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Calamus
Detektiv im Kairo des 14. Jahrhunderts

Orient-Krimis von Anis Hamadeh

Folge 1: Die Himmelfahrt des Muezzin

Folge 2: Eine Leiche zu viel


Folge 3: Der eingenähte Brief
(Die reiche Fatima bereitet nach einer Krankheit ein großes Fest vor, um das die Nachbarinnen sie beneiden sollen. Während die ersten Speisen gebracht werden, lässt sie sich von der Schneiderin Nadja ihr Festkleid abstecken, das umgenäht werden muss. Nadja findet in dem Kleidungsstück ein zusammengerolltes Stück dünnen Leders mit einem Brief als Inhalt und fragt sich, ob Fatima davon nichts weiß. Sie geht mit dem Fundstück zum Calamus und der macht eine erstaunliche Entdeckung … )

Folge 4: Mord im Badehaus
In der Straße des Suq as-Silaah, dem Waffenmarkt, wo die Mamluken ihre Schwerter, Helme und Schilde kaufen, erfreut das Saif-ad-Din-Badehaus seit drei Generationen die Menschen. So auch den Calamus und Harun, die sich einen Vormittag mit Massagen und heißem Dampf gönnen. Doch die entspannte Atmosphäre ist sofort verflogen, als die Bediensteten des Hammam einen Toten auf dem Boden liegen sehen und die beiden Detektive Zeugen eines grausigen Mordes werden …

Folge 5: Die blinde Seherin
Niemand kennt die alte Frau aus Oberägypten, die seit einiger Zeit im Bardschawaan-Viertel bettelt. Sie ist blind und rezitiert Verse auf der Straße, um Beachtung zu finden. Ihre Gedichte sind verworren und unverständlich, jedoch sagt sie eines Tages den Diebstahl einer wertvollen Schale voraus. Als sie eine Woche später erneut über einen Diebstahl spricht, der am selben Tag tatsächlich geschieht, droht ihr die Inhaftierung. Der Calamus glaubt an ihre Unschuld und kommt langsam einem Geheimnis auf die Spur …

6. Nachwort: Der Fall Maqrisi

Anhang:

Calamus' Delight (Auberginen-Rezept)

Schurbat Adas (Rote Linsensuppe)

Calamus
Detective in 14th Century Cairo

Oriental Mystery Stories by Anis Hamadeh

Episode 1: The Muezzin's Ascension

Episode 2: One Corpse Too Many


Episode 3: The Sewn Letter
(After an illness, the rich woman Fatima prepares a big feast, which the neighbors were to envy her for. While the first dishes are being brought, she has the seamstress Nadya mark out her festive dress, which needs to be re-sewn. Nadya finds a rolled-up piece of thin leather in the garment with a letter inside and wonders if Fatima doesn't know about it. She goes to the Calamus with the found object and he makes an astonishing discovery ... )


Episode 4: Murder in the Bathhouse
In the street of Souq as-Silaah, the weapons market where the Mamluks buy their swords, helmets and shields, the Saif-ad-Din bathhouse has been enjoyed by people for three generations. Also by the Calamus and Harun, who treat themselves to a morning of massages and hot steam. But the relaxed atmosphere is immediately dispelled when the servants of the hammam see a dead man lying on the floor and the two detectives witness a gruesome murder ...

Episode 5: The Blind Seer
No one knows the old woman from Upper Egypt who has been begging in the Barjawaan neighborhood for some time. She is blind and recites verses on the street to get attention. Her poems are convoluted and incomprehensible, however, one day she predicts the theft of a valuable bowl. When a week later she again speaks about a theft that actually happens on the same day, she is threatened with imprisonment. The Calamus believes in her innocence and slowly gets to the bottom of a mystery ...

6. Epilogue: The Case of Maqrizi

Appendix:

Calamus' Delight (Eggplant recipe)

Shurbat Adas (Red lentil soup)

1   2   3   4   5   6   7   8   9   10   Rezept/Recipe   Rezept 2 / Recipe 2
Nachwort: Der Fall Maqrisi

