(1) Die Chronik hat inzwischen eine Form angenommen. Für mich als Redakteur und Moderator ist das sehr hilfreich, weil es mir die Arbeit erleichtert. Inzwischen sind es so viele Beiträge, dass ich über eine Systematik nachdenke. Die einzelnen Beiträge werden Nummern bekommen, auch rückwirkend, damit man leichter auf sie verweisen kann. Außerdem werden eine Chronologie zur Verfügung gestellt und ein Personenregister. Auch über Verlinkungen innerhalb der Chronik wird gerade nachgedacht. Ich will mich auch nicht mehr auf die zweitägliche Berichterstattung festlegen.
(2) Simon: Am Montag haben sich Ozzy, Maria, Carl und ich bei mir getroffen. Es war ein sehr schöner Abend. Wir haben uns darauf geeinigt, dass ich ein paar Zeilen über diesen Abend schreibe.
Nach neun Jahren haben wir uns schon verändert. Ich habe geheiratet und bin inzwischen Vater einer dreijährigen Tochter. Carl unterrichtet Musik und Deutsch an einer Realschule und Maria arbeitet als freie PR-Kreative für mehrere Firmen. Ozzy wiederzusehen war schon seltsam, aber nur für eine Stunde, dann war es eigentlich wie vorher. Nein, nicht wie vorher, es war schon anders. Im Grunde kam es mir vor wie der Anfang von etwas Neuem. Sogar der Gedanke, wieder zusammen Musik zu machen, war für die Drei gar nicht mehr so abwegig. Lange nach Mitternacht gingen wir dann wieder auseinander, ohne etwas zu verabreden. Es war nicht die Zeit für Verabredungen. Ozzy hat uns nicht gesagt, wo er gerade eigentlich wohnt, und wir haben ihn auch nicht gefragt, denn es war nicht wichtig. Da ist vieles passiert in den letzten Monaten des Jahres 92 und es ist sicher noch nicht alles in der Chronik geschrieben worden. Wir arbeiten uns langsam heran, und ich denke, so ist es auch richtig. Wir hatten alle ein ziemlich gutes Gefühl nach diesem Treffen.
(3) Silke P.: Samira T. hat ganz Recht mit der Geschichte mit dem blauen Ball: Die Mutter hätte das Kind netter behandeln können. Interessant finde ich, was Samira in der 13. Nachricht gesagt hat. Da war doch die Rede davon, dass Ozzy im Park die Gitarre dabei hatte und Fats-Domino-Lieder gespielt hat. Samira sagte, ihr wäre das irgendwie unangenehm gewesen, zu nah. Meiner Ansicht nach ist das die gleiche Situation. Ozzy war nun mal Musiker, also hat er Musik gemacht. Für ihn war das völlig normal. So wie das Kind im Park seinen kreativen Drang nicht bestätigt fand, so wird es auch Ozzy gegangen sein.
Man stellt sich manchmal vor, dass Musiker ganz cool sind, über allem stehen und gar keine Resonanz brauchen, weil sie sowieso ihr Ding machen. Bevor ich Ozzy kennen gelernt hatte, dachte ich das selbst. Ich war ein Fan und hatte gar keine Vorstellung davon, wie es in den Musikern selbst aussah. Das erste, was mich verblüfft hatte, war, dass Ozzy selber Fan war. Nicht nur von Elvis und den BEATLES, sondern auch von Hamburger Bands aus seiner Umgebung. Als ich dann auch manchmal mit ihm gesprochen hatte, wurde er immer normaler für mich, und irgendwann wurde es dann auch normal, dass er manchmal die Gitarre nahm und einfach spielte. Aber es hat schon eine ganze Weile gedauert.
(4) Ozzy: Auf diese Buddhageschichte möchte ich eingehen, denn es ist viel darüber geredet worden. Damals konnte ich selbst noch nicht alles verstehen von dem, was ich tat und sagte. Später aber habe ich diesen Typen isoliert. Den Buddha, meine ich. Ich habe mich immer als Medium gesehen, wenn ich Songs geschrieben habe und das ist ja auch nichts Besonderes. Es gibt Medien. Es gibt Ahnungen. Es gibt viele Dinge. Aber es war noch zu neu für mich, ich war wie ein Kind mit Superkräften und es dauerte sehr lange, bis ich das richtig kontrollieren konnte, weil mir auch niemand dabei helfen konnte und ich keine richtigen Vergleichsmöglichkeiten hatte. Irgendwann hatte ich mich daran gewöhnt, auch daran, dass die Leute nicht verstanden haben, wovon ich geredet habe. Noch später dann habe ich ihn isolieren können. Ich sehe ihn wie eine Person, die manchmal durch mich spricht. Ich weiß, das klingt spukig, aber es ist nichts dabei. Das kennt ihr im Prinzip alle. Ihr alle habt Momente, wo ihr Dinge zu Stande bringt, die euch selbst überraschen.
