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ARTIKEL 2004
Weiter Artikel 2002-2003

08.07.2005: Terror in London
08.04.2006: Sanktionen gegen Palästina?
20.06.2006: Das Argument der Unvergleichbarkeit
24.07.2006: Ein Zeitfenster für Nahost
16.08.2006: Israelische Sicherheitskriege
19.11.2006: Morddrohung gegen israelkritischen Journalisten
15.12.2006: Das Mantra des Existenzrechts Israels
25.04.2007: Wen repräsentiert die Generaldelegation Palästinas in Deutschland?
10.05.2007: Palästina-Diskurs im Wandel. Einige Basisgedanken
07.06.2007: Offener Brief an das Landesamt für Verfassungsschutz in Hamburg
01/2008: Rezension der Studie „Muslime in Deutschland“ (pdf)
17.07.2008: Islam in Deutschland im 21. Jh. (pdf)
18.07.2008: Palästina 60 Jahre danach (pdf)
28.07.2008: Ist Gaza unter Besatzung oder nicht? Free-Gaza-Boote in Kürze unterwegs
22.08.2008: Free-Gaza-Projekt schon jetzt großer Erfolg - Israelische Reaktionen
13.09.2008: Italienischer Opern-Tenor Joe Fallisi nimmt an nächster Free-Gaza-Reise teil
14.03.2009: Nach Gaza - Deutsche Öffentlichkeit übt Solidarität
01.07.2009: 21 Free-Gaza-Menschenrechtler von Israel verschleppt
04.02.2010: Iran, Gaza und eine Politik, die über dem Recht steht
10.04.2010: Ist die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte/IGFM tendenziös?
11.04.2010: Großer Konvoi im Mai: Free Palestine Movement fährt mit dem Schiff nach Gaza
10.11.2011: Saeed Amireh über gewaltlosen Widerstand in Ni'lin
01.12.2011: „Kritische Linke“ an der Uni Mainz will Menschenrechtsgruppe ausgrenzen
20.11.2012: Gaza und die Israel-Lüge
31.07.2014: Alice Miller in Gaza
30.11.2014: Bekenntnisdemokratie: Wem nützt das Nazivergleichsverbot?
15.07.2017: Der verschobene moralische Mittelpunkt
Articles 2002-2003

2005/07/08: Terror in London
2006/04/08: Sanctions against Palestine?
2006/06/20: Das Argument der Unvergleichbarkeit
2006/07/24: A Time Window for the Middle East
2006/08/16: Israeli Security Wars
2006/11/19: Life of Journalist Critical of Israel Threatened
2006/12/15: The Mantra of Israel's Right of Existence
2007/04/25: Wen repräsentiert die Generaldelegation Palästinas in Deutschland?
2007/05/10: Palestine Discourse in Transition. Some Basic Thoughts
2007/06/07: Offener Brief an das Landesamt für Verfassungsschutz in Hamburg
2008/01: Rezension der Studie „Muslime in Deutschland“ (pdf)
2008/07/17: Islam in Deutschland im 21. Jh. (pdf)
2008/07/18: Palästina 60 Jahre danach (pdf)
2008/07/28: Is Gaza under occupation or not? Free Gaza boats about to find out more
2008/08/22: Free Gaza Project Already Big Success - Israeli Responses
2008/09/13: Italian Opera Tenor Joe Fallisi to Join Next Free Gaza Voyage
2009/03/14: Nach Gaza - Deutsche Öffentlichkeit übt Solidarität
2009/07/01: 21 Free-Gaza-Menschenrechtler von Israel verschleppt
2010/02/04: Iran, Gaza und eine Politik, die über dem Recht steht
2010/04/10: Is the International Society for Human Rigths (ISHR Germany) Biased?
2010/04/11: Großer Konvoi im Mai: Free Palestine Movement fährt mit dem Schiff nach Gaza
2011/11/10: Saeed Amireh about Nonviolent Resistance in Ni'lin
2011/12/01: „Kritische Linke“ an der Uni Mainz will Menschenrechtsgruppe ausgrenzen
2012/11/20: Gaza and the Israel Lie
2014/07/31: Alice Miller in Gaza
2014/11/30: Democracy of Avowals: Who Profits from the Ban of Nazi Comparisons?
2017/07/15: The Shifted Moral Center
Israelische Sicherheitskriege
Anis Hamadeh, 16.08.2006

Die historische und berechtigte Wut der jüdischen Pionier-Gesellschaft in Palästina richtete sich nicht auf Europa. Inwiefern ist der Nahostkonflikt eine verschobene Rache an Hitler, fragt Medienkritiker Anis Hamadeh.

Selten in den letzten Jahren hat ein Krieg so schnell begonnen: Einen Tag nach einem Grenzzwischenfall, wie es ihn häufiger in der Gegend gegeben hat - auch von Israel ausgehend - wurde der Flughafen von Beirut zerbombt, gefolgt von einer Verwüstung des Libanon. Die Mainstream-Öffentlichkeit nennt zumeist die Hisbollah als Ursache des Krieges, oder gleich "den Islamismus", und den Grenzvorfall als Anlass. Oder sie spricht gar nicht über die Ursachen, das ist noch häufiger. Betrachtet man allerdings die Entwicklung der Nahostpolitik Israels seit seiner Gründung und speziell seit dem Elften September, so ist eine zunehmende Gewalttätigkeit zu erkennen, von der Einführung öffentlicher Hinrichtungen bis zum Bau der Erstickungsmauer.

Die Beschwörung des "Existenzrechts" Israels und der "Bedrohung des antisemitischen Islamismus" reicht nach wie vor dafür aus, dass aus Kritik an Israel keine Sanktionen werden können. Sanktionen gegen Israel? Undenkbar. Eine Verurteilung Israels findet nicht statt. Man kann die Hisbollah verurteilen, den Iran, die Palästinenser, aber nicht Israel. Man kann im Terrorfall von London von muslimischen Tätern sprechen, im Fall der israelischen Gewalt aber nicht von jüdischen Tätern. In London ist es klar, dass die Muslime scheel angesehen werden. Wenn aber Juden scheel angesehen werden, dann werden mahnend Bilder des Juden emporgehoben. Gerecht ist das alles nicht.

Dass hier ein Tabu herrscht, wird kaum geleugnet. Die Öffentlichkeit nennt es zumeist "besonderes Verhältnis" oder "Verantwortung", wenn sie Israel durch ihre rosa Brille sehend beschreibt. Die Opfer des Genozids werden in diesen Staat hineinprojiziert, von außen und von innen, ein Hafen der Sicherheit für Juden soll er sein. Ist er das wirklich? Wenn eine Pionier-Gesellschaft wie in den 40er-Jahren die der Juden in Palästina tatsächlich Sicherheit gewünscht hätte, hätte der Staat sich in Absprache mit den Nachbarn gegründet. al-Dschaar qabl ad-daar, sagt ein arabisches Sprichwort, den Nachbarn (suche dir aus) vor dem Haus. Auch mit der Vertreibung und Enteignung der 800.000 und später weiteren 600.000 Einheimischen wurde bestimmt keine Sicherheit generiert, sondern es wurden Konflikte programmiert.

Warum ist das geschehen? Inwieweit geht es dabei um den nicht verarbeiteten Konflikt aus Deutschland, dem die Rituale und Symbole nicht reichen, um mit dem Schmerz aus den Gaskammern umgehen zu können? Das Kind, das vom Vater geschlagen wurde, wird später selbst geneigt sein, die eigenen Kinder zu schlagen, wenn es nicht in der Lage ist, den Täter einmal von ganzem Herzen zu verurteilen und seine Tat in ganzer Tragweite zu erkennen. Eine solche Verurteilung deutscher Täter hat es zwar gegeben, aber nicht konsequent und oftmals spät. Die Zusammenarbeit zwischen Nationalsozialismus und Zionismus ist ebenfalls nicht aufgearbeitet worden. Die gewaltige - und berechtigte - Wut der neuen jüdischen Gesellschaft in Palästina hat sich nicht erkennbar auf Europa und die Ursachen des Genozids bezogen. Stattdessen wurde der wehrhafte Jude erfunden, zu spät, vielleicht nachträglich, jedenfalls in einer anderen Umgebung und unter anderen Voraussetzungen.

Es gibt gute Gründe, die These zu vertreten, dass das schwebende und traumatische deutsch-jüdische Verhältnis im Nahostkonflikt seine Manifestation findet. Dabei wird der Gegner, der benötigt wird, um das Trauma aufrecht zu erhalten, selbst geschaffen. Der Frankenstein-Effekt. Hamas und Hisbollah sind gute Beispiele dafür, auch die Attentäter. Es ist eine Binsenweisheit, dass Okkupation und niedriger Lebensstandard zu Radikalisierung führen. Wer das über Jahrzehnte zulässt, der will eine solche Radikalisierung. Dass es sich dabei auch um eine verschobene Rache an Hitler handelt, zeigen zusätzlich die vielen Vergleiche zwischen dem Widerstand der Einheimischen/Nachbarstaaten und den Nazis. Hätten die Juden in Südamerika gesiedelt statt in Palästina, wäre nach Vertreibungen und Enteignungen dort dasselbe passiert wie im arabischen Widerstand. Ohne Antisemitismus scheint Israel keine Existenz zu haben, keine Definition. Das ist ein trauriger Aspekt.

Was nach einer hinreichenden Verarbeitung des jüdisch-deutschen Traumas entstehen wird ist klar: ein Bewusstsein über das gleiche Recht aller Menschen, Juden und Nicht-Juden. Die Öffentlichkeit wird nicht mehr fragen: "Ist das gut für die Juden"? sondern: "Ist das gut für die Menschen"? Sie wird nicht mehr sagen, dass im Nahen Osten andere Maßstäbe gelten als im Westen, denn es wird keine unterschiedlichen Maßstäbe mehr geben. Dass dieser Tag kommt, ist gewiss, denn die Entwicklung des jüdischen Staates ist im Stadium der Selbstzerstörung angekommen. Das Gerede von Sicherheitskriegen, um Juden zu beschützen: eine Lüge, von Anfang an.

Israeli Security Wars
Anis Hamadeh, August 16, 2006

The historical and justified anger of the Jewish pioneer society in Palestine was not directed to Europe. How far is the Middle East conflict a shifted revenge on Hitler, asks media critic Anis Hamadeh.

Rarely in recent years had a war begun with such rapidity: one day after a border incident of the kind that had regularly occurred before in the region - some of them caused by Israel - the Beirut airport was bombed, followed by a devastation of Lebanon. The mainstream publics in the West mostly refer to Hezbollah as the cause of the war, or even "Islamism", and the incident near the border as the inducement and starting. Or, more common, the causes are not mentioned, at all. Yet when we look at the development of Israel's Middle East policy since its foundation and especially since 9/11, an increasing use of violence can be observed, from the introduction of public executions to the building of the stifling wall.

It still suffices to evoke Israel's "right of existence" and the "threat of anti-Semitic Islamism" to prevent Israel criticism from turning into sanctions. Sanctions against Israel? Unthinkable. A conviction of Israel does not take place. One can convict Hezbollah, Iran, the Palestinians, but not Israel. In the London terror case one can speak of Muslim perpetrators, but in the case of Israeli violence one cannot speak of Jewish perpetrators. In London it is almost normal that Muslims are being sneered at. But when Jews are being sneered at, warning pictures of the Jew are raised. All this is far from justice.

Hardly anybody denies the existence of the taboo. The German public, for example, usually calls it the "special relationship" or "responsibility", when it takes its transfigured view of Israel. The victims of the genocide are projected into this state, both from outside and from within, it is meant to be a harbor of safety for Jews. Is this really what it is? If a pioneer society like in the 1940s the one of the Jews in Palestine had factually wished security, it would have agreed on the circumstances of the foundation with its neighbors. al-Jaar qabl ad-daar, an Arab proverb says, the neighbor (choose) before the house. Neither was the expulsion and expropriation of 800.000 and later another 600.000 native inhabitants a means to generate security, it programmed conflicts.

Why did this happen? How far is the unresolved German conflict involved the rituals and symbols of which do not suffice to cope with the pain from the gas chambers? The child, which was beaten by the father, will in later times tend to beat the own children in turn, if he or she is not capable of convicting the perpetrator wholeheartedly once and of recognizing the momentousness of the deed. Such a conviction of German perpetrator did take place, but not consequently and often late. Moreover, the cooperations between National Socialism and Zionism have not been publically discussed yet. The tremendous - and justified - anger of the new Jewish society in Palestine did not identifiably refer to Europe and the roots of the genocide. Instead, the valiant Jew was invented, too late, maybe in retroaction, at any rate in a different environment and under different suppositions.

There are good reasons to hold the thesis that the pending and traumatic German Jewish relationship finds its manifestation in the Middle East conflict. The opponent, which is necessary for keeping up the trauma, is created in a Frankenstein way. Hamas and Hezbollah are good examples for that, the suicide bombers, too. It is commonplace knowledge that occupation and low standards of living lead to radicalization. Who allows this to happen over decades will want such a radicalization. The many comparisons between the resistance of the native population/neighbor countries and the Nazis additionally show that a shifted revenge on Hitler is a factor in this situation. Had the Jews settled in South America instead of Palestine, after expulsions and dispossessions the same things would have happened as in the Arab resistance. Without anti-Semitism, Israel seems to have no existence, no definition. This is a sad aspect.

It is clear what will happen after a sufficient digestion of the Jewish German trauma: there will be an awareness of the same right for all people, Jews and non-Jews. The public will no longer ask: "Is this good for the Jews?" but: "Is this good for the people?" It will no longer say that there are different measures in the Middle East than in the West, because there will no longer be different measures. That this day will come is certain, for the development of the Jewish state arrived in the phase of self-destruction. The whole talk about security wars to protect Jews: a lie, right from the beginning.

Terror in London
Anis Hamadeh, July 8, 2005

The helplessness, with which the western publics react on the terrible London blasts is frightening, but not surprising. Mainstream media and political parties condemn the act and swear to defy and brave terror and to continue intensifying the security measures. Transported in the media are defiance, determination and solidarity with the victims, very similar to the time of the massacre in the USA. Following defiance then was the attack on Afghanistan and later on Iraq. It is a pattern. For the last almost four years the general situation has deteriorated considerably. As the order policy has not changed there is no reason to suggest that terrorism will diminish. Rather, the opposite can be expected, the empirical data show it.

But we know in which contexts terrorism comes into being and also that it can only be defeated by way of cutting its ground. Belonging to this concept is that the governments in the world respect the human rights themselves and not violate them in a blatant way like in the illegal war on Iraq which is continuing until this very moment. Even Germany, which allegedly rejected the war on Iraq, is not prepared to recognize this war as being co-responsible and causal for following terror and to consequently reject the use of EVERY illegal violence, including the one committed by governments and states, in order to see the total violence which the situation provides.

One of the reasons why such a self-criticism remains unformulated in the mainstream is that the purely repressive Israeli policy of combatting terror would have to be questioned consequently. Yet this would be considered as anti-Semitic by a significant part of the mainstream, again evident from the experiences of the public discourse. Another reason is that the western ties with the USA are manifestly stronger and more important than international law. Also, Russia's Chechenia policy and China's Tibet policy would have to be newly assessed in consequence. As all this is much too tiring people concentrate on the evil terrorists and think about what to do with them.

Tony Blair is not credible when he talks about values, because he has violated international law himself and is co-responsible for the death of many people. His own policy was and is violent. There were more than 50 killed and 700 injured in London, this is a horror. Which spirits have we called here? Can we really be satisfied with defiance, contrariness and determined decisiveness when we know that this cannot lead to a relaxation?

When being defiant one focusses on an enemy and not on the situation. Self-criticism can quickly be regarded as a justification and relativization of a hostile attack. As a relativization of the good/evil dualism which methodically enables us to avoid conflicts instead of solving them. Only that it is irresponsible when we shift the focus in this way and leave important causalities unconsidered, because it will return back to the societies, as we have witnessed and as we will continue to witness if things do not change.

Terror in London
Anis Hamadeh, 08.07.05

Die Hilflosigkeit, mit der die westlichen Öffentlichkeiten auf die fürchterlichen Londoner Anschläge reagieren, ist beängstigend, aber nicht überraschend. Die Mainstream-Medien und die Parteien verurteilen die Tat und schwören, dem Terror zu trotzen und die Sicherheitsmaßnahmen weiter zu verschärfen. Es sind Trotz, Entschiedenheit und Solidarität mit den Opfern, die in den Medien transportiert werden, ganz ähnlich wie nach dem Massaker in den USA. Auf diesen Trotz folgte damals der Angriff auf Afghanistan und später der auf den Irak. Es ist ein Muster. Die Gesamtsituation hat sich in diesen knapp vier Jahren erheblich verschlechtert. Da sich die Ordnungspolitik nicht geändert hat, gibt es keinen Grund anzunehmen, dass der Terrorismus abnimmt, vielmehr ist aufgrund der empirischen Daten das Gegenteil zu erwarten.

Dabei ist sowohl bekannt, in welchen Zusammenhängen Terrorismus entsteht als auch, dass er allein dadurch zu besiegen ist, dass man ihm den Boden entzieht. Dazu gehört, dass die Regierungen der Welt selbst die Menschenrechte beachten und nicht derart eklatant brechen wie im völkerrechtswidrigen Irakkrieg, der nach wie vor stattfindet. Selbst Deutschland, das den Irakkrieg angeblich abgelehnt hat, ist nicht bereit, diesen Krieg als mitverantwortlich und ursächlich für folgenden Terror zu erkennen und sich gleichermaßen gegen die Anwendung JEDER illegalen Gewalt zu bekennen, auch der von Regierungen und Staaten, und die Gesamtgewalt zu sehen.

Zu den Gründen dafür, warum eine solche Selbstkritik ausbleibt, gehört, dass dann auch die rein repressive israelische Politik der Terrorbekämpfung konsequent in Frage gestellt werden müsste. Dies aber würde von einem erheblichen Teil des Mainstream als antisemitisch gewertet werden, wiederum ersichtlich aus den Erfahrungen des öffentlichen Diskurses. Ein anderer Grund ist, dass die Westbindung an die USA ganz offenbar wichtiger ist als internationales Recht. Auch Russlands Tschetschenienpolitik, Chinas Tibetpolitik und andere würden konsequent neu bewertet werden müssen. Weil dies alles zu anstrengend ist, konzentriert man sich auf die bösen Terroristen und überlegt, was man mit ihnen machen kann.

Tony Blair ist nicht glaubwürdig, wenn er über Werte spricht, denn er hat das Völkerrecht gebrochen und den Tod vieler Menschen mitzuverantworten. Seine eigene Politik war und ist gewalttätig. In London hat es über 50 Tote und 700 Verletzte gegeben, das ist ein Horror. Welche Geister haben wir da gerufen? Können wir uns wirklich mit Trotz und Entschlossenheit zufrieden geben, wenn wir wissen, dass dies nicht zu einer Entspannung führen kann?

Im Zustand des Trotzes fokussiert man auf einen Feind und nicht auf die Situation. Selbstkritik wird dann schnell als Rechtfertigung oder Relativierung des feindlichen Angriffs angesehen. Als Relativierung des Gut-Böse-Dualismus, der uns methodisch ermöglicht, Konflikten aus dem Weg zu gehen anstatt sie zu lösen. Nur ist es unverantwortlich, wenn man den Fokus derart verschiebt und dabei wichtige Zusammenhänge nicht berücksichtigt, weil es auf die Gesellschaft zurückfällt, so wie wir es erlebt haben und weiter erleben werden, wenn sich nichts ändert.

Sanktionen gegen Palästina?
Anis Hamadeh, 08.04.2006

Die EU und die USA haben die Überweisung von Hilfsgeldern für Palästina eingestellt. Wie aus den Medien hervorgeht, ist dies als Bestrafung der palästinensischen Gesellschaft gedacht, da sie die falsche Partei gewählt hat. Zwar sollte nach Ansicht des Westens diese Wahl demokratisch sein, allerdings unter der Bedingung, dass eine bestimmte Partei als Siegerin daraus hervorgeht. Der Hamas, die die Wahl gewonnen hat, werden drei Dinge vorgeworfen: dass sie das Existenzrecht Israels nicht anerkennt, dass sie der Gewalt nicht abschwört und dass sie bestehende Verträge nicht einhält.

Ist das nicht zynisch, könnte jemand einwerfen, da diese drei Dinge den jüdischen Staat besser charakterisieren als die palästinensische Seite: Israel hat das Existenzrecht der indigenen Bevölkerung nie anerkannt. Israel hat auch nie der Gewalt abgeschworen, im Gegenteil, es brüstet sich mit seinen "gezielten Tötungen" und ständigen militärischen Angriffen. Israel hält drittens keine Verträge und UNO-Resolutionen ein, sondern entscheidet grundsätzlich unilateral. Die Palästinenser haben weder gleiche Rechte, noch einen Staat oder eine Armee, noch eine vernünftige Infrastruktur. Daher ist es so gut wie unerheblich, wie sich die Palästinenser verhalten, denn die Macht zur Veränderung liegt nicht bei ihnen.

Die Beschwörung des Existenzrechts Israels ist zweifellos unmittelbar mit dem Genozid an den Juden verknüpft, der von Deutschen und Europäern begangen wurde. Hinter den Forderungen an die Hamas steht der Gedanke "Nie wieder Hitler", der zuvor der Fatah zugeschrieben worden war. Palästinenser werden also nicht nach der palästinensischen Geschichte, sondern nach der deutschen und jüdischen Geschichte beurteilt.

Viele Palästinenser fragen sich dennoch, wie ausgerechnet Deutschland einen Staat so bedingungslos unterstützen kann, der mit Waffengewalt herrscht, der eine dubiose Rassentrennung praktiziert, der eine Blut-und-Boden-Ideologie verfolgt, sich rechtlose Untermenschen schafft, der sich Lebensraum im Osten nimmt und sich um die Menschenrechte und das internationale Recht nicht schert, da er sich als rassisch und/oder religiös höherwertig sieht im Vergleich zu anderen Staaten.

Man muss sich dabei vor Augen halten, dass die Nazigeschichte nicht hinreichend verarbeitet ist und das stereotype Denken noch immer vorherrscht, nach dem es inhärent gute und böse Völker beziehungsweise Gesellschaften gibt. Die deutsche Öffentlichkeit ist nach wie vor unfähig, anders als rassistisch über Juden zu denken. Wenn es nicht die Bösen sind, dann sind es die Guten, und ihre Gegner sind die Bösen. Anders lässt sich das absurde Verhalten gegenüber den Palästinensern nicht erklären.

