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ROCK'N'ROLL
Nachricht von Ozzy Balou
Eine Rekonstruktion
von Anis Hamadeh
ROCK'N'ROLL
Message from Ozzy Balou
A Reconstruction
by Anis Hamadeh
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Beitrag von Mo: Mein Name ist Mo, ich war der Tresenmann im BLUESLAND. Dreizehn Jahre lang. Gerhard holte mich, als er 1978 den Laden aufmachte. Wir haben mit sieben Leuten angefangen. Erst war es schwierig. Nicht wegen des Geldes, sondern weil es ein ziemlich großes Haus war, mit dem kuppelartigen Bühnenraum, auf dessen gegenüberliegenden Seite der Tresen stand. Die Bühne wurde auch für Filmvorführungen genutzt. Dazu im ersten Stock die Galerie mit Tischen, die Küche und der Billardraum. Es dauerte ein ganzes Jahr, bis wir die Strukturen einigermaßen zusammenhatten.

Die Atmosphäre des BLUESLAND war von Anfang an eine besondere. Schon wegen der Schönheit des Gebäudes. Es stammt, glaube ich, aus dem Jahr 1912, aber ich bin nicht ganz sicher. Jedenfalls hatte es warme helle Wände und hohe Decken. Die Akustik war gut. Die Küche war auch gut, und so machten wir unseren Schnitt. Kult wurde das BLUESLAND dann Mitte der 80-er. Da war die Gruppe GANJA KAYA, eine Reggae-Band, die bei uns groß raus kam. Die MORNING FIRES, die LITTLE GREEN MEN und die BASIC CHORDS, alles bekannte Hamburger Gruppen in der Zeit. Und später natürlich Ozzy.

Das Publikum war sehr gemischt, weil es ein weitläufiges Programm gab. Man könnte sagen, dass das BLUESLAND von 1985 bis 1991 ein großer Markt war. Hierher kamen die verschiedensten Musikfans, Szenegänger, Touristen, Yuppies, auch die Autonomen, die Linken, aber auch die Rechten, der Kiez und Blankenese, auch Geschäftsleute, vor allem Leute so in den Zwanzigern. Es gab wohl eine Gemeinschaft, aber keine Gruppe. Es war eigenartig, denn ... die Leute kamen und gingen, die meisten Gesichter wechselten. Das BLUESLAND aber blieb immer gleich. Ich habe sehr gerne dort gearbeitet, Drinks gemacht, mit den Leuten geredet, mich um ein paar Dinge gekümmert. Ich war der Älteste von den Angestellten.

Irgendwann zwischen Mitte und Ende 1991 verlor das BLUESLAND langsam seine Aura. Nach all diesen Jahren habe ich so meine Gedanken dazu. Aber darüber möchte ich hier nicht sprechen, denn es würde ein soziologischer Diskurs werden und das ist nicht meine Sache. Nach der Zerstörung ging ich nach Reading in die Nähe von London, wo meine Schwester mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern lebt. Das heißt, die Kinder sind schon aus dem Haus. Ich habe das Zimmer von Jeremy bekommen, der in London eine eigene Wohnung hat. Ich habe einen Bruch in der Wirbelsäule, weil mir ein Balken auf den Rücken gefallen ist, und seitdem kann ich nicht mehr gehen. Meine Schwester kümmert sich um mich.

Die Erinnerungen kamen wieder am Elften September. Seitdem schlafe ich sehr schlecht und habe Albträume. Vor ein paar Minuten hörte ich die Rede von Tony Blair, der gesagt hat, dass jetzt Afghanistan angegriffen wird. Wieder Gewalt. Es war ... es war ja fast am gleichen Tag. Als damals das BLUESLAND brannte, hat man einige Wochen später ein Riesentheater mit Verhaftungen und Räumungen und was weiß ich gemacht, in der linken Szene und auch in der rechten. Und wir sind heute noch da, wo wir damals standen. Hier in England ist das nicht viel anders. Es ist eine grauenhafte Vorstellung zu denken, dass jetzt wieder neun Jahre lang nichts passiert und dass dann jemand den Mond in die Luft sprengt und so weiter.