Ja, dann noch die Bemerkungen dieses Vogels R. Baumann oder vielmehr, was man davon ernst nehmen kann: Es hat immer wieder Drogenvorwürfe gegen mich gegeben, die meisten davon waren erfunden. Die Leute haben aber vieles geglaubt, weil man ihnen gesagt hat: Kuckt doch mal, wie kreativ der ist. Das kann ja nicht mit rechten Dingen zugehen, der nimmt bestimmt Drogen! Das kenne ich zur Genüge. Da ich vorhabe, in dieser Gesellschaft von nun an wieder ein Wörtchen mitzureden, will ich mal ein paar Dinge klarstellen: Ich habe noch nie irgendwelche harten Drogen genommen und habe das in nächster Zeit auch nicht vor. Alkohol und Gras gegenüber bin ich tolerant gegen andere und mich selbst. Die beste Droge ist jedenfalls der Rock'n'Roll, da gibts wohl gar keinen Zweifel drüber. Der ist nicht gesundheitsschädlich, er ist billig und er gibt gute und natürliche Energie. Schokolade würde ich auch noch zu den besseren Drogen zählen.
Die Tabuisierung von Cannabisprodukten erscheint mir heuchlerisch und miefig, weil Cannabis erwiesenermaßen weniger schädlich ist als der erlaubte Alkohol. Was die Gewaltvorwürfe angeht: Natürlich mache auch ich ständig Fehler, das ist völlig klar. Aber meine letzte Schlägerei hatte ich mit 15. Und es waren auch nicht viele. Auch Frauen gegenüber habe ich niemals Gewalt ausgeübt, ich kann das gar nicht. Es gibt mir auch nichts. Interessiert mich nicht. In den letzten Hamburger Jahren hatte ich stark das Gefühl, dass gerade Frauen Angst vor mir bekamen. Es gab auch ein paar, die mir was anhängen wollten. Aber das ist, so wie ich mich selbst kenne, absolut abwegig. Ich mache sogar den Fernseher normalerweise aus, wenn es Pistolenfilme gibt. Es stört mich einfach. Klar, wenn mich jemand angreift, verteidige ich mich. Ich hatte auch dem Colonel damals angeboten, sich mit mir zu prügeln, das gebe ich zu. Unter Männern, na und? Das finde ich okay. Besser, als nicht mehr weiterzukommen oder sich wochenlang anzunerven. In diesem Fall fand ich das so. Aber es war auch nur ein Angebot, es ist gar nicht erst dazu gekommen, und heute will ich es natürlich auch nicht mehr.
Jeder Mensch kann aber in eine Situation geraten, wo er gewalttätig wird. Ich denke, das sehe ich ganz realistisch. Wenn jemand einen mir lieben Menschen angreifen würde, wüsste ich auch nicht, wie ich reagieren würde. Das weiß wohl keiner. Es besteht insgesamt jedoch ein Unterschied zwischen der Gewalt von Institutionen und Einzelpersonen, bzw. zwischen politischer und emotionsbedingter Gewalt.
(5) Marion C.: In einigen Beiträgen wurde das Verhältnis zwischen Kunst und Rausch thematisiert. Im letzten Beitrag von Dieter Z. klang es fast so, als wäre es für Künstler normal, auch Drogenerfahrungen zu machen. Ich möchte deshalb erklären, dass ich selbst nie Drogen genommen habe und dass ich auch nicht glaube, dass meine Bilder dann besser geworden wären. Es ist schon ein besonderer Zustand, wenn man kreativ ist, das sehe ich genauso. Aber meiner Ansicht nach ist es die Gesellschaft, die die Verbindung zu Drogen herstellt, weil sie keine anderen Vergleichsmöglichkeiten sieht. Das ist schon so ein Punkt, wo Kunst subversiv gemacht wird. Man sollte den Zustand des Künstlers eher mit der Versunkenheit eines Kindes vergleichen. Oder der eines Betenden oder eines Tänzers.
Redaktion in Kiel, 25.10.01
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