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ROCK'N'ROLL
Nachricht von Ozzy Balou
Eine Rekonstruktion
von Anis Hamadeh
ROCK'N'ROLL
Message from Ozzy Balou
A Reconstruction
by Anis Hamadeh
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Die gestrige Veröffentlichung des Songtexts WHAT A LIFE von Ozzy Balou hat zu einer Kontroverse zwischen Maria und Simon geführt. Für mich als Chronisten ist es nicht leicht, jetzt schon zu erkennen, welches die kritischen Punkte im Fall Ozzy Balou sind, weil ich nur wenig Hintergundwissen habe. Doch hat man mich gebeten, diese Aufgabe zu übernehmen und damit auch, alle redaktionellen Entscheidungen zügig und nach bestem Wissen zu treffen. Simon und Maria telefonierten gestern nach der Lektüre der fünften Nachricht länger miteinander und einigten sich darauf, jeweils ein kurzes Statement zu dem betreffenden Text abzugeben. Der dritte Beitrag des heutigen Tages ist von einer Frau, die oft auf Konzerten der BULLETS war und die Karriere der Band damals sehr genau verfolgt hat. Sie schreibt uns ihre Gedanken über die Gründe von Ozzys Rückkehr.


(1) Maria: Ich bin strikt dagegen, die Lyrics des Songs WHAT A LIFE an dieser Stelle abzudrucken. Natürlich wollen wir über alle Themen diskutieren, aber es stellt sich doch die Frage, in welcher Reihenfolge und auf welche Weise wir das tun. Immerhin hat Ozzy den Song geschrieben, und wir wissen nicht, wie er heute dazu steht und ob er es überhaupt wünscht, den Song so hervorzuheben. Es ist völlig klar, dass seine Gegner ein Interesse daran haben, bestimmte Dokumente oder Meinungen zu pushen, um ihn schon im Vorfeld zu diskreditieren. Es gibt sicher Dinge, die wir nicht einfach so veröffentlichen sollten, ohne Ozzys Einverständnis. Ich glaube, es bedarf einiger Vorgespräche, bis wir zu den Kernthemen kommen können. Sollte am Ende der Songtext an dieser Stelle der Chronik stehenbleiben, so wie dieser Autonome und auch Simon es offenbar wünschen, sollte man jedenfalls schnell danach fragen, aus welchen Umständen heraus Ozzy den Song geschrieben hat. Auch muss darauf hingewiesen werden, dass dies kein typischer Song ist. Ozzy hat ungefähr fünf oder sechs Songs geschrieben, die vom Text her mehr oder weniger kontrovers waren. Die allermeisten seiner Lieder sind Liebes- und Freiheitslieder. Ozzy war sich also im Klaren darüber, dass WHAT A LIFE zu heftigen Reaktionen führen würde und dass es sein provokativstes Stück war. Er hatte Gründe, den Song zu schreiben.

(2) Simon: Maria und ich sind geteilter Meinung darüber, ob man den Text des Songs WHAT A LIFE an dieser Stelle bringen sollte. Ich bin sehr dafür. Wir wollen uns schnell dem Kern des Problems nähern, und dafür ist der Songtext unverzichtbar. Sollte es, wie Maria befürchtet, dazu führen, dass Leser, die Ozzy Balou nicht so gut kennen, ein verzerrtes Bild bekommen, so liegt es an uns selbst, dieses Bild wieder geradezurücken. So ist das nun mal im Leben. Wir können jetzt nicht damit anfangen, problematische Themen auszusparen, weil wir vor irgendetwas Angst bekommen. Das führt zu gar nichts. Ich sehe allerdings ein, dass es bestimmte Punkte gibt, auf die wir ohne Ozzy nicht einfach so eingehen sollten. Das darf aber nicht für Dokumente wie Songtexte gelten. Außerdem hängt ein wesentlicher Teil der Analyse an eben diesem Song.

