Nachdem Ozzy jetzt ins Gespräch integriert ist, hat sich die Redaktion wieder aufgelöst. Bis auf mich natürlich, wie es ursprünglich auch gedacht war. Der letzte Hinweis der „Drei von der Tankstelle“ war der, dass Ozzy klar machen solle, über welche Themen er nicht sprechen möchte, aber das würde er auch selbst wissen. Jetzt, wo ich selbst mit der Materie einigermaßen vertraut bin, denke ich auch, dass ich die Aufgabe des Moderators und Redakteurs allein bewältigen kann. Einige Beiträge wurden und werden wieder gekürzt. Gleichzeitig werde ich den Rhythmus ändern, da der tägliche Report auf die Dauer zu anstrengend geworden ist. Von nun an wird normalerweise alle zwei Tage eine Nachricht ins Netz gestellt werden. Hier sind die acht Beiträge des Tages:
(1) Ulrich S.: Ich bin einigermaßen schockiert über Ozzys Worte. Das klingt nicht gut. Die Medienkritik ist weit überzogen, aber am Schlimmsten ist, dass er den Parteien Gewalttätigkeit nachsagt und dann noch behauptet, dass nur den Gewalttätern geglaubt wird. Das ist ein Schreckensbild, das Ozzy da zeichnet, und ich frage mich, warum er das tut. Zwischen den Zeilen kann man lesen, dass er sich für moralisch höherwertig versteht als zum Beispiel die Bundesregierung. Das ist mir zu viel.
Es ist doch Unsinn zu behaupten, dass es keine Kritik in Deutschland gebe. Gerade gestern habe ich einen langen Bericht gelesen, dass die Amerikaner sich fragen, warum sie so gehasst werden. Das war in einer konservativen Zeitung, und es war nicht das einzige Mal. Vielmehr nutzt Ozzy hier schamlos die Schwächen der Presse aus und das ist nicht sehr konstruktiv. Denn natürlich haben die es jetzt erst einmal nicht leicht. Es dauert auch, bis man sich da eine Meinung gebildet hat. Auch der Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg erschien mir gesucht.
Ein weiterer Punkt ist das mit den Lagern. Teilt er nicht selbst die Welt in Lager? Das ist doch genau das Schwarzweiß-Denken, dass er überwinden will. Nein, mich hat dieser Beitrag nicht überzeugt, er war laut, aber nicht sehr weit gedacht. Es wäre bestimmt besser, wenn Sänger singen und wenn Politiker sich um Politik kümmern.
(2) Autonomer: Huuu Huuu, wow, das klingt wie Rock'n'Roll! Welcome back, man! Und okay okay, ich habe mir einige Sachen noch mal ganz gut überlegt. Das ist cool, Mann! Natürlich, wenn man so viel Fantasie hat, dann braucht man auch keine Gewalt mehr.
Was ich gelernt habe, ist, dass es nun darum gehen muss, den Begriff der Autorität neu zu definieren. Dass man es schafft, eine Autorität auszustrahlen ohne dabei gewalttätig sein zu müssen. Mir ist wirklich einiges klar geworden, und ich bin gerade dabei, mein Weltbild neu zu ordnen. Es geht also darum, auf die Wünsche der Leute zu reagieren und nicht mehr auf die Ängste. Um ein Klima zu schaffen.
In diesem Zusammenhang fällt mir erst auf, wie wenig Autorität die Kirchen und die Friedensvereinigungen ausgestrahlt haben. Wenn man in diesen Tagen in die Zeitung sieht, liest man solche Kurzmeldungen wie: „Bischof X hat zum Frieden aufgerufen. Man solle bitte lieber beten als Bomben werfen.“ Das klingt natürlich nicht besonders überzeugend. Ich denke, das liegt daran, dass sich hinter den Würdenträgern keine handelnden Charaktere erkennen lassen. Im Zweiten Weltkrieg kam ja auch nicht viel von dieser Seite.
Jedenfalls habe auch ich früher die Gewalt als letztliche Legitimität verwendet. Nach dem, was jetzt zwischen Amerika und den Taliban passiert und nach dem, was Ozzy gesagt hat, sehe ich ein, dass Gewalt nicht die richtige Lösung ist.
(3) Oliver: Ja genau, es ist genau wie früher. Das ist genau die Arroganz, wegen der wir uns getrennt haben. Gar keine Frage. Alleine schon das mit den Dotwins. Ich meine, was soll das? Warum muss er sich immer über die anderen stellen? Ich habe noch mal im Lexikon nachgeschlagen, was „Atavismus“ bedeutet, und da steht: „Das Wiederauftreten von Merkmalen der Vorfahren, die den unmittelbar vorhergehenden Generationen fehlen; Entwicklungsgeschichtlich als überholt geltendes, unvermittelt wieder auftretendes körperliches oder seelisches Merkmal.“ Das klingt ja so als würde er sich selbst auf einer höheren Entwicklungsstufe sehen. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen.
