Beitrag von Carl Ziegler: Als wir vorgestern diese Mail bekamen, das war schon ein Hammer. Simon Brecht rief mich an und fragte mich, ob ich zufällig etwas von Ozzy gehört habe. Ich rief dann gleich bei Maria an, und wir trafen uns bei mir, um die Lage zu besprechen. Ich glaube nicht, dass noch weitere Personen kontaktiert wurden, aber man kann es nicht ausschließen.
Meine Erinnerungen an Ozzy Balou sind trotz der vielen Jahre noch sehr frisch. Was wir gemeinsam erlebten, war einfach zu ungewöhnlich. Und damit meine ich gar nicht mal die Tourneen und den ganzen Rummel, sondern das alltägliche Zusammensein. Vom Tag nämlich, als ich mich auf Ozzy und die Band eingelassen hatte, veränderte sich mein Leben. Die beiden Dinge, die Ozzy liebte, waren Arbeit und Entspannung. Aber meistens Arbeit. Einmal sahen wir eine Doku über Queen im Fernsehen, wo der Drummer sagte: „The thing about work is, it is much more fun than fun.“ Mit diesem Zitat ist Ozzy uns monatelang auf die Nerven gegangen ...
Im Studio war er meistens sehr konzentriert. Entweder er hatte einen genauen Plan im Kopf, den er mit uns umsetzte, oder er probierte so lange an etwas rum, bis es ihm gefiel. Ständig hatte er irgendwelche Ideen. Oft gelang es ihm, die Stimmung auf die Band zu übertragen und uns zu Höchstleistungen zu bringen, ohne dass wir es richtig bemerkten. Es war ihm immer wichtig, dass wir alle auf unsere Kosten kamen. Er sagte, wenn wir nicht zufrieden seien, dann sei er es auch nicht. Ich hatte bereits in sieben Bands gespielt, aber so etwas gab es dort nicht. Der allergrößte Teil der Songs kam von Ozzy, aber wennimmer jemand von uns eine Idee oder einen Vorschlag hatte, was die Songstruktur anging, die Vokalparts, das Arrangement, die Besetzung oder auch Textteile, hörte er zu und probierte es meistens aus. Michael schrieb drei oder vier Songs, einen mit Oliver zusammen, und Oliver schrieb einen Song mit Ozzy. Es war eine gute Arbeitsatmosphäre, und es gab viel zu lachen, ob im Studio, im BLUESLAND oder auf den Tourneen. Drei Jahre ging es so. Es war eine irre Zeit, eine schöne Zeit.
Das vierte Jahr, 1992, brachte die Wende. Unsere dritte LP, ROCK'N'ROLL, ist nie erschienen. Der Colonel und Ozzy stritten sich wegen der Lyrics von zwei Songs sowie wegen einer Bemerkung auf dem Plattencover. Es ging niemals um Geld. Ozzy stritt nie wegen Geld. Geld war irgendwie immer da, aber nie lange. Wir waren nie Millionäre oder so, dafür steckten wir zu viel in die Platten und ins BLUESLAND. Einmal handelte der Colonel einen schlechten Gig aus. Nach allen Abzügen blieben 1500 Mark für die Band, und es war auswärts. Ich glaube, das war 1990 in Frankfurt. Ozzy sah den Colonel nur an und meinte dann: „Wenn du meinst, dass das unser Preis ist ...“ Dann setzte er sich wieder unter die Studiolampe und schrieb weiter an der Partitur eines Songs. Damit war das Thema für ihn erledigt. Der Colonel hat danach nie wieder einen schlechten Deal für uns ausgehandelt.
Vieles in den Jahren 1989 bis 1992 geschah unter der Oberfläche. Und selbst heute, wo so viel Zeit vergangen ist, bereitet es mir Mühe, mich an die Konflikte zu erinnern. Vielleicht liegt das daran, dass sich an der Situation kaum etwas verändert hat. Die Presse hat sich kaum geändert, das Publikum, die Veranstalter, die Agenten und Produzenten, die ganze Gesellschaft hat sich wenig bewegt. Ozzy konnte mit seiner Intuition und seiner besonderen Art zu leben ziemlich weit hinter die Kulissen sehen. Es bedarf sehr viel Feingefühls, um über all diese Dinge heute öffentlich zu sprechen, und auch ich bin bemüht, mich möglichst vorsichtig auszudrücken. Wenn sich die Beteiligten von früher zusammentun und ihre Beiträge gegeneinanderstellen, müsste es aber möglich sein, sich der Wahrheit schrittweise zu nähern, ohne dass es dabei zu unschönen Szenen kommt. Zu Beleidigungen oder Vertrauensbrüchen. Um Beschuldigungen – und nicht nur in eine Richtung – wird man aber nicht herumkommen können. Wenn es dazu dient, die Situation besser zu verstehen, sollten wir uns dem nicht verschließen. Es ist jetzt Zeit für klärende Worte.
Ich stand Ozzy Balou sehr nahe in der Hamburger Zeit. Wir alle nannten sie die Hamburger Zeit, weil Ozzy sie so genannt hatte. Er gab ständig Dingen Namen. Er war ein Freund für mich, und ich habe ihn bewundert. Es gab nie ein böses Wort zwischen uns. Ich habe viel gelernt und hatte viel Spaß. Ich dachte, es würde jetzt immer so weitergehen, wenigstens zehn Jahre lang, wie bei den BEATLES. Wir brannten auch nie aus und wurden immer besser. Damals war ich sehr jung. Als sich die BULLETS gegründet hatten, war ich achtzehn. Ich setzte ganz selbstverständlich voraus, dass es Gerechtigkeit gibt. Es sprach nichts dagegen.
Das letzte Jahr, das Ozzy in Hamburg verbrachte, war traurig. Im April hatten wir unseren letzten Auftritt im BLUESLAND. Niemand hat darüber gesprochen, aber nach dem Konzert wussten es alle, auch das Publikum. Es war das letzte Mal. Maria und ich sahen Ozzy etwa zweimal in der Woche, er war oft depressiv. Es war nicht schön. Simon, der Journalist, stand ihm in den allerletzten Monaten am Nächsten. Aber selbst mit Michael und Oliver gab es noch Kontakte, trotz des Streits. Wir organisierten ein Arbeitstreffen ende August, mit Instrumenten, denn wir hatten noch einige gute neue Songs. Aber es funktionierte nicht mehr. Als im September das BLUESLAND abbrannte, war jedem klar, dass damit OZZY AND THE BULLETS ebenfalls verschwunden waren. Das hatte eine unglaubliche Symbolkraft, zusätzlich zur eigentlichen Katastrophe.
Ozzy war damals zu geschwächt und wohl auch zu jung, um an die vielen Ereignisse anknüpfen zu können. Als ich vorgestern seine Mail sah, war mein erster Gedanke: „Er kommt zurück!“ Ich wusste das sofort. Vielleicht ist er schon im Land, wahrscheinlich ist er es, oder er ist auf dem Weg. Maria, Simon und ich haben gestern Mails an alle Leute versendet, die Ozzy kennen und an die wir uns noch erinnern. Wir haben darauf hingewiesen, dass es Nachrichten von Ozzy Balou gibt und dass sie im Netz stehen. Wir hoffen, so zu einer Rekonstruktion der Ereignisse zu kommen.
Hamburg, 03.10.01 / Redaktion in Kiel 03.10.01
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