Heute stelle ich nur einen Beitrag ins Netz, weil er sehr lang ist. Er erreichte mich gestern. Die drei anderen Beiträge, die hier angekommen sind, nehme ich in die nächste Nachricht. Ich achte etwas darauf, dass die Nachrichten ungefähr die gleiche Länge haben. Redaktion in Kiel, 22.11.01
Ozzy: Nach all dieser Zeit wieder in Hamburg zu sein, ist schon seltsam. Es ist kalt hier. Ich höre gerade wieder die LET'S BE FRIENDS von Elvis, sie passt irgendwie zu dem klirrend-klaren Wetter, finde ich. Das war die allererste Schallplatte, die ich von Elvis hatte. Ich möchte mir heute Zeit nehmen für einen längeren Beitrag, denn die Situation könnte sich bald verändern und ich glaube nicht, dass ich ewig so weiter schreiben will.
Die Welt ist schön. Die Menschen mögen in den Krieg ziehen, aber die Welt ist trotzdem schön. Sie ist schön, weil ich hier sein kann. Und ich würde mich freuen, wenn Sibylle J. dasselbe sagen würde. Und der Autonome. Jeder Kampf ist letztlich ein psychologischer Kampf. Ob mit oder ohne Gewalt. Auch beim Krieg geht es am Ende nur darum, den anderen psychologisch kleinzukriegen. Die Terroristen wollten Amerika kleinkriegen, jetzt wollen die Amerikaner die Terroristen kleinkriegen. Ich habe in meinem Leben jede Menge Scheiße erlebt, auch Gewalt, und ich habe mich bislang behauptet, ohne zu Gewalt zu greifen. Vielleicht werde ich nicht so akzeptiert, wie ich möchte, aber wenn ich in den Spiegel sehe, dann sehe ich Ozzy Balou!
Ich liebe es, wie ich bin, denn ich habe mich selbst so gemacht. Ich liebe die Dinge, die ich tue. Logisch, warum sollte ich sie sonst tun? Warum tut ihr die Dinge, die ihr tut? Nicht, weil ihr sie liebt? Ich liebe mich und behandle mich so gut ich kann. Wer sich nicht selbst liebt, kann andere nicht lieben, wer sich nicht selbst respektiert, kann andere nicht respektieren. Ich bin noch nicht lange wieder in Deutschland, aber ich spüre schon wieder, dass es hier irgendwie anders läuft.
Damit meine ich nicht einzelne Personen aus dieser Chronik, die ja etwas tun und auch mit mir reden. Nein nein, euch da draußen meine ich. Die Gesellschaft. Ich will nur sein, wie ich bin. Das scheint den Normen zu widersprechen. Und dagegen wehre ich mich. Mir wurde Kraft genommen und ich möchte sie mir von den Leuten wiederholen, die sie mir genommen haben.
Genug davon! Kommen wir zu den zwei Dingen, die ich gefragt wurde: die Frage nach dem Was Tun und die Arbeitslosigkeit. Wer danach fragt, was er oder sie tun soll, zeigt, dass er oder sie nicht frei ist, sonst würden sie nicht fragen. Plant nicht! Engt euch nicht ein durch Vorgaben von anderen. Mündig sein bedeutet tun, nicht danach zu fragen, was man tun soll. Und wem stellt ihr diese Frage, mir? Wer bin ich, ein Führer? Sicherlich nicht. Befreit eure innere Stimme und vertraut ihr. Der könnt ihr diese Frage stellen. So mache ich es jedenfalls. In einem Projekt gibt es oft jemanden, der die Führung übernimmt, der den Überblick hat und den anderen sagt, was sie tun sollen, damit das Team sein Ziel erreicht. Aber das Leben ist kein Projekt. Deshalb kann meine Antwort nur sein, dass ihr nach innen suchen müsst, nicht nach außen. Besser noch: nach innen finden müsst, denn finden ist besser als suchen.
