- Die Gegenwart -
Die Vergangenheit ist den Deutschen wichtig. Das ist jetzt offiziell. Die Deutschen lehnen 1933-45, und alles, was dazu gehört, heute ab, distanzieren sich davon und klagen alle an, die das nicht tun. Ist das wirklich neu? Ja, das ist neu, denn die Unterzeichner des sich herauskristallisierenden „demokratischen Grundkonsenses“ haben eine neue (alte) Gefahr erkannt, die so virulent ist, dass sie das innenpolitische Geschehen stark beeinflusst: den Antisemitismus.
Wirklich, den Antisemitismus? Was ist geschehen? Werden Juden in Deutschland wieder verfolgt, hat jemand die Wiedereinführung des Judensterns gefordert? Haben Teile der Bevölkerung die Gaskammern und den Genozid geleugnet, wollen sie diese Untaten etwa weiterführen? Oder schreibt die Presse judenfeindlich? Gibt es Orte, zu denen Juden nicht gehen dürfen, werden sie diskriminiert, oder gibt es Aufforderungen, nicht bei Juden zu kaufen? Hat jemand ein Buch wie „Mein Kampf“ geschrieben? Mein Gott, was ist los, was ist Schreckliches geschehen? – Nichts von alledem ist geschehen, aber die Juden in Deutschland und die Unterzeichner des Konsenses sind in der hellen Aufregung des „Wehret den Anfängen.“ In Jürgen Möllemann haben sie den Mann erkannt, der die Büchse der Pandora geöffnet hat und was der Bilder mehr sind. Da muss jemand sehr nah an ein Tabu gekommen sein, dass eine solche, vorwiegend emotional argumentierende, breite Ablehnung entstanden ist. Was ist passiert?
- Der demokratische Grundkonsens -
Passiert ist, dass ein Politiker sich im Zusammenhang seiner Israelkritik öffentlich gegen den Zentralrat der Juden gewandt hat, der sich ebenfalls öffentlich gegen ihn gerichtet hat, sodass sich beide Seiten voneinander provoziert fühlen und einander Zunder geben. Während Friedman beteuert, Möllemann mache ihn zum „bösen Juden“ (gestern im Heute-Journal), bestreitet Möllemann dies und führt seine Kritik auf Politisches und durchaus auch Persönliches zurück. Seine in anderem Zusammenhang stehende Äußerung, dass emanzipierte Demokraten ihre Regierungen abwählen, wurde ihm als Lob der Rechtsparteien ausgelegt. Darüberhinaus schütze er einen noch israelkritischeren Politiker, der zum einen von Nazimethoden der Israelis sprach, zum zweiten von einer zionistischen Medien-Lobby. Es handelt sich dabei um Einzeläußerungen. Daraus erwachsen ist ein nationaler Skandal, der die Empfindlichkeiten der Juden in Deutschland und ihrer Freunde ans Tageslicht gebracht hat, ebenso wie er die gesellschaftlichen Konstellationen ans Tageslicht gebracht hat, die diese Empfindlichkeiten zum demokratischen Grundkonsens erhoben haben, um damit der Konfrontation mit der deutschen Schuld auszuweichen: „Wir lieben unsere jüdischen Mitbürger! Kein Antisemitismus!“ stand auf dem Transparent der Demonstranten gegen Möllemann am Mittwoch in Berlin. Und werden die geliebten jüdischen Mitbürger gefragt, wie sie zu Scharon stehen? Nein, das gehört nicht in die Debatte, es geht eben um die Gefühle der Opfergruppe. Die deutschen Juden sind „damit überfordert, eine Debatte über das deutsche Selbstverständnis zu führen“ (SZ heute, S. 11). Susanne Thaler sagt dort über Möllemann: „Ich fühle mich von ihm bedroht.“ Man fühlt sich also bedroht. Wer fühlt sich bedroht und warum? Es bleibt vage, bedarf keiner Analyse. Die Sache mit den Juden, man versteht schon.
