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ROCK'N'ROLL
Nachricht von Ozzy Balou
Eine Rekonstruktion
von Anis Hamadeh
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(1) Roger B.: Ich spielte damals Gitarre in der Hamburger Punkband KISS & TELL und möchte mich dazu äußern, was hier über Punk gesagt wurde. Ich empfand es damals als sonderbar, dass Ozzy den Punk ablehnte, da ich der Ansicht war, wir würden gemeinsame Ziele verfolgen. Es ist bedauerlich, wenn Punkmusik sofort als unästhetisch bezeichnet und abgelehnt wird, denn es handelt sich um eine wichtige Subkultur. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass Punk der wirkliche Rock'n'Roll war, mehr als der originale, denn er war intelligenter.

Die ganze Rock'n'Roll-Bewegung war doch von Anfang an ein großer Schwindel. Es war Kommerz. Das erste, was zum Beispiel Elvis gemacht hat, als der Erfolg kam, war doch, massenweise Cadillacs zu kaufen. Dann die Samstag-Nacht-Klischees vom einfachen Arbeiter, der mit seiner Puppe am Wochenende sein durch Sklavenarbeit verdientes Geld durchbringt. Alle Rock'n'Roll-Stars der 50-er haben sich an Hollywood verkauft, außer Chuck Berry, aber vielleicht auch der. Es ging eben um Kohle. Es stand eine Industrie hinter der Sache. Von reinem Idealismus kann gar keine Rede sein. Die Rebellion, ja, die gab es, aber sie war nicht formuliert, nicht durchdacht, nicht einmal erkannt, sie flackerte als bloße Anspielung und als Pose durch die bunte Kaugummiwelt der Teddyboys und Petticoat-Girlies.

Selbst die BEATLES, die sich der transzendentalen Meditation gewidmet hatten und den tieferen Sinn suchten, besonders George und John, waren nicht viel anders. Auch wenn Paul mit HELTER SKELTER den ersten Punksong geschrieben hat. Als sie damals APPLE gründeten, schalteten sie eine ganzseitige Anzeige in einer großen englischen Zeitung. Die BEATLES forderten den kreativen Teil der Bevölkerung dazu auf, ihnen Songs und Literatur und alles Mögliche zuzuschicken, weil APPLE sich (idealistisch) für unentdeckte Talente einsetzen wollte. Da war ein Bild von einem Straßenmusiker auf der Anzeige, mit abgerissenen Klamotten, mit einer riesigen Trommel auf dem Rücken und mehreren anderen Instrumenten, die er spielte. Darunter stand so etwas wie: „Dieser Mann besitzt heute einen Cadillac.“ Das ist eben Rock'n'Roll, man sollte sich da gar nichts vormachen. Dylan und Hendrix waren meiner Ansicht nach damals die einzigen, die es geschnallt hatten.

Als der Punk kam, hatten die intelligenteren Leute keine Lust mehr auf den Konsumscheiß. Die Rock'n'Roll-Lüge war so groß, dass man nur mit Brachialgewalt darauf hinweisen konnte, dass die Rebellion ohne Inhalt geblieben war. WOODSTOCK und all das vermittelte zwar den Eindruck von allgemeinem Aufbruch, aber was war davon übrig, sagen wir, 1977? Diese ganze Welt der Stars war eine miese Fassade. Die Punks waren es doch, die endlich Realität in die Popmusik gebracht haben.

Natürlich ist das nur eine Meinung. Es gibt viele Auffassungen von Punk und ein weites Spektrum. Über Nena zum Beispiel steht heute in der HAMBURGER MORGENPOST, dass sie sich noch immer für eine Punkerin hält. Das ist eben das Schöne an unserer Jacobs-Krönung-Welt, dass man ganz sympathisch Sachen sagen kann wie: „Für mich bedeutet Punk, alles und jedes in Frage zu stellen. Ich sage zwar: Nichtrauchen ist gut für mich, aber wenn ich merke, dass Nichtrauchen zur bequemen Gewohnheit wird, fange ich eben wieder an zu rauchen.“ Und das soll dann Punk sein. Johnny Rotten würde sich totlachen. Es lebe die pragmatische Anarchie einer nichtrauchenden Schlagersängerin. Es darf eben jeder von sich denken, was er oder sie will.

(2) Maja B.: Ich habe mir weiterhin Gedanken zur Gewaltdefinition gemacht und bin auf ein paar Denkanstöße gekommen, die ich beisteuern möchte. Es ist nicht sehr systematisch, eher ein Brei von losen Ideen, aber vielleicht kann ja etwas daraus werden. Gestern sah ich auf dem Amt einen Mann aus einem der Zimmer kommen, der so wütend war, dass er laut mit der Tür geknallt hat. Ich habe einen Schreck bekommen und hatte das Gefühl, dass mir und meinen Ohren Gewalt angetan würde. Nicht schlimm natürlich, aber ich dachte an den Begriff Gewalt.