1. Die Metropole Kairo um das Jahr 1400 steckt voller Überraschungen und Erstaunlichkeiten, wie geschaffen für eine Roman-Kulisse: Kairo war die größte Stadt jenseits von China. Die Menschen blickten zurück auf mehr als sechshundert Jahre muslimisch-arabischer Schriftkultur. Man spielte Polo am Hof. Mit Venedig trieben die Kairiner Handel, nachdem der Wirtschaftsboykott wieder aufgehoben war. Die Soldaten waren Sklaven aus dem Ausland und wurden unter anderen von Eunuchen betreut. Es gab prächtige Bäder, Schattenspieler, Lichterparaden und Außergewöhnliches an fast jeder Straßenecke.
Aber bitte, wir wollen nicht romantisieren! Aus der Entfernung betrachtet kann man wirklich nicht sagen, dass es sich um eine gute Zeit gehandelt hat. Vor allem die Pestwellen, die um 1348 begannen, veränderten das Leben der Menschen und verschlechterten die Wirtschaft. Dann die strengen und oft brutalen Herrscher, die Ausländer waren und sich überall einmischten. Dazu kamen noch Bedrohungen von Außen. Es war eine Männerwelt; Frauen waren – wie auch in Europa – aus dem öffentlichen Leben weitgehend ausgeschlossen. Die harten Zeiten kompensierten die Leute mit gelegentlichen ausgelassenen Festen und auch Alkoholkonsum ist belegt.
Der Calamus, Harun, Bilal, Nadja, Tubay … das sind fiktive Personen, die es in Wirklichkeit nie gegeben hat. Der große Ibn Chaldun allerdings, der im Januar 1383 in Kairo aus dem Schiff stieg und wie berauscht war von der schieren Größe der Mega-City, existierte tatsächlich und ist in diesem Calamus-Band möglichst authentisch wiedergegeben.
Diese Ausnahmegestalt markiert einen Übergang zur Neuzeit, was jeder bestätigen wird, der sich mit seinem Buch beschäftigt hat. Das Grundlagenwerk der Soziologie, die „Muqaddima“, ist nicht mehr mittelalterlich zu nennen. Zu modern muten einige seiner Gedankengänge an, zu weit entfernt er sich von der konservativen Überlieferungs- und Bewahrungskultur seiner Zeit, in der die Studenten paukten und auswendig lernten, anstatt selbst nachzudenken.
In Ibn Chalduns Welt wird ein Begriff von „Entwicklung“ vorausgesetzt, den es so ausformuliert zuvor nicht gegeben hatte. Stattdessen war man in Kairo um 1400 davon überzeugt, dass die Gegebenheiten der Welt im Wesentlichen bekannt waren, dass man sie aufschreiben und damit konservieren konnte. Die Bücher waren vorhanden, man musste sich also keine Sorgen machen. Deshalb entstanden so gut wie keine originären Werke und kaum ein Wissenschaftler aus dieser Epoche ist heute noch in Erinnerung. Als Forscher und Entdecker wäre man in früheren Jahrhunderten besser aufgehoben gewesen.
Um diese Mentalität zu verstehen, muss man sich vergegenwärtigen, dass die Menschen das koranische Wort als höchst wissenschaftlich empfanden. Wissen und Schrift, das gehörte für Muslime schon immer zusammen. Deshalb sagt der Calamus in der zweiten Geschichte über Ibn Chaldun, dass dieser eine neue Wissenschaft geschrieben habe – und nicht entwickelt oder so etwas.
In unserem Kairo, dem Ibn Chalduns und des Calamus, war die Buchkultur eine so alte Tradition, dass man auf unzählige Werke unterschiedlichster Autoren, Gelehrter, Dichter und Wissenschaftler zurückgreifen konnte. Der Calamus inmitten seiner Bücher ist ein Bild, das für die intellektuelle arabische Welt steht, die parallel zum Alltagsleben stattfand. Das ist wohl überall und immer so: Die Welt des hohen Wissens und die Welt des Alltags und der Realpolitik sind wie zwei Schichten einer Gesellschaft. Oder zwei Kleider. Oder zwei Gesichter. Die Diskrepanz zwischen dem Kairiner Marktleben und der Schriftkultur eines Calamus ist vergleichbar mit der zwischen der Südkurve im Fußballstadion und der Universität der Künste.
Jemand wie der Calamus wäre auch im aufgeklärten Frankreich gut aufgehoben gewesen und hätte bestimmt einen Briefwechsel mit Voltaire begonnen. Besonders nach seiner Lektüre der Muqaddima. Dieses Werk hatte zwar in den damaligen arabischen Gesellschaften keinen durchschlagenden Erfolg – es herrschte eben doch noch das Mittelalter –, jedoch beeindruckte es durchaus einige Denker und auch Herrscher nachhaltig.
Uns Europäern und Deutschen erscheint die Schriftkultur der Araber und Muslime wieder fremd. Ich sage „wieder“, weil unser wichtigster Kulturträger Goethe noch vor dem Bau der Eisenbahn eine andere Weiche gestellt hatte, eine des Verstehen-Wollens der Araber und Muslime und des Profitieren-Wollens von ihren tiefen Gedanken und schönen Versen. Das Wissen um die Geschichte der Araber und Muslime ist heute überlagert von Bildern, die wir aus den Nachrichten kennen und die oft genug einen Widerspruch zwischen „ihnen“ und „uns“ impliziert. Somit fällt es „uns“ schwer, uns einen muslimischen Detektiv vorzustellen, einen gar, mit dem wir uns identifizieren können. Aber warum eigentlich nicht? Bei „Der Name der Rose“ (spielt 1327) können wir uns ja auch in die religiös christliche Atmosphäre hineinversetzen, selbst die Nicht-Christen unter uns.
In unseren Geschichten kann der Calamus jederzeit in sein Regal greifen und uns, zum Beispiel in der Gestalt von Harun, die arabische Bibliothek nahebringen. Aus diesem Grund habe ich aus dem Calamus einen Buchhändler gemacht: Deutschland und der Okzident soll dem Orient wieder auf seiner intellektuellen und künstlerischen Seite begegnen – ebenbürtig, frei und spielerisch. Heute bekommt dieser Wunsch eine neue, aktualisierte Bedeutung. In diesem Nachwort möchte ich daher einige Hintergründe zur Welt des arabischen Buches liefern, und zwar anhand eines interessanten Falls aus der jüngeren Zeit.
Zunächst einmal: Ibn Chaldun ist nicht die einzige Gestalt aus der mamlukischen Epoche Kairos, deren Andenken die Jahrhunderte überdauert hat und die in den Calamus-Geschichten auftritt. Sultan Barquq ist echt, auch der Amir al-Gubani vom Ende der zweiten Folge. Der junge Maqrisi aus der vierten Geschichte des vorliegenden Bandes ist ebenfalls berühmt – und seit Kurzem auch berüchtigt. Ein Professor hat nachgewiesen, dass der bekannte Geschichtsschreiber Maqrisi, der in vielen Aufsätzen und Büchern bis in die heutige Zeit als wichtige Quelle verwendet wird, das Werk eines anderen als sein eigenes ausgegeben hat.
Was folgt, ist ein spannender Kriminalfall, eines Calamus würdig. Er stammt auch aus der Zeit des Calamus, doch konnte er erst heute, nach sechs Jahrhunderten, in Europa gelöst werden. Außerdem gewährt er uns einen ungewöhnlichen Einblick in die Publikationskultur und in den Wissenschaftsbetrieb jener Zeit. Vorhang auf!