Der Song WHAT A LIFE sollte bereits auf die Platte POISON. Der Colonel war so begeistert von der Platte, dass Ozzy alles für ihn getan hätte. Ich weiß noch, wie die beiden nach Abschluss der Arbeiten die Platte im Studio hörten. Ozzy drehte die Anlage bis oben auf, und die beiden tanzten zu der Platte ab wie die Verrückten. Ozzy flippte völlig aus und warf Teile des Schlagzeugs durch das Studio. Ich war dabei. Wir haben uns totgelacht und bis vier Uhr morgens gesoffen. Zwei Tage später sprach der Colonel mit Ozzy und fragte ihn, ob er den Song nicht ersetzen könnte. Er machte das ganz geschickt, denn die Band hatte noch einen anderen Song aufgenommen, der eigentlich als Single geplant war, weil er bereits zu einer neuen künstlerischen Phase gehörte. Mike (der Colonel) sagte, er wolle ihn unbedingt mit auf der Platte haben. Es war kein großes Ding. Ozzy wollte nicht, dass sein Freund und Sponsor unzufrieden ist. Er machte sich nicht zu viele Gedanken darum und verschob die Sache. Man muss bedenken, dass Ozzy gerade eine sehr gute Platte gemacht hatte, rein musikalisch gesehen. Und das war auch seine Botschaft. Schöne Musik zu machen. Erst später wurde klar, wie wichtig der Song politisch eigentlich war. Natürlich geht es dabei fast ausschließlich um die Verse: „Nazi in their heads, Nazi in their beds and Nazi is the name of their pets.“



(3) Beitrag von Silke P.: Man sollte sich auf jeden Fall vergegenwärtigen, was das für eine Zeit war, in der die BULLETS groß geworden sind. Die Mauer war gefallen, und viele hofften auf bessere Zeiten. Aber die kamen nicht. Stattdessen kamen Grunge und der Kuwait-Krieg. 1991 starb Max Frisch, der einmal sagte: „Wer sich nicht mit Politik befasst, hat die politische Parteinahme, die er sich sparen wollte, bereits vollzogen.“ Aber so waren die Leute. Sie verloren immer mehr den Bezug zur Gemeinschaft. Man konnte sich nicht mehr einigen und war zu müde und zu orientierungslos, um darüber zu diskutieren. Selbst Marius und Grönemeyer fiel nicht mehr viel ein. Das Einzige, worauf die Leute sich einigen konnten, waren Fußballspiele und dann die Love-Parade. Und heute natürlich PUR. Wenn Ozzy es damals geschafft hätte, würde es so etwas wie PUR heute bestimmt nicht geben. Das ist in diesem Zusammenhang nicht unwichtig.

Ich habe Ozzys Karriere so ziemlich von Anfang an verfolgt, ihn mehr als 30 Mal auf der Bühne gesehen und auch öfter mit ihm geredet. Das letzte Mal im Oktober 92, einige Wochen nach dem Anschlag. Ozzy war immer noch ziemlich erledigt, er wusste, dass er etwas ganz Neues anfangen musste. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, worüber er in unserem letzten Gespräch geredet hat. Er sprach von den Reaktionen auf den Anschlag. Ozzy war empört darüber, dass die Ermittlungsuntersuchungen nicht weitergingen. Alle würden sich die Mäuler zerreißen, aber keiner würde etwas Produktives tun. Er war wirklich wütend. Und hilflos. Natürlich, es gab Gerüchte, dass Ozzy es war, ebenso wie es Gerüchte gab, dass es andere Leute waren. Ozzy gehörte jedenfalls zu denen, die am meisten darunter gelitten haben, dass das BLUESLAND nicht mehr existierte.

An dieser Stelle möchte ich auch den Artikel aus dem HAMBURGER BOTEN kommentieren, um den es seinerzeit viel Wirbel gegeben hat. Wie Insider wissen, ist Ozzy keineswegs gegen den Polizisten tätlich geworden. Es war vielmehr so, dass jemand Ozzy von hinten gestoßen hat, sodass er in einen der Polizisten hineingefallen ist. Der wiederum war ziemlich nervös und hat Ozzy sofort eine gescheuert. Es ging alles sehr schnell. Es hätte vermutlich keine größeren Probleme gegeben, wenn Ozzy nicht wütend geworden wäre. Ich war nicht dabei, aber auch ich habe es damals für einen seltsamen Zufall gehalten, dass die Presse so schnell vor Ort war.