Ozzy hat mich hier besucht. Das war 1995. Er blieb für zwei Wochen und wir sind jeden Tag spazieren gegangen. Wir hatten natürlich über damals geredet, aber eigentlich nicht viel. Wir wollten beide nicht. Wir hatten beide eine neue Existenz. Ich arbeite vom Computer aus für die Firma meines Schwagers und habe mir einen kleinen Freundeskreis aufgebaut. Das Leben ist beschaulich und auszuhalten. Ozzy lebte damals am Stadtrand von Tunis am Meer. Er hatte sich zu Beginn des Erfolgs eine größere Summe zurückgelegt. Ob er noch viele Tantiemen bekommen hat, weiß ich nicht. Mit der Musik hatte er jedenfalls aufgehört. Als er mich besuchte, sagte er, dass er seit seiner Abreise aus Hamburg gar keine Gitarre mehr angefasst hat. Er ging auch nur mit einem einzigen Koffer fort. Er erzählte mir 95, dass er meistens meditierte. Er hatte etwa zehn Bücher, die er las. Er sagte, dass er seine religiösen Neigungen eigentlich im Islam ausleben müsste, aber er mache derzeit Zen.

Ich habe ihn einmal nach seiner religiösen Zugehörigkeit gefragt und da sagte er: „Ich bin Jude, Christ, Muslim, Buddhist und Schamane, aber mehr nicht.“ Er könne sich wegen seiner Herkunft recht gut mit dem Christentum und dem Islam identifizieren, erklärte er, wobei ihm der Islam etwas leichter falle, weil er besser fassbar sei. Aber er fand, es sei schon sehr ähnlich, wenn man es wolle. Es gab eine Zeit, in der ihn diese Frage sehr beschäftigt hat. Ich selbst bin gläubiger Christ und interessiere mich ebenfalls für solche Fragen. Wir schrieben uns etwa jedes halbe Jahr Briefe, bis 1997. Auch zu Maria und einigen anderen behielt ich den Kontakt. Danach habe ich nichts mehr von ihm gehört. Aber ich habe mir keine Sorgen gemacht, denn was zwischen uns ist, wird zwischen uns bleiben. Er wird seine Zeit allein gebraucht haben, und er wusste, dass ich jederzeit da war.

In den zwei Wochen, als er hier war, hat er mir auch Arabisch beigebracht. al-fiil fi-th-thalaaja hat er mir beigebracht, der Elefant ist im Kühlschrank, und an-najaatu qariiba, die Rettung ist nah. Wir hatten viel Spaß. Er hat fast nur Elefantenwitze erzählt in dieser Zeit. Wir haben auch Schach gespielt und die Artikel der Illustrierten kommentiert. Ich habe ihn mit in die Kirche genommen und wir haben zusammen gebetet. Er sagte, eigentlich würde er ja gerne meine Schwester heiraten und fragte ihren Mann, wieviel er für sie haben wollte. Er würde aber nur mit Elefanten bezahlen. Ich glaube, sie haben sich auf sieben geeinigt.

Was also in den letzten Jahren mit Ozzy war, weiß ich auch nicht. Er sagte damals selbst, dass er sich wie schmutziges Wasser fühle. Das müsse sich erst setzen. Er hatte keine Pläne. Er hatte eine Frau in Tunis, eine Französin. Er hatte sie im Sommer 1993 kennengelernt und sie zog im Oktober zu ihm. Im Januar verließ sie ihn. Er war noch nicht darüber weg, als er mich besucht hatte. Aber er war nicht kleinzukriegen. Wenn er jetzt nach Deutschland zurückkommt, wird er Veränderungen fordern. Ich bin da sicher. Wenn er es bis hierher geschafft hat ... ich werde es einfach weiter beobachten.

Reading, 07.10.01, Redaktion in Kiel

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+++ ROCK'N'ROLL +++ NACHRICHT VON OZZY BALOU +++

Contribution by Mo: My name is Mo, I was the bartender in the BLUESLAND. For thirteen years. Gerhard got me when he opened the place in 1978. We started with seven people. At first it was difficult. Not because of the money, but because it was a pretty big place, with the dome-like stage room, on the opposite side of which was the bar. The stage was also used for film screenings. In addition, on the second floor there was the gallery with tables, the kitchen and the billiard room. It took a whole year until we had the structures together.

