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ESSAY (6)
Gegenwart und Vergangenheit
Anis Hamadeh, 07.06.02
Zusammenfassung

Die Gegenwart - Der demokratische Grundkonsens - Die Vergangenheit - Durchscheinende Selbstkritik - Was beweist der Antisemitismusstreit? - Nichts soll sich bewegen



- Die Gegenwart -

Die Vergangenheit ist den Deutschen wichtig. Das ist jetzt offiziell. Die Deutschen lehnen 1933-45, und alles, was dazu gehört, heute ab, distanzieren sich davon und klagen alle an, die das nicht tun. Ist das wirklich neu? Ja, das ist neu, denn die Unterzeichner des sich herauskristallisierenden „demokratischen Grundkonsenses“ haben eine neue (alte) Gefahr erkannt, die so virulent ist, dass sie das innenpolitische Geschehen stark beeinflusst: den Antisemitismus.

Wirklich, den Antisemitismus? Was ist geschehen? Werden Juden in Deutschland wieder verfolgt, hat jemand die Wiedereinführung des Judensterns gefordert? Haben Teile der Bevölkerung die Gaskammern und den Genozid geleugnet, wollen sie diese Untaten etwa weiterführen? Oder schreibt die Presse judenfeindlich? Gibt es Orte, zu denen Juden nicht gehen dürfen, werden sie diskriminiert, oder gibt es Aufforderungen, nicht bei Juden zu kaufen? Hat jemand ein Buch wie „Mein Kampf“ geschrieben? Mein Gott, was ist los, was ist Schreckliches geschehen? – Nichts von alledem ist geschehen, aber die Juden in Deutschland und die Unterzeichner des Konsenses sind in der hellen Aufregung des „Wehret den Anfängen.“ In Jürgen Möllemann haben sie den Mann erkannt, der die Büchse der Pandora geöffnet hat und was der Bilder mehr sind. Da muss jemand sehr nah an ein Tabu gekommen sein, dass eine solche, vorwiegend emotional argumentierende, breite Ablehnung entstanden ist. Was ist passiert?



- Der demokratische Grundkonsens -

Passiert ist, dass ein Politiker sich im Zusammenhang seiner Israelkritik öffentlich gegen den Zentralrat der Juden gewandt hat, der sich ebenfalls öffentlich gegen ihn gerichtet hat, sodass sich beide Seiten voneinander provoziert fühlen und einander Zunder geben. Während Friedman beteuert, Möllemann mache ihn zum „bösen Juden“ (gestern im Heute-Journal), bestreitet Möllemann dies und führt seine Kritik auf Politisches und durchaus auch Persönliches zurück. Seine in anderem Zusammenhang stehende Äußerung, dass emanzipierte Demokraten ihre Regierungen abwählen, wurde ihm als Lob der Rechtsparteien ausgelegt. Darüberhinaus schütze er einen noch israelkritischeren Politiker, der zum einen von Nazimethoden der Israelis sprach, zum zweiten von einer zionistischen Medien-Lobby. Es handelt sich dabei um Einzeläußerungen. Daraus erwachsen ist ein nationaler Skandal, der die Empfindlichkeiten der Juden in Deutschland und ihrer Freunde ans Tageslicht gebracht hat, ebenso wie er die gesellschaftlichen Konstellationen ans Tageslicht gebracht hat, die diese Empfindlichkeiten zum demokratischen Grundkonsens erhoben haben, um damit der Konfrontation mit der deutschen Schuld auszuweichen: „Wir lieben unsere jüdischen Mitbürger! Kein Antisemitismus!“ stand auf dem Transparent der Demonstranten gegen Möllemann am Mittwoch in Berlin. Und werden die geliebten jüdischen Mitbürger gefragt, wie sie zu Scharon stehen? Nein, das gehört nicht in die Debatte, es geht eben um die Gefühle der Opfergruppe. Die deutschen Juden sind „damit überfordert, eine Debatte über das deutsche Selbstverständnis zu führen“ (SZ heute, S. 11). Susanne Thaler sagt dort über Möllemann: „Ich fühle mich von ihm bedroht.“ Man fühlt sich also bedroht. Wer fühlt sich bedroht und warum? Es bleibt vage, bedarf keiner Analyse. Die Sache mit den Juden, man versteht schon.