Aber zurück zu meinem letzten Gespräch mit Ozzy: Er sagte damals, dass er die fehlende Untersuchung der Ursachen der Katastrophe schlimmer finde als die Katastrophe selbst. Die ganzen Konflikte, die jeder kannte und von denen jeder wusste, dass sie mit dem Brand zu tun hatten, waren nach der Katastrophe ganz deutlich zu sehen. In den ersten zwei Wochen sprach man darüber, dann ebbte es ab. Alle versuchten krampfhaft, bloß irgendwie weiterzumachen. Ich hatte das Gefühl, dass sich die Leute nicht mehr so lange in die Augen sahen. Sie ließen einander in Ruhe, niemand hatte die passenden Fragen oder die passenden Antworten. Anstatt dass uns das Ereignis näher zusammengebracht hat, trieben wir immer weiter voneinander weg und merkten das auch. Ich schließe mich da gar nicht aus. Auch mir fiel nichts ein. Ozzy jedenfalls machte es fertig. Er konnte nicht so tun als ob. Er zog sich weit zurück. In unserem letzten Gespräch sagte er, dass es ihm vorkomme, als lebe er in einer Welt, die nur aus Oberfläche und Fassade besteht, und er war sehr wütend auf die Öffentlichkeit. Zwischendurch lachte er und fasste sich an den Kopf. Es war zu viel für ihn. Er konnte einfach nicht begreifen, wie sich die Dinge entwickelten. Dass niemand etwas tat. Er fühlte sich sehr allein damit. Auch ich konnte nur zuhören, aber ich glaube, das hat ihm schon etwas geholfen. Bis heute wüsste ich nicht, was ich hätte machen können oder sollen.

Als dann vor drei Wochen das World Trade Center eingestürzt ist, habe ich unmittelbar an das BLUESLAND gedacht und ziemlich schnell gewusst, dass es Ozzy genauso gehen würde. Er ist mir gleich eingefallen. Und es spielte keine Rolle, wo er sich aufhielt, ob nun in Paris, in Marrakesch oder auch in Tunis, wie gemunkelt wurde. Ganz egal. Das hat man überall auf der Welt mitgekriegt. Deshalb überrascht es mich auch nicht, wenn er jetzt wiederkommt. Nach seiner Mail zu urteilen ist er ganz gut drauf. Auch Ozzy wird sich in den letzten neun Jahren verändert haben. Er ist jetzt 32. Die Parallelen sind wirklich frappierend. Ich bin gespannt darauf, wie es weitergeht.

Redaktion in Kiel, 05.10.01

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+++ ROCK'N'ROLL +++ NACHRICHT VON OZZY BALOU +++

Yesterday's publication of Ozzy Balou's song WHAT A LIFE has led to a controversy between Maria and Simon. For me as a chronicler it is not easy to recognize already now which are the critical points in the Ozzy Balou case, because I have only little background knowledge. However, I have been asked to take on this task and thus also to make all editorial decisions quickly and to the best of my knowledge. Simon and Maria spoke on the phone for a while yesterday after reading the fifth post and agreed to each make a short statement about the text in question. Today's third post is from a woman who was often at BULLETS concerts and who followed the band's career very closely at the time. She writes us her thoughts about the reasons of Ozzy's return.

(1) Maria: I am strictly against printing the lyrics of the song WHAT A LIFE here. Of course we want to discuss all topics, but the question is in which order and in which way we do it. After all, Ozzy wrote the song and we don't know how he feels about it today and if he even wants it to be highlighted like this. It's perfectly clear that his opponents have an interest in pushing certain documents or opinions to discredit him in advance. There are certainly things we shouldn't just release without Ozzy's consent. I think it will take some preliminary discussions before we can get to the core issues. If in the end the song lyrics should remain at this place of the chronicle, as this autonomous person and also Simon apparently wish, one should in any case quickly ask about the circumstances out of which Ozzy wrote the song. Also, it must be pointed out that this is not a typical song. Ozzy has written about five or six songs that were more or less controversial in terms of lyrics. The vast majority of his songs are love and freedom songs. So Ozzy was aware that WHAT A LIFE would lead to strong reactions and that it was his most provocative song. He had reasons to write the song.

(2) Simon: Maria and I are divided on whether to bring the lyrics of the song WHAT A LIFE at this point. I am very much in favor of it. We want to get to the heart of the problem quickly, and for that the song lyrics are indispensable. If, as Maria fears, it should lead to readers who don't know Ozzy Balou that well getting a distorted picture, it's up to us to set that picture straight again. That's just the way it is in life. We can't start leaving out problematic issues now because we get scared of something. That doesn't lead anywhere. However, I do realize that there are certain points that we shouldn't just go into without Ozzy. But that should not apply to documents like song lyrics. Besides, a substantial part of the analysis hangs on this very song.