Wenn man das Naziböse in den Palästinensern sucht, muss man es nicht in der eigenen Geschichte und Gegenwart suchen. Analog dazu werden in der aktuellen Einbürgerungsdebatte die humanistischen Werte, die man selbst nicht erreichen kann, den Anderen als Maßstab zugewiesen und es wird von sich selbst abgelenkt. Psychologisch gesehen ist dies der - erfolglose - Versuch, das Böse abzuspalten, um es nicht mit der eigenen Identität in Verbindung bringen zu müssen.

Nur die Besetzung der Rollen hat sich verändert. Die Ideologie und die Mechanismen, die zum Genozid an den Juden im Westen geführt haben, bestehen nach wie vor. Auf der zeitgemäßen zivilisatorischen Stufe natürlich, es werden keine Gaskammern mehr eingesetzt. Nur so kann das jüdisch-westliche Trauma aufrecht erhalten werden, indem es immer wieder unreflektiert an ursprünglich unbeteiligten Parteien ausgelebt wird. Wir können das jetzt nicht ändern. Aber wir können es erklären.

Sanctions against Palestine?
Anis Hamadeh, April 08, 2006

The EU and the USA have suspended the transfer of subsidies for Palestine. It could be derived from the media that this act is meant to be a punishment of the Palestinian society for having voted for the wrong party. The West did want these elections to be democratic, but under the condition that a certain party wins. Hamas, who won the elections, is reproached with three issues: that it does not acknowledge Israel's right of existence, that it does not renounce violence, and that it does not abide by existing contracts.

Isn't this cynical, one could object, as these three items characterize the Jewish State much better than the Palestinian side: Israel has never acknowledged the right of existence of the indigenous population. Israel has never renounced violence, either. On the contrary, it is gloating about its "targeted killings" and its continuous military attacks. Israel, thirdly, does not abide by contracts and does not comply with UN resolutions, but makes unilateral decisions by principle. The Palestinians neither have the same rights, nor a state or an army, nor a decent infrastructure. Therefore the way the Palestinians behave is almost irrelevant, for the power for change is not in their hands.

Beyond doubt, the invocation of Israel's right of existence is immediately connected with the genocide of the Jews committed by Germans and Europeans. Behind the demands addressed to Hamas there is the notion of "Never again Hitler" which before had been ascribed to Fatah. Thus Palestinians are not assessed according to Palestinian history, but according to German and Jewish history.

Still many Palestinians ask themselves how Germany of all countries can so unconditionally support a state which is ruling with the power of weapons, which is practising a dubious segregation of races, pursueing a blood-and-soil ideology, creating rightless subhumans, taking living space in the East and a state that does not care for the human rights and international law, as it considers itself to be racially and/or religiously superior, compared with other states.

One has to be aware of the fact that the Nazi history has not sufficiently been digested and a mindset of stereotypes still prevails according to which there are inherently good and evil peoples and societies. The German public until today is unable to conceptualize Jews in non-racist terms. If they are not the evil guys they are the good guys and their opponents are the evil guys. There is no other way to explain the absurd behavior towards the Palestinians.

When one searches for the Nazi evil in the Palestinians one does not have to search for it in the own past and present. Analogously, in the current immigration debate those humanistic values, that Germany is unable to fulfill, are projected to measure "the other", distracting from the own behavior. Psychologically, this is the - failing - attempt to chip evil, so that it will not stand in one context with the own identity.

Only the cast of the roles has changed. The ideology and the mechanisms, which had led to the genocide of the Jews in the West, are valid like before. On the contemporary level, certainly, there are no gas chambers employed anymore. This is the only way to keep the Jewish western trauma working, by continuously inflicting it in an unreflected way upon originally uninvolved parties. We cannot change this now. But we can explain it.

Das Argument der Unvergleichbarkeit
Anis Hamadeh, 20.06.2006

Wenn es um Palästina geht, habe ich schon manches Mal von gut meinenden Mitbürgern ein Kopfschütteln bekommen. Ich solle mich da nicht so reinsteigern... Man könne doch nichts ändern... Ich solle an meine Gesundheit und an meine Karriere denken. In Deutschland werde es erst in vielen Jahren möglich sein, über bestimmte Dinge zu sprechen.

Schwer zu vermitteln ist die Verantwortung, die Menschen fühlen, denn Gefühle sind allgemein schwer zu vermitteln. Wenn ich über Palästina spreche, dann nicht in erster Linie, weil ich palästinensische Wurzeln habe, sondern weil ich Deutscher bin. Es gibt für mich keine Möglichkeit, den autoritären Staat zu dulden, weil ich Deutscher bin. Der autoritäre Staat führt zu Leid und Elend, er hat im Extrem den deutschen Faschismus hervorgebracht. Alice Miller hat in Ihren Büchern plausibel analysiert, dass es menschliche Mechanismen sind, die den Faschismus gebären. Die Verleugnung des Individuums, die Hierarchie, der Rassismus, Militarisierung, Ausbeutung, die traumatische Übertragung von Gewalt.

Noch immer wird hier zu Lande argumentiert, dass man die Nazigräuel mit nichts vergleichen kann. Der industrielle Massenmord, das war unvergleichlich deutsch. Wie vermessen und eigensüchtig, so etwas zu behaupten! Die Wannsee-Konferenz war 1942, nicht 1933 oder noch früher. Irgendwo hat es angefangen, bis es zur Entscheidung kam, die Juden systematisch zu vergasen. 1942 war die Nazimacht bereits sehr groß. Die Behauptung, dass der deutsche Massenmord an den Juden unvergleichlich war, schützt also die damalige Gesellschaft. Sie hätte es niemals ahnen können, wenn es sich um etwas handelt, das mit nichts zu vergleichen ist. So leicht wollen wir es uns aber nicht machen.

Der offene Rassismus gegen Juden war früher deutlich, lange vor der Reichskristallnacht 1938. Wikipedia sagt, die Reichskristallnacht stelle den Übergang dar "von der Diskriminierung und Ausgrenzung der deutschen Juden seit 1933 zur systematischen Verfolgung, die knapp drei Jahre später in den Holocaust an den europäischen Juden mündete." Es ist notwendig zu verstehen, dass dies gesellschaftliche Mechanismen sind, und nicht nationale Eigenarten oder solche von bestimmten Gruppen.

Die Ausblendung des palästinensischen Leids in meiner deutschen Gesellschaft erinnert mich frappierend an die Verdrängung des jüdischen Leids in Deutschland während des Faschismus. Ich denke zum Beispiel an den Film "Aus einem deutschen Leben" (1977) mit Götz George, in dem diese bedrückende tägliche Wohnzimmer-Normalität stattfindet, während nebenan Menschen gequält werden. Auch jetzt während der Fußball-Weltmeisterschaft denke ich: Die Deutschen (können ohne weiteres) wissen, dass in Palästina Menschen unterdrückt und getötet werden und sie können sich schon zusammenreimen, dass da auch Rache an Hitler eine Rolle spielt. Immerhin wurden bislang sämtliche palästinensische Führungen mit Hitler verglichen und die palästinensische Gesellschaft mit den Nazis. (Da hört die Unvergleichbarkeit erstaunlicherweise auf.)

Die deutsche Öffentlichkeit sagt aber nichts dazu. Sie sagt nicht: Moment mal, die Nazis, das waren wir. Lasst doch die Palästinenser in Ruhe. Nein, die deutsche Öffentlichkeit ist froh, dass sie so ein gutes Verhältnis zu Israel hat. Der offene Rassismus der Zionisten stört dabei überhaupt nicht. Die Gaskammern, das war schlimm, alles andere ist egal. Der letzte Politiker, der bei uns Israel kritisiert hat, war Herr Möllemann. Bis heute ist sein Name noch stärker tabu als das Wort "Zionismus".

Der Journalist einer konservativen Zeitung hat mir einmal geschrieben, dass es in Deutschland gar nicht mehr zum Faschismus kommen könne, weil wir ja eine freie Presse haben. Er vergaß zu erwähnen, dass die Presse gleichzeitig eine Verantwortung gegenüber unseren Bündnispartnern zu erfüllen hat.

Niemand in Deutschland oder in Israel wird sagen können, er habe nichts gewusst. Die täglichen und eskalierenden Menschenrechtsverletzungen der Israelis gegenüber den Palästinensern sind seit Jahren und Jahrzehnten offensichtlich. Wenn es zu dem Punkt kommt, an dem die Situation von der Diskriminierung und Ausgrenzung zur systematischen Verfolgung einer Gesellschaft übergeht, dann wird niemand glaubwürdig sagen können, er habe nichts gewusst. Trotz aller Desinformation der Medien und der Politiker, die "Israel beschützen" wollen und sich mit dem Terrorismus-Argument und dem Islam-Argument lächerlich machen. Sie bestätigen nur, dass der Zweite Weltkrieg in den Köpfen andauert und von denselben Köpfen übertragen und weitergeführt wird. Gelernt? Warum lernen aus dem Unvergleichlichen? Es kommt ja sowieso nicht wieder.

Niemand kann mit dem Argument der Unvergleichbarkeit der Nazigräuel seine Mitschuld an der palästinensischen Tragödie verringern. Niemand in Deutschland wird sagen können: Wir haben so eine große Schuld auf uns genommen, da ist die kleinere nicht der Rede wert.

Ein Zeitfenster für Nahost
Anis Hamadeh, 24.07.2006

Es war nach der Sendung von Christiansen. Ich saß mit einem Freund aus Gaza vor dem Fernseher und meinte versunken: "Vielleicht gibt es ein Zeitfenster für Nahost." Wir standen beide noch unter dem emotionalen Eindruck der Talk-Runde. Naja, fuhr ich fort, wenn man sich mal für einen kurzen Moment von den Bomben nicht irritieren lässt und sich die Situation anschaut. Es fängt doch alles im Kopf an. Schauen wir also in die Köpfe! Mein Freund hob daraufhin zu einem langen Monolog an und tippte mir mit dem Finger ans Bein, sobald ich sprechen wollte. Er erzählte mir Geschichten, die er erlebt hatte und schien einen Einwand zu haben. Vielleicht waren die Bomben zu real und konnten nicht weggedacht werden. Ich versuchte dennoch, meine Idee zu artikulieren.

Wir sind an dem Punkt angekommen, an dem die Araber und Muslime verstehen, dass Israel eine Realität ist, mit der sie sich abfinden müssen. Selbst die, die kämpfen. Gleichzeitig verstehen die Israelis jeden Tag ein bisschen besser, dass ihre Strategie nicht funktioniert. Da muss doch etwas zu machen sein. "Aber was denn?" fragte mein Gegenüber. Naja, du hast doch gehört, was Herr Lapid, der frühere Justizminister Israels, in der Sendung gesagt hat: Die Juden sind eigentlich Musiker und Dichter, Intellektuelle. Sie wollen diese ganzen Kriege nicht und sind friedlich. Er hat explizit Leute wie Daniel Barenboim genannt. Kennst du den? "Nur von dem Statement, das wir gerade gehört haben", sagte er. Es ist so, fuhr ich fort, dass im Moment genau die jüdischen Intellektuellen und Künstler warnen, so laut sie nur können. Nicht alle natürlich, aber ich kenne viele. "Ja, gut, aber wie weiter?"

Herr Lapid hat doch in der Sendung immer wieder betont, dass er sich als Jude in seiner Existenz bedroht fühlt und dass er immer an die Nazigräuel und den Holocaust denken muss. Er sagte: "Ich bin doch ein sympathischer Mensch, warum sollte man mich töten wollen?" In der Argumentation der jüdischen Israelis sieht man immer wieder die Existenzangst, sie wohnt im Wort "Existenzrecht". Es ist notwendig, dass die Ereignisse des Zweiten Weltkriegs nicht mit den Ereignissen im Nahen Osten vermischt werden, weil nur so ein kühler Kopf zu wahren ist. Der antijüdische Wahn, der war im Zweiten Weltkrieg. Was danach in Palästina geschah, war definitiv ein neuer Anfang. Um die Staatsgründung 1948 herum wurden 800.000 einheimische Menschen vertrieben und enteignet, heute gibt es fünf Millionen Flüchtlinge, von denen kaum jemand spricht. Bis heute ist Israel geografisch nicht definiert und bis heute gibt es Unterdrückung, die zu Unmut und Verzweiflung führt. Deutschland und der Westen haben jetzt eine Gelegenheit, diese Fakten zu vermitteln. "Warum jetzt?" fragte mein Freund.

Weil jetzt die Araber und Muslime bereit sind, trotz allem einen Frieden zu finden. Sie wollen, dass diese Kriege endlich aufhören und sind bereit, dafür etwas zu vergeben. Die Saudis hatten einen guten Vorschlag vor einigen Jahren, der ignoriert wurde. Selbst die Hamas hatte einen langen Waffenstillstand eingehalten. Außerdem kommt Israel mit all der Gewalt nicht weiter, entfremdet sich von seinen Freunden und zieht Ressentiments auf sich. In langsamen Schritten kann Israel seine Maschine herunterfahren. Ein paar Flüchtlinge zurück ins Land lassen, ein paar Checkpoints abbauen. Weniger Panzer. Mehr Genehmigungen ausstellen. Israel wird das einseitig tun, ohne Abstimmung mit anderen Ländern, ohne Verträge. Es wird etwas mehr Luft zum Atmen spüren und ermutigt sein, weiterzumachen. Es wird auch fundamentalistische Muslime geben, die feinfühlig und intelligent genug sind, das jüdisch-deutsche Trauma zu berücksichtigen. Es gibt einige Kräfte, die dagegen wirken, auch starke Kräfte, aber Israel kann es schaffen. Ich spüre, dass es jetzt möglich ist. "Und Iran?" fragte mein Freund und ich sagte ihm, dass, solange Israel Atomwaffen hat, andere sie auch haben wollen.

"Was wirst du tun?" fragte der Mann aus Gaza. Es gibt, erzählte ich ihm, in Deutschland und der Welt durchaus Leute, die das verstehen können. Vielleicht inspiriere ich sie. Ich habe nur meinen Teil, aber da draußen sind viele, die auch etwas haben. Ich sah auf die Uhr. Bis um vier kann ich es schon geschrieben und gesendet haben. Das werden ein paar Tausend Leute lesen, immerhin. Man darf das Feld nicht dem Militär überlassen. Im Internetzeitalter müssen keine Kriege mehr geführt werden. Es gibt immer Möglichkeiten, Frieden herbeizuführen, so wie es immer Möglichkeiten gibt, Krieg herbeizuführen. Die Frage ist, was wir tief im Innersten wollen.

A Time Window for the Middle East
Anis Hamadeh, July 24, 2006

It was after Christiansen, the most popular German talk show. I was sitting with a friend from Gaza watching TV, absorbed in thought, and said: "Maybe there is a time window for the Middle East." Both of us still were under the emotional impression of the program. Well, I continued, if we - only for a short spell of time - do not let the bombs distract us and just look at the situation. It does start in the heads, doesn't it? So let us take a look into the heads! My friend subsequently launched a long monologue and touched my leg with his finger as soon as I wanted to speak. He told me stories he went through and seemed to have an objection. Maybe the bombs were too real and just could not be ignored. Still I tried to articulate my idea.

We arrived at the point where the Arabs and Muslims know that Israel is a reality with which they will have to come to terms. Even those who fight. At the same time the Israelis understand better every day that their strategy does not work. There must be a chance in this. "But what do you want to do?" my vis-à-vis asked. Well, you heard what Mister Lapid, the former Israeli Minister of Justice, said in the program: the Jews originally are musicians and poets, intellectuals. They do not want all these wars and are peaceful. He explicitly named people like Daniel Barenboim. Do you know him? "Only from the statement we just heard", he said. The thing is, I continued, that it is exactly the Jewish intellectuals and artists who warn at the moment as loud as they can. Not all of them, of course, but I know many. "Okay, but what then?"

Mister Lapid emphasized in the program over and over again that he, as a Jew, feels threatened in his existence and that he always has to think of the Nazi atrocities and the Holocaust. He said: "But I am a sympathetic man, why should people want to kill me?" In the argumentation of the Jewish Israelis a fear of existence shows, it dwells in the word "right of existence". It is necessary to not mix up the events of World War II with those in the Middle East, because this is the only way to remain rational. The anti-Jewish delusion, that was World War II. What happened thereafter in Palestine definitively was a new start. There were 800.000 native people expelled and expropriated around the founding of the state in 1948, today there are five million refugees and hardly anybody gives them a voice. Until today Israel is not geographically defined and until today there is oppression that leads to resentment and despair. Germany and the West now have an opportunity to convey these facts. "Why now?" my friend asked.

Because now the Arabs and Muslims are prepared to find peace despite everything. They want these wars to finally end and they are ready to forgive things for this aim. The Saudis did have a good proposal some years ago which was ignored. Even Hamas had kept a long ceasefire. Besides, with all the violence Israel does not get any further, becomes alienated to its friends and attracts resentments. In slow steps Israel can shut down its machine. Let some refugees return to the country, remove some checkpoints. Less tanks. More green lights. Israel will do this unilaterally, without coordination with other countries, without contracts. It will sense a bit more air for breathing and be encouraged to continue. There will also be fundamentalist Muslims who are sensitive and intelligent enough to consider the Jewish-German trauma. There are powers, which work against that, even mighty powers, but Israel can make it. I feel that it is possible now. "And Iran?" asked my friend and I told him that as long as Israel has nuclear weapons others will want to have them, too.

"What will you do?" asked the man from Gaza. I told him that there actually are some people in Germany and in the world who can understand that. Maybe I can inspire them. I only have my part, but there are others out there who have more parts. I looked onto the watch. At four o'clock I can have written and sent it. A couple of thousand people will read it, that's a start. We must not leave the field to the military. In the age of the internet it is not necessary anymore to wage wars. There are always ways to bring about peace, just like there are always ways to bring about war. The question is what we want deep in our hearts.

Morddrohung gegen israelkritischen Journalisten

(Anis Online, 19.11.06) Der in Zürich lebende Recherchejournalist Shraga Elam hat telefonische Morddrohungen erhalten. Am 16ten und 17ten November wurde er mehrfach von einem ihm unbekannten Mann angerufen. Schließlich hinterließ der mit einem russischen Akzent Deutsch sprechende Unbekannte eine Nachricht auf Elams Mailbox. Der Journalist versendete die Audiodatei mit dem Inhalt der 25-sekündigen Botschaft an einige Networker, die sie unter anderem an die Presse weitergeleitet haben. Dort heißt es: "Hallo Shraga, warum nimmst du den Hörer nicht ab bei deinem Mobilfunktelefon? Henryk-M-Broder-Brigaden haben dich zum Tod verurteilt. In deinem Hauseingang (Adresse) wirst du erschossen, wie Politkowskaja, Scheißkerl, Verräter". Die russische Journalistin und Regierungskritikerin Anna Politkowskaja war im Oktober einem Auftragsmord zum Opfer gefallen. Das Audio von Shraga Elam liegt der Redaktion vor. Wie der Bedrohte berichtete, habe es später an der Tür geklingelt, doch er habe nicht aufgemacht.

Shraga Elam, Autor von "Hitlers Fälscher" und Co-Autor von "Die Schweiz am Pranger. Banken, Bosse und die Nazis", ist ein Befürworter der Ein-Staat-Lösung in Palästina/Israel. Er ist in der Friedensbewegung aktiv und ein Kritiker der zionistischen Politik. Man kann ohne Übertreibung sagen, dass er sein Leben der Aufgabe widmet, eine gewaltfreie Zeit in der internationalen Politik zu erreichen. Der in Berlin lebende Journalist Henryk Broder hat sich im Internet mehrfach polemisch mit Shraga Elam auseinandergesetzt. Zwar ist Broder nicht dafür verantwortlich, wenn jemand vorgibt, in seinem Namen oder in Verbindung mit seinem Namen zu sprechen, jedoch schüren Broders aggressive Äußerungen ein Klima, in dem Vorfälle wie der oben dokumentierte wie eine Konsequenz wirken können, wird doch von Broder das gezielte Töten von Menschen in Palästina, im Libanon und anderswo immer wieder öffentlich gerechtfertigt. So werden die Frameworks der nahöstlichen Konflikte zu uns nach Europa getragen.

Schon seit mehreren Jahren warnen alarmierte Networker vor dem Übereifer selbsternannter Antisemitismusjäger, doch die Öffentlichkeit hat dieses Phänomen noch nicht aufgegriffen, wohl weil sie damit in einen Wertekonflikt zu geraten fürchtet. Wenn es ähnliche Drohungen von Seiten gewaltbereiter islamistischer Eiferer gibt, steht es in der Zeitung, vielleicht sogar mit Hintergrundinformationen über die Ziele und Pläne der Ideologie, die dahinter steht. Unsere Pressefreiheit ist in Gefahr! heißt es dann, und: Unsere Journalisten werden bedroht, weil die andere Seite die demokratischen Spielregeln nicht einhält, nach denen man Kritik vertragen muss und nicht mit Gewalt darauf reagieren darf. - Es ist Zeit, über Grenzen zu sprechen. Einschüchterungen liegen jenseits der demokratischen Grenzen, auch wenn sie im Namen des "Kampfes gegen Antisemitismus" geschehen. Hier ist die Öffentlichkeit gefordert, die Politik der Kollateralschäden und Liquidierungen nicht in unsere Kultur einzulassen. Hier ist eine breite Front notwendig.

Ergänzungen unter http://www.palaestina-portal.net/deutsch/palestina/henryk-m-broder-brigaden-morddrohung_shraga_elam.htm

Life of Journalist Critical of Israel Threatened

(Anis Online, Nov. 19, 2006) The Zurich-based research journalist Shraga Elam received threats on his life in telephone calls. On November 16 and 17 he was repeatedly called by a man unknown to him. The stranger, who speaks German with a Russian accent, finally left a message on Elam's mobile mailbox. The audio file with the content of the 25 seconds long message was sent by the journalist to some networkers who forwarded it to the German press and to other networkers. The translation of the message is: "Hello Shraga, why don't you pick up your mobile phone? Henryk M. Broder Brigades have sentenced you to death. In the entrance of your house (address) you will be shot dead, like Politkowskaja, swear word, traitor". The Russian journalist and critic of the government Anna Politkowskaja became a victim in a hired killing in October. Shraga Elam's audio source is here with the editorial office. As the threatened reported there was a frontdoor bell ring later on, but he did not answer.