Inzwischen hat sich Jürgen Habermas heute im Feuilleton über „Tabuschranken“ ausgelassen und dem Publikum erklärt, wie wichtig Tabus sind, weil es sonst Kannibalismus und Inzest gäbe, und dass „Ekelschranken“ gut sind, weil sie das moralische Verbot überflüssig machen, für das man ja eine Begründung braucht (SZ S. 13). Im weiteren spricht der große Philosoph „vom Mief zur Lust“, und auch der Topos vom Unwort „political correctness“ kommt hier vor: Es sei ein polemischer Begriff, der „von vornherein mit negativen Konnotationen besetzt“ war. Ähnlich wie Herr Wickert gestern in den Tagesthemen und viele andere Konsenser nutzt Habermas die Möglichkeiten, weitere gesellschaftliche Einschränkungen zu propagieren, das eigene Nachdenken durch „Ekelschranken“ zu ersetzen und die wilhelminische Staatsidee wieder aufleben zu lassen, wie es der Mode entspricht.

Der Grundkonsens führt auch zu einer Neubewertung der Geschichte. Innerhalb von wenigen Tagen entsteht vor unseren Augen eine ganz neue Weltanschauung. Hier ist ein längeres Zitat aus der aktuellen ZEIT, in dem die 68-er rückwirkend ebenfalls des Antisemitismus bezichtigt werden, was man nur damals noch nicht sah: „Die Studentenbewegung von 1968, deren Protagonisten so gern von Demokratie und Aufklärung sprachen, unterbrach den Prozess öffentlicher Aufklärung in der alten Bundesrepublik eher, als dass sie ihn förderte. Sie rückte den Nationalsozialismus ins Schema einer besserwisserischen und faktenfreien Kapitalismus- und Faschimuskritik, die ohne die Erwähnung 'Auschwitz' auskam und sich de facto, bei allem antiautoritären und antirevisionistischen Gehabe, mit der antifaschistischen Amtskirche der DDR gut ergänzte. Das gilt auch in einem zweiten Punkt: Die schnell dogmatisierte Achtundsechzigerbewegung entdeckte bald den 'Antizionismus' – Israel als imperialistisches Bollwerk im Kampf gegen die allgemeine und besonders die palästinensische Volksbefreiung. Der Antizionismus war ursprünglich eine innerjüdische Angelegenheit gewesen, heute tritt er als beliebte Variante des Antisemitismus in Erscheinung.“ (ZEIT 06.06.02, S. 24, Götz Aly, Was ist Antisemitismus, mit gutem Schlussabsatz)

Verdutzt zeigte sich die Presse gestern, als Wolfgang Kubicki, FDP-Landeschef in Schleswig-Holstein, demonstrativ an Möllemanns Seite trat. Seine Äußerungen seien durch die Meinungsfreiheit gedeckt, sagte Kubicki bloß. Na so etwas! Macht denn der Kubicki gar nicht mit bei dem Konsens? Darf der das? Der Kubicki ist nicht als Populist bekannt, er wirkt ganz normal. Werden da etwa noch mehr kommen? Wir hatten doch so geschimpft, hat das denn nicht alle abgeschreckt? Offenbar nicht. Auch Uri Avnery hat kürzlich in einer Presseerklärung den Zentralrat der Juden als „Propagandazentrale Scharons“ bezeichnet. Mit Blick auf die heftige Kritik an Jürgen Möllemann und den syrischstämmigen Landtagsabgeordneten Jamal Karsli betonte Avnery: „Man darf Israel nicht nur kritisieren, meiner Ansicht nach muß man es sogar tun.“ („Junge Freiheit“, 31.05.) Es wird also weitergehen. Der demokratische Grundkonsens steht in Frage, wird nicht von allen akzeptiert. Und das hat gute Gründe.



- Die Vergangenheit -

Die Vergangenheit ist jetzt in Deutschland sehr präsent. Die hervorgehobene Solidarisierung mit der Opfergruppe aus der Nazizeit geht einher mit einer Solidarisierung mit Scharonbefürwortern und -duldern, unabhängig davon, ob dies bewusst oder unbewusst geschieht. In diesem Widerspruch zwischen Sonderverhältnisrecht und Menschenrecht wird klar und deutlich Partei ergriffen für das Sonderverhältnisrecht. Um mit dem Widerspruch umzugehen, verschließt sich die Gesellschaft, sie wird repressiv, ähnlich wie sie in der Kaiserzeit repressiv war, und ähnlich, wie sie in der Nazizeit repressiv war. Es passiert also genau das, wovor die Leute Angst haben, und die Leute machen es selbst. Das Tabu, die „Schluss mit der Gefühle verletzenden Debatte!“-Einstellung, macht dies nötig. Hier sind ein paar Beispiele, die zeigen, dass wir uns tief in der Vergangenheit befinden und auch die Schuld der Vergangenheit ansatzweise wiederholen:

Gestern in den
Tagesthemen suggerierte Ulrich Wickert, dass ein ungebührlicher Ton gegen die Regierung zu Antisemitismus führe. Er hat also den Antisemitismus instrumentalisiert, um die in keinem Zusammenhang dazu stehende Staatsmacht in Schutz zu nehmen, ein deutlich obrigkeitsstaatliches Denken.