Inzwischen hat sich Jürgen Habermas heute im Feuilleton über „Tabuschranken“ ausgelassen und dem Publikum erklärt, wie wichtig Tabus sind, weil es sonst Kannibalismus und Inzest gäbe, und dass „Ekelschranken“ gut sind, weil sie das moralische Verbot überflüssig machen, für das man ja eine Begründung braucht (SZ S. 13). Im weiteren spricht der große Philosoph „vom Mief zur Lust“, und auch der Topos vom Unwort „political correctness“ kommt hier vor: Es sei ein polemischer Begriff, der „von vornherein mit negativen Konnotationen besetzt“ war. Ähnlich wie Herr Wickert gestern in den Tagesthemen und viele andere Konsenser nutzt Habermas die Möglichkeiten, weitere gesellschaftliche Einschränkungen zu propagieren, das eigene Nachdenken durch „Ekelschranken“ zu ersetzen und die wilhelminische Staatsidee wieder aufleben zu lassen, wie es der Mode entspricht.
Der Grundkonsens führt auch zu einer Neubewertung der Geschichte. Innerhalb von wenigen Tagen entsteht vor unseren Augen eine ganz neue Weltanschauung. Hier ist ein längeres Zitat aus der aktuellen ZEIT, in dem die 68-er rückwirkend ebenfalls des Antisemitismus bezichtigt werden, was man nur damals noch nicht sah: „Die Studentenbewegung von 1968, deren Protagonisten so gern von Demokratie und Aufklärung sprachen, unterbrach den Prozess öffentlicher Aufklärung in der alten Bundesrepublik eher, als dass sie ihn förderte. Sie rückte den Nationalsozialismus ins Schema einer besserwisserischen und faktenfreien Kapitalismus- und Faschimuskritik, die ohne die Erwähnung 'Auschwitz' auskam und sich de facto, bei allem antiautoritären und antirevisionistischen Gehabe, mit der antifaschistischen Amtskirche der DDR gut ergänzte. Das gilt auch in einem zweiten Punkt: Die schnell dogmatisierte Achtundsechzigerbewegung entdeckte bald den 'Antizionismus' – Israel als imperialistisches Bollwerk im Kampf gegen die allgemeine und besonders die palästinensische Volksbefreiung. Der Antizionismus war ursprünglich eine innerjüdische Angelegenheit gewesen, heute tritt er als beliebte Variante des Antisemitismus in Erscheinung.“ (ZEIT 06.06.02, S. 24, Götz Aly, Was ist Antisemitismus, mit gutem Schlussabsatz)
Verdutzt zeigte sich die Presse gestern, als Wolfgang Kubicki, FDP-Landeschef in Schleswig-Holstein, demonstrativ an Möllemanns Seite trat. Seine Äußerungen seien durch die Meinungsfreiheit gedeckt, sagte Kubicki bloß. Na so etwas! Macht denn der Kubicki gar nicht mit bei dem Konsens? Darf der das? Der Kubicki ist nicht als Populist bekannt, er wirkt ganz normal. Werden da etwa noch mehr kommen? Wir hatten doch so geschimpft, hat das denn nicht alle abgeschreckt? Offenbar nicht. Auch Uri Avnery hat kürzlich in einer Presseerklärung den Zentralrat der Juden als „Propagandazentrale Scharons“ bezeichnet. Mit Blick auf die heftige Kritik an Jürgen Möllemann und den syrischstämmigen Landtagsabgeordneten Jamal Karsli betonte Avnery: „Man darf Israel nicht nur kritisieren, meiner Ansicht nach muß man es sogar tun.“ („Junge Freiheit“, 31.05.) Es wird also weitergehen. Der demokratische Grundkonsens steht in Frage, wird nicht von allen akzeptiert. Und das hat gute Gründe.