Epilogue: The Case of Maqrizi

1. The metropolis of Cairo around the year 1400 is full of surprises and astonishments, as if made for a novel setting: Cairo was the largest city beyond China. The people looked back on more than six hundred years of Muslim-Arabic written culture. Polo was played at court. The people of Cairo traded with Venice after the economic boycott was lifted. The soldiers were slaves from abroad and were looked after by eunuchs, among others. There were magnificent baths, shadow players, parades of lights and extraordinary things on almost every street corner.
But please, let's not romanticize! From a distance, one really cannot say that it was a good time. First of all, the plague waves that began around 1348 changed people's lives and worsened the economy. Then there were the strict and often brutal rulers, who were foreigners and interfered everywhere. On top of that, there were threats from the outside. It was a man's world; women were largely excluded from public life, as they were in Europe. People compensated for the hard times with occasional boisterous parties, and alcohol consumption is also documented.
The Calamus, Harun, Bilal, Nadya, Tubay ... these are fictional characters who never existed in reality. The great Ibn Khaldun, however, who disembarked from a ship in Cairo in January 1383 and was intoxicated by the sheer size of the mega-city, actually existed and is reproduced as authentically as possible in this Calamus volume.
This exceptional figure marks a transition to modern times, as anyone who has studied his book will attest. The fundamental work of sociology, the "Muqaddima," can no longer be called medieval. Some of his ideas seem too modern, too far removed from the conservative culture of transmission and preservation of his time, in which students crammed and memorized instead of thinking for themselves.
In Ibn Khaldun's world, a concept of "development" is presupposed that had not existed in such a formulated way before. Instead, in Cairo around 1400, people were convinced that the facts of the world were essentially known, that they could be written down and thus preserved. The books were available, so there was nothing to worry about. Therefore, almost no original works were created and hardly any scientist from that era is remembered today. As an explorer and discoverer, one would have been better off in earlier centuries.
To understand this mentality, one must realize that people considered the Quranic word to be highly scientific. Knowledge and writing, for Muslims, have always belonged together. That is why the Calamus says in the second story about Ibn Khaldun that the latter wrote a new science – and not developed or something like that.
In our Cairo, that of Ibn Khaldun and the Calamus, book culture was such an ancient tradition that one could draw on innumerable works by a wide variety of authors, scholars, poets and scientists. The Calamus in the midst of his books is an image that stands for the intellectual Arab world, which took place parallel to everyday life. This is probably true everywhere and all the time: the world of high knowledge and the world of everyday life and realpolitik are like two layers of a society. Or two dresses. Or two faces. The discrepancy between the Cairo market life and the written culture of somebody like the Calamus is comparable to the discrepancy between the southern curve in a soccer stadium and the University of the Arts.
Someone like the Calamus would also have been in good hands in enlightened France and would certainly have started a correspondence with Voltaire. Especially after his reading of the Muqaddima. Although this work was not a resounding success in the Arab societies of the time – the Middle Ages still prevailed – it did make a lasting impression on some thinkers and rulers.
To us Europeans and Germans, the written culture of the Arabs and Muslims seems strange again. I say "again" because our most important cultural bearer Goethe had set another course even before the construction of the railroad, one of wanting to understand the Arabs and Muslims and wanting to profit from their deep thoughts and beautiful verses. The knowledge of the history of the Arabs and Muslims is today overlaid by images we know from the news, which often enough implies a contradiction between "them" and "us". Thus, it is difficult for "us" to imagine a Muslim detective, let alone one with whom we can identify. But why not? In "The Name of the Rose" (set in 1327), we can, in fact, put ourselves in the religiously Christian atmosphere, even the non-Christians among us.
In our stories, the Calamus can reach into his shelf at any time and introduce us to the Arabic library, for example, in the guise of Harun. For this reason, I have made a bookseller out of the Calamus: Germany and the Occident should encounter the Orient again on its intellectual and artistic side – on an equal footing, freely and playfully. Today, this wish takes on a new, updated meaning. In this epilogue, therefore, I would like to provide some background on the world of the Arabic book, using an interesting case from recent times.
First of all, Ibn Khaldun is not the only figure from the Mamluk era of Cairo whose memory has survived the centuries and who appears in the Calamus stories. Sultan Barquq is real, as is the Amir al-Gubani from the end of the second episode. The young Maqrisi from the fourth story of this volume is also famous – and recently also infamous. A professor has proven that the famous historian Maqrisi, who is used as an important source in many essays and books up to the present day, has passed off someone else's work as his own.
What follows is a thrilling detective case, worthy of a Calamus. It also dates from the time of the Calamus, but it could only be solved today, after six centuries, in Europe. It also gives us an unusual insight into the publication culture and scientific enterprise of the time. Curtain up!

2. Beginnen wir mit der Vorstellung einiger Personen, die mit dem Fall Maqrisi verbunden sind. Da ist zunächst natürlich Maqrisi selbst (mit Betonung auf dem ersten und langen i), beziehungsweise "al-Maqrizi", wie er international meistens geschrieben wird. Er war schon zu Lebzeiten ein Superstar der arabischen Gelehrtenwelt Kairos und darüber hinaus. Zweihundert Bücher soll er verfasst haben, von denen viele erhalten sind. Geschichte und Biografien machen den Hauptteil aus, er hat aber zum Beispiel auch eine Abhandlung über Bienen geschrieben und eine über Mineralien. Unter seinen Lehrern – es heißt, es seien sechshundert gewesen – war auch Ibn Chaldun. Maqrisi hat selbst unterrichtet und bekleidete darüber hinaus verschiedene öffentliche Ämter. Er stammte aus einer wohlhabenden und einflussreichen Intellektuellenfamilie und wuchs in einem Haus unweit der Buchhandlung des Calamus auf – der fiktiven Buchhandlung natürlich. Maqrisi reiste nach Damaskus, Mekka und in andere Städte. Als er in hohem Alter starb, hatte er seine Kinder alle überlebt und ein Neffe erbte seine Bücher. Manche Manuskripte blieben unvollendet, woraus man schließen kann, dass er bis zum Schluss aktiv war.
Ein beachteter Gelehrter also, dessen Leistungen unbestritten sind. So ist es kein Wunder, dass er in die Biografiensammlung wichtiger Persönlichkeiten des Jahrhunderts aufgenommen wurde. Ibn Hadschar al-'Asqalani hat so eine geschrieben, noch ein Superstar und nur wenige Jahre jünger als Maqrisi. Ibn Hadschar war und ist berühmt für seine umfassenden Kompendien über Hadith (Aussprüche und Taten des Propheten), er beschäftigte sich aber auch als Historiker mit seiner eigenen Zeit und galt als guter Schachspieler. Maqrisi hat diesen Lexikoneintrag über sich sogar vor der Veröffentlichung lesen können, weil er in den Kreis wichtiger Historiker eingebunden war, die damals in Kairo lebten und die oft freundschaftlich, manchmal auch kritisch und sogar polemisch miteinander umgingen.
Zu diesem Kreis gehörte auch Sachaawi, ein Schüler Ibn Hadschars, und der griff Maqrisi in mehreren veröffentlichten Schriften scharf an, indem er ihm noch zu dessen Lebzeiten unterstellte, das Buch eines Historikers namens Auhadi nach dessen Tod 1408 unter seinem eigenen Namen publiziert zu haben. Auhadi war ein befreundeter Kollege von Maqrisi. Beide lebten im Stadtteil Bardschawaan in der Altstadt und sie besuchten einander.