Shraga Elam, author of "Hitler's Forgers" and co-author of "Switzerland at the pillory. Banks, bosses and the Nazis", is an advocate of the one-state solution in Palestine/Israel. He is active in the peace movement and a critic of the Zionist policy. Without exaggeration, one can say that he is dedicating his life to work for a time without violence in international politics. Journalist Henryk Broder, who lives in Berlin, has several times polemically dealt with Shraga Elam on the internet. It is true that Broder is not responsible for people who claim to speak in or with his name, and yet Broder's aggressive utterances fuel a climate in which incidents like the one documented above almost appear like a consequence, for Broder uses to justify the targeted killings of human beings in Palestine, in Lebanon and elsewhere in public. In this way, the frameworks of Middle Eastern conflicts are being transferred to us in Europe.

Alarmed networkers have been warning of the overzeal of self-declared anti-Semitism hunters for years, but the public has not yet approached this phenomenon, probably in fear of getting into a conflict of values. When there are similar threats from violent Islamist bigots the newspaper report about it, maybe even with background information about the aims and plans of the underlying ideology. Our freedom of press is in danger! people will say, and: our journalists are threatened, because the other side does not comply with the democratic rules according to which one has to bear criticism and not react with violence. - It is time to talk about limits. Intimidations are beyond the democratic limits, even if they are carried out in the name of "battling anti-Semitism". Here the public is required to keep the policy of collateral damages and liquidations from entering our culture. Here a broad front is necessary.

Das Mantra des Existenzrechts Israels
Anis Hamadeh, 15.12.2006

Nach der Errichtung der Mauer, der Einführung von Hinrichtungen, dem Libanonkrieg, dem Einsatz umstrittener Waffen und diversen anderen Ereignissen hat sich die weltweite Empörung über den Staat Israel verstärkt, ebenso wie sich das Engagement der Israel-Apologeten verstärkt hat, die man zum Beispiel regelmäßig in den deutschen Medien treffen kann. Ihr wesentliches Argument ist, dass das Existenzrecht Israels gesichert sein müsse, oft mit Zusätzen wie "bedingungslos", "nicht verhandelbar" oder ähnlichem. Das zu Grunde liegende Szenario lässt sich wie folgt beschreiben: "Die Bürger Israels, der einzigen Demokratie in der Region, leben in ständiger existenzieller Bedrohung. Die Nicht-Demokraten von Hamas, Hisbollah, Syrien, Iran und anderswo, oft von übertriebener islamischer Religion oder purem Judenhass getrieben, wollen Israel vernichten. Da die Juden nicht mehr Opfer der Geschichte sein wollen, wehren sie sich. Deutschland und die Welt haben wegen des Völkermords an den Juden die Pflicht, sie dabei nach Kräften zu unterstützen."

In diesem Denkrahmen, der in unserer Öffentlichkeit maßgeblich ist, stecken mehrere Diskussionspunkte. Zunächst fällt auf, dass die Handlungen des Staates Israel nicht hinsichtlich ihrer Wirkung geprüft werden. Der Fokus liegt auf der Bedrohungssituation, einem Axiom, das nicht aufgeschlüsselt wird. Wie wirken sich beispielsweise die Besatzung und die Siedlungen auf die Sicherheit Israels aus? Hat sich Israel durch die Mauer auf palästinensischem Boden wirklich geschützt? Tragen die internationalen Waffenlieferungen an Israel tatsächlich dazu bei, die politische Lage zu stabilisieren? Oder sind all dies Elemente, die Terror erst hervorrufen? Vieles deutet nämlich darauf hin, dass das Trauma des Zweiten Weltkriegs die Situation in Nahost bestimmt und dies wird am Argument des Existenzrechts Israels am deutlichsten.

Was bedeutet dieses Argument eigentlich? Es wird zwar wie ein Mantra ständig wiederholt und beteuert, aber was genau dahinter steckt bleibt unklar. In welcher Art soll Israel anerkannt werden, von wem und warum überhaupt? Israel existiert doch. Als es gegründet wurde, geschah dies nicht in Absprache mit den Nachbarn oder der UNO. Es geschah auch nicht in den vorgesehenen Grenzen und es wurde begleitet von massenhaften Vertreibungen und Enteignungen der einheimischen Bevölkerung. Dass dies nicht zu großer Beliebtheit in der Region geführt hat, überrascht kaum. Bedeutet die Anerkennung des Existenzrechts Israels, dass diese historischen Tatsachen vernachlässigt werden sollen? Israel hat keine definierten Grenzen, was genau soll da anerkannt werden? Die Besatzung? Die Nichterfüllung von UN-Resolutionen? Ist es der aus gutem Grund bei uns selten erwähnte Zionismus, der anerkannt werden soll oder vielleicht der Philosemitismus? Ist es der Terror, der aufhören soll? Was ist die Ursache dieses Terrors? Und wo ist die Trennlinie zwischen Terror und Widerstand, wer bestimmt diese Linie und mit welcher Kompetenz?

Die These, dass Juden aufgrund ihrer Geschichte und/oder gruppeneigener Merkmale verfolgt werden und in ständiger Bedrohung leben, ist zentral bei der Einforderung dieses ominösen Existenzrechts. Ihr ist ein ideologisches Potenzial inne, da es sich um eine politisch relevante Behauptung handelt, die sich nicht gut beweisen oder widerlegen lässt. Das eigene Verhalten der Gruppe wird dabei außer Acht gelassen. Die selbstdefiniert jüdische Politik in Israel und der Region kann nicht zu Entspannung führen, da sie keine Möglichkeit findet, dem Bedrohungsszenario eine konkrete Wunschvorstellung entgegenzusetzen und dafür zu arbeiten. Dies wird von einigen Analysten als ein Verharren im Trauma gedeutet.

Darüber hinaus kann die Antisemitismus-These wie jede andere "Keiner mag mich"-Aussage zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeihung werden. Das Gefühl von Bedrohung ist subjektiv und geprägt von Ereignissen, die nicht im Nahen Osten stattgefunden haben. Palästina hat weder eine Armee noch gibt es dort schwere Waffen wie in Israel. Dass es dort Widerstand gibt, vereinzelt auch gewaltsamen und ungerechten, ist angesichts der Situation alles andere als verwunderlich. Man kann nicht kollektiv die palästinensische Gesellschaft für diejenigen bestrafen, die Miniraketen aus Gaza abfeuern, ebensowenig wie man Gesellschaften etwa für ihre Fußball-Hooligans oder Kriminellen sanktioniert. Die Kollektivstrafen erzeugen mehr Terror, das ist eine Binsenweisheit. Insofern zerstört sich Israel selbst und dies hat viel mit dem bewusst vagen Begriff des Existenzrechts Israels zu tun. Es sind eben auch die sogenannten Freunde Israels, die durch ihre Laisser-Faire-Haltung und ihre stereotype Darstellung von Juden und Arabern/Muslimen zur Eskalation beitragen.

Wie kann es aber sein, dass das obige Szenario so tief in den Köpfen unserer Öffentlichkeit steckt? Muss nicht etwas dran sein, wenn alle sagen, dass es sich um einen angemessenen Denkrahmen handelt? Zwei Punkte sprechen dagegen: Zum einen gibt es andere Öffentlichkeiten, etwa arabische, in denen andere, gut begründete Szenarien vorkommen. Sie enthalten Informationen, die in diesem Artikel angedeutet wurden und die das Gesamtbild vervollständigen. (Diese arabischen Öffentlichkeiten haben ohne Frage auch ihre eigenen Defekte, sie sind nicht überlegen.)

Zum anderen besteht eine deutliche Diskrepanz zwischen der (frontalen) Öffentlichkeit und den privaten Meinungen. Gerade das Mantrahafte des Existenzarguments deutet ja darauf, dass es um ein Einschwören der Gruppe auf bestimmte, nicht hinterfragbare Wahrheiten geht. Diese Beteuerungsstrategie ist ein Phänomen des Gruppenverhaltens. Es wird nicht für das Existenzrecht aller Beteiligten gestritten, sondern für das einer bestimmten Gruppe, "unserer" Gruppe. Wer dieses Verhalten in der Gruppenöffentlichkeit annimmt, steigt in der Gruppe auf und gewinnt an Prestige. Im Privaten aber ist ein solches Verhalten nicht notwendig. Die Informationen, die wir von der frontalen Öffentlichkeit erhalten, sind daher in ihrer Gesamtheit weder Repräsentation der allgemeinen Meinung noch historischer Tatsachen.

Da es keinen Frieden geben kann, ohne dass die konfligierenden Szenarien auf einer höheren Ebene zusammengeführt werden und da wir uns in einer Zeit der Eskalation befinden, ist es wichtig, dass auch die bedingungslosen Freunde Israels darauf hingewiesen werden, dass ihre Aussagen und ihr Verhalten genau das Gegenteil von dem bewirken können, was sie bewirken sollen.

The Mantra of Israel's Right of Existence
Anis Hamadeh, Dec. 15, 2006

After the construction of the wall, the introduction of executions, the war on Lebanon, the employment of controversial weapons and diverse other events, the worldwide indignation about the State of Israel has increased, as has the engagement of Israel apologists who, for instance, can be found regularly in the German media. Their basic argument is that the right of Israel's existence must be secured, often enriched with attributes like "unconditionally", "not negotiable" or the like. The underlying scenario can be described like this: "The citizens of Israel, the only democracy in the region, are living under a permanent existential threat. The non-Democrats of Hamas, Hizbollah, Syria, Iran and others seek to destroy Israel. Often they are motivated by an exaggerated Islamic religion or pure hatred of Jews. As the Jews no longer want to be victims of history, they defend themselves. Because of the genocide of the Jews it is the duty of Germany and the world to support them in this struggle."

There are several points for discussion in this framework which is prevailing in our public. The first striking thing is that the actions of the State of Israel are not being examined in respect to their effects. The focus is on the situation of menace, an axiom that is not itemized. What, for example, are the effects of the occupation and the settlements on Israel's security? Did Israel really protect itself by building a wall on Palestinian soil? Do the international deliveries of weapons for Israel indeed help to stabilize the political situation? Or do all those elements evoke terror to begin with? For there are indications that the trauma of World War II is defining the situation in the Middle East and it is the argument of Israel's right of existence where this becomes most obvious.

What does this argument mean, anyway? It is steadily repeated and reaffirmed like a mantra, and yet it remains uncertain what it is all about. In which way is Israel to be acknowledged, by whom, and why? Israel does exist, doesn't it? When it was founded, this was not done in coordination with its neighbors or the United Nations. It did not happen in the scheduled borders and it was accompanied by mass expulsions and disappropriations of the indigenous population. It hardly comes by surprise that Israel's popularity in the region thus remained limited. Does the acknowledgement of Israel's right of existence entail to neglect these historic facts? Israel has no defined borders, so what is to be recognized? The occupation? The non-compliance with UN resolutions? Is it Zionism that is to be recognized, this thing that we do not talk about much for good reasons, or may it be philo-Semitism? Is it the terror that ought to stop? What is the root of this terror? And where is the parting line between terror and resistance, who defines this line and with what competence?

The thesis, according to which Jews are persecuted because of their history and/or group-intrinsic characteristics and that they are living in a situation of permanent threat, is central in the demand of this ominous right of existence. There is an ideological potential inherent to it, as it is a politically relevant allegation that can hardly be proven or refuted. The group's own behavior is neglected for the self-defined Jewish policies in Israel and the region cannot lead to a relaxation. They do not find a way to juxtapose the scenario of being threatened with a tangible wishful perspective and to work for this aim. Some analysts interpret this lack as a persistent remaining in the trauma.

Moreover, the thesis of anti-Semitism can turn into a self-fulfilling prophecy like any other claim of the "nobody likes me" kind. The sentiment of being threatened is subjective and coined by events that did not take place in the Middle East. Palestine neither has an army nor are there heavy weapons like in Israel. In view of the situation it is by no means astonishing that there is resistance, sporadically also violent and injust resistance. One cannot collectively punish the Palestinian society for those who fire mini-missiles from Gaza, just as one does not sanction societies for their soccer hooligans or their criminals. The collective punishments generate more terror, this is a truism. In this respect Israel is destroying itself and this has a lot to do with the deliberately vague concept of Israel's right of existence. For the so-called friends of Israel's contribute to the escalation with their attitude of laisser faire and their stereotype portrayals of Jews and Arabs/Muslims.

But how can it be that the above scenario can be implemented so deeply in the heads of our public? If everybody says that this is an adequate mental framework, isn't there necessarily something to it? There are two points against this: on the one hand we find other publics, for example Arab publics, in which other, substantiated scenarios prevail. They contain information that complete the picture, like the occupation and expulsion mentioned above. (These Arab publics certainly have defects of their own, too, they are not superior.)

On the other hand we can witness a clear discrepancy between the (frontal) public and personal opinions. It is the very mantra character of the existence argument that indicates that a group is to be sworn to certain truths that are beyond questioning and criticism. This strategy of affirmation is a phenomenon of group behavior. The struggle is not about the right of existence of all involved parties, but that of one particular group, "our" group. Whoever adopts this behavior in the group public will raise in the group and gain prestige. Such a behavior is not necessary on the personal level. Thus, the information we receive from the frontal public in its totality neither is a representation of the general opinion nor of historic facts.

As there cannot be peace wihout a restructuring of the conflicting scenarios on a higher level and as we are living a time of escalation, it is important to suggest even to the unconditional friends of Israel's that their statements and behavior can well lead to the very opposite of the desired effect.








The English version of this article is also published at
The American Muslim:
http://theamericanmuslim.org/tam.php/features/ articles/the_mantra_of_israels_right_of_existence/0012307

Wen repräsentiert die Generaldelegation Palästinas in Deutschland?
Anis Hamadeh, 25.04.2007

Obwohl Deutschland einen palästinensischen Staat der Rede nach befürwortet, gibt es keine palästinensische Botschaft, sondern nur eine "Generaldelegation". Man könnte annehmen, dass diese Abwertung von palästinensischer Seite zumindest thematisiert wird - eigentlich müssten sie protestieren -, aber das ist nicht der Fall. Noch erstaunlicher aber ist, dass die Generaldelegation Kanzlerin Merkel mit Blumen bedenkt, die sich stets und unbedingt zum Staat Israel bekennt, inklusive der Besatzung, der Mauer, den Morden, den Enteignungen. "Die palästinensische Seite sei 'sehr froh über die Rolle Merkels bei dem Versuch, die Positionen von Palästinensern und Israelis zusammenzubringen', sagte der Generaldelegierte Palästinas in Deutschland, Hael al-Fahoum, am Freitag der Nachrichtenagentur AFP. Dies gelte auch für die 'faire Hilfe' der deutschen Regierung bei dem Versuch, 'einen substanziellen Dialog und ein substanzielles Engagement im Friedensprozess zwischen Palästina und Israel' zu erreichen. Aus den regelmäßigen Kontakten zwischen Merkel und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas ergebe sich der Eindruck, dass die Kanzlerin entschlossen sei, 'eine wirklich konstruktive Rolle zu spielen, und ein echter Partner bei der Lösung des Konflikts zu sein'." (30.03.07, Quelle: www.palaestina.org/generaldelegation/medienpraesenz/zeigeMedienpraesenz.php?ID=115).

Man könnte darüber lachen, wenn es nicht so ernst wäre. So aber muss man sich fragen, welche Ziele die sieben Mitarbeiter der Delegation eigentlich haben. In den letzten Tagen und Wochen wurden wieder unschuldige Palästinenser durch israelische Soldaten getötet. Findet man einen Protest bei der Delegation? Nicht wirklich. Vermutlich geht es den Mitarbeitern (es sind alles Männer) gut, sodass sie keinen Grund für Proteste sehen. Das ist natürlich eine schöne Sache, aber es stellt sich die Frage: Wen repräsentieren die?

Zumindest scheinen sie recht beschäftigt zu sein. Auf der Website der Generaldelegation www.palaestina.org heißt es in der Rubrik "Öffentlichkeitsarbeit": "Besonderes Anliegen und damit Schwerpunkt der Arbeit der Generaldelegation Palästinas ist die Presse- und Informationsarbeit. Besonderes Gewicht legen wir dabei auf die Information der Öffentlichkeit in Deutschland. Wir bemühen uns um eine gezielte Zusammenarbeit mit Medien und Parteien. Unser Ziel ist, Journalisten, Politiker und Kulturschaffende mit gebündelten Informationen zu versorgen, die sonst die Öffentlichkeit in dieser Form nicht erreichen würden." Eine befreundete Journalistin erzählte mir gestern, dass sie versucht hat, die Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit zu kontaktieren, da sie eine einfache Info für einen Artikel über Palästina brauchte. Sie schrieb Emails, schickte Faxe und rief mehrfach an. Tatsächlich bekam sie nach fünf Tagen eine Antwort: Man könne ihr nicht helfen, da man sich selbst nicht mit der Materie auskenne. Mehrere Networker haben ihre Unterstützung angeboten, um Gerechtigkeit für Palästina über diese offizielle Institution voranzubringen, aber die Delegation hat nicht darauf reagiert.

Sicherlich ist es wichtig, dass die Palästina-Networker zusammenarbeiten und mit einer Stimme sprechen, aber man muss sich schon fragen, was diese Generaldelegation Palästinas in Deutschland überhaupt mit Palästina zu tun hat. Und wenn sie nichts mit Palästina zu tun hat und sich auch nicht äußert, dann sollte das innerhalb der Networkergemeinde zumindest bekannt sein. Der Generaldelegierte Herr Hael al-Fahoum war früher PLO-Repräsentant in Tunis und gehört damit zu der Gruppe, die in demokratischen Wahlen vom palästinensischen Volk abgewählt wurde. Warum wohl?

Vielleicht ist es am sinnvollsten, wenn die Generaldelegation sich in die israelische Botschaft integriert. Dann hätten wir klare Verhältnisse und die Ungereimtheiten, die sich bis dato ergeben haben, würden aufgelöst. Und Herr Fahoum kann dann in Pressemitteilungen davon schwärmen, wie sehr die israelische Seite an einem gerechten Frieden interessiert ist.

Palästina-Diskurs im Wandel. Einige Basisgedanken
Anis Hamadeh, 10.05.2007

Es gibt verschiedene Auffassungen darüber, ob ein historisches Ungleichgewicht durch eine Reform des Diskurses überwunden werden kann oder ob eine Diskursreform eher die Folge politischer Veränderung ist. Vielleicht ist beides richtig. In jedem Fall ist die neue Art des Sprechens über eine Sache immer der Begleitumstand einer Zeitenwende. Was den Diskurs im Israel-Palästina-Konflikt angeht, so finden wir im dominierenden Westen eine jahrzehntelange Deutungshoheit, die mit dem Argument von Israels (vermeintlicher) Sicherheit die Richtung der Geschichte Palästinas wesentlich mitbestimmt. Da es sich hier einerseits um einen Diskurs handelt, der den Kriterien der Menschenrechte und des internationalen Rechts widerspricht und da sich andererseits die Lage der Palästinenser durch die Kontinuität israelischer Maßnahmen ins Unerträgliche gesteigert hat, ist die Brechung der Diskurshoheit eines der zentralen Anliegen der Friedensbewegung, um eine Stufe menschlicher Zivilisation durchzusetzen, von der aus die Konsequenzen aus der Abschaffung der Todesstrafe und der Neueinrichtung der Menschenrechte im Jahre 1948 gezogen werden. Tatsache ist, dass die Palästinenser Rechte haben und dass diese Rechte ihnen über Jahrzehnte vorenthalten wurden, obwohl sie nicht verhandelbar sind. Es ist nichts Anrüchiges oder Unmoralisches, diese Rechte zu verteidigen, im Gegenteil, es gibt eine demokratische Verantwortung, Opfer von Menschenrechtsverletzungen zu schützen.

- Impulse einer Reorganisation -

In Deutschland etwa führen solche Überlegungen derzeit zu Impulsen einer Reorganisation von Palästina-Networkern, die sich auf der Grundlage der humanistischen Werte bewegen. Dies betrifft Gruppen und Individuen, die zum Teil seit Jahren und Jahrzehnten zu dem Thema arbeiten und sich für einen gerechten Frieden einsetzen. Der Begriff "Palästina-Networker" ist dabei nur ein Schlagwort, das zum Beispiel jüdische und israelische Aktivisten miteinbezieht und das auch "Nahost-Networker" heißen könnte. Die Begriffswahl soll zum Ausdruck bringen, dass es derzeit vorrangig um Palästina geht, dessen Existenz bedroht ist und das deshalb eine breite Solidarität braucht. Die Restrukturierung von Palästina-Networkern ist eine Bottom-Up-Bewegung und keine, die von oben gesteuert ist. Das hat auch mit einer Unzufriedenheit mit denen "da oben" zu tun, mit Politikern und Medien aller Seiten, auch der palästinensischen. Fünf Faktoren zeichnen sich ab, die das Neue an den derzeitigen Initiativen kennzeichnen:

Erstens hat sich in den letzten Jahren eine große Zahl an öffentlichen und im Internet auffindbaren Projekten herausgebildet, die sich inzwischen gegenseitig rezipieren, die sich finden und die ihre Erfahrungen und Ressourcen austauschen können beziehungsweise ausgetauscht haben. Zweitens sehen diese Grassroot-Networker und die etablierten Organisationen das sich über hundert Jahre stetig verkleinernde Gebiet, das "Palästina" genannt werden kann, und verstehen, dass diese Tendenz sich nicht von selbst umkehrt, sondern dass für die Menschenrechte der PalästinenserInnen mit großer Entschlossenheit gehandelt werden muss, bevor Palästina vollständig von der israelischen "Ordnung" zerstört wird. Drittens ist die Bewegung gekennzeichnet durch Internationalität und viertens durch größtmögliche Hierarchiefreiheit. Die Internationalität ergibt sich aus dem ersten Punkt und führt unter anderem zu einer erhöhten Übersetzungstätigkeit sowie Koordination über Ländergrenzen hinweg. Vielen der Beteiligten ist klar, dass Fragen wie die nach Führung, nach einem Staat oder zwei Staaten, nach Parteien usw. angesichts der täglichen Katastrophen sekundär sind. Um sich nicht in solchen Streitigkeiten zu verlieren, finden sich mehr und mehr pragmatische Organisationsformen, die sich auf bestehendes anerkanntes Recht beziehen und von dieser Basis aus Impulse aussenden, ohne dabei eine Führungsrolle anzustreben. Fünftens herrscht eine große Frustration, nachdem der Mauerbau nicht von der freien Welt verhindert wird, nach dem Libanonkrieg und dem Irakkrieg, nach der fortgesetzten israelischen Politik der Hinrichtung politischer Gegner, der katastrophalen humanitären Situation besonders im Gazastreifen, den Kollektivstrafen, der Nicht-Anerkennung demokratischer Wahlen und den daraus resultierenden innerarabischen Konflikten. Das Gefühl der derzeitigen Ohnmacht angesichts dieser Faktoren, die in westlichen Ländern in unangemessener Weise heruntergespielt werden, ist eine der Hauptquellen für eine neue Motivation.