- Die Vergangenheit -
Die Vergangenheit ist jetzt in Deutschland sehr präsent. Die hervorgehobene Solidarisierung mit der Opfergruppe aus der Nazizeit geht einher mit einer Solidarisierung mit Scharonbefürwortern und -duldern, unabhängig davon, ob dies bewusst oder unbewusst geschieht. In diesem Widerspruch zwischen Sonderverhältnisrecht und Menschenrecht wird klar und deutlich Partei ergriffen für das Sonderverhältnisrecht. Um mit dem Widerspruch umzugehen, verschließt sich die Gesellschaft, sie wird repressiv, ähnlich wie sie in der Kaiserzeit repressiv war, und ähnlich, wie sie in der Nazizeit repressiv war. Es passiert also genau das, wovor die Leute Angst haben, und die Leute machen es selbst. Das Tabu, die „Schluss mit der Gefühle verletzenden Debatte!“-Einstellung, macht dies nötig. Hier sind ein paar Beispiele, die zeigen, dass wir uns tief in der Vergangenheit befinden und auch die Schuld der Vergangenheit ansatzweise wiederholen:
Gestern in den Tagesthemen suggerierte Ulrich Wickert, dass ein ungebührlicher Ton gegen die Regierung zu Antisemitismus führe. Er hat also den Antisemitismus instrumentalisiert, um die in keinem Zusammenhang dazu stehende Staatsmacht in Schutz zu nehmen, ein deutlich obrigkeitsstaatliches Denken.
Herr Möllemann wird in der heutigen Presse mehrfach ein Demagoge genannt. Die „Demagogie“ (noch so ein schwammiges Wort) wird wesentlich zur Charakterisierung Hitlers herangezogen. Ähnlich Arafat. Seit dem Antisemitismusstreit verwandelt sich sein Bild ebenfalls immer mehr in Hitler, man betrachte das Dossier in der aktuellen ZEIT unter dem verheißungsvollen Titel: „Arafat bombt, Europa zahlt“. Auf der ersten Seite zeigt man ihn groß vor einem noch größeren Arafat-Plakat („Ein Mann mit vielen Gesichtern“) und derart sind auch die anderen Bilder, neben denen Dinge stehen wie „Beschwörend wendet sich Arafat usw.“ Die Beschwörung gehört ebenfalls zum Repertoir von: Wir basteln uns einen Hitler, denn Hitler war so, er hat die Dinge beschworen. Nachdem die Autonomiebehörde von den Israelis zerstört wurde, wird Arafats Einfluss immer geringer, seine Verantwortung für die Presse aber immer größer. Nicht Arafat ist demagogisch, das ZEIT-Dossier ist es.
Am meisten aber greift das Feindbild Karsli. Es muss darauf hingewiesen werden, dass sich viele Araber und Muslime in Deutschland politisch von Herrn Karsli repräsentiert fühlen, Menschen, die mit der deutschen Schuld nicht so viel zu tun haben, weil sie aus anderen, weniger belasteten Traditionen kommen. Auch ich habe mich über ein paar Dinge von Karsli aufgeregt, aber insgesamt finde ich ihn nach wie vor wichtig und seriös. Wenn Herr Ministerpräsident Clement betont von „politischer Hygiene“ (z.B. DIE WELT heute, S. 9) spricht, als Begründung für Karslis Rückzug, dann sehe ich darin eine Abwandlung des Begriffs „Rassenhygiene“, ein uralter Topos, der früher antisemitisch gewendet wurde. Die Nazis waren ja die arische Rasse, und die wollten „sauber“ bleiben. Heute ist es die politisch/journalistische Schicht, die dieses Vokabular benutzt. Im gleichen Artikel wird Karslis so genannter Rückzug eine „Mischung aus Schurkenstück und Märchen aus Tausendundeiner Nacht“ genannt, typische Verunglimpfungen für Orientalen, die außerhalb der Antisemitismuskritik stehen, die man also sagen darf. Karsli ist „stigmatisiert“, das gibt die WELT selbst zu (S. 9), er hat also ein Mal, ein Zeichen, wie die Griechen und Römer es ihren Sklaven eingebrannt haben, denn daher kommt das Wort.