Der Mann selbst aber war vielleicht schlecht behandelt worden und hatte Grund, wütend zu sein. Was, wenn er so viel Grund zur Wut hatte, dass ein anderer mit den Fäusten losgeschlagen hätte? In diesem Falle wäre das Türenschlagen ein legitimes Ventil der Wut, und Gewalt wäre sogar durch dieses Abreagieren vermieden worden. Es hat sogar einen Staatsmann gegeben, der aus wütendem Protest seinen Schuh ausgezogen und ihn auf den Tisch gehauen hat.

Worüber ich ebenfalls nachgedacht habe, ist Sado-Maso. Wenn sich die Beteiligten einig sind, zum Beispiel über Schläge, wenn beide das genießen, warum sollte man dann von Gewalt sprechen? Es ist ja kein Zwang dabei.

Ein anderer Aspekt ist die Frage, ob man sich bedroht fühlt, oder ob ein anderer absichtlich droht. Wie ist es, wenn jemand ausgegrenzt wird? Ich denke, auch hier kann man von Gewalt sprechen. Zum Beispiel, wenn jemand zum Sündenbock gemacht wird. Ich habe das Gefühl, als könnte sogar eine Nicht-Handlung Gewalt sein, wie unterlassene Hilfeleistung. Insgesamt komme ich zu dem Schluss, dass die Gewaltfrage immer komplizierter wird, je mehr man sich damit beschäftigt. Ich habe auch versucht, den Begriff Terrorismus zu definieren, aber ich bin (noch) zu keiner akzeptablen Lösung gekommen. Vielleicht später.

(3) Ozzy: Marias Frage ist natürlich berechtigt: Was tun? Die Antwort gibt es auch, nur ist sie schwer in Worte zu fassen. Bob Dylan singt dazu aktuell die Verse: „If it's information you want, you can get it from the police.“ Man findet es schon, wenn man will. In meinem Song war es „Praise the Lord and be“, und wenn da kein Lord sein sollte, macht das auch nichts, denn die Botschaft heißt doch schlicht „Sei“. Das ist nicht von mir, das ist buddhistisch, es ist schamanisch, es ist alles Mögliche. Du kannst nicht mehr tun, als deine eigene Kraft zu entfalten. Alles andere ergibt sich von selbst. Das klingt nicht sehr konkret, es ist ein simples Prinzip. Man kann ja doch nicht viel planen. Hat man doch am Kommunismus gesehen.

Ich habe mir meine Beiträge noch mal durchgelesen, und sie gefallen mir nicht. Inhaltlich schon, und ich bin froh, das alles gesagt zu haben, aber diese Diskursform liegt mir nicht richtig. Ein Reden über eine Sache, die man mit Worten umkreist, aber nicht erreichen kann. Es ist didaktisch. Bits und Bytes. Rock'n'Roll will never die.

(4) Sven S.: Ich habe erst heute von der Chronik erfahren und habe einen Beitrag zum Thema Krieg und Frieden. Zu meinem Hintergrund: Ich war kein regelmäßiger Besucher des BLUESLAND, habe aber durch meine damalige Freundin die beiden Platten der BULLETS öfter gehört und war auch auf ein paar Konzerten.

Ich finde die Diskussion, die hier geführt wird, interessant, Ozzy halte ich auch für glaubwürdig und engagiert und voller bester Absichten, aber es scheinen mir – bei allem Respekt – Luftschlösser zu sein. Ich gebe zu, dass eine gewisse Logik hinter der These mit der Macht der Autoritären und der Macht der Liebenden steckt. Nur kann man das nicht verwirklichen.

Denken wir nur ans Militär. Ich bin selbst Berufssoldat und warte im Prinzip darauf, demnächst in einen Einsatz zu kommen. Es ist ein mulmiges Gefühl, aber ich stehe voll hinter der Politik der Regierung. Ich respektiere die Meinung der PDS und auch von ATTAC und den Friedensinitiativen und halte die nicht alle für Träumer. Die machen sich schon ernsthafte und berechtigte Gedanken. Dennoch, wir haben keine Wahl. Wir müssen schnell handeln und beweisen, dass wir als westliche Demokratien nicht in Angst leben müssen, nur weil wir offenbar Feinde haben. Dafür müssen wir Stärke demonstrieren, ja, das ist richtig. Und das sieht auch manchmal machomäßig aus, aber was soll's?