- Definition der Hindernisse -

Beim Einsatz für Palästinas Menschenrechte sind erfahrungsgemäß starker Widerstand und Opposition zu erwarten. Es müssen daher Ressourcen aufbereitet werden, die sich mit den wichtigsten Argumenten derer auseinandersetzen, für die das Recht Israels und der Juden höher steht als alles andere. Diese Leute nennt man Philosemiten. Es handelt sich dabei um positiven Rassismus, also die Vorstellung, dass eine bestimmte Gruppe pauschal als gut anerkannt wird.

Zu den Ressourcen, die im Wesentlichen bereits im Netz verstreut existieren, gehören solide Basisinformationen über die wichtigsten Diskurspunkte, eine Art Lexikon mit Begriffen wie "Flüchtlinge", "Tag des Bodens", "Besatzung" etc., sowie Factsheets, statistische Informationen, Bibliografien und Infos über die diskursgerechte Verwendung von Quellen (Haaretz, Human Rights Watch etc.). Besonders zu vier Themen ist die Ausrüstung mit guten Argumenten zentral, weil es die Themen sind, bei denen die Diskurshoheit nicht bei Vertretern von rechtlichen und humanistischen Standpunkten liegt: "Antisemitismus", "Terrorismus", historische Ideologie sowie Israel als Machtfaktor. Im Folgenden werden diese Punkte jeweils kurz behandelt, um den Rahmen abzustecken, innerhalb dessen die Auseinandersetzung geführt wird.

Das stärkste "Argument", das Gerechtigkeit und Freiheit für Palästina verhindert, ist der Antisemitismusvorwurf. Jedes Mal, wenn Kritik an der Besatzung, den Vertreibungen oder allgemein der Unterdrückung der Palästinenser konsequent wird, äußern bestimmte Leute den Antisemitismusvorwurf, während die Mehrheit schweigt. Kritik an Israel wird als nazi-ähnlicher Angriff auf Juden interpretiert, ebenso wie palästinensischer Widerstand als solcher gewertet wird. Allerdings: Das Argument, dass die Nazis sich freuen, wenn die Palästinenser ihre Rechte erhalten, weil es gegen Juden gehe, ist nicht gültig. In den westlichen Gesellschaften finden wir als Gegenbewegung auf die Nazizeit eine grundsätzlich pro-jüdische, philosemitische Grundhaltung an den Schaltstellen der Öffentlichkeit. Was nicht philosemitisch ist, muss mit dem Antisemitismusvorwurf rechnen, weil die Leute in diesen Öffentlichkeiten in Philosemiten und Antisemiten eingeteilt werden. Eine Kategorie "Menschenrechtler" gibt es dazwischen nicht. Der Antisemitismusvorwurf wird somit häufig in rassistischer Weise ausgesprochen, wenn er sich nicht auf Judenhass bezieht, sondern auf mangelnden Philosemitismus. Hier liegt der bislang noch nicht überwundene Hauptpunkt der Opposition, weil israelische Repräsentanten auf die Sicherheit Israels verweisen und auf das Dogma, nach dem Juden gehasst werden. Aufgabe der Networker ist es damit auch, die jüdischen Beteiligten vor der destruktiven israelischen Realpolitik zu schützen und auch ihnen die Freiheit zu geben, die ihnen vom Staat weggenommen wird, der sie in einem Zustand ständiger Bedrohungsgefühle gefangen hält. Für den westlichen Kritiker bedeutet das, den Begriff "Philosemitismus" zu verwenden und den Verantwortlichen in Medien, Politik und NGOs klarzumachen, dass eine philosemitische Position eine rassistische Position ist, die zudem gewalttätige Juden schützt und damit Gewalt gegen Palästinenser mitzuverantworten hat.

Damit verbunden ist das Terrorismus-Argument. Es lautet: Solange es Terrorismus gibt, muss Israel hart gegen die Palästinenser sein. Mit dem Begriff "Terrorismus" wird ein großer Teil des legitimen palästinensischen Widerstands bezeichnet. Im Westen wird verkannt, dass die israelische Politik Terrorismus und Widerstand erst hervorruft. Das Verkennen beruht auf dem irreführenden Dogma, nach dem Juden als Opfer stereotypisiert werden, die per definitionem keine Täter sein können. So bietet der offizielle Terrorismusdiskurs die Möglichkeit, Kollektivstrafen gegen die palästinensische Bevölkerung zu begehen und zu rechtfertigen. Nach einem Terroranschlag werden von Israel für gewöhnlich Maßnahmen gegen die ganze Bevölkerung ergriffen. Der zu unterstützende progressive Teil der palästinensischen Zivilgesellschaft ist sich darüber einig, dass Anschläge gegen Zivilisten und Unbeteiligte nicht akzeptabel und ein Verbrechen sind, ebenso wie israelische Anschläge auf Zivilisten. Aus diesen Gründen darf die Bewegung sich nicht von der Terrordebatte ablenken lassen. Wer verstanden hat, dass die (oft staatsterroristische) Politik speziell der USA und Israels Terror eher fördert als kontrolliert, der wird sich nicht lange mit der suggestiven Terrordebatte aufhalten.

Der dritte Punkt, bei dem Menschenrechtler auf starke Opposition stoßen, ist die historische Ideologie, mit der die Opferschaft Israels und der Juden stereotypisiert wird. Für die Networker ist es daher wichtig, die Hintergründe der Vertreibungen zu kennen, die in der historischen Ideologie verharmlost werden. Die Mythen, nach denen zum Beispiel die Kriege von 1948 und 1967 Angriffe auf Israel von feindlichen Arabern waren, sind zwar als Mythen erkannt worden, dies ist aber noch nicht in den allgemeinen Diskurs gelangt. Ebenso wird bis heute der Oslo-Prozess im (philosemitischen) Westen so gedeutet, als habe Barak den Palästinensern ein vernünftiges Angebot gemacht, was definitiv nicht der Fall war. Dem Argument, dass Israel das von Gott versprochene Land ist muss entgegengesetzt werden, dass Ansprüche aus religiösen (absoluten, dogmatischen) Texten in der internationalen Politik nicht akzeptabel sind. Das gilt auch für Muslime und andere. Anders kann der Friede nicht gewährleistet sein als durch eine Ordnung, die allen Gruppen gerecht wird. Für solche Punkte müssen die Argumente im Rahmen der Ressourcensammlung zusammengestellt werden, die sich heute verstreut im Internet finden.

Schließlich gilt es viertens, die fixe Idee vom Bollwerk des Westens aus den Köpfen der Leute zu bringen, denn dieses Bollwerk mit seiner Unterdrückungspolitik schürt immer wieder Konflikte. Der Irankonflikt zum Beispiel kann erst wirklich gelöst werden, wenn ein atomwaffenfreier Naher Osten geplant und umgesetzt wird. Israel ist ein Staat unter Staaten und wird nie zum Frieden kommen, wenn es keine Gleichberechtigung akzeptiert. In Überschneidung mit dem vorigen Punkt ist die Demokratiefrage neu zu bewerten: Ist Israel wirklich eine Demokratie? Ist Demokratie mit Besatzung, Angriffskriegen wie im Libanon und Vertreibung vereinbar und mit der systematischen Unterdrückung der Palästinenser? Kann ein Staat mit ungeklärten Grenzen eine Demokratie genannt werden?

- Prioritäten -

Neben der Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner gilt es, die Lebensbedingungen der Palästinenser zu verbessern, die so schlecht sind wie nie zuvor. Im Vordergrund stehen dabei Fragen der Ernährung, des Trinkwassers und des Gesundheitssystems. Gleichzeitig ist es wichtig, palästinensische Gesichter im In- und Ausland in die Öffentlichkeiten zu bringen, um dem vorherrschenden Bild des Terroristen die Pluralität der palästinensischen Gesellschaft entgegenzustellen. Palästina erstickt. Es ist dringend, diese Entwicklung zu stoppen.

Palestine Discourse in Transition. Some Basic Thoughts
Anis Hamadeh, May 10, 2007

There are different opinions on the question whether a historical imbalance can be overcome by a reform of the discourse or whether a discourse reform rather is the result of political change. Perhaps, both notions are right. In any way, the new way of talking about something always is an accompanying circumstance of a time change. Concerning the discourse of the Israel Palestine conflict we find a "domination of interpretation" (Deutungshoheit) in the ruling West that has lasted for decades. With the argument of Israel's (alleged) security it biases the course of the history of Palestine to a great extend. As this discourse contradicts the criteria of the Human Rights and of international law, on the one hand, and as the situation of the Palestinians has escalated to an unbearable degree, due to the continuity of Israeli measures, on the other, the breaking of this domination of the discourse is one of the central issues of the peace movement, in order to implement a step of human civilization on which the consequences of the abolition of the death penalty and the reorganization of the Human Rights in 1948 are materialized. Fact is that Palestinians do have rights and that these rights have not been granted for many decades, altough they are not negotiable. There is nothing blameful or immoral about defending these rights, on the contrary, there is a democratic responsibility to secure victims of Human Rights violations.

- Impulses of a Restructuring-

At the moment, such thoughts lead to impulses of restructuring of Palestine networkers in Germany who are based on the fundament of humanistic values. This refers to groups and individuals who have worked for years or even decades on the subject and who promote a just peace. The concept "Palestine networker" in this context only is a key word which, for example, includes Jewish and Israeli activists and actually could be called "Middle East networkers". The selection of the concept is intended to express the current priority of Palestine which is endangered in its very existence and which thus needs broad solidarity. The restructuring of Palestine networkers is a bottom-up movement and not one directed by a top which has also to do with a lack of satisfaction concerning the establishment, politicians and media of all sides, also the Palestinian one. Five elements appear to characterize the new shape of current initiatives:

Firstly, in recent years a big number of public and via internet accessible projects have manifested which in the course of time have read each other's ideas, found one another and exchanged their experiences and ressources. Secondly, those grassroot networkers and established organizations see this area, that can be called Palestine and that has been steadily shrinking for a hundred years, and understand that this tendency will not reverse by itself. Rather, it is necessary to act with great determination for the Human Rights of the Palestinians, before Palestine is completely destroyed by the Israeli "order". Thirdly, the movement is characterized by internationality and forthly there is the biggest possible abandonment of hierarchies. Internationality is a result of point one and has led to an increase of translation work as well as approaches of international coordination. Many of the participants are aware of the fact that questions of leadership or the one-state-or-two-states issue, party-political affairs etc. are secondary in view of the daily catastrophes. In order not to lose oneself in such quarrels, more and more pragmatic forms of organizations are coming into being that refer to current and acknowledged laws, bringing in impulses from this perspective, without seeking for a leadership position. Fifthly, there is a big frustration, after that the building of the wall has not been prevented by the free world, after the war on Lebanon, after the ongoing Israeli policy of executing political opponents, the catastrophic humanitarian situation especially in the Gaza Strip, the collective punishments, the non-acknowledgement of democratic elections and the subsequent internal Arab conflicts. The feeling of the current powerlessness in the face of these factors - factors that are played down in an inadequate way in western countries - is one of the major sources for a new motivation.

- Definition of Obstacles -

Experience tells that heavy resistance and opposition is to be expected as soon as action for Palestine's Human Rights are concerned. Therefore, ressources have to be prepared to meet the most important arguments of those who opine that the right of Israel and the Jews stands higher than anything else. Those people are called philo-Semites. It is about positive racism, i.e. the idea that a certain group is stereotypically regarded as good.

Belonging to the ressources, which, in fact, already exist scattered over the net, is sound basic information on the most important issues in the discourse, a kind of dictionary with concepts like "refugees", "Day of the soil", "occupation" etc., as well as factsheets, statistical information, bibliographies and infos about the adequate use of news sources (Haaretz, Human Rights Watch etc.). There are four topics for which the equipment with good arguments is central, because they are the topics where the domination of interpretation is not with representatives of legal and humanistic attitudes: "anti-Semitism", "terrorism", historical ideology and Israel as a hegemonial power. In the following, these points will be discussed in short in order to define the frame within which the debate is carried out.

The strongest "argument" to prevent justice and freedom for Palestine is the reproach of anti-Semitism. Every time when criticism of the occupation, the expulsion or the opression of Palestinians in general gets consequential there appear certain people and utter the reproach of anti-Semitism, while the majority is silent. Criticism of Israel is interpreted to be a Nazi-like attack against Jews, as Palestinian resistance is regarded as such. But: the argument that the Nazis will be glad when the Palestinians get their rights, because it is against Jews, is not valid. In western societies we find a counter movement as a result of the Nazi period, it is characterized by a categorical pro-Jewish, philo-Semitic attitude in the corridors of public power. Whatever is not philo-Semitic has to anticipate the reproach of anti-Semitism, because in these publics people are divided into philo-Semites and anti-Semites. There is no in-between category for Human Rights advocates. Thus the reproach of anti-Semitism often is articulated in a racist way, when it does not refer to hatred of Jews, but to a lack of philo-Semitism. This is the main point of opposition and it is not mastered yet, because representatives of Israel refer to the security of Israel and to the dogma of the existence of a general hostility against Jews. Therefore it is also the task of the networkers to protect the Jewish participants against the destructive Israeli Realpolitik and to give them the freedom which the state has taken away from them, keeping them in a state of perpetual feelings of being threatened. This means that western critics should use the term "philo-Semitism" and make clear to the responsible people in media, politics and NGO's that a philo-Semitic position is a racist position which, in addition, protects violent Jews and thus is co-responsible for the violence against Palestinians.

Close to this issue is the terrorism argument. It says: as long as there is terrorism, Israel must be hard against the Palestinians. The concept "terrorism" here covers a great deal of legitimate Palestinian resistance. It is denied or tolerated in the West that the Israeli policy brings about terrorism and resistance to begin with. This denial or tolerance bases on the misleading dogma according to which Jews are stereotypized as victims and by definition excluded from being perpetrators. In this way the official terrorism discourse paves the way for committing and justifying collective punishments against the Palestinian population. Usually, Israel takes measures against the whole population after a terror attack. The progressive part of the Palestinian civil society, which is to be supported, is in accord about calling assaults against civilians and uninvolved people unacceptable and a crime, just as Israeli assaults on civilians are. For these reasons the movement must not be distracted by the terror debate. Those, who understand that the (often state terrorist) policies especially of the USA and Israel promote terror rather than to control it, will not occupy themselves too much with the suggestive terror debate.

The third issue of strong opposition against Human Rights advocates is the historical ideology that stereotypizes the victimhood of Israel and the Jews. Therefore it is important for the networkers to know the background of the expulsions which are trivialized in the historical ideology. It is true that, for example, the myths, according to which the wars of 1948 and 1967 were attacks on Israel by hostile Arabs, are recognized to be myths by now, but this knowledge has not yet entered the mainstream discourse. Also, the Oslo process is interpreted by the (philo-Semitic) West in a way as if Barak had made a reasonable offer to the Palestinians, which definitively was not the case. The argument that Israel is God's promised land must be mastered with the demand that claims derived from religious (absolute, dogmatic) texts are not acceptable in international politics. This also concerns Muslims and others. There is no other way to guarantee peace than to introduce an order which does justice to all the groups. For all those items the arguments must be gathered in the framework of a collection of ressources that today are scattered on the internet.

Finally there is point four, to bring the idée fixe of the western rampart out of people's minds, for this rampart with its policy of oppression brings about conflicts. The Iran conflict, for instance, will only be really solved when a nuclear-free Middle East is planned and realized. Israel is a state among other states and will never come to peace, if it does not accept equal rights. In overlap with the previous point the question of democracy is to be reassessed: is Israel really a democracy? Is democracy compatible with occupation, wars of aggression like in Lebanon, with expulsions and the systematic oppression of Palestinians? Can a state with undefined borders be called a democracy?

- Priorities -

Next to the confrontation with the political opponent it is necessary to improve the Palestinians' living conditions which are bad like never before. The focus here is on issues of nutrition, drinking water and health care. At the same time it is important to bring Palestinian faces into the public at home and abroad to contrast the prevailing image of the terrorist with the diversity of the Palestinian society. Palestine is stifled. It is urgent that this development is stopped.

Offener Brief an das Landesamt für Verfassungsschutz in Hamburg
Anis Hamadeh, 07.06.07

Betrifft: Ihre Stellenausschreibung

Sehr geehrter Herr Vahldieck,
Sehr geehrte Damen und Herren,

auch der muslimische Teil der deutschen Bevölkerung möchte, dass wir ohne Terror leben können und hat daher prinzipiell Verständnis für Ihre Arbeit in diesem Bereich. Nicht nur das, man kann davon ausgehen, dass Muslime und Migranten ihre aktive Hilfe anbieten, da es uns alle betrifft.

Beim Lesen Ihrer Stellenanzeige (siehe unten) kann einem dennoch mulmig werden. Sie beobachten "den Islam" im In- und Ausland und suchen jemanden, der Ihnen etwas über die "Auswirkungen des Islam auf die deutsche Gesellschaft" erzählt. Was mögen Sie da hören wollen? Ich frage mich das als ausgebildeter Islamwissenschaftler (Magister: Sehr Gut). Ihr Mitarbeiter soll, so schreiben Sie, "die Tätigkeit des Amtes fachwissenschaftlich untermauern", er soll Ihre Arbeit also bestätigen.

Nun ja, werden Sie sagen, "der Terror" kommt nun mal von "den Muslimen". Nicht von allen, aber eben doch von "denen". Deshalb müssen wir, gerade in Hamburg, wo es eine 9/11-Terrorzelle gegeben hat, in diese Richtung misstrauisch und wachsam sein. In diese Richtung ... Es steckt durchaus eine Logik hinter einer solchen Phänomenologie, aber vor allem - so sehe ich es - eine Gefahr, weil durch die "Wir-Nichtmuslime/Die-Muslime"-Dichotomie eine gesellschaftliche Trennung vollzogen wird, die künstlich ist und nicht den gesellschaftlichen Gegebenheiten entspricht.

In den letzten Jahren haben westliche Länder mit mehr oder weniger deutlicher offizieller deutscher Unterstützung und dem Argument der Terrorbekämpfung mehrere arabische und muslimische Länder (sowie Gruppen und Einzelpersonen) rechtswidrig angegriffen und zu ihrer Zerstörung beigetragen: Palästina, Irak, Afghanistan, Libanon. Die Mehrheit der deutschen Bevölkerung ist gegen diese Gewalttaten und es scheint ihr offensichtlich, dass dadurch nur noch mehr Terror erzeugt wird, weil neue Ungerechtigkeiten vor allem gegen Zivilisten geschehen.

Noch weniger Verständnis für diese Politik haben logischerweise Araber und Muslime, die direkter davon betroffen sind. Das gilt selbst noch für Migranten in Deutschland, die Verwandte und Freunde in der Region haben. Fragt man diese Migranten, werden viele erklären, dass der Terror wohl aufhören wird, wenn die Ungerechtigkeiten aufhören. Die Besatzung in Palästina zum Beispiel. Jeden Tag werden bei uns Nachrichten verschwiegen und dann wundert man sich, wenn es Unruhe gibt. Heute ist es die Nachricht, dass 100 neue Wohnungen in den illegalen jüdischen Siedlungen in Palästina gebaut werden. Viele Deutsche, Muslime wie Nichtmuslime, unterstreichen diese gut nachvollziehbare Argumentation. Warum zum Beispiel darf Israel Atomwaffen haben, während der Iran, der im Gegensatz zu Israel den Atomwaffensperrvertrag unterschrieben hat, auf der Abschussliste steht? Und warum darf Herr Bush mit Gewalt internationale Gesetze brechen, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden? Bis heute gibt es Guantanamo und die westlichen Länder protestieren nicht, als wollten sie die USA schützen anstatt das Gesetz zu schützen. Das verstehen wir nicht und sehen eine ungerechte Doppelmoral. Uns - und ich sage jetzt mal "uns", weil ich mich mit anderen angesprochen fühle - DESHALB misstrauisch zu beäugen, ist doch recht absurd.

Statt sich um einen sozialen Ausgleich zu bemühen und den Ursachen des Terrors den Boden zu entziehen scheinen die westlichen Staaten und Öffentlichkeiten eine Verschwörungstheorie zu bevorzugen, in der es ein Netzwerk böser Terroristen "aus dem Islam" gibt, das den Westen aus niederen Gründen in seiner Existenz zerstören will und das so mächtig ist, dass es ihm sogar gelingen kann. Ohne dabei Einzelpersonen und Gruppierungen zu verharmlosen, ist die Theorie nüchtern betrachtet nicht im Entferntesten haltbar.

Aus diesen Gründen wird die politische Einteilung der Gesellschaft in Muslime und Nichtmuslime zu einer Mauer, ähnlich der in Palästina. Diese politische Einteilung kommt von der Seite der westlichen Staaten und Öffentlichkeiten, sie kommt nicht von den Migranten-Verbänden. Es gibt, so glaube ich, tatsächlich Parallelgesellschaften, worüber zu sprechen ist, doch bleiben die weitgehend in der Subkultur und sie haben nicht den politischen Anspruch, die allgemeine Ordnung zu bestimmen.

Mir ist klar, dass Sie meinen Worten nicht allzu viel Beachtung schenken werden, weil sie mit den "Fakten des Terrors" beschäftigt sind und nicht mit langweiligen Diskussionen. Dennoch möchte ich Ihnen mitteilen, dass Sie durch Ihr Anliegen Bürger wie mich abschrecken. Sie werden für Ihren neuen Mitarbeiter und sein Umfeld Sicherheitschecks durchführen, weil sie misstrauisch sind, und betonen das in Ihrer Annonce. Haben Sie einmal darüber nachgedacht, dass Sie selbst Misstrauen erwecken könnten? Geht es Ihnen wirklich darum, Gewalt zu verhindern oder wollen Sie nur Ruhe im Karton, damit alles so bleibt, wie es ist? Fühlen Sie sich der Verfassung verpflichtet oder politisch-ökonomischen Interessengruppen?