Herr Möllemann wird in der heutigen Presse mehrfach ein Demagoge genannt. Die „Demagogie“ (noch so ein schwammiges Wort) wird wesentlich zur Charakterisierung Hitlers herangezogen. Ähnlich Arafat. Seit dem Antisemitismusstreit verwandelt sich sein Bild ebenfalls immer mehr in Hitler, man betrachte das Dossier in der aktuellen ZEIT unter dem verheißungsvollen Titel: „Arafat bombt, Europa zahlt“. Auf der ersten Seite zeigt man ihn groß vor einem noch größeren Arafat-Plakat („Ein Mann mit vielen Gesichtern“) und derart sind auch die anderen Bilder, neben denen Dinge stehen wie „Beschwörend wendet sich Arafat usw.“ Die Beschwörung gehört ebenfalls zum Repertoir von: Wir basteln uns einen Hitler, denn Hitler war so, er hat die Dinge beschworen. Nachdem die Autonomiebehörde von den Israelis zerstört wurde, wird Arafats Einfluss immer geringer, seine Verantwortung für die Presse aber immer größer. Nicht Arafat ist demagogisch, das ZEIT-Dossier ist es.

Am meisten aber greift das Feindbild Karsli. Es muss darauf hingewiesen werden, dass sich viele Araber und Muslime in Deutschland politisch von Herrn Karsli repräsentiert fühlen, Menschen, die mit der deutschen Schuld nicht so viel zu tun haben, weil sie aus anderen, weniger belasteten Traditionen kommen. Auch ich habe mich über ein paar Dinge von Karsli aufgeregt, aber insgesamt finde ich ihn nach wie vor wichtig und seriös. Wenn Herr Ministerpräsident Clement betont von „politischer Hygiene“ (z.B. DIE WELT heute, S. 9) spricht, als Begründung für Karslis Rückzug, dann sehe ich darin eine Abwandlung des Begriffs „Rassenhygiene“, ein uralter Topos, der früher antisemitisch gewendet wurde. Die Nazis waren ja die arische Rasse, und die wollten „sauber“ bleiben. Heute ist es die politisch/journalistische Schicht, die dieses Vokabular benutzt. Im gleichen Artikel wird Karslis so genannter Rückzug eine „Mischung aus Schurkenstück und Märchen aus Tausendundeiner Nacht“ genannt, typische Verunglimpfungen für Orientalen, die außerhalb der Antisemitismuskritik stehen, die man also sagen darf. Karsli ist „stigmatisiert“, das gibt die WELT selbst zu (S. 9), er hat also ein Mal, ein Zeichen, wie die Griechen und Römer es ihren Sklaven eingebrannt haben, denn daher kommt das Wort.



- Durchscheinende Selbstkritik -

Was wir in Presse und Politik vorfinden, ist ein geschlossener Diskurs, ein Diskurs, der eine Realität schaffen soll, mehr als dass er eine auslotet oder zu verstehen versucht. Ein Diskurs, der ausgesprochen darauf bedacht ist, Tabus zu schützen, also über bestimmte Dinge nicht zu reden. Nicht etwa: bestimmte Dinge abzulehnen, das ist etwas anderes. Um etwas abzulehnen, muss ich es kennen. Doch hier ist das Kennen Lernen tabu, weil es Gefühle verletzt. Ein Dogma also. Selbst Hirngespinste werden ernsthaft analysiert, nachdem sie vorher als Hirngesprinste identifiziert wurden, zum Beispiel hier über Susanne Thaler: „Projekt 18 – stehe das denn nicht in der Neo-Nazi-Sprache für den ersten und achten Buchstaben, für A und H, für Adolf Hitler?“ (SZ, S. 11). Eine Art Kabbala wird hier herangezogen, um faschistisches Gedankengut bei Herrn Möllemann auszumachen, und die Zeitung druckt es und bekennt sich dazu: „Es ist ein überspanntes Bild, das sie da zeichnet. Und doch zeigt es...“ ... und dann folgen ganze Absätze.