The atmosphere of the BLUESLAND was special from the beginning. If only because of the beauty of the building. I think it dates back to 1912, but I'm not quite sure. Anyway, it had warm light walls and high ceilings. The acoustics were good. The kitchen was good, too, and so we earned our cut. The BLUESLAND became cult in the middle of the 80s. There was a group called GANJA KAYA, a reggae band that became big in our house. The MORNING FIRES, the LITTLE GREEN MEN and the BASIC CHORDS, all well-known Hamburg groups at that time. And later, of course, Ozzy.

The audience was very mixed because there was a wide program. You could say that the BLUESLAND was a big market from 1985 to 1991. Here came the most diverse music fans, scene goers, tourists, yuppies, also autonomous folks, leftists, but also rightists, the Kiez and Blankenese, also business people, especially people in their twenties. There was a kind of community, but not a group. It was strange, because ... people came and went, most faces changed, but the BLUESLAND always stayed the same. I really enjoyed working there, making drinks, talking to people, taking care of a few things. I was the oldest of the employees.

Sometime between mid and late 1991, the BLUESLAND slowly lost its aura. After all these years I have my thoughts about that, but I don't want to talk about that here. It would be a sociological discourse, that's not my thing. After the destruction I went to Reading near London, where my sister lives with her husband and their two children. That is, the children are already out of the house. I got the room from Jeremy, who has his own place in London. I have a fracture in my spine because a beam fell on my back, and I can't walk since then. My sister takes care of me.


The memories came back on September Eleventh. Since then I sleep very badly and have nightmares. A few minutes ago I heard the speech of Tony Blair, who said that now Afghanistan is being attacked. Violence again. It was ... it was almost the same day. A few weeks after the BLUESLAND burned down, there was a big fuss with arrests and evictions and whatnot, in the left scene and in the right scene. And today we are still where we were back then. Here in England, it's not much different. It's a horrible idea to think that again nothing will happen for nine years and then somebody blows up the moon and so on.


Ozzy came to visit me here. That was in 1995. He stayed for two weeks and we went for a walk every day. We had talked about back then, of course, but not much really. We both didn't want to. We both had a new existence. I work from the computer for my brother-in-law's company and have built a small circle of friends. Life is tranquil and bearable. Ozzy was living on the outskirts of Tunis by the sea at the time. He had set aside a large sum at the beginning of his success. Whether he still got many royalties, I don't know. In any case, he had stopped making music. When he visited me, he said that he had not touched a guitar since he left Hamburg. He also left with only one suitcase. He told me in '95 that he meditated most of the time. He had about ten books that he read. He said that actually he should live out his religious inclinations in Islam, but he was currently doing Zen.

I once asked him about his religious affiliation, and he said, "I'm Jewish, Christian, Muslim, Buddhist, and a shaman, but that's it." He said that because of his background he could identify quite well with Christianity and Islam, though Islam was a little easier for him because it was more tangible. But he thought it was very similar if you wanted it to be. There was a time when he was very concerned about this question. I myself am a devout Christian and as well interested in such questions. We wrote letters to each other about every half year, until 1997. I also kept in touch with Maria and some others. After that I didn't hear from him anymore. But I didn't worry, because what is between us will stay between us. He will have needed his time alone, and he knew that I was there at all times.

In the two weeks he was here, he also taught me Arabic. "al-feel fi-th-thalaaja", he taught me, the elephant is in the fridge, and "an-najaatu qariiba", salvation is near. We had a lot of fun. He told lots of elephant jokes during that time. We also played chess and commented on the articles in the magazines. I took him to church and we prayed together. He said that actually he would like to marry my sister and asked her husband how much he wanted for her. But he would only pay in elephants. I think they settled on seven.

So what was going on with Ozzy in the last few years, I don't know either. He said himself at the time that he felt like dirty water that had to settle down. He didn't have any plans. He had a wife in Tunis. A French woman. He had met her in the summer of '93, and she moved in with him in October. In January, she left him. He hadn't gotten over it when he came to see me, but he couldn't be brought down. When he comes back to Germany now, he will demand changes. I'm sure of it. If he made it this far ... I will just keep watching.

Reading, 07.10.01, editorial office in Kiel

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