Es ist eine bedauerliche Entwicklung zunehmender Intoleranz und der Aushöhlung der Bürgerrechte im Gang in unserem Land. Dass das zu Frieden und Sicherheit führt, glauben die wenigsten. Der Verfassungsschutz ist jedenfalls nicht die einzige Instanz, die sich Frieden und Sicherheit wünscht, das möchte ich in diesem Brief ausgedrückt wissen. Keine Gegnerschaft, denn es ist auch mein Land und mein Verfassungsschutz.

Mit freundlichen Grüßen,
Anis Hamadeh

PS: Für fachliche Einzelfragen stehe ich Ihnen selbstverständlich jederzeit zur Verfügung.

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Stellenausschreibung: Islamwissenschaftler (m/w), Landesamt für Verfassungsschutz, Hamburg

Freie und Hansestadt Hamburg, Behörde für Inneres, Landesamt für Verfassungsschutz sucht zum nächstmöglichen Zeitpunkt einen Islamwissenschaftler (m/w)

Ihre Aufgaben:
* Auswerten von Informationen über "Beobachtungsobjekte" des Verfassungsschutzes, unter Anwendung der fachspezifischen Auswertungsmethodik
* die operative Tätigkeit des Amtes fachwissenschaftlich untermauern
* die ideologischen und politischen Entwicklungen in islamischen Ländern beobachten
* Auswirkungen des Islam und des Islamismus auf die deutsche Gesellschaft analysieren
* Mitarbeit in verschiedenen Projekten (z.B. Radikalisierungsprozesse in HH, in nationalen und internationalen Netzwerkstrukturen)
* fachbezogene Vorträge und Schulungen vorbereiten und durchführen

Ihre Qualifikation:
* abgeschlossenes Studium der Islamwissenschaften, möglichst mit Berufserfahrung in einer Sicherheitsbehörde oder einer anderen öffentlichen Verwaltung
* fundierter Überblick über diverse Strömungen im Islam und insbes. im Islamismus
* Kenntnisse der historischen, religiösen und gegenwärtigen politischen Situation in den islamischen Ländern
* gute Kenntnisse der arabischen Sprache in Wort und Schrift
* gute Kenntnisse der englischen Sprache
* Teamfähigkeit, ausgeprägtes analytisch-konzeptionelles Denken und Urteilen, differenziertes mündliches und schriftliches Ausdrucksvermögen

Wir bieten Ihnen:
* einen interessanten, abwechslungsreichen und dauerhaften Arbeitsplatz im öffentlichen Dienst
* Bezahlung nach Entgeltgr. 12 (bzw. III BAT), mit der Perspektive der Eingruppierung nach E 13 (bzw. IIa BAT)

Voraussetzung für die Einstellung ist der positive Verlauf einer Sicherheitsüberprüfung, unter Einbeziehung einer evtl. vorhandenen Lebenspartnerin bzw. eines Lebenspartners.

Weitere Auskünfte erhalten Sie unter der Tel.-Nr: ... Ihre vollständigen Bewerbungsunterlagen senden Sie bitte bis 26.06.07 an das Landesamt für Verfassungsschutz, Personalreferat, ... Hamburg.

Ist Gaza unter Besatzung oder nicht? Free-Gaza-Boote in Kürze unterwegs
Anis Hamadeh, 28.07.2008

Vor mehr als zwei Jahren wurden alle Grenzübergänge in den Gazastreifen von der israelischen Armee geschlossen. Seitdem leben die 1,5 Millionen Einwohner in einem Belagerungszustand, der im vergangenen Juni verschärft wurde. Israel begründet die Belagerung mit Qassam-Raketenbeschuss aus der Region und der angeblichen Absicht der Hamas-Regierung, Israel zu vernichten. Gleichzeitig betonen israelische Regierungsmitglieder, dass die Besatzung des Gazastreifens mit dem Rückzug der israelischen Siedler und der Armee im September 2005 beendet sei und der Gazastreifen nun als Ausland betrachtet würde. Die Tatsachen vor Ort sprechen eine andere Sprache.

Die Belagerung hat einen desaströsen Effekt auf die humanitäre Situation im Gazastreifen, da sie die Menschenrechte, die wirtschaftlichen und die sozialen Rechte der Bevölkerung verletzt. Mehr als 200 Zivilisten starben bereits wegen dieser Einschränkungen. Außerdem beeinträchtigt die Belagerung den Fluss von Lebensmitteln, medizinischer Versorgung und weiteren Notwendigkeiten wie Treibstoff, Baumaterialien und Rohstoffe für verschiedene ökonomische Sektoren. Fabriken sind gezwungen zu schließen, die Arbeitslosenquote ist nach einer jüngsten UN-Studie die höchste der Welt und etwa 60% der Gaza-Haushalte sind nach UNWRA-Berichten auf Spenden angewiesen, weshalb die UNWRA Israel dringend auffordert, die Grenzen wieder zu öffnen. Die aktuellen blutigen Rivalitäten zwischen Hamas und Fatah tragen zusätzlich zum Gesamtproblem bei.

Kürzlich hat die Europäische Kommission eine Soforthilfe von 6,3 Millionen Dollar an die Ärmsten unter ihnen beschlossen, die bis zum Jahresende ausgezahlt wird. Gleichzeitig unterstützt Europa aber die Erstickung der Zivilbevölkerung und den Boykott der demokratisch gewählten Regierung und richtet damit einen Schaden an, der mit 6,3 Millionen Dollar nicht aufzuwiegen ist. Um die Not zu lindern, hatte sich ein palästinensisch-schottisches Paar vor wenigen Wochen mit einem LKW von Schottland auf den Weg gemacht, um eineinhalb Tonnen medizinische Güter in den Gazastreifen zu fahren. Derzeit stehen Khalil Al Niss und Linda Willis seit Tagen auf der ägyptischen Seite der Grenzmauer in Rafah und bekommen - von den Ägyptern - keine Genehmigung für die Grenzüberschreitung.

Ist Gaza also unter Besatzung oder nicht? Was bedeutet der so genannte Rückzug der israelischen Armee wirklich? Um diese Frage zu klären werden um den 7. August zwei Boote Zypern in Richtung Gaza verlassen. Vierzig Mitglieder des "Free Gaza Movement" sind derzeit unterwegs, um sich in Zypern zu treffen und die Boote vorzubereiten. Sie sind eingeladen von der Palestinian Medical Relief Society, vom Gaza Community Mental Health Programme, dem Palestinian Centre for Human Rights, dem palästinensischen Ministerium für Jugend und Sport, vom Lokalkomitee zum Stopp der Belagerung Gazas und von mehreren Bürgern aus Gaza. Rechtlich gesehen hat Israel mit diesem Unternehmen nichts zu tun, da die Schiffe weder in israelische Gewässer fahren noch israelische Häfen anlaufen, sondern direkt von internationalen Gewässern in Gaza-Gewässer segeln.

Einige Beobachter gehen davon aus, dass israelische Kräfte die Fahrzeuge anhalten werden, um ein klares Statement darüber abzugeben, dass die Bevölkerung Gazas gefangen genommen ist und keine Rechte besitzt außer denen, die ihr von Israel zugestanden werden. So kann Israel der Welt erneut demonstrieren, dass seine rechtlichen Vorstellungen höher rangieren als internationales Recht und die Menschenrechte. Am Morgen des 20. Juli etwa feuerten israelische Kriegsschiffe nach Angaben der Nachrichtenagentur Maan drei Stunden lang auf palästinensische Fischerboote nördlich und westlich von Gaza-Stadt. Die übliche Rechtfertigung für solche Aktionen ist der israelische Vorwurf (bzw. die "Befürchtung"), dass möglicherweise Waffen in das Gebiet geschmuggelt werden. Selbst die Waffenruhe, die die Hamas und zwölf weitere Gruppen seit dem 19. Juni halten, scheint für Israel keinen Unterschied herbeizuführen - außer dem, dass israelische Einmärsche sich momentan auf Nablus und die Westbank konzentrieren. Rechtlich gesehen haben all diese militärischen Maßnahmen keine Basis.

Die Free-Gaza-Bewegung besteht aus mehr als 50 Menschen von überall auf der Welt, die ihrem Gewissen folgen und die aktiv zum Ende von Gazas humanitärer Krise beitragen, indem sie den Menschen aus Gaza medizinische und soziale Hilfe bringen. Nur einige von ihnen werden tatsächlich auf der "Free Gaza" und der "Liberty" mitfahren. Es wird erwartet, dass etwa zehn Boote aus Gaza zu ihrer Begrüßung hinausfahren werden. Das Land-Team in Zypern hilft bei der Organisation und ist Teil der Medien-Crew, während die Boote auf See sind. Dies ist ein Präzedenzfall für weitere Boote, um eine Seebrücke zu bilden.

Nach der aktuellen Liste kommen die Passagiere der Boote aus Australien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Israel, Italien, Kanada, Libanon, Pakistan, Palästina, Schottland, Tunesien, den USA und Zypern. Insgesamt sprechen sie mehr als zwölf Sprachen. Unter den Reisenden sind Seeleute, Medienleute, Rechtsanwälte, Bauarbeiter, Ingenieure, Krankenschwestern, Lehrer, Ärzte, Sprecher, Professoren, Fotografen, Geistliche, Taucher und gewaltlose Aktivisten. Es sind Muslime, Juden, Christen und Humanisten. Der jüngste ist 22 und die älteste, Hedy Epstein, wird an Bord ihren 84. Geburtstag feiern.

Hedy Epstein überlebte den Nazi-Genozid und wurde zu einer Anwältin der Menschenrechte. Ihre Memoiren sind auf Deutsch unter dem Titel "Erinnern ist nicht genug" veröffentlicht. Die Anwältin und Medienexpertin Huwaida Arraf plant ihr Kommen ebenso wie Anne Montgomery, eine Nonne aus den USA, die mit dem Christian Peacekeeper Team in den Besetzten Gebieten gearbeitet hat. Jeff Halper vom Israeli Committee Against House Demolitions (ICAHD) ist auch dabei. Aus Kalifornien trifft unter anderen die 74-jährige Großmutter Mary Hughes-Thompson ein, deren siebte Reise nach Palästina dies seit 2002 ist. Ken O'Keefe, ein früherer Marine und Teilnehmer am Ersten Golfkrieg, fährt mit. Der pakistanische Filmemacher und Musiker Aki Nawaz gehört zum Dokumentar-Team an Bord und der Arzt William "Bill" Dienst ist der medizinische Experte, der bereits in Kliniken in Gaza gearbeitet hat und dies fortführt. Angela Godfrey-Goldstein, die mit ICAHD und Machsom Watch arbeitet, ist im Land-Team auf Zypern, zusammen mit Uri Davis, einem bekannten Autor aus Israel.

Viele internationale Organisationen und Einzelpersonen unterstützen das Free-Gaza-Projekt und erkennen die Wichtigkeit der Mission an, unter ihnen Noam Chomsky und Luisa Morgantini, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments. Der emeritierte Erzbischof Desmond Tutu schreibt: "Friede und Sicherheit, so entdeckten wir in Südafrika, kommen nicht aus Gewehrläufen ... Ich unterstütze den Bootskonvoi bei seinen Bemühungen." Friedensnobelpreisträgerin Mairead Maguire fügt hinzu: "Ihr tragt die Hoffnungen und Wünsche von vielen Menschen auf der ganzen Welt mit euch." Die Unterstützerliste auf www.freegaza.org wird täglich länger, jetzt, wo das Datum näher rückt und die Weltöffentlichkeit ihre Aufmerksamkeit dem Free-Gaza-Event zuwendet.

Die Free-Gaza-Bewegung ist ein humanitäres und basisdemokratisches Projekt und gehört keiner politischen Partei oder Agenda an. Einige öffentliche Stimmen haben versucht, es mit Gruppen- oder anti-Gruppeninteressen in Verbindung zu bringen, was die Gruppe jedoch vehement dementiert. In einer E-Mail eines der Teilnehmer, Monir Deeb, scheint der Geist des unvergessenen Grafs Folke Bernadotte durch: "Die Free-Gaza-Gruppe setzt ihre Zeit, ihr Geld und ihre Sicherheit ein, um gegen Unrecht zu sprechen. Es sind die gleichen Menschen, die in den schweren Zeiten der Naziverfolgung an der Seite der jüdischen Bevölkerung standen." Sein Vater aus Gaza, sagt Deeb, traf den schwedischen Diplomaten und UNO-Vermittler Bernadotte bei Verhandlungen im Sinai 1948.

Is Gaza under occupation or not? Free Gaza boats about to find out more
Anis Hamadeh, July 28, 2008

For more than two years, all border crossings to the Gaza Strip have been closed by the Israeli army. Since then, the 1.5 million inhabitants live in a state of siege, even more so since June, when the siege was tightened. As reasons for the siege Israel refers to Qassam rocket fire from the area and the alleged intention of the Hamas government to destroy Israel. At the same time, Israeli government officials emphasize that the occupation of the Gaza Strip has ended with the withdrawal of the Israeli settlements and army in September 2005 and that the Gaza Strip would now be considered foreign territory. But facts on the ground speak a different language.

The siege has a disastrous effect on the humanitarian situation in the Gaza Strip as it violates the human, economic and social rights of the population. More than 200 civilians have died because of the restrictions. In addition, the siege has severely impacted the flow of food, medical supplies and other necessities such as fuel, construction materials and raw materials for various economic sectors. Factories have been forced to close. The unemployment rate is the highest in the world, according to a recent UN report. About 60% of the Gazan households rely on donations, says UNWRA, and urges Israel to reopen the borders. The current bloody rivalries between Hamas and Fatah add to the overall problem.

Recently, the European Commission agreed on a direct aid of $ 6.3 million for the poorest, to be distributed until the end of the year. At the same time, Europe supports the suffocation of the civilian population and the boycott of the democratically elected government, causing damage far beyond $ 6.3 million. To relieve the distress, a few weeks ago, a Palestinian-Scottish couple took a truck from Scotland to deliver one and a half tons of medical supplies to the Gaza Strip. At the current moment, Khalil Al Niss and Linda Willis have been waiting for days on the Egyptian side of the partition wall in Rafah and they have not yet gotten a permission to cross the border. The Egyptians deny this.

So, is Gaza under occupation or not? What does the so-called withdrawal of the Israeli army really mean? To clarify this matter two boats are leaving Cyprus for Gaza on or about August 7. Forty members of the "Free Gaza Movement" are on their way now to meet in Cyprus and prepare the vessels. They are invited to Gaza by The Palestinian Medical Relief Society, The Gaza Community Mental Health Programme, The Palestinian Centre for Human Rights, The Palestinian Ministry of Youth and Sport, the local popular committee to break the Gaza siege, and diverse individuals in Gaza. Legally, Israel has nothing to do with this enterprise, because the ships will not enter Israeli waters or ports. They will sail directly from international waters into Gazan waters.

Some expect Israeli forces to stop the vessels in order to make a clear statement that the Gaza population are prisoners without any legal or human rights except the ones granted by Israel, and that Israel can thus newly demonstrate to the world how its legal conceptions rank higher than international and human rights laws. In the morning of July 20, for instance, Israeli war vessels opened fire on Palestinian fishing boats north and west of Gaza City, according to the news agency Maan. The usual justification for such action is the Israeli claim (or "fear", respectively) that arms are possibly smuggled into the area. Even the cease-fire, which Hamas and twelve other groups have been keeping since June 19, does not seem to make any difference to Israel - except for the fact that Israeli incursions are momentarily concentrated on Nablus and the West Bank. Legally, there are no grounds for any of these military measures.

The Free Gaza Movement consists of over 50 people from all over the world who are acting upon their conscience to lift the humanitarian crisis of Gaza by bringing medical and social aid to the Gazans. Only some of them will actually be on the "Free Gaza" and the "Liberty" and are expected to be welcomed at the coast by about ten Gazan ships. Some are on the land team in Cyprus and will be part of the organizing and media crew while the boats are at sea. It is a test case for more boats to open a sea bridge.

The boat passengers are, according to the current list, from Australia, Canada, Cyprus, Denmark, France, Germany, Greece, Ireland, Israel, Italy, Lebanon, Pakistan, Palestine, Scotland, Tunisia, the UK, the USA. Altogether, more than twelve languages will be spoken among them. Among the participants are sailors, media people, lawyers, engineers, construction workers, nurses, teachers, doctors, speakers, professors, photographers, clerics, scuba divers, and nonviolent organizers. They are Muslims, Jews, Christians and humanists. The youngest is 22 and the oldest, Hedy Epstein, will celebrate her 84th birthday on the ship.

Hedy Epstein, having survived the Nazi genocide, became a human rights advocate. She has published her memoirs in German. Lawyer and media expert Huwaida Arraf plans to come, as well as Anne Montgomery, a nun from the US who has worked with the Christian Peacekeeper Team in the Occupied Territories. Jeff Halper from the Israeli Committee Against House Demolitions (ICAHD) is on board as well. From California arrives, among others, 74-year-old grandmother Mary Hughes-Thompson whose seventh trip to Palestine this will be since 2002. Ken O'Keefe, a former Marine and veteran of the first Gulf War will be there. Pakistani filmmaker and musician Aki Nawaz is part of the documentary team on board and physician William "Bill" Dienst is the medical expert who has worked in the clinics of Gaza and goes back to work again. Angela Godfrey-Goldstein who works with the ICAHD and Machsom Watch is on the land team in Cyprus along with Uri Davis, a well-known author from Israel.

Many international organizations and individuals support the Free Gaza project and acknowledge the importance of the mission, among them Noam Chomsky and Luisa Morgantini, Vice President of the European Parliament. Archbishop emeritus Desmond Tutu wrote: "Peace and security, we discovered in South Africa, do not come through the barrel of a gun ... I support the boat convoy in its attempt." Nobel Peace Laureate Mairead Maguire adds: "You carry with you the hopes and wishes of many people around the world." The list of endorsers on www.freegaza.org is updated daily now, as the date gets nearer and the world public turns its attention to the Free Gaza event.

The Free Gaza Movement is a humanitarian and a grass roots democratic project and not affiliated to any political party or agenda. Some public voices have tried to associate it with pro- or anti- group interests which the group vehemently rejects. In an email of one of the participants, Monir Deeb, the spirit of the unforgotten Count Folke Bernadotte is showing: "The Free Gaza group are investing their time, money, and safety to speak out against injustice. They are the same people who stood by the Jewish population of the world in the hard times of Nazi persecution." His Gazan father, says Deeb, actually met the Swedish diplomat and UN mediator Bernadotte during negotiations in the Sinai in 1948.

¿Está Gaza bajo ocupación, o no? Los barcos del Free Gaza a punto de averiguarlo.
Anis Hamadeh, 28.07.2008

Desde hace más de dos años, todos los cruces fronterizos a la Franja de Gaza están cerrados por el ejército Israelí. Desde entonces, 1.5 millones de habitantes viven en un estado de sitio, aún más desde Junio, cuando el asedio se estrechó. Como razones para el asedio, Israel hace referencia al disparo de cohetes Qassam desde el área y la presunta intención del gobierno de Hamas de destruir Israel. Al mismo tiempo, los representantes del gobierno Israelí recalcan que la ocupación de la Franja de Gaza ha terminado con la retirada de los asentamientos Israelíes y del ejército en Septiembre de 2005 y que la Franja de Gaza debería considerarse ahora territorio extranjero. Pero los hechos sobre el terreno hablan de un modo diferente.

El asedio tiene un efecto desastroso sobre la situación humanitaria de la Franja de Gaza ya que viola los derechos humanos, económicos y sociales de la población. Más de 200 civiles han muerto a causa de las restricciones. Además, el asedio ha tenido un grave impacto en la circulación de alimentos, suministros médicos y otras necesidades como fuel, materiales de construcción y materias primas para varios sectores económicos. Las fábricas se han visto obligadas a cerrar. La tasa de desempleo es la más alta del mundo, de acuerdo con un informe reciente de las NNUU. Un 60% de los hogares Gazauis dependen de las donaciones, dice la UNWRA, (Agencia de Naciones Unidas para los Refugiados Palestinos en Oriente Próximo) y urge a Israel a que reabra las fronteras. Las actuales rivalidades sangrientas entre Hamas y Fatah son un problema añadido más.

Recientemente, la Comisión Europea decidió realizar una ayuda directa de $ 6.3 millones para los más pobres, para ser distribuidos hasta fines de año. Al mismo tiempo, Europa da apoyo a la asfixia de la población civil y al boicot del gobierno democráticamente elegido, causando un daño superior a esos $ 6.3. Para aliviar el sufrimiento, hace unas semanas una pareja Palestina-Escocesa viajaron en un camión desde Escocia para entregar una tonelada y media de suministros médicos a la Franja de Gaza. En el momento actual, Khalil Al Niss y Linda Willis han estado esperando durante días en el lado Egipcio de la barrera de separación en Rafah y todavía no han conseguido un permiso para cruzar la frontera. Los Egipcios lo niegan.

Así pues, ¿Gaza está bajo ocupación o no? ¿Qué significa realmente la llamada retirada del ejército Israelí? Para aclarar este tema, dos barcos van a salir de Chipre hacia Gaza el 7 de Agosto aproximadamente. Cuarenta miembros del "Free Gaza Movement" están ahora de camino para encontrarse en Chipre y preparar los barcos. Están invitados a ir a Gaza por la Sociedad Palestina de Ayuda Médica, el Programa de Salud Mental de la Comunidad de Gaza, el Centro Palestino por los Derechos Humanos, el Ministerio Palestino de Juventud y Deporte, el comité popular local para romper el asedio de Gaza, y diversas personas individuales de Gaza. Legalmente, Israel no pinta nada en esta iniciativa, porque los barcos no entrarán ni en aguas ni en puertos Israelíes. Navegarán directamente desde aguas internacionales a aguas Gazauis.