2. Let us begin by introducing some of the people associated with the Maqrizi case. First, of course, there is Maqrizi or "al-Maqrizi" himself (with emphasis on the first and long i/ee). He was a superstar of the Arab scholarly world of Cairo and beyond during his lifetime. He is said to have authored two hundred books, many of which have survived. History and biographies make up the bulk, but he also wrote, for example, a treatise on bees and one on minerals. Among his teachers – it is said that there were six hundred – was Ibn Chaldun. Maqrisi was teaching himself and also held various public offices. He came from a wealthy and influential intellectual family and grew up in a house not far from the Calamus' bookshop – the fictional bookshop, of course. Maqrisi traveled to Damascus, Mecca and other cities. When he died at an advanced age, he had outlived all his children and a nephew inherited his books. Some manuscripts remained unfinished, from which it can be concluded that he was active until the end.
A respected scholar, in other words, whose achievements are undisputed. Thus, it is no wonder that he was included in the collection of biographies of important figures of the century. Ibn Hajar al-'Asqalani wrote one such, another superstar and only a few years younger than Maqrisi. Ibn Hajar was and is famous for his comprehensive compendia of hadith (sayings and deeds of the Prophet), but he also dealt with his own time as a historian and was considered a good chess player. Maqrisi was even able to read this encyclopedia entry about himself before it was published, because he was involved in the circle of important historians who lived in Cairo at that time and who were often on friendly terms, but sometimes critical and even polemical.
Among this circle was Sakhaawi, a student of Ibn Hajar, who sharply attacked Maqrisi in several published writings, accusing him while he was still alive of having published the book of a historian named Auhadi under his own name after the latter's death in 1408. Auhadi was a friendly colleague of Maqrisi. Both of them lived in the Barjawaan district of the Old City, and they visited each other.

3. Wie schnell sich doch ein farbiges Bild ergibt, sobald man etwas näher an die Epoche herantritt und zuhört! Aber wie war das eigentlich mit dem Plagiatsvorwurf im Mittelalter? Kann man das zum Beispiel mit heutigen Fällen vergleichen, die aus den Medien bekannt sind? Hatte man damals überhaupt einen Sinn für Copyrights und Urheberschaft? Allerdings, den hatte man.
Man kann in diesem Zusammenhang prinzipiell zwei Arten von Texten unterscheiden: Autorentexte wie Dichtung, Literatur und Abhandlungen im Stil einer Muqaddima waren klar zuzuordnen und wurden stets mit dem Namen des Autors weitergegeben. Sie mochten Zitate enthalten, aber nur zu einem geringen Teil. In Kompendien und Kompilationen hingegen wurden Beiträge anderer Autoren gesammelt, sortiert und redigiert, etwa in der Geschichtswissenschaft. Man betrachtete zum Beispiel den Verlauf eines Jahres und schrieb zusammen, was die Quellen dazu überlieferten. Der Autor eines solchen Werks nannte diese Quellen üblicherweise im Text, ungefähr so: „Maqrisi schrieb in den Chitat, dass …“ – Es ist ein Vorläufer der Fußnote, die den Autor und oft das betreffende Buch dazu nannte, manchmal in Kurzform, so wie hier. (Wir hören gleich mehr über diese „Chitat“.) Das Sammeln und Redigieren von Texten stellt also ebenfalls eine Urheberschaft dar. Es kam vor, dass der Redakteur eigene Ergänzungen machte und Dinge schrieb wie: „Ich traf einen Augenzeugen und der sagte mir …“.
Werfen wir zur Illustration einen weiteren Blick in die Werkstatt des Calamus. In der zweiten Geschichte sahen wir ihn die Muqaddima abschreiben, auf einzelne Blätter, die er am Ende zu einem Buchexemplar zusammenband. Das war eine wichtige Aufgabe vor der Entwicklung des Buchdrucks. Aber der Calamus im Roman schrieb und forschte auch selbst ein wenig. Maschinen und mechanische Werkzeuge faszinierten ihn besonders: ausgefeilte Türschlösser, Wasseruhren, Apparate, subtile Spielzeuge und physikalische Geräte wie Lupen oder Magneten. Hier entdeckte er immer wieder Neues und er liebte das Neue, das seine Welt bereicherte. Eine Generation nach seinem Tod wurde Leonardo da Vinci geboren; die beiden hätten sich bestimmt gut verstanden.
In ruhigen Stunden nahm der Calamus also einige Manuskripte aus seinem Fundus zur Hand und setzte sich damit zu seinem Zettelkasten. Hier sammelte und sortierte er die Beschreibungen von Maschinen und von Phänomenen aus der Physik und der Chemie. An den Rändern der Manuskriptseiten standen manchmal Kommentare von anderen Gelehrten (Randbemerkungen im wörtlichen Sinne also), zum Teil nutzte man die Ränder auch, um ein kleines ergänzendes Buch zu integrieren. Dann besaß man zwei Bücher in einem.
Der Calamus hatte seine Werke über Maschinen und natürliche Phänomene in verschiedene Teile gegliedert und ordnete neues Material ein. Er pflegte außerdem Kontakt zu Leuten, die man heute Ingenieure nennen würde, und ließ sich von ihnen Objekte zeigen, die er dann selbst zeichnete und in einem Text beschrieb. Natürlich erwähnte er immer den Urheber der jeweiligen Maschine, das gehörte sich so und es machte weitere Forschung möglich.