Man weiß auch, dass das eigene Israelbild geschönt ist: „Mithilfe Hunderter Strafprozesse, Zeitungsberichte und früh auch durch die Schulen wurde das Wissen über die Wirklichkeit der Lager, über die Massenexekutionen, die Gaskammern verbreitet. Das ging einher mit einer romantisierenden Aufklärung über Israel, dem Aufbau dort und der Zukunft des Landes.“ (ZEIT 06.06.02, S. 24) Man weiß es, aber man reflektiert nicht weiter darüber. Oder ebendort über den Antisemitismus: „Doch ist er gelegentlich schwer oder unmöglich zu diagnostizieren, weil manche israelische Regierungen am liebsten jede ausländische Kritik an ihrem Handeln als antisemitisch abtun.“ Man weiß es, aber man zieht keine Schlüsse daraus.



- Was beweist der Antisemitismusstreit? -

Professor Micha Brumlik, Leiter des Fritz-Bauer-Instituts zur Erforschung des Holocaust, schreibt heute in einer TAZ-Beilage des „peace com“ unter der Überschrift „Engagement für den Frieden in Israel und Palästina“ folgendes: „Hat der Fall des Demagogen Möllemann nicht schlagend bewiesen, dass Kritik an israelischer Politik lediglich ein Deckmantel für Antisemitismus ist?“ Nein Herr Brumlik, der Fall Möllemann hat im Gegenteil schlagend bewiesen, dass der Antisemitismus-Verdacht lediglich ein Deckmantel für Unterbindung von Israelkritik ist. Denn nach diesem Satz von Brumlik kann jegliche Israelkritik in Antisemitismus umgemünzt werden, und das wird ja auch – unter heftigsten Dementis – getan. Für die gleiche Haltung argumentiert Jürgen Habermas: „Der Vorwurf des Antisemitismus, gleichviel ob er zurecht oder zu unrecht erhoben wird, bezieht sich auf die Verletzung einer Wertorientierung, die in unserer politischen Kultur inzwischen verankert ist.“ (SZ S. 13) Das bedeutet, dass jemand, der mich des Antisemitismus bezichtigt, damit immer irgendwie Recht hat, und zwar wegen der „Wertorientierung“. Die verankerte deutsche Schuld an den Juden, sie ist unbestritten. Nur wird nicht über sie geredet, sondern sie wird instrumentalisiert, um zu kontrollieren, so wie es die Kirche im Mittelalter gemacht hat. Wer sich schuldig fühlt, ist beschäftigt und gefügig.

Ich will solchen Leuten nicht einmal eine böse Absicht unterstellen, aber was sie tun, ist nichts anderes, als den Diskurs abzuwürgen. Wir haben es hier mit Menschen zu tun, die etwas beschützen, das sie nicht benennen wollen. Ich glaube nicht, dass sie Scharon beschützen wollen. Ich glaube, sie wollen den Deckel schützen, der auf der Vergangenheit liegt. Sie wollen vor allem eines: Keine Veränderung. Hier noch einmal Professor Brumlik: „Aus der Logik staatlichen Handelns betrachtet, können nämlich der deutsche Staat und auch die EU im Konflikt zwischen jüdischen Israelis und PalästinenserInnen nichts, aber auch gar nichts bewirken. Die immer wieder angestellten Überlegungen zu einer europäischen Nahostpolitik, einer Politik des redlichen Maklers, brechen sich an dem schlichten und brutalen Umstand, dass sich Israel nicht einmal von den USA zu etwas zwingen lässt.“ Sturz-autoritäre Argumente müssen also herhalten, um das eigene Nicht-Handeln zu rechtfertigen. Schlicht und brutal: Das Recht des Stärkeren. Das Dschungelrecht. Das muss hier verteidigt werden, irgendwie. Schicksalsergebenheit.



- Nichts soll sich bewegen -

Die Antisemitismusdebatte hat also zwei Ebenen: Die Gefühle der Opfergruppe und die Israelkritik. Gerhard Schröder hat am Elften September das Wort von der „uneingeschränkten Solidarität“ geprägt, und wir haben gesehen, dass er und mit ihm die meisten das ernst nehmen, also als totale Solidarität verstehen: Wir stehen zu euch, egal, was ihr tut. So ist es mit den USA, und so ist es auch mit Israel. Denn bei all der Israelkritik, die die Medien natürlich bringt: Es bewegt sich gar nichts, und es soll sich auch nichts bewegen, ob in Israel oder im deutschen Reformstau. Denn wenn man damit erst einmal anfängt, müsste man ja zugeben, dass die ganze Zeit etwas falsch gelaufen ist.