Algunos creen que las fuerzas Israelíes pararán los barcos para hacer una clara declaración de que la población de Gaza son prisioneros sin ningún derecho legal o humano que no sean los que les conceda Israel, y así Israel puede demostrar nuevamente al mundo que sus concepciones legales tienen más valor que la legislación internacional y de derechos humanos. La mañana del 20 de Julio, por ejemplo, buques de guerras Israelíes abrieron fuego contra barcos pesqueros Palestinos que faenaban al noroeste de la ciudad de Gaza, según la agencia de noticias Maan. La justificación usual para tal acción es que los Israelíes aseguran (o "temen", respectivamente) que puedan entrar armas de contrabando en la zona. A pesar del alto el fuego que Hamas y doce grupos más han estado manteniendo desde el 19 de Junio, eso parece no ser ninguna diferencia para Israel - excepto el hecho de que las incursiones Israelíes están centradas momentáneamente en Nablus, en Cisjordania. Legalmente, no hay ningún fundamento para ninguna de esas medidas militares.

El Free Gaza Movement consiste de más de 50 personas de todo el mundo que siguen los dictados de su conciencia para levantar la crisis humanitaria de Gaza, llevando a los Gazauis ayuda médica y social. Solamente algunas de ellas estarán realmente en el "Free Gaza" y el "Liberty" y esperan recibir la bienvenida en la costa de unos diez barcos Gazauis. Algunas están en el equipo de tierra de Chipre y formarán parte de la organización y medios de comunicación de los embarcados, mientras los barcos estén en el mar. Es un viaje de prueba para muchos barcos, para abrir un puente marítimo.

Los pasajeros de los barcos son, de acuerdo con la lista actual, de Australia, Canadá Chipre, Dinamarca, Francia, Alemania, Grecia, Irlanda, Israel, Italia, Líbano, Pakistán, Palestina, Escocia, España, Túnez, el Reino Unido y los Estados Unidos. (En inglés está por orden alfabético, N.de la T.) En total, entre ellos hablarán en más de 12 lenguas. Entre los participantes hay marineros, comunicadores, abogados, ingenieros, trabajadores de la construcción, enfermeras, profesores, doctores, conferenciantes, catedráticos, fotógrafos, clérigos, submarinistas, y organizadores noviolentos. Son Musulmanes, Judíos, Cristianos y humanistas. La persona más joven tiene 22 años y la mayor, Hedy Epstein, celebrará su 84 cumpleaños en el barco.

Hedy Epstein, que sobrevivió al genocidio Nazi, se convirtió en una abogada de derechos humanos. Ha publicado sus memorias en Alemán. La abogada y experta de medios de comunicación Huwaida Arraf planea venir, así como Anne Montgomery, una monja de los EEUU que ha trabajado con el Equipo de Pacificadores Cristianos en los Territorios Ocupados. Jeff Halper, del Comité Israelí contra la Democión de Casas también va a bordo. De California llega entre otras personas, la abuela de 74 años Mary Hughes-Thompson en su séptimo viaje a Palestina desde 2002. Ken O'Keefe, ex-Marine y veterano de la primera Guerra del Golfo también estará allí. El director de cine y músico Aki Nawaz forma parte del equipo documental de a bordo y el medico William "Bill" Dienst es el experto médico que ha trabajado en las clínicas de Gaza y vuelve para trabajar allí de nuevo. Angela Godfrey-Goldstein (que trabaja con el ICAHD, Comité Israelí contra la Demolición de Casas, y Machsom Watch está en el equipo de tierra de Chipre junto con Uri Davis, un autor bien conocido, de Israel.

Hay muchos apoyos de organizaciones y personas individuales internacionales para el proyecto de Free Gaza y reconocen la importancia de la misión, entre ellos, Noam Chomsky y Luisa Morgantini, Vice-Presidenta del Parlamento Europeo. El Arzobispo emérito Desmond Tutu ha escrito: "La paz y la seguridad que descubrimos en Sudáfrica, no vienen por medio de un cañón de fusil… Apoyo el convoy de barcos en su intento." La Premio Nobel de la Paz Mairead Maguire añade: "Lleváis con vosotros las esperanzas y deseos de muchas personas de todo el mundo." La lista de quienes apoyan, publicada en www.freegaza.org ahora es puesta al día cotidianamente, a medida que la fecha se aproxima y personas de todo el mundo dirigen su atención al acontecimiento del Free Gaza.

El Movimiento Free Gaza es un proyecto humanitario y de base, democrático y no afiliado a ningún partido político ni Agenda. Algunas voces públicas han tratado de asociarlo a intereses pro- o anti- , lo que el grupo rechaza vehementemente. En un correo electrónico de los participantes, Monir Deeb, el espíritu del inolvidable Conde Folke Bernadotte dice: "El grupo de Free Gaza invierte su tiempo, dinero y seguridad para denunciar la injusticia. Son la misma gente que estuvo al lado de la población Judía del mundo en los duros tiempos de la persecución Nazi." Su padre, Gazaui, dice Deeb, realmente conoció al diplomático Sueco y mediador de las Naciones Unidas Bernadotte durante las negociaciones del Sinaí de 1948.

Traducción: amdelmar, Barcelona, España.

Free-Gaza-Projekt schon jetzt großer Erfolg - Israelische Reaktionen
Anis Hamadeh, 22.08.2008

Das Hauptanliegen der Free-Gaza-Gruppe, die momentan von Zypern nach Gaza segelt, ist, auf die inhumanen Verhältnisse in Gaza und Palästina aufmerksam zu machen. Hunderte von Artikeln und Berichten in den internationalen Medien belegen, dass sie dieses Ziel erreicht hatte, noch bevor sie Zypern verlassen hat. Und bereits jetzt haben sie Reaktionen provoziert, die die Absurdität Israels Politik im Gazastreifen aufzeigen. So etwa Shlomo Dror's Statement, ein Sprecher des Verteidigungsministerium, der im Telegraph zitiert wurde: "Aus meiner Sicht handelt es sich um eine Art Piratenschiff. Man kann ja demonstrieren, das ist von uns aus OK. Aber man darf nicht das internationale Recht brechen." (1) Diese gewaltlosen Menschenrechtsaktivisten, die nicht einmal israelisches Staatsgebiet betreten, werden also Gesetzesbrecher und Piraten genannt. Da dieser israelische Offizielle mit dem Bruch internationalen Rechts argumentiert, hat die Free-Gaza-Gruppe einen wichtigen Punkt gemacht, weil Israels Verstöße gegen internationales Recht kaum zählbar und eine Routine-Angelegenheit sind.

Hier eine Liste der schwersten Verstöße gegen das internationale Recht, begangen von Israel seit 1948: illegale gewaltsame Landaneignung, ethnische Säuberung, illegaler Bevölkerungtransfer (Siedlungen), illegale kollektive Bestrafungen, Rassismus und Apartheid, Verletzung des Rechts arabischer Familien auf Familienzusammenschluss, illegale militärische Besatzung, das Verbieten des Rückkehrrechts für Zivilisten am Ende eines bewaffneten Konflikts, illegale Modifikation lokalen Rechts, illegale de-facto-Annektierungen, Verletzungen des Rechts auf Selbstbestimmung, Verletzung der Menschenrechte, Verstöße gegen mehr als 100 UNO-Resolutionen. Aktuelle Übersichten über Verletzungen und mögliche Verletzungen besonders der Vierten Genfer Konvention stehen insbesondere bei B'tselem, dem Public Committee against Torture in Israel, dem United Nations Information System on the Question of Palestine und bei Human Rights Watch.

Hamas sei darauf aus, die Boote für sich auszunutzen, dies ist ein weiteres Argument gegen die maritimen Freiheitskämpfer, zum Beispiel in der Jerusalem Post (2). Der Topos hinter diesem Satz ist der des Beifalls von der falschen Seite. Das ist nichts für Aristoteliker, weil dieser Topos besagt: "Wenn du A sagst und der Böse auch A sagt, dann bist du böse." Können die Menschenrechte den Palästinensern verwehrt werden, nur weil Hamas das auch will? Was, wenn die Hamas Schuhe trägt, müssen wir dann alle barfuß gehen? "Ihre Aktion ist, dass Sie das Regime einer terroristischen Organisation in Gaza unterstützen, einer Organisation, der es darum geht, den Staat Israel nicht anzuerkennen und ihm das Existenzrecht abzusprechen", schrieb Noam Katz, Leiter der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit des israelischen Außenministeriums. (3) Wenn man auf einen Feind fixiert ist, betrachtet man alles in Relation zu diesem Feind. Kinder sind keine Kinder mehr, Menschenrechtler sind keine Menschenrechtler mehr und die Zivilbevölkerung ist keine Zivilbevölkerung mehr. Eine Wolke der Dämonisierung vernebelt die Diskussion und vereinzelt hört man sogar böswillige Unterstellungen, nach denen die Hamas diese Aktion lenkt, was grober Unsinn ist.

A pro pos Dämonisierung: Das Beschützen oder Unterstützen von Terroristen ist eine weitere vage Anklage, die den offiziellen israelischen Reaktionen und natürlich den Worten engagierter Laien und Bloggern entnommen werden kann. Es scheint so, als ob pro-zionistische Schreiber die Palästinenser als (potenzielle) Terroristen konzeptionalisieren und nicht als Menschen. Wer nach "Free Gaza" in der Welt der Blogger sucht, wird erstaunliche Zitate finden. Die Unterstützung von Palästinensern wird in dieser Welt fast zum Synonym für die Unterstützung von Terrorismus. Der bekannte deutsche Polemiker Broder schreibt, dass es "Palästinensern an allem, nur nicht an Munition mangelt". (4) Der Fokus liegt auf der "Sicherheitsbedrohung", was deutlich eine Entmenschlichung von Palästinensern darstellt und der Grund dafür ist, dass Kollektivbestrafungen der Palästinenser nicht als illegal angesehen werden: Sie werden schlicht nicht als Menschen anerkannt. So werden aus den Booten Dinge wie "Das Terrorismus-'Exodus-Schiff'" (5).

Einige amerikanische "Spezialisten" haben sogar hervorgebracht, dass die Free-Gaza-Bewegung eine Aggression gegen einen anderen Staat begehen würde und somit "konspirieren" würde, um das US-Neutralitätsgesetz zu verletzen, das in Absatz 960 von Titel 18 des US-Codes kodifiziert ist. (6) Wo aber ist die Aggression bei dieser gewaltlosen Aktion? Alle Boote sind gecheckt und die israelische Regierung wurde sogar eingeladen, an der Reise teilzunehmen. Anscheinend fürchten sich einige Leute sehr, wenn sie solche weit hergeholten Ideen aufbringen.

Laut IMEMC sagten israelische Militär-Offizielle, dass die israelische Marine "innerhalb ihres Rechts" Gewalt gegen die Boote ausüben dürfe, da die Oslo-Vereinbarungen von 1993 (die 2001 von Scharon als "tot" bezeichnet wurden) Israel die Verantwortung über die territoriallen Gewässer des Gazastreifens übertrage: "Palästinenser allerdings sagen, dass Folge-Vereinbarungen wie das Camp-David-Abkommen von 2000 und der Gaza-Abzugsplan von 2005 den Palästinensern das Recht geben, ihre Küste zu benutzen. Palästinensische Fischer, die vor der Küste des Gazastreifens fischen, seien ständigen Drangsalierungen von israelischen Kriegsschiffen ausgesetzt, die direkt vor der Küste stationiert sind. Oft würde mit Granaten und Raketen auf die Fischerboote geschossen." (7) In einer aktuellen Pressemitteilung schreibt die Free-Gaza-Gruppe: "Als Besatzungsmacht hat Israel die Verantwortung für das Wohlergehen der Menschen in Gaza nach der Maßgabe der Vierten Genfer Konvention von 1949. Israel hat seine Kontrolle und seine Verantwortlichkeiten missbraucht, indem es zu Unrecht lebensnotwendige Versorgung und humanitäre Hilfe für die Menschen von Gaza behindert hat." (8)

Die aufschlussreichsten Statements wurden heute veröffentlicht. Israelische Offizielle nennen das Projekt "sowohl nicht-humanitär als auch ein Projekt, das darauf ausgerichtet ist, Israels Existenzrecht in Frage zu stellen. (...) Die Offiziellen beziehen sich dabei auf die Selbstbeschreibung auf der Website der Bewegung, wo die Gründung Israels als 'Nakba' (Katastrophe) bezeichnet wird, was ein Beweis für die wirklichen Absichten der Organisatoren sei." (9) Hier kommen wir zum Zentrum des Problems, dank der Free-Gaza-Bewegung. Wenn diese beiden Boote als Bedrohung von Israels Existenz angesehen werden, ist leicht nachzuvollziehen, dass dieses Existenzargument eine hohle Phrase ist, die dazu dient, die Nakba zu leugnen und das Dschungelgesetz zu beschützen in diesem asymmetischen Kampf einer der mächtigsten Armeen der Welt gegen die Zivilbevölkerung Palästinas.

Offensichtlich leben wir in einer Zeit, in der die Prinzipien des internationalen Rechts neu implementiert werden müssen. Es klafft eine riesige Lücke zwischen dem, was die internationale Gemeinschaft über Recht und Gesetz sagt, und dem, was das zionistische Regime und seine Anhänger dazu sagen. Derzeit leben wir in einem Dschungel, in dem die stärkere Armee das Gesetz vorgibt. Ist es das, was wir wollten?

Free Gaza Project Already Big Success - Israeli Responses
Anis Hamadeh, 22.08.2008

The main objective of the Free Gaza Movement, currently sailing from Cyprus to Gaza, is to raise awareness about the inhumane conditions in Gaza and Palestine. Hundreds of articles and features in the international media prove that they have reached this aim even before they left Cyprus. And already they have provoked reactions that show the absurdity of the Israeli policy in the Gaza Strip, like Shlomo Dror's statement, a defence ministry spokesman, who is quoted in the Telegraph: "From my point of view this is some kind of pirate ship. You can demonstrate, that's OK with us. But you are not allowed to break international law." (1) So these nonviolent human rights activists, who do not even touch Israeli territory, are called law-breakers and pirates. As this Israeli official argues with the breach of international law the Free Gaza Movement has made a major point, because Israel's breaches of international law are legion and a routine procedure.

Here are the major violations of international law by Israel since 1948: illegal acquisition of land by force, practice of ethnic cleansing, illegal population transfer (settlements), illegal practice of collective punishment, practice of racism and apartheid, violation of Arab family unity, illegal military occupation, forbidding civilians the right to return to their homes following the end of armed conflict, illegal modification of local law, illegal de facto annexation, violations of right to self-determination, violations of human rights, violations of more than 100 UN resolutions. For the monitoring of breaches or suspected breaches especially of the Forth Geneva Convention see in particular B'tselem, Public Committee against Torture in Israel, United Nations Information System on the Question of Palestine, and Human Rights Watch.

Hamas is keen to exploit the boats, this is another argument against the maritime freedom fighters, e.g. in the Jerusalem Post (2). The topos behind this sentence is the one of applause from the wrong side. Nothing for Aristotelians, really, because this topos says: "When you say A, and the bad guy also says A, then you are a bad guy". Can the Human Rights be denied to the Palestinian people only because Hamas also wants them? What if Hamas wears shoes, do we have to go barefoot then? "Your action is that you are supporting the regime of a terrorist organization in Gaza, an organization dedicated to non-recognition of the State of Israel and its right to exist", wrote Noam Katz, director of the Public Relations Department of the Israeli Ministry of Foreign Affairs. (3) When you are fixed on an enemy you will see everything in relation to this enemy. Children are no longer children, human rights workers no longer human rights workers and civil population no longer civil population. A cloud of demonization obscures the discussion and sometimes we even hear malicious allegations, according to which Hamas leads this action, which is utter nonsense.

Talking about demonization: protecting or supporting terrorists is another vague accusation that can be derived from the official Isaeli responses and, of course, from the words of engaged laymen and bloggers. It seems as if pro-Zionist writers conceptualize Palestinians as (potential) terrorists and not as human beings. Search for "Free Gaza" in the blog world and you will see the most astonishing quotes. Supporting Palestinians in this realm is almost equal to supporting terrorism. The known German controverter Broder writes that "the Palestinians lack everything except ammunition". (4) The focus is on the "security threat" which clearly is a dehumanization of Palestinians and the reason why collective punishments of Palestinians are not seen to be illegal: they are simply not considered to be human beings. Thus the boats become things like "The Terrorism 'Exodus Ship'" (5).

Some American "specialists" have even argued that the Free Gaza Movement was launching an aggression against another state and would thus be "conspiring" to violate the U.S. Neutrality Act that is codified in section 960 of title 18 of the U.S. Code (6). But where is the aggression in this nonviolent action? All the boats are checked and the Israeli government was even invited to join the trip. Some people must really be afraid when they come up with such far-fetched ideas.

According to IMEMC, Israeli military officials said the Israeli Navy is "within its rights" to use force against the boats, as the Oslo Accords of 1993 (called "dead" by Sharon in 2001) would give Israel the responsibility for the territorial waters of Gaza: "But Palestinians contend that subsequent signed agreements, such as the Camp David Accord (2000) and the Gaza disengagement plan (2005) give the Palestinians the right to the use of their shoreline. Palestinian fishermen who fish off the coast of Gaza face constant harassment from Israeli warships stationed just off the coast, and are often fired upon with shells and missiles." (7) In a recent press release, the Free Gaza Movenmet writes: "As an Occupying Power, Israel has a responsibility for the well-being of the people of Gaza under the provisions of the 1949 Fourth Geneva Convention. Israel has abused its control and responsibilities by wrongfully obstructing vital supplies and humanitarian assistance to the people of Gaza." (8)

The most revealing statements were published today. Israeli officials call the project "both non-humanitarian and a project designed to question Israel's right to exist. (...) Officials have pointed to the mission statement on the movement's website referring to Israel's foundation as the 'Nakba' (catastrophe) as proof of the true intentions of the organisers." (9) Here we can see the core of the problem, thanks to the Free Gaza Movement. If these two boats are considered to be a threat against Israel's existence, then we can clearly understand that this existence argument is nothing more than a hollow phrase designed to deny the Nakba and to protect the law of the jungle in this asymmetrical struggle of one of the most powerful armies in the world against the civil population of Palestine.

Apparently, we are in a time where the principles of international law and the human rights must be implemented anew. There is an extremely wide gap between what the international community says about the law and what the Zionist regime and its adherents say about it. Right now we are living in a jungle where the stronger army makes the law. Is this what we wanted?

Footnotes
(1) 19.08.08, Carolynne Wheeler: www.telegraph.co.uk/news/worldnews/middleeast/israel/2579827/Israel-to-treat-Gaza-peace-boats-like-pirates.html
(2) 18.08.08, Yaakov Lappin: www.jpost.com/servlet/Satellite?cid=1218710388004&pagename=JPost%2FJPArticle%2FShowFull
(3) www.freegaza.org/index.php?module=latest_news&id=baa2fa8868639ca6a09eec582f99a132&offset=
(4) 14.08.08, www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/ein_schiff_wird_kommen1/
(5) www.israelnationalnews.com/Blogs/Message.aspx/2969
(6) see e.g. www.jewishblogging.com/blog.php?bid=152743
(7) http://imemc.org/article/56592
(8) www.freegaza.org/index.php?module=latest_news&id=6a2cfc1e1566ec39c62254e90b97abf7&offset=
(9) The Jewish Community Online, 22.08.08, http://thejc.com/articles/israel-plans-its-response-free-gaza’-ship

Italienischer Opern-Tenor Joe Fallisi nimmt an nächster Free-Gaza-Reise teil
Anis Hamadeh, 13.09.2008

Die Free-Gaza-Story geht weiter. Am oder um den 22. September wird ein Boot mit sechsundzwanzig Internationalen von Zypern aus nach Gaza aufbrechen. Darunter sind Teilnehmer der ersten, historischen Free-Gaza-Fahrt vom 22.-23. August und einige neue Passagiere. Einer von ihnen ist der italienische Opernsänger Joe Fallisi.

Joe Fallisi besuchte die Civica Scuola d'Arte Drammatica des Piccolo Teatro in Mailand sowie das örtliche Konservatorium, machte einen Abschluss in vokaler Kammermusik und studierte künstlerischen Gesang. Einen weiteren Abschluss machte er in Philosophie an der Universität von Genua. Sein Repertoire reicht von Oper, Kammer- und sakraler Musik zu Musical und Liedern und er hat in vielen Theatern, Konzertsälen und Festivals in Italien und im Ausland gesungen und mehrere nationale und internationale Musikwettbewerbe gewonnen.

Zwei Sammlungen klassischer Melodien hat er selbst geschrieben: "Chants de guerre parisiens" nach Gedichten von Baudelaire, Verlaine und Rimbaud (2007) und "Carne e cielo. Poesia italiana in canto", das auf berühmte italienische Gedichte gegründet ist (2008). Der Veganer Fallisi ist stolz auf seine anarchistischen Wurzeln und komponierte eine Reihe von Protestliedern, darunter das bekannte "La ballata del Pinelli".

"Verrà" ist eines von Joe Fallisis Songs für Palästina. Er schrieb einen neuen italienischen Text zu dem Traditional "Amazing Grace" und singt: "Freiheit wird kommen ... Palästina ist in unseren Herzen ... Zionisten, Unterdrücker, Tyrannen werden fallen ... ihr jüdischen Brüder, lebt mit uns ... uns wird das eine Land gehören ... die neue Menschlichkeit wird Gerechtigkeit, Gleichheit und Zusammengehörigkeit bringen." Das mp3 dieses Songs findet man auf der Seite des Free Gaza Song Contest, siehe die Links unten.

Fragen der Gerechtigkeit und der Menschenrechte haben den Sänger schon immer bewegt. Für das "Save the Children"-Projekt "Riscriviamo il futuro" sang er kürzlich mit der Hip-Hop-Band Two Fingerz. Sein Engagement für Palästina entspringt derselben Quelle: "Was den Palästinensern widerfährt, die seit 60 Jahren von zionistischen Invasoren und Besatzern unterdrückt werden, ist fürchterlich repräsentativ für die Situation der Ungerechtigkeit in der ganzen Welt. Und sogar eine der schlimmsten anhaltenden Ursachen dafür. Besonders die mörderische Belagerung von Gaza, die mit dem feigen Schweigen und der Komplizenschaft der westlichen Regierungen einhergeht, ist etwas, das ein anständiger Mensch nicht länger akzeptieren kann. Palästinenser haben ein Recht darauf, frei zu sein, so wie jedes andere Volk. Ich bin glücklich und wirklich stolz darauf, beim nächsten Free-Gaza-Trip dabei zu sein und wünsche mir so sehr, in Gaza zu singen, für meine Schwestern und Brüder."