3. How quickly a colorful picture emerges as soon as you get a little closer to the era and listen! But what about the accusation of plagiarism in the Middle Ages? Can one compare it, for example, with today's cases that are known from the media? Did people have any sense of copyrights and authorship back then? Indeed, they did.
In this context, we can basically distinguish between two types of texts: Authorial texts such as poetry, literature, and treatises in the style of a Muqaddima were clearly attributable and were always passed on with the author's name. They might contain quotations, but only to a small extent. Compendia and compilations, on the other hand, collected, sorted, and edited contributions from other authors, such as in the field of historiography. For example, the course of a year was considered and it was written down what the sources had to say about it. The author of such a work usually cited these sources in the text, something like this: "Maqrisi wrote in the Khitat that ..." – It is a precursor to the footnote, which named the author and often also the relevant book on the matter, sometimes in abbreviated form, as here. (We'll hear more about these "Khitat" in a moment.) So collecting and editing texts also constitutes authorship. It happened that the editor made his own additions and wrote things like "I met an eyewitness and he told me ...".
Let's take another look into the workshop of the Calamus for illustration. In the second story, we saw him copying the Muqaddima, on individual sheets, which he bound together at the end to make a book copy. This was an important task before the development of printing. But the Calamus in the novel also did some writing and research of his own. He was particularly fascinated by machines and mechanical tools: sophisticated door locks, water clocks, apparatuses, subtle toys, and physical devices such as magnifying glasses or magnets. Here he was always discovering new things, and he loved the new things that enriched his world. A generation after his death, Leonardo da Vinci was born; the two would certainly have gotten along well.
So, in quiet hours, the Calamus picked up some manuscripts from his trove and sat down with them to his box of notes. Here he collected and sorted the descriptions of machines and of phenomena from physics and chemistry. In the margins of the manuscript pages there were sometimes comments by other scholars (marginal notes in the literal sense, that is), and sometimes people used the margins to integrate a small supplementary book. Then they had two books in one. The Calamus had divided his works about machines and natural phenomena into different parts and sorted new material. He also maintained contact with people who would be called engineers today and had them show him objects, which he then drew himself and described in a text. Of course, he always mentioned the creator of the respective machine; that was proper and it made further research possible.

4. Und was ist nun mit Maqrisi? Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit hatten, wie gesehen, schon einige Zeitgenossen gehegt. Aber Bemerkungen wie die des Sachaawi waren im Prinzip nichts Ungewöhnliches. Manchmal wurde man als Schriftsteller eben gepriesen und manchmal verrissen. Maqrisi wurde meistens hoch gepriesen. Während der vergangenen sechshundert Jahre blieb der Vorwurf allerdings in Erinnerung, weil das Buch, die Chitat, so wichtig ist. Die generelle Gelehrtenmeinung im Osten wie im Westen kam jedes Mal zu dem Schluss, dass Maqrisi nichts Greifbares anzulasten sei und dass die Chitat eine hervorragende Quelle waren.
Das Buch behandelt in mehreren Bänden Kairo, aber auch Alexandria und Ägypten im Allgemeinen mit dem Schwerpunkt auf der Geschichte der wichtigsten Gebäude in Kairo, der Straßen und Stadtteile. Dabei hat Maqrisi ähnlich gearbeitet wie der Calamus mit seinem Zettelkasten. Meine Ausgabe hat insgesamt etwa 2700 Seiten. Der vollständige Name des Buches lautet „al-Mawaa'idh wal-i'tibaar bi-dhikr al-chitat wal-aathaar“: Lehren und Betrachtungen über Grundstücke und Baudenkmäler. „Chitat“ allein bedeutet „Grundstücke; Stadtbezirke“. Das ist ein typisch arabischer Titel, blumig und gereimt. Das schien sogar wichtiger zu sein, als im Titel anzugeben, dass es um Ägypten geht!
Wie dem auch sei: Wir haben jetzt ein Bild von Maqrisi, seinen Chitat sowie einigen Zeitgenossen und wir haben eine Vorstellung von der Welt der arabischen Texte und ihrer Entstehung. Zeit, den Detektiv ins Spiel zu bringen!

4. And what about Maqrizi now? As we have seen, some contemporaries had already harbored doubts about his credibility. But remarks like those of Sakhaawi were, in principle, nothing unusual. Sometimes a writer was praised, and sometimes he was slated. Maqrizi was usually highly praised. During the past six hundred years, however, the reproach remained in memory because of the importance of the book, the Khitat. The general scholarly opinion in the East as well as in the West concluded each time that nothing tangible could be attributed to Maqrizi to blame him and that the Khitat was an excellent source.
The book covers Cairo in several volumes, as well as Alexandria and Egypt in general, with an emphasis on the history of Cairo's major buildings, streets, and neighborhoods. In doing so, Maqrizi worked in a similar way to the Calamus with his box of notes. My edition has a total of about 2700 pages. The full name of the book is "al-Mawaa'idh wal-i'tibaar bi-dhikr al-khitat wal-aathaar": teachings and reflections on properties and monuments. "Khitat" by itself means "lands; districts." It's a typical Arabic title, flowery and rhymed. That seemed even more important than stating in the title that it was about Egypt!
Anyway, we now have a picture of Maqrizi, his Khitat as well as some contemporaries, and we have an idea of the world of Arabic texts and their creation. Time to bring the detective into play!

5. Professor Frédéric Bauden ist Arabist und lehrt in Belgien. Schon lange beschäftigt er sich mit dem umfangreichen Werk von Maqrisi, dessen Bücher er „Bestseller der mittelalterlichen Literatur“ nennt, da sie seit Jahrhunderten oft kopiert und studiert worden sind. Das Zitat steht am Beginn seines 70-seitigen illustrierten Aufsatzes, in dem Bauden den literatur-kriminologischen Fall minutiös darlegt – und löst. Der Aufsatz bildet die Grundlage für die folgende Darstellung. Hier sind die bibliografischen Angaben, man findet das Stück im Internet:

Bauden, Frédéric: Maqriziana IX: Should al-Maqrizi Be Thrown Out with the Bath Water? The Question of His Plagiarism of al-Awhadi's Khitat and the Documentary Evidence. In: Mamluk Studies Review 14 (2010):159-232.