Ja, da ist Angst. Aber es ist nicht die Angst vor neuen Hitlers oder neuem Antisemitismus, die wird offenkundig von der Presse selbst geschürt, wenn sie Cover macht wie der SPIEGEL, es ist vielmehr die Angst davor, dass die Mehrheit der Deutschen mit ihrer Nichts-bewegt-sich-Politik falsch liegt. Vor einigen Tagen sah ich eine ZDF-Sendung „Jesus ist im Hauptbahnhof verboten“, wo es um die Privatisierung öffentlichen Raumes ging. Es wurde auch eine Shopping-Mall gezeigt, in der die Leute in Cafes saßen bei Klavier und Wellness, während Security-Leute darauf achteten, dass niemand die Atmosphäre stört. Damit niemand diesen Leuten die Illusion nimmt, alles sei in Ordnung. Und so ist es auch beim demokratischen Konsens: Die Security-Leute passen auf, dass die Wellness nicht durch übermäßige (Israel-)Kritik abhanden kommt. So kann es geschehen, dass ein Karsli geschasst wird, weil ein israelischer (!) Buchautor (Shraga Elam) ebenfalls von Nazimethoden der Israelis spricht. Auch der inzwischen wieder rehabilitierte Literaturnobelpreisträger Saramago hatte es getan und Ramallah mit Auschwitz verglichen. Arafat nennt Israel faschistisch und mit ihm viele, auch Elia Sulaiman, der einen Film in Cannes hatte. Die palästinensische Agentur WAFA sprach gelegentlich vom „palästinensischen Holocaust“ undsoweiter, jawohl, es werden solche Vergleiche gezogen, ob es den Deutschen passt oder nicht. Man kann diese Leute nicht einfach verteufeln und vom Diskurs ausschließen, weil sie die Gefühle der Juden verletzen. Diese Leute haben selbst verletzte Gefühle. Sie sagen solche Dinge, weil die Besetzung Palästinas andauert und sie immer wütender werden, je deutlicher und größer das Unrecht wird.

Palästina und Israel stehen heute als Stellvertreter im Kulturkampf. Und Deutschland spielt eine Schlüsselrolle. Solange Israel die Oberhand behält, ist der Westen sicher, so ähnlich denken die Politiker und Journalisten wohl. Ich glaube nicht, dass die Bevölkerung das so weit teilt, wie die Medien es erscheinen lassen. Es ist wohl notwendig, dass der „demokratische Grundkonsens“ die Kluft zwischen Öffentlichem und Privatem noch einmal vergrößert und die Problematik auf die Spitze treibt. Nur durch Übertreibungen wie jetzt in der Presse kann man sehen, wo es im Argen liegt. Dennoch sehe ich das Land und auch die Welt in Gefahr, denn die Ungerechtigkeiten durch Israels Politik verschärfen die Situation jeden Tag.

(17.500 Zeichen)

Present and Past
Anis Hamadeh, June 7, 2002
Abstract

The Present - The Democratic Basic Consent - The Past - Self-Criticizm Shimmering Through - What does the anti-Semitism quarrel prove? - Nothing is to Change



- The Present -

The past is important for the Germans. This is official now. The Germans today reject 1933-45 and everything connected to it, they distance themselves from it and accuse everybody who does not so. Is this really new? Yes, it is new, for the subscribers of the crystalizing "democratic basic consent" have spotted a new (old) danger that is so virulent that it has larger effects on the domestic affairs: anti-Semitism.

Really, anti-Semitism? What happened? Are Jews in Germany persecuted again, did anybody demand the re-introduction of the David star? Did parts of the population deny the fact of the gas chambers and the genozide, or did they even want to continue with these cruelties? Does the press write in a way hostile to the Jews? Are there places where Jews are not permitted to go to, are they discriminated, or are there any calls to not buy from Jews? Did anybody write a book like "Mein Kampf"? My God, what's going on, what is the terrible thing that happened? – Nothing of all this has happened, but the Jews in Germany and the subscribers to the consent are in the excitement of the "fight the beginnings". In Jürgen Möllemann they have recognized the man who opened Pandora's box and what the images are. Here someone must have come very close to a taboo that such a broad and mostly emotionally argueing rejection has established. What is the story?