Fallisi ist auch Schauspieler. Nach seiner Rückkehr aus Gaza wird er eine Hauptrolle in einer italienischen Filmproduktion spielen, "Sogni di Piombo". Außerdem hat er soeben das Trio "Tre tenori italiani" gegründet, zusammen mit zwei Mitgliedern des Chors der Mailänder Scala. Im Rahmen seiner Free-Gaza-Reise wird Joe Fallisi auch als Journalist für die italienische Online-Nachrichtenagentur Infopal tätig sein.

Links:
- Joe Fallisi's website with mp3s: www.nelvento.net
- The Free Gaza Song Contest: www.anis-online.de/musik/freegazasong.htm
- Video with the Hip Hop band Two Fingerz: http://uk.youtube.com/watch?v=8-At0rr9XDw
- "La ballata del Pinelli": www.ancoramaipiu.it/pinelli.htm
- "Tre tenori italiani": www.tretenoriitaliani.it
- Infopal: www.infopal.it

Italian Opera Tenor Joe Fallisi to Join Next Free Gaza Voyage
Anis Hamadeh, 13.09.2008

The Free Gaza story continues. On or about September 22 a boat with twenty-six internationals will start from Cyprus to reach Gaza. Among them are veterans from the historic first Free Gaza voyage of August 22-23 and some new passengers. One of them is Italian opera singer Joe Fallisi.

Joe Fallisi attended the Civica Scuola d'Arte Drammatica of Milan Piccolo Teatro and the local conservatory, obtaining a degree in vocal chamber music and studying artistic singing. He also has a degree in philosophy from Genoa University. His repertoire reaches from opera, chamber and sacred music, to musical and songs and he has been singing in many theatres, concert halls and festivals in Italy and abroad, winning several national and international music competitions.

Two collections of classical melodies he wrote himself: "Chants de guerre parisiens", based on poems by Baudelaire, Verlaine and Rimbaud (2007), and "Carne e cielo. Poesia italiana in canto", based on famous Italian poems (2008). Proud of his anarchist roots, the vegan Fallisi composed a number of protest songs, among them the well known "La ballata del Pinelli".

"Verrà" is one of Joe Fallisi's songs for Palestine. He wrote new Italian lyrics to the traditional "Amazing Grace" and sings: "Freedom will come ... Palestine in our hearts ... Zionists, oppressors, tyrants will fall ... oh brothers Jews do live with us ... ours will be one country ... the new humanity will have justice, equality, together." The mp3 of this song is available on the page of the Free Gaza Song Contest, see links below.

Matters of justice and the human rights have always concerned the singer. For the project "Riscriviamo il futuro" of "Save the Children" he recently sang with the Hip Hop band Two Fingerz. His engagement for Palestine springs from the same source: "What happens to the Palestinian people, oppressed since 60 years by Zionist invaders and occupants, is terribly representative of the situation of injustice in the whole world. And even one of the worst, continuous sources of that. Particularly, the murderous siege of Gaza, that happens with the cowardly silence and complicity of the Western governments, is something that any decent human being can no longer accept. Palestinians have a right to be free like every other people. I am happy and really proud to be on the next Free Gaza trip and I so much wish to sing in Gaza, for my sisters and brothers."

Fallisi also is an actor. On his return from Gaza he will play a leading role in an Italian movie production, "Sogni di Piombo". Furthermore, he just founded the trio "Tre tenori italiani" together with two members of the Milan Scala Choir. For the purpose of his Free Gaza journey Joe Fallisi will also be a journalist for the Italian online news agency Infopal.

Links:
- Joe Fallisi's website with mp3s: www.nelvento.net
- The Free Gaza Song Contest: www.anis-online.de/musik/freegazasong.htm
- Video with the Hip Hop band Two Fingerz: http://uk.youtube.com/watch?v=8-At0rr9XDw
- "La ballata del Pinelli": www.ancoramaipiu.it/pinelli.htm
- "Tre tenori italiani": ww.tretenoriitaliani.it
- Infopal: www.infopal.it

Nach Gaza - Deutsche Öffentlichkeit übt Solidarität mit den Tätern
Anis Hamadeh, 14.03.2009

"Ein kurzes Wort über das Verhältnis zwischen Jüdinnen und Juden außerhalb Israels und dem Staat Israel. Man kann das Verhältnis vergleichen mit den Mitgliedern einer Familie, die selbstverständlich eine enge affektive Beziehung haben. Schwierig wird das Verhältnis jedoch, wenn ein Familienmitglied ein Verhalten an den Tag legt, das sittlich unakzeptabel ist - etwa wenn es Rechtsbrüche verübt. Dann müssen sich die anderen Familienmitglieder von ihm distanzieren - ansonst sie sich selber schuldig machen." Philippe Lévy, früherer Botschafter Israels in der Schweiz.1

In Gaza brachte die israelische Armee seit Weihnachten etwa 1.400 Menschen um. Einige sterben jetzt noch qualvoll an ihren Verletzungen, zum Beispiel an der unmenschlichen Phosphorwaffe. Als Rechtfertigung brachte die internationale Gemeinschaft hervor, dass Hamas einen Waffenstillstand gebrochen habe, was weder den Tatsachen entspricht noch als Rechtfertigung für jede Art von Barbarei dienen kann.2 Das Mittragen eines Pogroms wie diesem ist überall schlimm, aber in Deutschland besonders, wo nach der Hitler-Katastrophe die Menschenrechte ganz weit oben auf der Werteskala stehen müssten. Stattdessen erleben wir regelmäßig eine Umkehrung der Vorzeichen von Antisemitismus zu Philosemitismus in der Öffentlichkeit, ganz deutlich jetzt wieder, nach Gaza. War es in der Nazizeit der Jude, der verfolgt wurde, so ist es heute der Anti-Jude - oder jedenfalls das, was dafür gehalten wird. Menschrechtler zum Beispiel zählen dazu, wenn sie an Israel dieselben Maßstäbe anlegen wie an andere Länder und Sanktionen bei schweren Rechtsverstößen fordern.

Die Fälle Dierkes und Karsli

So musste etwa der Fraktionsvorsitzende der Partei Die Linken im Duisburger Rat und Kandidat für das Amt des Duisburger Oberbürgermeisters Hermann Dierkes zurücktreten. Am 18. Februar hatte er auf einer Veranstaltung gesagt: "Wir dürfen es nicht länger zulassen, dass im Namen des Holocaust und mit Unterstützung der Bundesregierung derart schwere Menschenrechtsverbrechen begangen und geduldet werden. Jede und jeder kann zum Beispiel durch den Boykott von israelischen Waren dazu beitragen, dass der Druck für eine andere Politik verstärkt wird." 3 Der entsprechende taz-Artikel von Pascal Beucker trägt die Überschrift: "Linker auf israelfeindlichen Abwegen" und beschwört im Untertitel den "Antisemitismusverdacht", der übrigens immer auftritt, wenn es konsequent um die Menschenrechte der Palästinenser geht. Dieses antidemokratische Verhalten der deutschen Öffentlichkeit ist auch im Ausland nicht unbemerkt geblieben. Unter dem Titel "A public stoning in Germany" berichtete Raymond Deane in "The Electronic Intifada" über den Fall Dierkes.4

Ebenfalls ins Visier der zum Teil organisierten Gruppen, die unsere Öffentlichkeit "antijudenfrei" machen wollen, ist der frühere Landtagsabgeordnete Jamal Karsli geworden. Bereits im Jahr 2002 waren er und der FDP-Politiker Jürgen W. Möllemann mit der Beschuldigung des "Antisemitismus" aus der Öffentlichkeit verbannt worden. Medienberichte aus der Zeit zeigen die Hysterie, die in Deutschland entsteht, wenn es jemand wagt, Israels Gewalt anzuklagen: Es gehe in Wahrheit gar nicht um Israel, heißt es dann explizit oder implizit, es gehe um "die Juden".

Jamal Karsli hat viele Jahre lang Menschenrechtsarbeit bei den Grünen gemacht und ist ein gemäßigter laizistischer Politiker, aufgeschlossen und ein Demokrat.5 Das Bild aber, das von ihm - bis heute - in der Öffentlichkeit gezeichnet wird, ist das eines Hassers, eines religiösen Fanatikers, eines Rassisten und Antisemiten. Diese unhaltbaren Zuordnungen sagen viel über die Mechanismen unserer Öffentlichkeit aus und beschädigen das Bild Deutschlands in der Welt weit mehr als sie Jamal Karsli beschädigen, der sich treu geblieben ist und der sich - natürlich - in der Zeit des schrecklichen Gazamords und danach geäußert hat. Er hat immer für einen friedlichen Ausweg aus dem Nahost-Konflikt plädiert und sich dafür eingesetzt.

Was nun war der Anlass, ihn erneut ins Visier zu nehmen? Auf einer Gaza-Demo am 09.01.2009 sagte Karsli in seiner Rede vor dem Rathaus in Recklinghausen unter anderem: "Wir wollen Israel sagen, dass die Hamas nicht allein ist. Gegen euch kämpfen alle palästinensischen Organisationen. Wenn es um die Unabhängigkeit und um die Freiheit Palästinas geht, dann ist die gesamte palästinensische Bevölkerung Hamas und wir sind auch Hamas. (...) Die Menschen im Gaza-Streifen werden kollektiv dafür bestraft, dass sie ihre Führung demokratisch gewählt haben." - Diese Aussage hat die Recklinghauser Zeitung zu "Wir sind alle Hamas" verkürzt und damit das Feindbild aktiviert. Jutta Becker, eine Ratsherrin aus Herten, erstattete daraufhin Anzeige gegen Jamal Karsli bei der Staatsanwaltschaft Bochum. Das Verfahren wurde am 13.02.09 eingestellt.6

Daraufhin begann eine öffentliche Hetze gegen den "einschlägig bekannten Judenhasser Karsli" und seine "widerlichen antisemitischen Parolen" von Mitgliedern der "Bürgerbewegung Pax Europa e.V.", die laut Selbstbeschreibung "über die schleichende Islamisierung Europas aufklären" will und "ausschließlich der Bewahrung der christlich-jüdischen Tradition unserer europäischen Kultur und der Erhaltung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung verpflichtet" ist. Die folgenden Zitate zeigen, wes Geistes Kind diese Bürgerbewegung ist:

"Kindermörder Israel", "Frauenmörder Israel", "Vergast die Juden", "Steckt die Juden in die Gaskammer": Das waren die Slogans einer "Friedensdemo", organisiert von einer obskuren "Islamischen Initiative Herten" am 10. Januar diesen Jahres in Recklinghausen. Der Ex- Grüne und Ex-FDP- Abgeordnete Jamal Karsli stand anlässlich der Abschlusskundgebung dieser "Demo" auf der Rathaustreppe und brüllte vor den anwesenden "Friedensaktivisten" von MLPD, SPD, von Pfarrern, Verbandsmohammedanern, Gewerkschaftlern und Poststalinisten ins Mikrofon: "Wir sind alle Hamas", also Mitglieder einer Terrororganisation, die sich laut Charta die ultimative Vernichtung der Juden als Ziel gesetzt hat. Siebzig Jahre nach der Reichskristallnacht schämt man sich wieder in Deutschland zu leben und längst Vergangenes dringt wieder ins demokratische Bewusstsein. In Duisburg brechen nahezu zeitgleich deutsche Polizeibeamte in eine Wohnung ein und konfiszieren israelische Fahnen. Das macht Angst. Und unbändige Wut!7

Der Nazi-Genozid an den Juden wird hier missbraucht, um gegen den Islam und die Hamas zu polemisieren. Ein Teilnehmer besagter Demo schrieb dazu: "Es gibt in jeder Demo Ausrutscher und das können die Organisatoren wirklich nicht unterbinden bzw. kontrollieren oder bändigen. Kein Deutscher oder Araber, seien es Juden, Christen oder Muslime, billigt oder duldet Sprüche wie 'Vergast die Juden' oder 'Steckt sie in die Gaskammer' (auf den Demos habe ich es nicht gehört)."8 Hysterisch heißt es in dem Pamphlet weiter:

Schließen wir mal wohlwollend aus, dass die übliche mohammedanische polit-aktionistische Dreifaltigkeit Bestechung-Bedrohung-Erpressung hierbei keine Rolle gespielt habe, so lässt die Vorgehensweise nur den zwingenden Verdacht zu, dass die mit der Strafanzeige befasste Staatsanwältin eine Schwester im Geiste des Herrn Karsli, also eine notorische Antisemitin und Judenhasserin sein muss. Der Sozialwissenschaftler Dr. Thomas Tartsch spricht in diesem Zusammenhang zurecht von einem Skandal.

Während Geert Wilders in den Niederlanden der politische Prozess droht, weil er zu Recht den Koran mit Hitlers "Mein Kampf" verglich und Susanne Winter in Linz verurteilt wurde, weil sie nur nacherzählte, was die islamische Legendenbildung über Mohammed berichtet, nämlich dass er Geschlechtsverkehr mit einem neunjährigen Mädchen hatte, was heute zurecht als pädophil gilt, gibt sich die Bochumer Staatsanwaltschaft als Vollstrecker des mohammedanischen angemaßten Machtanspruchs her und legitimiert den eliminatorischen Antisemitismus Karslis als Ausdruck von Meinungsfreiheit.

(...) Es bleibt nur zu hoffen, dass eine mögliche Beschwerde gegen die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Bochum bei der Generalstaatsanwaltschaft von Erfolg gekrönt sein wird. Ansonsten wäre dieses Land nur noch durch GG Art. 20 Absatz 4 zu retten. Das bedeutet, dass wenn andere Abhilfe nicht möglich ist, was hier offensichtlich der Fall wäre, alle Deutschen das Recht zum Widerstand haben gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen. Möge uns das erspart bleiben.

"Eliminatorischer Antisemitismus" lautet hier der Vorwurf, also, dass Jamal Karsli den Tod aller Juden wünschen würde. Auch wird nahe gelegt, Jamal Karsli wolle das politische System der Bundesrepublik Deutschland aushebeln. Der Koran wird mit "Mein Kampf" gleichgesetzt. In diesem Wahn sind Muslime Nachfolger der Nazis und (ausgerechnet) auf Personen wie Jamal Karsli wird diese Verirrung projiziert, mit der Androhung von "Widerstand" (in diesem Zusammenhang kann dies nur als Drohung verstanden werden.) Einige Wochen später folgte die nächste Anzeige: Rainer Grell, leitender Ministerialrat a.D. und Andreas Widmann von der "Bürgerbewegung Pax Europa e.V." haben am 9. März "Strafanzeige gg. Jamal Karsli wg. extrem antisemitischer Äußerungen" bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart gestellt. Als Begründung führen sie an:

"Sehr geehrter Herr Karsli, manche Dinge sind einfach unglaublich: Da rufen Menschen mitten in Deutschland auf einer "Friedensdemo" für Palästina am 09. oder 10. Januar 2009 in Recklinghausen "Vergast die Juden", "Steckt die Juden in die Gaskammer". Und wer ist daran beteiligt? Vertreter der "Religion des Friedens". Ich kann allerdings beim besten Willen nichts Friedliches in diesem Zusammenhang entdecken, sondern sehe nur Volksverhetzung (§ 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB) durch Aufforderung zum Mord (§ 211 StGB) oder gar Völkermord (§ 6 VStGB). Wie die Staatsanwaltschaft dies als Ausdruck der Meinungsfreiheit werten kann, bleibt ihr Geheimmis. Entweder war dort ein mieser, ein feiger oder ein antisemitischer Jurist (männlich oder weiblich) am Werk; weitere Erklärungen finde ich nicht. Sicher kann jeder zu Israel und zu den Juden seine eigene Meinung haben. Aber die oben wiedergegebenen Äußerungen haben mit Meinungsfreiheit nichts, aber auch gar nichts zu tun. Es ist schon toll: Wer den Holocaust leugnet, macht sich strafbar (§ 130 Abs. 3 StGB). Wer aber dazu auffordert, ihn zu wiederholen, bleibt straffrei.

Von dem arabischen Philosophen und Historiker 'Abu al-Hasan Ali ibn al-Husayn al-Mas'udi (895 - 956) stammt der Satz: "Aus der Geschichte können wir lernen, dass noch nie aus der Geschichte gelernt wurde." Ich befürchte, er hat Recht.

Hinweis für die Staatsanwaltschaft: Als Beate Klarsfeld vor über 40 Jahren das NSDAP-Mitglied Kurt-Georg Kiesinger auf einem CDU-Parteitag in Berlin wahrheitsgemäß als "Nazi" bezeichnete und ohrfeigte, erhielt sie dafür eine Freiheitsstrafe von einem Jahr (ohne Bewährung, zunächst jedenfalls). Hier sieht die StA offenbar noch nicht mal einen Anlass für die Einleitung eines Strafverfahrens. Wen wundert es da, wenn selbst BGH-Präsident Klaus Tolksdorf kürzlich bekannte "Ihm dränge sich mitunter der Eindruck 'einer Zwei-Klassen-Justiz' auf" (FokusOnline vom 30.01.2009).9

Diese Leute agitieren gezielt mit positivem Israelbezug, um ihre antiislamischen Äußerungen als Solidaritätskampagne auszugeben. Sie nutzen die Gelegenheit zu einem Rundumschlag gegen Islam, Muslime und "Islamisierung" und reihen sich ein in die rechte israelische Propaganda vom islamischen Antisemitismus. Interessant ist das psychologische Phänomen, dass in Deutschland viele bereitwillig dieser Deutung folgen, die ursprünglich die Antideutschen für sich vereinnahmt hatten, und nicht in der Lage sind, nach Maßstäben des Rechts zu argumentieren. Man bedenke, dass auch die Nazis ihre Legitimität daraus schöpften, sich und die eigene Ideologie als Opfer hinzustellen, und einen aggressiven Feind zu erfinden (damals unter anderem alle Juden), der es der eigenen Gruppe ermöglicht, zu hetzen und auszugrenzen.

Die Fälle Dierkes und Karsli sind politisch bedeutsam, weil sie zeigen, dass bei uns - trotz aller gegenteiligen Behauptungen - eine tatsächliche Kritik an Israels Politik nicht möglich ist. Sanktionen gegen Palästinenser sind kein Problem, Sanktionen gegen Israel darf man nicht einmal fordern, obwohl die aggressive und tödliche Politik des schwer bewaffneten Israel und seiner überwiegend Palästinenser hassenden Bevölkerung nachweisbar ist. Ebenso darf man die demokratischen Wahlen in Palästina von 2006 nicht anerkennen, weil die Hamas dort gewonnen hat und sie ist das israelische Feindbild, was in befreundeten Ländern wie Deutschland übernommen wurde.

Özdemir: "Überidentifizierung" junger Muslime mit Gaza

Dass es sich bei dieser Rollenverteilung um ein System handelt und nicht um ein paar bedauerliche Ausnahmen, beweist das Medienspektaktel um die Hass-Broschüre "Die Juden sind schuld. Antisemitismus in der Einwanderungsgesellschaft am Beispiel muslimisch sozialisierter Milieus" von der Amadeu Antonio Stiftung im Verbund mit weiteren Institutionen, die sich gegen "Antisemitismus" einsetzen.10. Grünen-Chef Cem Özdemir hat das Vorwort geschrieben und spricht in perfider Weise von einer "Überidentifizierung" junger Muslime mit Gaza. Er wird unter anderem unterstützt von den Bundestagsabgeordneten Omid Nouripour (Grüne), Lale Akgün (SPD) und Hüseyin Kenan Aydin (Linke).

In dieser Broschüre wird kurz nach dem Gazamord Stimmung gegen Muslime gemacht. Die Überschriften der Zeitungen zeigen, was hier geschieht: Nachdem mehr als tausend Menschen (die meisten waren Muslime) in Gaza dahingemetzelt wurden, möchte die deutsche Presse ein Zeichen setzen und rückt junge Muslime daher in die Nähe von Nazis. Es handelt sich bei den Artikeln11 um Beispiele aus dem Genre "Antisemitismus-Artikel", mit denen die deutsche Vergangenheit auf Kosten Dritter "aufgearbeitet" wird.12 Das Nazitum wird in Randgruppen ausgemacht und alle fallen darüber her, um zu zeigen, dass sie selbst keine Nazis/Antisemiten sind. Um dies ganz klar zu machen, werden philosemitische Äußerungen gemacht, also solche, die rassistisch pro-jüdisch sind, und zwar im zionistischen Sinne. Beweis dafür ist, dass in der Berichterstattung folgende wesentlichen Fakten überhaupt nicht vorkommen:

1. Der Überfall auf Gaza widerspricht krass den Menschenrechten und internationalem Recht. 2. Israel spricht im Namen aller Juden und stellt damit selbst eine Verbindung zu israelischer Gewalt und "den Juden" her. 3. Viele Juden sind über den Gazamord empört, diese Stimmen bleiben aber im Mainstream weitgehend ausgeblendet (z.B. Fanny-Michaela Reisin, Rolf Verleger, Abraham Melzer, Felicia Langer, Evelyn Hecht-Galinski u.v.m). 4. Viele deutsche Juden, die die israelische Regierung unterstützen, tun dies laut in der deutschen Öffentlichkeit. Institutionen wie der Zentralrat, die DIG und einige jüdische Gemeinden, außerdem die Botschaft und andere Institutionen schüren Vorurteile gegen Palästinenser, Araber und Muslime. Auch so wird der Nahe Osten nach Deutschland "transportiert". 5. Wut, Trauer und die Suche nach den Tätern sind eine natürliche menschliche Reaktion nach dem Gazamord.

Punkt 5 kommt in einem der untersuchten 24 Artikel kurz vor und das war's. (!) Ebenfalls unerwähnt bleibt, dass der Begriff "Antisemitismus" sehr suggestiv ist und deutlich auf Nazis verweist. Gleichzeitig wird fast in jedem Artikel darauf hingewiesen, dass Gaza und Nahost etwas mit diesem speziellen Antisemitismusvorwurf zu tun haben. Der Vorwurf wird also aus seinem Nazi-Kontext genommen und auf Palästina projiziert, wo Juden eine ganz andere Rolle spielen und nicht mehr die Opfer sind, auch wenn Israelis die Opferrolle zu einem wesentlichen Teil ihrer Identität gemacht haben.