Der Krimi beginnt im Mai 2003. Da nämlich erhielt Professor Bauden eine Kopie des Manuskripts mit der Kennung „Topkapi Sarayi Kütüphanesi MS E. Hazinesi 1405“ aus Istanbul. Bei der Handschrift handelt es sich um einen Teil der Rohfassung der Chitat, geschrieben vom Autor selbst. Es ist besonders selten, dass solche Rohfassungen erhalten bleiben.
Wo wir Texte „ins Reine“ schreiben, schreibt man im Arabischen „ins Weiße“, und wo wir einen Entwurf schreiben, schreibt man im Arabischen „ins Schwarze“. Die wiedergefundene Rohfassung der Chitat war ins Schwarze geschrieben. Normalerweise vernichtet der Autor solche Entwürfe, wenn das Buch fertig und neu abgeschrieben ist. Es hat wohl an der Berühmtheit Maqrisis gelegen, dass viele seine Original-Schriften selbst in der Rohfassung aufbewahrt wurden – als Fan-Artikel und Sammlerstücke. Damit ist auch Maqrisis Handschrift bekannt und identifizierbar.
Bauden untersuchte das neue Material und ihm fiel auf, dass neunzehn Blätter des Dokuments zusätzlich eine andere Handschrift aufwiesen als der Rest. Dies war der Beginn einer Kette weiterer, erstaunlicher Entdeckungen …

5. Professor Frédéric Bauden is an Arabist who teaches in Belgium. For a long time he has been studying the extensive work of Maqrizi, whose books he calls "bestsellers of medieval literature" because they have been often copied and studied for centuries. The quote comes at the beginning of his 70-page illustrated essay, in which Bauden meticulously lays out – and solves – the literary-criminological case. The essay forms the basis for the following account. Here are the bibliographic references; you can find the piece on the Internet:

Bauden, Frédéric: Maqriziana IX: Should al-Maqrizi Be Thrown Out with the Bath Water? The Question of His Plagiarism of al-Awhadi's Khitat and the Documentary Evidence. In: Mamluk Studies Review 14 (2010):159-232.

The thriller begins in May 2003, when Professor Bauden received a copy of the manuscript with the identification "Topkapi Sarayi Kütüphanesi MS E. Hazinesi 1405" from Istanbul. The manuscript is a part of the raw version of the Khitat, written by the author himself. It is particularly rare that such rough versions are preserved.
When we write "fair copies", Arabs call that writing "white", and when we write drafts, Arabs call that writing "black". The recovered rough draft of the Khitat was written black. Normally, the author destroys such drafts when the book is finished and re-transcribed. It was probably due to Maqrizi's fame that many of his original writings were kept even in the rough version – as fan items and collectibles. Thus, Maqrizi's handwriting is also known and identifiable. Bauden examined the new material, and he noticed that nineteen folios (=pages) of the document additionally displayed a different handwriting than the rest. This was the beginning of a chain of further astonishing discoveries ...

6. Abwarten und Tee trinken, dachte sich der Professor, denn eine Edition dieser neu aufgetauchten Texte stand bevor. Von einer „Edition“ spricht man, wenn ein altes handschriftliches Manuskript in gedruckter Form veröffentlicht wird. In unserem Fall brachte die Edition keine Klärung. Offenbar war dem Editor die abweichende Handschrift gar nicht aufgefallen und er hat nicht weiter gebohrt.
Also untersuchte Bauden die neunzehn Blätter weiter. Auf ihnen fanden sich zwei verschiedene Handschriften: die von Maqrisi und zusätzlich die eines Fremden. War es vielleicht ein Schreiber, den er selbst angeheuert hatte? Wir wissen aus den Quellen, dass er so etwas tat. Bauden kannte sogar die Schrift eines dieser Schreiber, sie war jedoch nicht identisch mit der gesuchten. Warum aber sollte Maqrisi einen Schreiber für die Rohfassung engagieren, anstatt für die Endfassung?
Hier ist ein Beispiel für die zwei Schrifttypen, die Bauden ausgemacht hat:

6. Wait and see, the professor thought, because an edition of these newly surfaced texts was imminent. An "edition" is when an old handwritten manuscript is published in printed form. In our case, the edition did not bring clarification. Apparently, the editor had not even noticed the deviating handwriting and did not probe further.
So Bauden examined the nineteen folios further. On them were found two different handwritings: that of Maqrizi and additionally that of a stranger. Was it perhaps a scribe he had hired himself? We know from the sources that he did this sometimes. Bauden even knew the handwriting of one of these scribes, but it was not identical to the one he was looking for. But why would Maqrizi hire a scribe for the rough draft instead of the final draft?
Here is an example of the two types of writing that Bauden identified:

7. MS E. Hazinesi 1405, fol. 82a, obere Hälfte. Copyright: Topkapi Sarayi Kütüphanesi Istanbul. Aus: Bauden 2010 s. o., S.176

8. Man sieht ganz oben einige quer eingefügte Zeilen, dann fünf Zeilen in Maqrisis Handschrift und schließlich den Rest des Blattes in einer Schrift, von der Bauden behauptet, dass sie Auhadi gehört – der Name fiel bereits im Zusammenhang mit Sachaawi, siehe oben. Bei genauem Hinsehen erkennt man überdies, dass zwischen den beiden Teilen eine Lücke ist, in der man Reste einer ausgewaschenen und getilgten Textstelle ausmachen kann. Die Seite – von rechts nach links zu lesen – handelt übrigens von den Madrasas in Kairo, also den muslimischen Lehr-Instituten.
Das erste Indiz, das für Auhadi als Urheber spricht, ist die Ästhetik der Schrift. Der Biograf Ibn Hadschar al-'Asqalaani bescheinigt uns nämlich, dass Auhadi eine schöne Handschrift hatte, und dies kann man im Manuskript bestätigt finden. Doch reicht das natürlich noch lange nicht als Beweis.
Gab es vielleicht Schriftproben von Auhadi, die man zum Vergleich heranziehen konnte? Ganze Seiten oder gar Manuskripte mit seiner Handschrift sind zwar nicht bekannt, aber der Professor fand fünf kleine Notizen, verstreut auf diversen Titelseiten von Buchabschriften, die Auhadi gehörten oder mit denen er gearbeitet hat. Da stehen Dinge wie: „Gelesen von al-Auhadi in Kairo im Jahr 803“ in seiner Handschrift. Obwohl es nur wenige Wörter sind, ist die Ähnlichkeit mit dem Chitat-Manuskript auffällig, teilweise frappierend.