- The Democratic Basic Consent -

The story is that a German politician publically turned against the Central Council of German Jews in the context of his criticizm of Israel and that the Council publically turned against him so that each party feels provoked by the other and so they quarrel. While Friedman asserts Möllemann would make him the "evil Jew" (yesterday in the Heute-Journal on TV), Möllemann disputes that and claims that his critique is due to political and also personal matters. His utterance from out of a different context that emancipated democrats are voting off their governments was held against him and was understood as an applause for extreme right-wing parties. What is more, he is accused of sheltering an even harsher Israel critic and politician who firstly spoke about nazi methods of the Israelis and second about a Zionist media lobby. These were singular expressions. What grew out of that is a national scandal which brought the sensitivities of the Jews in Germany and of their friends to the surface, as it brought the social constellations to the surface which coined these sensitivities into the democratic basic consent, to thus escape the confrontation with the German guilt: "We love our Jewish co-citizens! No anti-Semitism!" was written on the big poster of the demonstrants against Möllemann on Wednesday in Berlin. And are the beloved Jewish co-citizens asked what they say about Sharon? No, this does not belong into the debate, for the debate is about the feelings of the victim group. The German Jews would be "overcharged if they had to share a debate about the German self-understanding" (SÜDDEUTSCHE ZEITUNG today, p.11). Susanne Thaler there says about Möllemann: "I feel threatened by him." So people feel threatened. Who feels threatened and why? It remains vague, does not need to be analyzed. The thing with the Jews, okay, understood.

In the meantime, the German philosopher Jürgen Habermas writes about "taboo barriers" in the feuilleton today, explaining to the audience how important taboos are, because without them we would have cannibalism and incest, and that "nausea barriers" are good, because they render the moral prohibition unneccessary which takes an effort to be substantiated (SÜDDEUTSCHE ZEITUNG p.13). In the following, the great philosopher talks about the "bad smell of lust", and the topos of the non-word "political correctness" appears also: it would be a polemic concept which had been "set with negative connotations right from the start". Similar to Herr Wickert yesterday in the news program "Tagesthemen" and to many other consenters Habermas uses the occasion to propagate further social limitations like the substitution of the own thinking with "nausea barriers" and the revival of the Wilhelminian concept of the state, as it is fashion.

The basic consent also leads to a re-evaluation of history. Within only few days a whole new historical view appears in front of our eyes. Here follows a longer quote from the current issue of DIE ZEIT in which the generation of 68 is charged with anti-Semitism in retrospective, too, only that people then did not realize that: "The students movement of 1968, whose protagonists had been so very fond of democracy and enlightenment, interrupted the process of public enlightenment in the old Federal Republic more than it encouraged it. It moved national socialism into the scheme of an arrogant and fact-free critique of capitalism and fascism which could do without the mentioning of "Auschwitz" and which de facto, despite all the anti-authoritarian anti-revisionist mannerisms, had been a good complement to the anti-fascist official church in the German Democratic Republic. This also holds for a second point: the quickly dogmatised 68 movement soon discovered "anti-Zionism" – Israel as the imperialistic rampart in the struggle against the general liberation of peoples, and especially the Palestinian people. In the beginnnig, anti-Zionism was an internal Jewish affair, today it is a popular variant of anti-Semitism." (ZEIT 06.06.02, p.24, Götz Aly, What is anti-Semitism, with a good closing paragraph)

Startled the German press was yesterday when Wolfgang Kubicki, FDP chief of Schleswig-Holstein, demonstratively showed himself at Möllemann's side. His utterances are covered by the freedom of opinion, Kubicki simply said. Now what is this? Doesn't this Kubicki join the consent? Is he allowed to do that at all? Kubicki is not known to be a populist, he appears so normal. Will there even be more people like this? Didn't we scold enough, didn't that deter everybody? It seems so. Uri Avnery, too, has recently in a press release called the Central Council of German Jews a "propaganda headquarter of Sharon's". In view of the harsh criticizm against Jürgen Möllemann and the political representative with Syrian origin, Jamal Karsli, Avnery emphazised: "You do not only have the right to criticize Israel, in my opinion you have the duty to do it." ("Junge Freiheit", 31.05.) So the story will continue. The democratic basic consent is questioned, it is not accepted by everybody. And this for good reasons.