Ich kann den Begriff des fraktalen Denkens in die Diskussion bringen. Ein Fraktal ist ein selbstähnliches Motiv, ein Motiv, dass sich selbst im Kleinen beinhaltet und abbildet, zum Beispiel die Apfelmännchen in der Physik. Fraktales Denken heißt, davon auszugehen, dass das Kleine und das Große gleich sind. Der wichtigste Bezugspunkt ist die menschliche Gesellschaft. Die Disposition des Einzelnen spiegelt sich in der Gruppe. Deshalb soll man lernen, sich selbst zu lieben, sonst kann man die anderen nicht lieben. In einer Zweierbeziehung kann man nur glücklich werden, wenn man auch alleine glücklich sein kann. Die Schuld, die wir in uns selbst zulassen, tragen wir in die Gruppe. Die Gruppen tragen sie in die Städte und die Länder und die Kulturen. Insofern kann jeder etwas tun, denn alles fängt beim Individuum an. Wenn ich mehr sagen würde, würde ich anfangen zu predigen, habe ich schon, und da stehe ich eigentlich überhaupt nicht drauf. I'm a Rock'n'Roller, not a preacher.
Eines der schwierigsten Themen der Zeit ist die Arbeitslosigkeit. Seit einem Jahr verstärkt, weil die Wirtschaft schlechter geworden ist, seit einem Monat noch verstärkter, weil sie noch schlechter werden wird. Vielleicht wird die Politik einen Mentalitätswandel nicht erreichen können, die Wirtschaft wird es wohl können. Ökonomische Systeme können nicht endlos wachsen, das wissen wir. In solchen Situationen wie heute suchen Gesellschaften nach neuen Märkten und auch nach Kriegen, denn Kriege können neue Märkte hervorbringen. Zwischen dem Militär und dem Außenhandel besteht eine Verbindung. Das ist altes Denken. Es ändert die Probleme nicht, sondern verschiebt sie nur.
Neues Denken ist die globale Gerechtigkeit, und das ist in erster Linie eine Frage der Wirtschaft. Das geht im Kriegsrummel manchmal etwas unter. Reformen und Reförmchen werden keine Lösung bringen. Die einzige Lösung, die überhaupt funktioniert, ist Gerechtigkeit. Und dahin werden wir auch kommen, wenn wir es wollen. Was aber die Arbeitslosigkeit angeht, so resultiert sie aus unserem System, sie ist Teil des Systems. Der Druck der nächsten Zeit wird dazu führen, dass man nach Alternativen sucht. Not macht erfinderisch. Insgesamt ist es ein strukturelles Problem, es reichen keine Korrekturen. Meiner Ansicht nach bedarf es einer neuen Kultur, um diese ganze Metaphorik, den Mythos vom Arbeitsmarkt, zu ersetzen und nach den tatsächlichen Verhältnissen zu forschen. Ein neues Verständnis von Arbeit, Zeit, Leistung und Glück ist dafür notwendig.
Ich glaube nicht, dass man das planen kann. Für mich kann ich sagen, dass ich Geld mag, aber es ist nicht das Wichtigste für mich und auch nicht das Zweitwichtigste. Bevor ich über Geld nachdenke, denke ich über meinen Glauben nach, über meine Frau, meine Freunde und meine Arbeit. Arbeit hat für mich nichts mit Geld zu tun, sondern mit Arbeit. Ich liebe Arbeit. Der Chef der Deutschen Bank verdient einen zweistelligen Millionenbetrag im Jahr, aber er ist nicht glücklicher als ich. Die Frage ist daher für mich nicht die Arbeitslosigkeit, sondern, wonach wir streben, um glücklich zu sein. Die besten Dinge im Leben kosten sowieso nichts.
Aber ich bin tatsächlich nicht der Richtige, um über die Wirtschaft zu sprechen, denn ich lebe schon lange nicht mehr in der Konsumgesellschaft. Sie war mir in Hamburg zu öde geworden. Ich mag konsumieren, klar, aber es reicht mir lange nicht. Ich gehe von einem ganz anderen Angelpunkt aus, nämlich meinem Schicksal. Im Moment habe ich das Gefühl, meinem Schicksal nah zu sein und mehr kann ich mir gar nicht wünschen. All die Entbehrungen meines Lebens und die ungelebten Träume zeigen mir, wer ich bin und ich bin Ozzy Balou. Ob ich diese Erkenntnis aus der Erfüllung bekomme oder aus der Entbehrung, spielt keine Rolle. Es geht um die Erkenntnis und das Leben selbst. Das bestimmt auch meine Arbeit.
Ich tanze auf den Tischen und trink auf euer Wohl. Ja, ich tanze auf den Tischen, und ich trink auf euer Wohl. Und wenn ihr morgen noch lebt, spiel ich morgen noch den Rock'n'Roll.
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