for a moment, then she added below: "Sevginin Türleri: Hüküm etmek istiyor insanlik sevgisi. Yaralari sarmak istiyor tanrilik sevgisi. Krallariz biz, kanatlari tozdan olan." (There is an "i" without a dot in it which I cannot reproduce on the keyboard.) "أنواع الحب: الحكم هو مراد الحب البشري. الشفاء هو مراد الحب الإلهي. إننا ملوك بأجنحة من تراب." In front of the snack-bar we found the expert for Kurdish, whom we had been looking for all the time, as he had been recommended to us by several individuals. We showed him the list with the by now nine versions and he said he only could Zaza, a dialect close to Kurdish, varying from the two Kurdish languages/dialects Kurmanci and Sorani. Fine, I replied, do it in Zaza. He frowned a little and exchanged views with a friend. They took the Turkish translation as a basis. I fetched two chairs for them and shoved theminto their knees from behind. They sat and went on discussing. Suddenly a lot of folks were standing around us, among them one who I had seen before watching the backgammon players advising them in words and gestures. Now he bent over the paper with the same look on his face, involving himself in the same manner. The result was the poem in Zaza: "Eshke Rengan: Najeno hüküm bikero êshkê insanan. Najeno birinan bipeso êshkê heke. Ma kralime, puru ma nelerao." (The "sh" originally is an "s" with a snake underneath it). They tried it in Kurdish for a while, but couldn't make it to come to a translation. Someone tried Greek, but managed to do the middle sentence only: "To kalo theli i agapi ton theon." Better than nothing. I thanked Selvi, who had a lot of fun and whose name means "cypress", then I declared the mission as successfully accomplished. |
(28.06.04) Der nächste Morgen fing spät an, ich ließ mir Zeit und checkte dann aus. Eine Rechnung wegen der Minibar, oh. Ich dachte, das würde nichts kosten. Beim Frühstücksbuffet war ich mal wieder der Letzte. Ich traf die Chefs for Peace kurz in der Lobby, sie wollten gleich eine Stadtrundfahrt machen. Auch Michael Eiser, den Hotelmanager, traf ich im Vorübergehen noch und ich verabschiedete mich von ihm, da ich nicht annahm, ihm vor der Abreise noch einmal zu begegnen. Alex Elsohn saß am Rechner in der Lobby und zeigte mir erste Fotos vom Barenboim-Event. Ich hatte den Zug nach Kiel um halb drei gebucht, ohne Hektik. Jörn hatte schon durchgerufen, dass er unterwegs sei. Ich wollte draußen am Spreebogen auf ihn warten. Es war sonnig mit windigen Abschnitten. Als guter Demokrat grüßte ich in Richtung unseres Innenministeriums, das direkt gegenüber des Sorat liegt. Ich spazierte an der Spree entlang, rauchte, und es dauerte anscheinend länger, bis Jörn eintraf. Da bemerkte ich ein Denkmal, zwischen Hotel und Ministerium, die Büste eines Mannes. Albrecht Haushofer (1903 – 1945), Professor für politische Geografie, Autor, so las ich auf der Tafel unter seinem Konterfei. Er wurde von den Nazis kurz vor Kriegsende in Moabit ermordet. Haushofer schrieb die Moabiter Sonette. Drei davon sind rings um das Denkmal in Metalltafeln gegossen. Im einen geht es um braune Ratten im Fluss, im anderen um Heimat. Das dritte habe ich abgeschrieben. Ich hatte mir am Schluss der Veranstaltung von Daniel Barenboims Tisch sein Namensschild mitgenommen, weil ich kein Papier hatte und weil es eine Reliquie war. Auf die Rückseite schrieb ich nun Haushofers Gedicht: |
(June 28, 2004) The next morning started late, I took my time and then checked out. A bill for the minibar, oh. I thought it was included. At the breakfast buffet I was the last one, as usual. I met the Chefs for Peace in the lobby, they were about to go for a tour through the city. In passing I also saw Michael Eiser, the hotel manager, and said goodbye, as I did not expect to meet him again before my departure. Alex Elsohn was sitting at the computer in the lobby and showed me first photos from the Barenboim event. I had made a reservation for the three o'clock train to Kiel, no need to be hectic. Jörn had already called saying he was on the way. I wanted to wait for him outside at the Spreebogen. (NB: the Spree is a river in Berlin, and "Bogen" means curve). It was sunny with windy spells. As a good democrat I greeted in the direction of our Ministry of Interior which is situated directly opposite the Sorat. I wandered along the Spree, smoked, and it seemed to take longer than expected until Jörn arrived. I noticed a memorial monument, between hotel and ministry, the sculpture of a man. Albrecht Haushofer (1903 – 1945), professor for political geography, author, read the tablet underneath his portrait. He was murdered by the Nazis short before the end of the war in the Moabit quarter. Haushofer wrote the Moabit Sonnets. Three of them are exhibited around the monument in metal tabloids. One deals with brown rats in a river, another one with homeland feelings. The third one I copied. At the end of the event I had taken the name-plate of Daniel Barenboim's from his table, because I had no paper and because it was a relic. On the backside I now wrote Haushofer's poem: |
Anhang | Appendix |
Datenschutzerklärung und Impressum (data privacy statement and imprint) |