- The Past -

The past is very present now in Germany. The emphasized solidarisation with the victim group of the nazi period goes along with a solidarisation with Sharon adherents and tolerators, independently of the question whether this is happening consciously or unconsciously. In this contradiction between the special relation right and the human right the clear and distinct decision is for the special relation right. To cope with this contradiction the society closes, it becomes repressive, similar to its repressiveness in the period of the emperors and similar to its repressiveness in the period of the nazis. So exactly the thing happens that people are afraid of, and they are doing it themselves. It is made necessary by the taboo, by the "stop this debate that hurts the feelings!" attitude. Here are a couple of examples which show that we are deep in the past at the moment and that we are also repeating the guilt of the past in some details:

Yesterday in the known news program
"Tagesthemen" Ulrich Wickert suggested that an unseemly tone toward the government would lead to anti-Semitism. He instrumentalized anti-Semitism here to protect the state which stands in no relation to the issue, certainly revealing an authoritarian mentality.

In the press today Herr Möllemann is more than once called a demagogue. "Demagogy" (another of these fuzzy concepts) is one of the main features which is also associated with Hitler. Similar is the Arafat coverage. Since the anti-Semitism quarrel his image is also altering into Hitler more and more, just read the dossier in the current DIE ZEIT under the promising title: "Arafat bombs, Europe pays". On the first page you can see him huge in front of an even huger Arafat poster ("A man with many faces") and in the same vain are the other photos, too, which are subtitled with phrases like: "In a conjuring way Arafat turns to etc." The conjuring of things also belongs to the repertoir of: we fix ourself a Hitler, for Hitler was like that, he conjured things. After that the autonomy system had been destroyed by the Israelis Arafat's influence is decreasing more and more, yet his responsibility seems to increase according to the press. Not Arafat is demagogic, the DIE ZEIT dossier is.

But best of all works the stereotype image of Karsli. In this context it must be pointed to the fact that many Arabs and Muslims in Germany feel politically represented by Herr Karsli, people who do not have so much to do with the German guilt, because they come out of different, less loaded traditions. I also disagreed with some of Karsli's utterances, yet all in all I still regard him as important and serious. When Herr president of cabinet council Clement deliberately speaks of "political hygiene" (e.g. DIE WELT today, p.9) as a reason for Karsli's climb-down, then I can detect in that a variant of the concept "race hygiene", a stone-old topos which in former times had been turned anti-Semitic. The nazis, that were the Aryan race, and they wanted to remain "clean". Today it is the political/journalist class that is using this vocabulary. In the same article Karsli's so-called retreat is called a "mixture of a villain's play and a fairytale out of the Arabian Nights", typical defamations for orientals, but outside the anti-Semitism discourse and thus allowed. Karsli is "stigmatized", DIE WELT admits that itself (p.9), so he has a mark, a sign, like the Greek and the Romans burnt ones into their slaves, for this is where the word comes from.





- Self-Criticizm Shimmering Through -

What we find in the press and in politics is a closed discourse, a discourse which is to create a reality more than it is to examine or understand a reality. A discourse which is extremely cautious to protect taboos, i.e. not to speak about certain things. This does not mean: to reject certain things, that is something different. If I want to reject something I have to know it. But here the learning and acquaintance is taboo, because it is hurting feelings. A dogma that is. Even whims are seriously analyzed after having been identified as whims, here, for example, about Susanne Thaler, alluding to the 18 % election campaign of the FDP: "Project 18 – doesn't this in the neo-nazi language stand for the first and the eighth letter, for A and H, for Adolf Hitler?" (SZ, p.11). A sort of cabbala is being referred to here in order to detect fascist ideas in Herr Möllemann, and the newspaper prints it and follows it: "It is an exaggerated picture that she is drawing here. And yet it shows..." ... and then follow whole paragraphs.

And people know that their image of Israel is biased: "With the help of hundreds of criminal cases, newspaper reports and early also in the schools the knowledge about the reality of the camps, about the mass executions, and about the gas chambers was circulated. That went hand in hand with romantisizing information about Israel, the development there and the future of the country." (DIE ZEIT 06.06.02, p.24) People know it, but they don't reflect on it any further. Or in the same source about anti-Semitism: "Yet sometimes it is hard or impossible to be diagnosed, because some Israeli governments like to regard every foreign criticizm of their acting to be anti-Semitic." They know it, but they draw no conclusion out of it.