- Durchscheinende Selbstkritik -
Was wir in Presse und Politik vorfinden, ist ein geschlossener Diskurs, ein Diskurs, der eine Realität schaffen soll, mehr als dass er eine auslotet oder zu verstehen versucht. Ein Diskurs, der ausgesprochen darauf bedacht ist, Tabus zu schützen, also über bestimmte Dinge nicht zu reden. Nicht etwa: bestimmte Dinge abzulehnen, das ist etwas anderes. Um etwas abzulehnen, muss ich es kennen. Doch hier ist das Kennen Lernen tabu, weil es Gefühle verletzt. Ein Dogma also. Selbst Hirngespinste werden ernsthaft analysiert, nachdem sie vorher als Hirngesprinste identifiziert wurden, zum Beispiel hier über Susanne Thaler: „Projekt 18 – stehe das denn nicht in der Neo-Nazi-Sprache für den ersten und achten Buchstaben, für A und H, für Adolf Hitler?“ (SZ, S. 11). Eine Art Kabbala wird hier herangezogen, um faschistisches Gedankengut bei Herrn Möllemann auszumachen, und die Zeitung druckt es und bekennt sich dazu: „Es ist ein überspanntes Bild, das sie da zeichnet. Und doch zeigt es...“ ... und dann folgen ganze Absätze.
Man weiß auch, dass das eigene Israelbild geschönt ist: „Mithilfe Hunderter Strafprozesse, Zeitungsberichte und früh auch durch die Schulen wurde das Wissen über die Wirklichkeit der Lager, über die Massenexekutionen, die Gaskammern verbreitet. Das ging einher mit einer romantisierenden Aufklärung über Israel, dem Aufbau dort und der Zukunft des Landes.“ (ZEIT 06.06.02, S. 24) Man weiß es, aber man reflektiert nicht weiter darüber.
Oder ebendort über den Antisemitismus: „Doch ist er gelegentlich schwer oder unmöglich zu diagnostizieren, weil manche israelische Regierungen am liebsten jede ausländische Kritik an ihrem Handeln als antisemitisch abtun.“ Man weiß es, aber man zieht keine Schlüsse daraus.
- Was beweist der Antisemitismusstreit? -
Professor Micha Brumlik, Leiter des Fritz-Bauer-Instituts zur Erforschung des Holocaust, schreibt heute in einer TAZ-Beilage des „peace com“ unter der Überschrift „Engagement für den Frieden in Israel und Palästina“ folgendes: „Hat der Fall des Demagogen Möllemann nicht schlagend bewiesen, dass Kritik an israelischer Politik lediglich ein Deckmantel für Antisemitismus ist?“ Nein Herr Brumlik, der Fall Möllemann hat im Gegenteil schlagend bewiesen, dass der Antisemitismus-Verdacht lediglich ein Deckmantel für Unterbindung von Israelkritik ist. Denn nach diesem Satz von Brumlik kann jegliche Israelkritik in Antisemitismus umgemünzt werden, und das wird ja auch – unter heftigsten Dementis – getan. Für die gleiche Haltung argumentiert Jürgen Habermas: „Der Vorwurf des Antisemitismus, gleichviel ob er zurecht oder zu unrecht erhoben wird, bezieht sich auf die Verletzung einer Wertorientierung, die in unserer politischen Kultur inzwischen verankert ist.“ (SZ S. 13) Das bedeutet, dass jemand, der mich des Antisemitismus bezichtigt, damit immer irgendwie Recht hat, und zwar wegen der „Wertorientierung“. Die verankerte deutsche Schuld an den Juden, sie ist unbestritten. Nur wird nicht über sie geredet, sondern sie wird instrumentalisiert, um zu kontrollieren, so wie es die Kirche im Mittelalter gemacht hat. Wer sich schuldig fühlt, ist beschäftigt und gefügig.
Ich will solchen Leuten nicht einmal eine böse Absicht unterstellen, aber was sie tun, ist nichts anderes, als den Diskurs abzuwürgen. Wir haben es hier mit Menschen zu tun, die etwas beschützen, das sie nicht benennen wollen. Ich glaube nicht, dass sie Scharon beschützen wollen. Ich glaube, sie wollen den Deckel schützen, der auf der Vergangenheit liegt. Sie wollen vor allem eines: Keine Veränderung. Hier noch einmal Professor Brumlik: „Aus der Logik staatlichen Handelns betrachtet, können nämlich der deutsche Staat und auch die EU im Konflikt zwischen jüdischen Israelis und PalästinenserInnen nichts, aber auch gar nichts bewirken. Die immer wieder angestellten Überlegungen zu einer europäischen Nahostpolitik, einer Politik des redlichen Maklers, brechen sich an dem schlichten und brutalen Umstand, dass sich Israel nicht einmal von den USA zu etwas zwingen lässt.“ Sturz-autoritäre Argumente müssen also herhalten, um das eigene Nicht-Handeln zu rechtfertigen. Schlicht und brutal: Das Recht des Stärkeren. Das Dschungelrecht. Das muss hier verteidigt werden, irgendwie. Schicksalsergebenheit.