Es ist ja in Ordnung eine Meinung zu haben, aber muss man denn von vorneherein jedem deutlich machen, dass es die einzig mögliche Meinung ist? Das hat nämlich auch nicht viel mit Demokratie zu tun. Außerdem bin ich mir gar nicht so sicher darüber, ob Ozzys Rachegefühle nicht auch Gewalt sind.
(4) Maria: Ich habe Olivers Beitrag vorab lesen können und möchte direkt darauf antworten. Mir fiel nämlich die PDS im Bundestag ein. Da gab es Abgeordnete, die die PDS disqualifiziert haben aufgrund der Tatsache, dass sie gegen Militäreinsätze sind, im Grunde nur aufgrund der Tatsache, dass sie nicht uneingeschränkt solidarisch mit Amerika sind, sondern nachdenken. Als ich das im Fernsehen gesehen habe, habe ich auch gedacht, das wars dann mit der Demokratie, jetzt spielen wir ein Rudel Wölfe auf der Jagd nach Fleisch. Mir fiel das ein, als ich Olivers Beitrag las, es ist etwas assoziativ, aber meine Antwort darauf.
(5) Mr. Sunbird: Die Sonnenvögel grüßen Ozzy Balou, den legitimen Erben des internationalen Rock'n'Roll.
(6) Carl: Das war starker Tobak. Ich erkenne Ozzy wieder, aber er hat sich schon verändert. Vielleicht hat er Recht, ich weiß es nicht. Ich war nie so wirklich politisiert. Vor allem hat Politik für mich etwas anderes bedeutet. Ich hätte es nie mit solchen Fragen zusammengebracht. Das sind doch eher private Sachen, oder? Wenn Politik schon da anfängt, wo wir selber handeln oder sogar handeln müssen, dann ist das nicht, was ich darüber gedacht habe. Politiker müssen handeln, klar, und wir wählen die Politiker. Aber gewalttätige Menschen möchte ich natürlich auch nicht wählen. Ein schwieriges Problem. Ich habe aber selbst gesagt, dass wir einen neuen Diskurs brauchen und vielleicht sind wir auf dem Weg. Ich kann das derzeit schlecht einschätzen. Ozzy ist auch (leider) immer sehr schnell. Es wäre vielleicht gut, wenn man sich mal zusammensetzt nach all dieser Zeit.
(7) Simon: Der letzte Auftritt der BULLETS war im März 92. Das BLUESLAND war nur halb voll und es wurde auch bereits erwähnt, dass man der Atmosphäre anmerkte, dass die Band aufhören würde. Trotzdem war das Konzert sehr gut. Alle Bandmitglieder hatten Energie. Sie wirkten routiniert, individueller als vorher, als wäre es eine Jam-Session von Leuten, die sich nicht kannten, die aber mit denselben Liedern groß geworden sind und sie spielen wollten.
Das Konzert wirkte also nicht erzwungen, sondern es zeigte einfach die Entwicklung, die die Band gemacht hatte. Sie hatte fünf starke Charaktere hervorgebracht, die aneinander gewachsen waren und sich in verschiedene Richtungen weiterentwickelt hatten. Als im Monat darauf Maria und Carl zusammenkamen, war das zwar nicht unbedingt eine überraschung, aber es hat Ozzy doch verändert. Er hat versucht, es zu akzeptieren, doch es fiel ihm schwer. Ich habe damals sehr viel Zeit mit ihm verbracht und fand, dass er der Angelegenheit mit viel Bedacht und Offenheit begegnet ist. Neben den Auseinandersetzungen zwischen Ozzy und Michael war dies ein weiterer Grund dafür, dass das letzte Treffen der BULLETS im August nicht sehr lange gedauert hat und für alle Beteiligten frustrierend war.
In den letzten Monaten vor seiner Abreise waren Ozzy und ich oft zusammen. Ich hatte selbst damals mit meiner Freundin Schluss gemacht und dachte auch viel über diese Dinge nach. Uns wurde aber gegen ende des Jahres klar, dass wir mit allem in der Sackgasse waren. Es geschah nichts Neues mehr. Ich bin für ein paar Jahre nach Berlin gezogen und später zurückgekommen. Es war eine Art ungeklärtes Verhältnis für mich, als Ozzy nach Paris ging. Es war unbefriedigend. Ich hatte das Gefühl, dass es etwas gab, das verhindert hat, dass Ozzy und ich uns wirklich nah sein konnten.
(8) Mo: Heute habe ich zum ersten Mal seit dem Anschlag wieder gut geschlafen.
Redaktion in Kiel, 15.10.01
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