- What does the anti-Semitism quarrel prove? -

Professor Micha Brumlik, director of the Fritz Bauer Institute for examining the Holocaust, today writes in a supplement of DIE TAGESZEITUNG under the title "Engagement for peace in Israel and Palestine" by a group called "peace com" the following: "Didn't the case of the demagogue Möllemann compellingly prove that the criticizm of the Israeli policy is nothing but a cloak to cover anti-Semitism?" No Herr Brumlik, the case Möllemann on the contrary compellingly proved that the suspicion of anti-Semitism is nothing but a cloak to prevent Israel criticism. For according to the Brumlik sentence every Israel criticizm can be coined into anti-Semitismus, and this is what is actually happening, under the most passionate dementis. Of the same attitude are the arguments of Jürgen Habermas: "The reproach of anti-Semitismus, no matter if it is spoken by right or not by right, relates to the injuring of a value orientation which by now is firmly established in our political culture." (SZ p.13) This means that somebody who charges me of anti-Semitism is always right in a way, and this is because of the "value orientation". The firmly established German guilt in respect to the Jews, it is undisputed. But it is not made an issue in the public, rather it is instrumentalized in order to gain control, like the church did in the Middle Ages. For who feels guilty is busy and docile.

I do not even want to accuse these people of having bad intentions, but what they are doing is nothing but to throttle down the discourse. We are dealing with people here who want to protect something they do not want to name. I don't think that they want to protect Sharon. I think they want to protect the cover that is put on the past. And most of all they want one thing: no change. Here is Professor Brumlik again: "Viewed in the logic of how states are acting both the German state and the EU can reach nothing, nay, nothing at all in the conflict between Jewish Israelis and Palestinians. The repeatedly posed ideas about a European Middle East policy, a policy of the honest middleman, collapses in front of the simple and brutal circumstance that Israel does not let itself be forced to something even by the USA." Pitch-authoritarian arguments are referred to in order to justify the own lack of acting. Simply and brutally: the right of the stronger. The law of the jungle. This is what is to be defended here, somehow. Fatalism.



- Nothing is to Change -

The anti-Semitism debate thus has two levels: the feelings of the victim group and the criticizm of Israel. Gerhard Schröder coined the term "unlimited solidarity" on September 11 and we could see that he and with him the majority is taking this seriously, meaning total solidarity: we stand by your side, no matter what you do. Like this it is with the USA, like this it also is with Israel. For despite of all the Israel criticizm which of course appears in the media: nothing moves at all, and nothing is to move, too, be it in Israel or be it in the planned reforms in Germany. For if people started with this they would have to admit that something had been going wrong for the whole time.

Yes, there is fear. But it is not the fear of new Hitlers or new anti-Semitism. This is obviously stirred by the press itself, when they produce covers like the SPIEGEL. It rather is the fear that the majority of the Germans could be wrong with their "nothing moves" policy. A couple of days ago I saw a TV documentary called "Jesus is prohibited in the central station" which dealt with the privatisation of public space. They also filmed a shopping-mall where people sat in cafes with piano and wellness, while security people were taking care that nobody disturbs the atmosphere. So that the people in the cafes are not deprived of their illusion that everything is ok. And this is how the democratic consent is working: the security people are taking care that the wellness does not get lost by an exaggerated (Israel-) criticizm. So it can happen that a Mister Karsli is fired for the reason that an Israeli (!) author (Shraga Elam) also speaks of nazi methods in the Israelis. The meanwhile rehabilitated nobel prize winner for literature, Saramago, also did it and compared Ramallah to Auschwitz. Arafat calls Israel fascist and with him many, for exmaple Elia Sulaiman, who had a movie in Cannes. The Palestinian news agency WAFA occasionally used the term "Palestinian Holocaust" etcetera, yes, those comparisons are drawn, whether the Germans like that or not. You cannot just demonize these people and exclude them from the discourse because they hurt the feelings of the Jews. These people have hurt feelings themselves. They say such things because the occupation of Palestine is ongoing and they get more and more angry the clearer and bigger the injustice gets.

Palestine and Israel today represent the culture struggle. And Germany plays a key role. As long as Israel is above the Palestinians the West is save, this is about what politicians and journalists believe. I don't think that the population shares this opinion to the extend suggested by the media. It seems necessary that the "democratic basic consent" enlargens the gap between the public and the private for another time to point the problem by letting it taper off. Only by exaggerations like now in the press one can see where the trouble lies. Yet I do view both the country and the world in a danger, for the injustice of Israel's policy makes the situation escalate day by day.

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