8. At the top you can see some transversely inserted lines, then five lines in Maqrizi's handwriting and finally the rest of the sheet in a script which Bauden claims belongs to Auhadi – the name was already mentioned in connection with Sakhaawi, see above. Moreover, if one looks closely, one can see that there is a gap between the two parts in which one can make out the remains of a passage of text that has been washed out and erased. By the way, the page – to be read from right to left – is about the madrasas in Cairo, i.e. the Muslim teaching institutes.
The first indication that Auhadi is the author is the aesthetics of the writing. Indeed, the biographer Ibn Hajar al-'Asqalaani attests that Auhadi had a beautiful handwriting, and this can be found confirmed in the manuscript. But, of course, this is far from sufficient proof.
Were there perhaps samples of Auhadi's handwriting that could be used for comparison? Whole pages or even manuscripts with his handwriting are not known, but the professor found five small notes scattered on various title pages of book copies that belonged to Auhadi or with which he had worked. They say things like, "Read by al-Auhadi in Cairo in the year 803" in his handwriting. Although these are only a few words, the similarity with the Khitat manuscript is remarkable, in some cases striking.

9. Dann aber fand Bauden weitere Textstellen, die den Weg in die Reinschrift nicht gefunden hatten, und die waren weitaus gravierender und rätselhafter. So der Passus über Saladin, der als Stifter einer bestimmten Madrasa galt. Der Autor hatte Einblick in ein Dokument und hielt fest: „Ich habe die Stiftungsurkunde selbst gesehen, der Oberrichter Madschd ad-Diin Ismael hat sie mir gezeigt.“ In der Endfassung der Chitat allerdings steht nur: „Die Stiftungsurkunde existiert. Ich habe sie gesehen und daraus zusammengefasst, was ich hier erwähne.“ Wieso sollte Maqrisi diese wichtige Quelle wieder herausstreichen, die seine Autorität doch nur bestätigt und untermauert?
Oder die Textstelle in der Rohfassung, wo der Autor angibt, ein bestimmtes Koranexemplar mehrfach selbst gesehen zu haben, das der frühe Kalif Uthman in Auftrag gegeben hatte. Auch das fehlt in der redigierten Fassung. Warum?
In einem weiteren Beleg geht es um die Azhar-Moschee. Im Entwurf steht: „… wie ich selbst in der Stiftungsurkunde gelesen habe“ – und auch diese Quellenangabe hat Maqrisi nicht übernommen.
Er hat eben all dies nicht erlebt, was im Entwurf steht, argumentiert Bauden überzeugend, weil der Entwurf nicht von ihm stammte und er nicht lügen wollte – jedenfalls nicht mehr als nötig. Immerhin, er hätte anfügen können: „Wie Auhadi überliefert“, und damit wäre alles geklärt. Das hat er aber nicht getan.
Schließlich die Bezeichnung „Schaichuna“, also „Unser Scheich/unsere Autorität“: Dieser Begriff kommt in den neunzehn besonderen Manuskriptseiten vor und er bezieht sich auf Personen, die mit Auhadi in Verbindung standen, eher als mit Maqrisi. Und in den Chitat fehlt das Wort dann.
Bauden stellte auch fest, dass zwar beide Fassungen 72 Madrasas besprechen, dass aber 23 nicht übereinstimmen, denn sie stammen aus einer Zeit nach Auhadis Tod 1408 – Auhadis Chitat enthielten also auch Sachinformationen, die später wegfielen. Interessant, dass Maqrisi eine solche Menge an Material nicht übernommen hat. Auhadis Buch war jedenfalls kein ungeordneter Zettelkasten, sondern ein recht ausgereiftes Buch, wie man stellvertretend an den neunzehn Blättern erkennen kann. Möglicherweise finden sich später weitere Teile dieser Urschrift, anhand derer sich die Analyse vertiefen lässt.

9. But then Bauden found other passages that had not found their way into the fair copy, and they were far more serious and puzzling. For example, the passage about Saladin, who was considered the founder of a certain madrasa. The author had a glimpse of a document and recorded: "I have seen the deed of endowment myself, the chief judge Majd ad-Diin Ismael showed it to me." The final version of the Khitat, however, states only: "The deed of endowment exists. I have seen it and summarized from it what I mention here." Why would Maqrizi delete this important source, which only confirms and supports his authority?
Or the passage in the raw version where the author states that he had seen a certain copy of the Quran himself several times, commissioned by the early Caliph Uthman. That, too, is missing from the edited version. Why?
Another document is about the Azhar Mosque. The draft says: "... as I myself read in the deed of endowment" – and Maqrizi did not include this source reference either.
He has simply not experienced all this that is written in the draft, Bauden argues convincingly, because the draft did not come from him and he did not want to lie – at least not more than necessary. After all, he could have added: "As handed down by Auhadi", and that would have cleared everything up. But he did not do that.
Finally, the term "Shaikhuna", that is, "Our Shaykh/Our Authority": this term occurs in the nineteen special manuscript pages, and it refers to people who were associated with Auhadi, rather than with Maqrizi. And in the final Khitat, the word is missing.
Bauden also noted that while both versions discuss 72 madrasas, 23 do not match because they date from a time after Auhadi's death in 1408 – so Auhadi's Khitat also contained factual information that was later dropped. It is interesting that Maqrizi did not adopt such a large amount of material. In any case, Auhadi's book was not an unorganized box of notes, but a fairly mature book, as can be seen vicariously from the nineteen folios. It is possible that further parts of this original manuscript will be found later, on the basis of which the analysis can be deepened.

10. Es blieb noch die Frage offen, ob Maqrisi die Idee für sein Buch schon länger hatte oder ob der Besitz des Auhadi-Manuskripts ihn erst dazu führte, was den Plagiatsvorwurf nur noch schwerer erscheinen lassen würde. Man geht davon aus, dass die Chitat zwischen 1415 und 1417 auf den Markt kamen, also sieben bis neun Jahre nach Auhadis Tod. Ein Ibn Duqmaaq arbeitete ebenfalls an dem Thema der Topografie Kairos, er starb 1407 und auch er hinterließ ein unvollständiges Manuskript. Es sei unwahrscheinlich, so Bauden, dass Maqrisi, dem die beiden anderen Entwürfe bekannt waren, noch ein drittes, unabhängiges Buch zum Thema plante.
Natürlich, er hat das Buch weitergeführt und in umfangreicher und guter Form publiziert, jedoch der Kern der Chitat liegt eindeutig bei Auhadi. Außerdem existieren weitere Bücher Maqrisis mit Unstimmigkeiten ähnlicher Art. Damit hatte Professor Bauden den Fall gelöst.
Wie man an dieser Episode erkennen kann, ist die Zeit des Calamus gut dokumentiert. Auch wenn die kulturhistorischen Aspekte, die für die Literatur besonders wichtig sind, bislang nur ansatzweise rekonstruiert sind, stehen heute doch mehrere Regalmeter historischer arabischer Quellen zur Verfügung sowie tausende Sekundärstudien. Stück für Stück werden Teile daraus in den Abenteuern des Calamus wieder lebendig, so wie die Taxi-Esel mit den gelben Ohren oder die Hofintrigen um Sultan Barquq, auch Extras wie Kochrezepte.