- Nichts soll sich bewegen -
Die Antisemitismusdebatte hat also zwei Ebenen: Die Gefühle der Opfergruppe und die Israelkritik. Gerhard Schröder hat am Elften September das Wort von der „uneingeschränkten Solidarität“ geprägt, und wir haben gesehen, dass er und mit ihm die meisten das ernst nehmen, also als totale Solidarität verstehen: Wir stehen zu euch, egal, was ihr tut. So ist es mit den USA, und so ist es auch mit Israel. Denn bei all der Israelkritik, die die Medien natürlich bringt: Es bewegt sich gar nichts, und es soll sich auch nichts bewegen, ob in Israel oder im deutschen Reformstau. Denn wenn man damit erst einmal anfängt, müsste man ja zugeben, dass die ganze Zeit etwas falsch gelaufen ist.
Ja, da ist Angst. Aber es ist nicht die Angst vor neuen Hitlers oder neuem Antisemitismus, die wird offenkundig von der Presse selbst geschürt, wenn sie Cover macht wie der SPIEGEL, es ist vielmehr die Angst davor, dass die Mehrheit der Deutschen mit ihrer Nichts-bewegt-sich-Politik falsch liegt. Vor einigen Tagen sah ich eine ZDF-Sendung „Jesus ist im Hauptbahnhof verboten“, wo es um die Privatisierung öffentlichen Raumes ging. Es wurde auch eine Shopping-Mall gezeigt, in der die Leute in Cafes saßen bei Klavier und Wellness, während Security-Leute darauf achteten, dass niemand die Atmosphäre stört. Damit niemand diesen Leuten die Illusion nimmt, alles sei in Ordnung. Und so ist es auch beim demokratischen Konsens: Die Security-Leute passen auf, dass die Wellness nicht durch übermäßige (Israel-)Kritik abhanden kommt. So kann es geschehen, dass ein Karsli geschasst wird, weil ein israelischer (!) Buchautor (Shraga Elam) ebenfalls von Nazimethoden der Israelis spricht. Auch der inzwischen wieder rehabilitierte Literaturnobelpreisträger Saramago hatte es getan und Ramallah mit Auschwitz verglichen. Arafat nennt Israel faschistisch und mit ihm viele, auch Elia Sulaiman, der einen Film in Cannes hatte. Die palästinensische Agentur WAFA sprach gelegentlich vom „palästinensischen Holocaust“ undsoweiter, jawohl, es werden solche Vergleiche gezogen, ob es den Deutschen passt oder nicht. Man kann diese Leute nicht einfach verteufeln und vom Diskurs ausschließen, weil sie die Gefühle der Juden verletzen. Diese Leute haben selbst verletzte Gefühle. Sie sagen solche Dinge, weil die Besetzung Palästinas andauert und sie immer wütender werden, je deutlicher und größer das Unrecht wird.
Palästina und Israel stehen heute als Stellvertreter im Kulturkampf. Und Deutschland spielt eine Schlüsselrolle. Solange Israel die Oberhand behält, ist der Westen sicher, so ähnlich denken die Politiker und Journalisten wohl. Ich glaube nicht, dass die Bevölkerung das so weit teilt, wie die Medien es erscheinen lassen. Es ist wohl notwendig, dass der „demokratische Grundkonsens“ die Kluft zwischen Öffentlichem und Privatem noch einmal vergrößert und die Problematik auf die Spitze treibt. Nur durch Übertreibungen wie jetzt in der Presse kann man sehen, wo es im Argen liegt. Dennoch sehe ich das Land und auch die Welt in Gefahr, denn die Ungerechtigkeiten durch Israels Politik verschärfen die Situation jeden Tag.
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