The song WHAT A LIFE was supposed to be on the record POISON already. The Colonel was so excited about the record that Ozzy would have done anything for him. I remember the two of them listening to the record in the studio after it was finished. Ozzy turned the stereo up all the way and the two of them danced off to the record like maniacs. Ozzy was totally freaking out and throwing parts of the drum kit around the studio. I was right there with them. We laughed our heads off and drank until four in the morning. Two days later, the Colonel talked to Ozzy and asked him to replace the song. He did it quite cleverly, because the band had recorded another song, which was actually planned as a single, because it already belonged to a new artistic phase. Mike (the Colonel) said he really wanted to have it on the record. It wasn't a big thing. Ozzy didn't want his friend and sponsor to be unhappy. He didn't worry too much about it and put it off. You have to remember that Ozzy had just made a very good record, in musical terms. And that was his message, too. To make beautiful music. Only later did it become clear how important the song actually was politically. Of course, it's almost entirely about the verses, "Nazi in their heads, Nazi in their beds and Nazi is the name of their pets."

(3) Contribution by Silke P.: You should definitely keep in mind what kind of time it was when the BULLETS became big. The wall had fallen and many hoped for better times. But they didn't come. Instead came grunge and the Kuwait war. In 1991 Max Frisch died, who once said, "Those who don't concern themselves with politics have already completed the political partisanship they wanted to avoid." But that's how people were. They lost touch with the community more and more. People could no longer agree and were too tired and too disoriented to discuss it. Even Marius and Grönemeyer couldn't think of much anymore. The only things people could agree on were soccer games and then the Love Parade. And today, of course, PUR. If Ozzy had made it back then, there certainly wouldn't be anything like PUR today. That's not unimportant in this context.

I have followed Ozzy's career pretty much from the beginning, seen him on stage more than 30 times and also talked to him more often. The last time was in October 92, a few weeks after the attack. Ozzy was still pretty beat, he knew he had to start something completely new. I remember very well what he talked about in our last conversation. He was talking about the reactions to the attack. Ozzy was outraged that the investigative inquiry wasn't moving forward. Everyone would run their mouths, but no one would do anything productive. He was really angry. And helpless. Of course, there were rumors that Ozzy did it, just as there were rumors that other people did it. Anyway, Ozzy was one of those who suffered the most from the fact that the BLUESLAND no longer existed.

At this point I would also like to comment on the article from the HAMBURGER BOTEN, about which there was a lot of fuss at the time. As insiders know, Ozzy did not assault the policeman at all. It was rather that someone pushed Ozzy from behind so that he fell into one of the policemen. He, in turn, was quite nervous and immediately smacked Ozzy. It all happened very quickly. There probably wouldn't have been any major problems if Ozzy hadn't gotten angry. I wasn't there, but I too thought it was a strange coincidence at the time that the press was on the scene so quickly.

But back to my last conversation with Ozzy. He said at the time that he thought the lack of investigation into the causes of the disaster was worse than the disaster itself. All the conflicts that everyone knew had to do with the fire were quite evident after the disaster. People talked about it for the first two weeks, then it ebbed away. Everyone was frantically trying to just get on with it somehow. I had the feeling that people didn't look each other in the eye for so long anymore. They left each other alone, no one had the appropriate questions or the appropriate answers. Instead of the event bringing us closer together, we were drifting further and further away from each other, and we noticed it. I don't exclude myself at all. I couldn't think of anything either. Anyway, it was killing Ozzy. He couldn't pretend. He was pulling way back. In our last conversation he said that it seemed to him as if he lived in a world that was only surface and facade, and he was very angry with the public. In between, he laughed and grabbed his head. It was too much for him. He just couldn't comprehend how things were turning out. That no one was doing anything. He felt very alone with it. I, too, could only listen, but I think that helped him a little. To this day, I don't know what I could or should have done.

Then three weeks ago, when the World Trade Center collapsed, I immediately thought of the BLUESLAND and knew pretty quickly that Ozzy would feel the same way. I thought of him right away. And it didn't matter where he was, whether in Paris, in Marrakech or even in Tunis, as was rumored. It didn't matter. It was heard all over the world. That's why I'm not surprised when he comes back now. Judging by his mail, he's in a good mood. Ozzy will also have changed in the last nine years. He's 32 now, the parallels are really striking. I'm looking forward to seeing what happens next.

The Editor. Kiel, 05.10.01

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