Anis Hamadeh, Mainz im Juni 2014

10. The question still remained whether Maqrizi had the idea for his book for some time or whether the possession of the Auhadi manuscript led him to it in the first place, which would only make the accusation of plagiarism seem more serious. The Khitat is believed to have been published between 1415 and 1417, seven to nine years after Auhadi's death. One Ibn Duqmaaq also worked on the subject of the topography of Cairo; he died in 1407, and he too left an incomplete manuscript. It is unlikely, Bauden said, that Maqrizi, who was aware of the other two drafts, planned a third, independent book on the subject.
Of course, he went ahead with the book and published it in a comprehensive and good form, however, the core of the Khitat clearly lies with Auhadi. Moreover, other books of Maqrizi exist with discrepancies of a similar nature. Thus, Professor Bauden had solved the case.
As can be seen from this episode, the time of the Calamus is well documented. Even if the cultural-historical aspects, which are particularly important in literature, have so far been reconstructed only rudimentarily, several shelf meters of historical Arabic sources are available today, as well as thousands of secondary studies. Piece by piece, parts of them come to life again in the adventures of the Calamus, like the cab donkeys with the yellow ears or the court intrigues around Sultan Barquq, also extras like cooking recipes.

Anis Hamadeh, Mainz, June 2014

Rezept 1.

Kochrezept für
„Calamus' Delight“
(Frittierte Auberginenscheiben)

Zutaten pro Person:
- eine Aubergine (ca. 300 g)
- eine Knoblauchzehe (ca. 5 g)
- Olivenöl
- Salz
- eine Zitrone
- weißer Joghurt (ca. 150 g)
- Brot

Zubereitung: Auberginen in dünne Längsscheiben schneiden und in die Pfanne zum Olivenöl geben. Salzen und ständig wenden, bis die Scheiben knusprig braun sind. Fertige Scheiben durch neue ersetzen und Öl nachgießen. Zwischendurch Knoblauch hacken, mit den Auberginen anbraten und rechtzeitig entnehmen.
Wenn die Auberginenscheiben frittiert auf dem Teller liegen, gibt man Zitrone darauf und isst frisches Brot dazu. Als Dip wird eine Schale mit weißem Joghurt gesalzen und das restliche Fett aus der Pfanne darauf verteilt.
Die Zubereitung des Gerichts für 1-2 Personen dauert etwa fünfzehn Minuten. Calamus' Delight ist simpel, nahrhaft, lecker und kostet wenig.


Recipe 1.

Recipe for
"Calamus' Delight"
(Fried eggplant slices)

Ingredients per person:
- one eggplant (approx. 300 g)
- one clove of garlic (about 5 g)
- olive oil
- salt
- one lemon
- white yogurt (about 150 g)
- bread

Preparation: Cut eggplants into thin longitudinal slices and add them to the olive oil in the pan. Salt and turn constantly until the slices are crispy brown. Replace finished slices with new ones and add oil. In between, chop garlic, sauté with eggplant and remove in time.
When the eggplant slices are fried on the plate, put lemon on it and eat fresh bread with it. As a dip, salt a bowl with white yogurt and spread the remaining fat from the pan on it.
The preparation of the dish for 1-2 people takes about fifteen minutes. Calamus' Delight is simple, nutritious, delicious and costs little.


Rezept 2.

Kochrezept für
„Schurbat Adas“
(Rote Linsensuppe)

Zutaten für zwei Personen:
- zwei Tassen rote Linsen (ca. 200 g)
- zwei mittelgroße Zwiebeln
- Kreuzkümmel (= Kumin)
- Koriander
- Salz
- etwas Olivenöl
- eine Zitrone

Zubereitung: Die Linsen in einem Sieb waschen und in den Topf geben. Pro Tasse Linsen drei Tassen Wasser hinzufügen und aufkochen, danach köcheln lassen, bis die Linsen breiig sind. Zwischendurch die Zwiebeln hacken, im Olivenöl anbraten und mit Koriander, Kreuzkümmel und Salz in den Topf geben. Nach 30-45 Minuten das fertige Gericht pürieren und den Zitronensaft unterrühren.
Die rote Linsensuppe (die eher gelblich ist wie Senf) war schon im Mittelalter in Ägypten beliebt und ist es bis heute, meistens als Vorspeise. Sie lässt sich durch zusätzliche Zutaten leicht variieren: Knoblauch, Karotte und Lauch passen gut, auch die Kartoffel, die freilich dem Calamus nicht bekannt war. Als weitere Würze kann man Muskat, Fleisch- oder Gemüsebrühe verwenden und die Suppe abschließend mit Schmand oder Crème Fraîche abschmecken.

Recipe 2.

Recipe for
"Shurbat Adas"
(Red lentil soup)

Ingredients for two people:
- two cups of red lentils (about 200 g)
- two medium onions
- cumin
- coriander
- salt
- some olive oil
- one lemon

Preparation: Wash the lentils in a sieve and put them in the pot. Add three cups of water per cup of lentils and bring to a boil, then simmer until the lentils are mushy. In between, chop the onions, fry them in olive oil and add them to the pot with coriander, cumin and salt. After 30-45 minutes, puree the finished dish and stir in the lemon juice.
Red lentil soup (which is more yellowish like mustard) was popular in Egypt in the Middle Ages and still is, mostly as an appetizer. It can be easily varied with additional ingredients: Garlic, carrot and leek fit well, also the potato, which of course was not known to the Calamus. As a further seasoning you can use nutmeg, meat or vegetable broth and round off the soup with sour cream or crème fraîche.

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