Machen wir uns doch nichts vor! Es gibt nun einmal eine Militärindustrie und Armeen. Die hat es immer gegeben, ebenso wie es immer Kriege gegeben hat. Man kann auch Pazifist sein, um diese Realitäten zu erkennen. Was will die zivilisierte Welt, die von Ozzy beschworen wird, mit dem Militärwesen machen? Das Militär gehört immerhin zu den progressivsten gesellschaftlichen Kräften. Das Internet war ursprünglich eine militärische Idee, so wie viele andere Dinge. Die Frage ist also: Welchen Stellenwert soll das Militär in Utopia haben, und wie soll man die Generäle und die Soldaten bitteschön davon überzeugen?

Das Militär ist ja auch ein bedeutender Wirtschaftsfaktor, gerade im Export. Ich finde, dass offener über die Rüstung gesprochen werden sollte, ohne Geheimniskrämereien. Wieso stehen wir nicht dazu? So gut wie alle Länder haben Armeen. Wir sind ja nicht die einzigen. Ich denke, dass auch Krisensituationen besser bewältigt werden, wenn man sich klar macht, in welcher Welt man lebt. Es gibt Waffen. Die Staaten werden auch niemals darauf verzichten, weil ein einziger Verräter reicht, um die ganzen Pflugscharen wieder zu Waffen zurückzuformen.

Insofern glaube ich, dass man vielleicht mit ein paar Leuten eine Hippie-Insel besiedeln und dort Love & Peace machen kann, aber als gesellschaftliches Modell taugt es wenig. Sonst hätte es in den 60-ern ja schon geklappt. Die hatten doch dieses Ideengut damals schon zusammen.

(5) Marion C.: Auf diese Homepage bin ich mehr aus Zufall gekommen. Ich las diese Sachen über den Buddha und die Arroganz des Künstlers und habe dazu einige Erfahrungen, die zum Thema passen. Ich bin Malerin und kenne das Gefühl, mit der Umgebung eins zu sein. Mir ist auch klar, was mit den verschiedenen Energieleveln gemeint ist, die hier irgendwo erwähnt wurden.

Ich denke, dass ein Künstler – oder überhaupt jeder Mensch – immer nur sich selbst zeigen und darstellen kann. Ich kann als Malerin immer nur mich selbst malen, egal, welches Motiv ich male, das bin immer ich. Denn mehr als mich selbst kann ich gar nicht erkennen. Ich gehöre zu der Sorte Malerin, die meistens sich selbst malt und ich habe deshalb viele Probleme mit Freunden und Bekannten gehabt. Die meisten fanden es eitel, narzisstisch oder wenigstens komisch, dass ich mich dauernd selbst male.

Seltsam eigentlich, denn Vincent van Gogh hat das auch gemacht. Und der ist heute weltberühmt, zu seiner Zeit aber hatte er sogar weit mehr Probleme als ich. Also ich glaube, dass jeder von uns etwas Größeres in sich schlummern hat, vielleicht Nietzsches Übermenschen, eine Idee, die leider von den Nazis intrumentalisiert wurde und später nicht mehr salonfähig war. Mir als Künstlerin kommt es jedenfalls so vor, als ob ich dieses Größere in mir suche und ausgrabe und es ist eine gute Sache für mich. Für Nicht-Künstler scheint es dagegen eine eher suspekte Angelegenheit zu sein, das kann ich bestätigen.

Für manche Leute ist es auch schon abstoßend, wenn Maler ihre Bilder lieben und davon schwärmen. Das wurde auch mir oft als Eitelkeit oder Angeberei ausgelegt. Dabei ist es die reine Lebensfreude. Ich meine, wofür male ich denn, wenn ich nicht toll finde, was ich male? Natürlich bin ich selbst mein größter Fan, sonst hätte ich doch gar keine Kraft, um zu arbeiten. Das ist in der Musik bestimmt ähnlich.

Mir fällt noch ein Beispiel dazu ein: Anthony Quinn. Ich habe einen Dokumentarfilm über ihn als Bildhauer gesehen. Ich weiß nicht, wie bekannt es ist, dass Anthony Quinn auch Skulpturist ist. Er zeigte den Fernsehleuten sein garagenähnliches Atelier, wo sich Steinquader befanden und fertige Objekte, meist Frauenkörpern nachgeahmte, vereinfachte Figuren. Quinn sprach ganz begeistert davon, fuhr mit seiner Hand zärtlich über die Figuren und sagte oft: „Ist das nicht wunderschön?“ Obwohl man das als reinsten Narzissmus bezeichnen könnte, sprach aus dem Mann nicht die Eitelkeit, sondern die Hingabe und eine kindliche Freude. Wäre er nicht Anthony Quinn gewesen mit seiner ganzen Präsenz und Ausstrahlung, dann hätte er sich bestimmt nicht so verhalten können, ohne von seiner Umgebung dafür bestraft zu werden. Der Vorwurf der Selbstverliebtheit hätte sich bestimmt durchgesetzt. Aber vielleicht ist das auch in Amerika anders, das weiß ich nicht. Ich war noch nie da.

Redaktion in Kiel, 19.10.01

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