Wir sehen also, was die Botschaft der deutschen Mainstream-Medien ist, an diesem Beispiel und Hunderten anderen13: Nach den weit über tausend Toten in Gaza folgt die Verfolgung der Opfergruppe. Im Grunde ist dies ein Zeichen für ein schlechtes Gewissen: Die betreffenden Medien wissen, dass es unter Menschenrechtlern und betroffenen Gruppen brodelt. Stellen Sie sich vor, aus Ihrer Gruppe würden so viele Menschen ermordet, ohne dass die Täter belangt werden. Da nun die Täter (Israel) nicht belangt werden können, man aber die Notwendigkeit sieht, jemanden zu belangen, suchen sich Journalisten und Politiker die aus, die mit den Opfern des Gazamords solidarisch sind. Begründet wird das mit unserer deutschen Geschichte. Das klappt immer ... Wird es wirklich immer so klappen? Viele Bürger möchten einen solchen Rassismus nicht bei uns haben und wünschen sich einen Paradigmenwechsel, sodass es um Recht und Toleranz für alle bei uns geht und nicht daum, eine bestimmte Gruppe als Opfer zu stereotypisieren und eine andere als Täter, und bei all dem noch damit zu prahlen, wie gut man mit der eigenen Geschichte umgeht.

Feindbild und Staatsräson

Als Lehre aus dem Zweiten Weltkrieg hat die deutsche Öffentlichkeit den "Schutz" Israels abgeleitet. Faktisch bedeutet das, dass der Staat Israel - unabhängig von den Tatsachen - nie als Aggressor erscheint oder als Täter, der zur Rechenschaft gezogen werden muss. Man hat also - lassen Sie uns das ganz deutlich sehen - die absolute Solidarität vom Nazistaat weg zum Judenstaat hin gelenkt. Erneut ist es ein Verhältnis des Ausgeliefertseins, das sich jenseits von rechtlichen Normen bewegt. Es ist daher ein durchgängiges Markenzeichen deutscher Israel-Berichterstattung, dass rechtliche Aspekte weitgehend unberücksichtigt bleiben, man also das demokratische Spielfeld verlässt.

Die wichtigste Methode zur Ausblendung israelischer Verantwortung ist, dass so weit wie möglich negative Meldungen über Israel gar nicht erst in die große Öffentlichkeit gelangen. Wer zum Beispiel weiß hier zu Lande, dass in Ostjerusalem derzeit wieder verstärkt gegen internationales Recht Häuser zerstört, Menschen vertrieben und dafür Juden angesiedelt werden? In den besetzten Gebieten leben inzwischen 470.000 Siedler, 190.000 von diesen in Ost-Jerusalem. Die israelische Regierung treibt mit ihren Siedlungsexpansionen, Häuserzerstörungen und dem Mauerbau "aktiv die illegale Annexion Ost-Jerusalems" voran. Dies geht aus einem internen EU-Bericht hervor, den vor einer Woche die israelische Menschenrechtsgruppe "Komitee gegen Häuserzerstörung" Journalisten zugänglich gemacht und der von einem EU-Diplomat bestätigt wurde. Als "illegal gemäß des internationalen Rechts" bezeichneten die Verfasser des 20-seitigen Papiers die Häuserzerstörungen. Diese dienen keinem offensichtlichen Zweck, sondern verschlechtern die humanitäre Situation. Seit 2004 zerstörte Israel 400 Häuser und plant den Abriss von zusätzlichen 1.000 Wohnungen.

Derartige Nachrichten kommen hier nicht an, und zwar täglich. Kein Wunder, dass die Feindbilder Palästinenser / Araber / Muslime greifen, wenn man so selektiv und einseitig "informiert" wird. Das Palestinian Center of Human Rights meldete kürzlich: "Am 14. Februar 2009 - fast einen Monat, nachdem Israel einseitig eine Feuerpause erklärt hat, hütete der 13-jährige Hammad Silmiya im Nordosten des Gazastreifens seine Schafe und Ziegen. Er war etwa 500 Meter von der Grenze zu Israel entfernt. Ein israelischer Militärjeep, der an der Grenze entlang patrouillierte, eröffnete das Feuer auf ihn und seine etwa gleichaltrigen Freunde. Hammad wurde in den Kopf geschossen und war fast auf der Stelle tot. Hammads Tod wird es nicht bis in die Nachrichten schaffen - es ist nur ein weiterer Todesfall im Gazastreifen, wo die Zahl der zivilen Verletzten und Todesfälle immer noch täglich steigt. Seine Familie hatte vor kurzem den Tod der Großmutter, den Tod zweier seiner Cousins, 4 und 18 Monate alt, und die Zerstörung ihres Hauses und ihrer Haustiere während der israelischen Offensive erlebt." 14

Die Irreführung der Bevölkerung ist kein deutsches Problem allein. Die Geber-Konferenz mit Regierenden aus aller Welt in Sharm-el-Sheikh zum Beispiel stellte sich als Nehmer-Konferenz heraus, denn sie nahm den Opfern von Gaza das Recht auf eine Verurteilung der Täter. All diese Politiker und Journalisten machen sich mitschuldig am Gaza-Pogrom und sie werden bei weiteren genozidalen Handlungen Israels als Wegbereiter gelten. In Deutschland allerdings, dem Land der Hexenverbrennungen und Judenvergasungen, ist das derzeitige Verhalten in der Öffentlichkeit der deutliche Beweis dafür, dass die Mehrheit der Bevölkerung bis heute nicht begriffen hat, was genau an der Nazi-Ideologie schlecht war und ob sie vielleicht gut gewesen wäre, wenn sie sich mehr gegen Muslime und Araber gerichtet hätte.

Fußnoten:
(1) Medienkonferenz vom 2. März 2009 in Bern, Appell von Juden an die israelische Regierung, Statement von Philippe Lévy, alt-Botschafter, Bern, http://www.humanrights-in-israel.ch/PressRelases2009-03-02/Medienkonferenz-2009-03-02.pdf (zurück)
(2) Siehe dazu die "Gaza Chronologie 19.06.-27.12.2008" und weitere Literaturangaben unter www.anis-online.de/journalismus/essay/23.htm#c (zurück)
(3) Pascal Beucker, taz 25.02.2009, Linker auf israelfeindlichen Abwegen. Hermann Dierkes würde gerne in Duisburg Oberbürgermeister werden. Jetzt steht der Linksparteipolitiker unter Antisemitismusverdacht. Er bleibt bei seinem Aufruf zum Boykott israelischer Waren. http://www.taz.de/1/politik/deutschland/artikel/1/linker-auf-israelfeindlichen-abwegen/ (zurück)
(4) 6. März 2009, http://electronicintifada.net/v2/article10375.shtml (zurück)
(5) Der Verfasser hat sich davon ein eigenes Bild gemacht, siehe die Reportage "Besuch bei Jamal" vom 17.03.2004: http://www.anis-online.de/journalismus/jamal.htm (zurück)
(6) Die ganze Rede und Stellungnahmen unter http://www.karsli.net/?p=263 und http://www.karsli.net/?p=285 (zurück)
(7) Conny Axel Meier 11. Februar 2009 http://bpeinfo.wordpress.com/2009/02/11/denk-ich-an-deutschland-in-der-nacht/ (zurück)
(8) Email liegt der Redaktion vor. (zurück)
(9) Wurde am 9. März als Rundmail versendet und liegt der Redaktion vor. (zurück)
(10) http://www.amadeu-antonio-stiftung.de/w/files/pdfs/diejuden.pdf (zurück)
(11) (Link erloschen) (zurück)
(12) Siehe dazu: Der Antisemitismus-Vorwurf in kritischer Betrachtung (100 S.), von Anis Hamadeh www.anis-online.de/journalismus/essay/14.htm (zurück)
(13) [Link nicht mehr aktiv, 2019] (zurück)
(14) Palestinian Center of Human Rights, 04.03.09, http://pchrgaza.org/files/campaigns/english/aftermath/4.html, Üb. Ellen Rohlfs (zurück)

21 Free-Gaza-Menschenrechtler von Israel verschleppt
Anis Hamadeh, 01.07.2009

Wie die Free-Gaza-Bewegung www.freegaza.org berichtet, ist das Boot "Spirit of Humanity" gestern um die Mittagszeit von der israelischen Armee geentert und die 21 Menschenrechtler aus 11 Ländern an Bord nach Israel entführt worden. Deutsche waren nicht darunter. Der Vorfall spielte sich auf dem Weg von Zypern nach Gaza, etwa 23 Seemeilen (42 Kilometer) vor der Küste Gazas, ab. Dies beweise der "Spot-Locator" des Bootes, der elektronische Signale vom Aufenthaltsort sendet. Rechtlich gesehen hat Israel auf diesem Gebiet keine Befugnisse, da es sich um die Anschlusszone des Küstenmeers handelt, das zu Gaza gehört. Gaza ist kein Teil des Staates Israel.

"Dies ist eine ungeheuerliche Verletzung des internationalen Rechts. Unser Boot war nicht in israelischen Gewässern und wir waren auf einer Menschenrechtsmission zum Gazastreifen," so Cynthia McKinney, früheres US-Kongress-Mitglied und Präsidentschaftskandidatin der Grünen Partei. "Präsident Obama hat Israel gerade erst gesagt, es solle humanitäre und Wiederaufbau-Hilfe zulassen und genau das haben wir versucht. Wir bitten die internationale Gemeinschaft, unsere Freilassung zu fordern, damit wir unsere Reise fortsetzen können." Auch 24 Stunden nach dem Vorfall hatten die Entführten keine Möglichkeit bekommen, ihre Anwälte zu sehen, obwohl diese angereist sind.

Die Situation in Gaza ist währenddessen weiterhin kritisch. Noch immer werden den Menschen dort von Israel willkürlich wesentliche Grundrechte vorenthalten. Die Grenzen sind gesperrt, es kommen kaum Hilfslieferungen an, Tausende sind obdachlos wegen des israelischen Angriffs, der über 1400 Tote verursacht hat und für den bis heute niemand belangt worden ist. Beharrlich hält sich die Mär, die Hamas hätte den Angriff zu verantworten. Israel begründet seine kollektiven und illegalen Strafmaßnahmen mit Feindfixierung: Weil der Feind in Gaza Israel zerstören wolle, müsse man wie in einer akuten Notlage Selbstjustiz üben. Währenddessen sind 1400 Tonnen US-Waffen in Ashdod angekommen, auf einem deutschen Schiff, um diese Politik fortzuführen, zu der auch Enteignungen von Palästinensern in Ostjerusalem und der Ausbau der illegalen Siedlungen in der Westbank gehören.

Im Vorfeld der Free-Gaza-Reise hatten sich die zyprischen Behörden und die US-Botschaft gegen die Fahrt ausgesprochen mit der Begründung, sie sei zu gefährlich. Für die Menschen in Gaza aber ist es jeden Tag so. Soll man die vergessen, weil es zu gefährlich ist? Soll man dem militärisch Stärkeren so signalisieren, dass das Gesetz des Dschungels respektiert wird und nicht das Recht, auf das sich die Staatengemeinschaft verbindlich geeinigt hat?

An Bord der "Spirit of Humanity" waren Medizin, Spielsachen und Olivenbäume. Die Fracht wurde von Israel konfisziert. "Unsere Hilfsgüter sind ein Symbol der Hoffnung für die Menschen in Gaza, Hoffnung darauf, dass der Seeweg sich für sie öffnet, damit sie sich selbst um das Material für den Wiederaufbau von Schulen, Krankenhäusern und Tausenden Häusern kümmern können, die im Verlauf des Abschlachtens mit dem Namen 'Gegossenes Blei' zerstört wurden. Unsere Mission ist eine Geste für die Menschen in Gaza, die zeigt, dass wir bei ihnen stehen und sie nicht allein sind", so Mairead Maguire, die für ihre Arbeit in Nordirland den Friedensnobelpreis bekommen hat. Auch sie wurde entführt.

Kurz vor der israelischen Aggression sagte Huwaida Arraf, Vorsitzende des Free Gaza Movement und Delegationsleiterin dieser Überfahrt: "Niemand kann annehmen, dass unser kleines Boot irgendeine Bedrohung für Israel darstellt. Wir haben medizinisches und Bau-Material und Kinderspielzeug an Bord. Unter den Passagieren sind eine Nobelpreisträgerin und eine frühere Kongress-Abgeordnete. Unser Boot wurde gecheckt und hat vor der Abreise eine Security-Unbedenklichkeitsbescheinigung von der zyprischen Hafenbehörde bekommen. Zudem waren wir zu keiner Zeit in israelischen Gewässern." Sie fügt an: "Israels vorsätzlicher und geplanter Angriff auf unser unbewaffnetes Boot ist eine klare Verletzung internationalen Rechts und wir verlangen unsere sofortige und bedingungslose Freilassung."

Dieser Vorfall zeigt erneut, dass Israel sich wie ein Besatzungsstaat verhält, ohne allerdings die Pflichten zu übernehmen, die Besatzungsstaaten rechtlich obliegen, also für das Wohl der Menschen zu sorgen. Von Anfang an haben auch Juden und Israelis am Free-Gaza-Projekt mitgewirkt. Es ist die achte Reise des Free Gaza Movement. Am 23. August 2008 gelang es den ersten beiden Booten, zum ersten Mal seit mehr als vierzig Jahren frei in den Hafen von Gaza einzulaufen. Für jeden anderen Hafen am Mittelmeer ist dies eine Selbstverständlichkeit, nur nicht für Gaza.

Seit bekannt ist, dass es größere Gas-Vorkommen vor der Küste Gazas gibt, hat sich die Situation verschärft. Ähnlich wie am Wasser der Westbank ist Israel auch an diesen Ressourcen interessiert. Da Israel das Existenzrecht Palästinas offensichtlich nicht anerkennt, sind die Hemmschwellen der Aneignung solcher Vorkommen niedrig.

Der siebte Versuch von Free Gaza im Dezember endete damit, dass Israel das Boot "Dignity" rammte und die Passagiere einschüchterte und in Lebensgefahr brachte. Die Einschüchterungsversuche waren erfolglos. Free Gaza hat mehrfach bewiesen, dass eine starke und konsequente Öffentlichkeit Wirkung zeigt. Gerade jetzt ist es wichtig, sich deutlich für diejenigen einzusetzen, die ihr Leben aufs Spiel setzen, um dieses massive Unrecht zu stoppen. Gleichzeitig sollte man die 11.000 palästinensischen Gefangenen in israelischen Gefängnissen nicht vergessen, die der oben gezeigten täglichen Willkür der israelischen Behörden ausgesetzt sind, die palästinensischen Fischer und Bauern, die von Soldaten beschossen werden, weil sie Palästinenser sind, und die Menschen, die von Mauern, Siedlungen und Kontrollposten eingeschnürt werden.

Eine Pressekonferenz des Free Gaza Movement ist für den heutigen Mittwoch um 17 Uhr Ortszeit in Nicosia, Zypern, angesetzt. Die Entwicklungen können auf www.freegaza.org auf Englisch verfolgt werden.

Iran, Gaza und eine Politik, die über dem Recht steht
Anis Hamadeh, 04.02.2010

Zur aktuellen Rede Ahmadinedschads schreibt das Flensburger Tageblatt heute: "Irans Staatschef Ahmadinedschad macht im Atomstreit mit dem Westen nicht aus Einsicht Zugeständnisse. Er reagiert allein auf Druck. Bis zu einer echten Entspannung zwischen dem Iran und dem Westen ist der Weg noch weit. Schließlich ist keineswegs ausgemacht, dass ein notorischer Holocaust-Leugner vom Schlage Ahmadinedschads überhaupt für rationale Erwägungen zugänglich ist." Diese Aussage hat der Deutschlandfunk in seiner internationalen Presseschau weiter verbreitet, zusammen mit zwei anderen Meinungen, die ebenfalls den Iran in die Pflicht nehmen. Sie spiegelt die Meinung der deutschen Mainstream-Presse und der Parteien mit Ausnahme der Links-Partei wider. Eine Meinung, die nun bereits seit Jahren die Runde macht und deren Essenz lautet: Der Iran darf auf keinen Fall die Atombombe haben.

Interessant an diesem Fall ist die Tatsache, dass in den westlichen Öffentlichkeiten höchst selten das Ziel eines atomwaffenfreien Nahen Ostens formuliert wird. Israel ist nämlich im Besitz von Atomwaffen und hat den Sperrvertrag - anders als der Iran - nie unterschrieben. Eine ausgewogene und ideologiefreie Berichterstattung würde diesem Umstand Rechnung tragen. Die Fokussierung auf den Iran macht deutlich, dass es hier um hegemoniale Interessen geht - und um ein Feindbild. Dazu passt, dem Feind grundsätzlich die Vernunft abzusprechen, wie im Flensburger Tageblatt geschehen, und ihn mit dem Genozid an den Juden in Zusammenhang zu bringen, eine Anklage, die etwa die jüdische Minderheit im Iran nie geäußert hat.

Vor dem US-Angriff auf den Irak hat man Saddam Hussein die Rolle des Bösen zugewiesen, kurz nach seinem Tod ging sie auf Ahmadinedschad über. Beides geschah nach dem Zusammenbruch des Sowjet-Kommunismus, der als Feindbild also ausfiel. Seither liegt der Schwerpunkt auf dem "islamistischen Terrorismus" und dem nahöstlichen "Antisemitismus". Verbindet man die Punkte Irak und Iran zu einer Linie, führt diese zu einer weiteren militärischen Auseinandersetzung im Nahen Osten und zu einer neuen Persona non grata, die die Lücke füllt, und so weiter.

Bei der Mainstream-Berichterstattung über "den Feind" fällt immer wieder auf, dass rechtliche Erwägungen fehlen oder stark unterbewertet werden. Das beste Beispiel dafür ist Palästina. Kaum eine Situation ist rechtlich klarer: Die Vertreibungen von 1948 widersprechen jeglichem Recht, die Siedlungen in der Westbank sind ohne Wenn und Aber illegal, die krassen Menschenrechtsverstöße im belagerten Gazastreifen sind ein zum Himmel schreiendes Unrecht, dann sind da noch die öffentlichen Morde ... es gibt kaum einen kriminellen Tatbestand, den die israelische Regierung/Armee ausgelassen hat. Das verbriefte Recht auf Widerstand gegen eine Besatzungsmacht ist selten Thema, ebenso wie die eindeutigen und zahlreichen UNO-Resolutionen zum Thema. Eine Gegenüberstellung der Waffen fehlt ebenfalls. Zum Beispiel haben die USA Israel für jeden der 1400 toten Palästinenser in Gaza zehn Tonnen (!) Waffen geschickt - auf dem deutschen Schiff "Wehr Elbe", angekommen in Aschdod am 22. März 2009, wie die britische Sektion von amnesty international berichtete.

Stattdessen hören wir seit Jahrzehnten Standard-Aussagen über imaginäre "beide Seiten" - Palästina hat ja weder eine Armee noch einen Staat - und immer wieder den Verweis auf Terrorismus und so genannte Sicherheits-Bedürfnisse der Israelis. Es steht außer Frage, dass militärische Angriffe auf israelische Zivilisten ebenfalls schwer wiegende Rechtsbrüche darstellen. Diese stehen allerdings in keinem Verhältnis zu den von Israel begangenen Gräueltaten und sie bleiben nicht aus, wenn einem ganzen Volk über Jahrzehnte seine Grundrechte vorenthalten werden, während das Land der Palästinenser von Jahr zu Jahr kleiner wird. Den Gipfel erreichte Israel mit dem tödlichen Angriff auf Gaza, der eben nicht von Raketenbeschuss provoziert wurde, auch wenn dies nach wie vor behauptet wird, siehe www.anis-online.de/journalismus/essay/23.htm#c.

Immer wieder stößt man auf Indizien dafür, dass die Politik über dem Recht steht. Wenn etwa Frau Merkel Menschenrechtsverletzungen anprangert, dann immer nur die von ausgesuchten Ländern wie China. Oder wenn Deutschland das korrupte afghanische Regime unterstützt und gleichzeitig in Afghanistan das übelste Massaker seit der Nazizeit anrichtet, ohne dass dies zu Änderungen in der deutschen Außenpolitik führt. Somalia wird heute mit Piraterie assoziiert, doch zumeist bleibt ausgeblendet, dass ausländische Fischer den Einheimischen die Lebensgrundlage entziehen. Die Besatzung des Irak, die auf einer großen Lüge basiert (Massenvernichtungswaffen) und noch immer viele Tote nach sich zieht, ist bei uns kaum noch ein Thema. Seit dem Elften September scheint alles möglich, das Feindbild greift. Die vorherrschende und schlecht belegte Verschwörungstheorie besagt, dass "islamistische Terroristen" dafür verantwortlich sind.

Der Fingerzeig auf "die Anderen", kollektiviert und dämonisiert, lenkt vom eigenen Verhalten und dessen Konsequenzen ab und scheint jede unserer Gräueltaten zu rechtfertigen. Nein, der Westen ist nicht an allem Schuld, das soll hier nicht nahe gelegt werden. Aber wir sind schlau genug, um zu wissen, dass unsere arrogante und gewalttätige Außenpolitik der militärischen Überlegenheit ins Verderben führt. Wir bieten Terroristen gute Argumente, auch im Jemen. Dies versäumte der Deutschlandfunk in seinem heutigen Jemen-Feature um kurz vor 19 Uhr zu erwähnen. Er lässt die Interviewpartner diese Argumente andeuten, mehr aber nicht, denn der entsprechende Autor wird dafür bezahlt, über den Terrorismus und al-Qaida zu berichten und nicht über uns, die wir Öl ins Feuer gießen anstatt es zu löschen.

Wie aber sollen wir Bürger darauf reagieren, wenn das Recht systematisch ausgehebelt wird? War es nicht genau dieser Rechtsstaat, der uns die Nazizeit hat überwinden lassen? Haben wir diese Zeit dann überhaupt überwunden? Es ist sehr schwer, darauf eine befriedigende Antwort zu geben, denn wir Bürger tragen die Situation mit und sind mitverantwortlich. Die Relativität des Rechts ist Resultat unserer Werte. Wir wurden 1945 von Staaten befreit, die zum Beispiel in Hiroshima und Nagasaki mehr als 200.000 Zivilisten umgebracht haben und Millionen in den Kolonien und den Gulags. Schon das Töten von Menschen also, das größte Verbrechen überhaupt, ist nach unseren Werten relativ.

Die Antwort muss jeder von uns selbst finden. Es gehört zum Wesen der Macht, den Status Quo um jeden Preis aufrecht zu erhalten und ihn nicht grundsätzlich in Frage zu stellen. Viele von uns identifizieren sich mit dieser Macht, um der Ohnmacht zu entgehen, und sei es nur scheinbar. Den dazu gehörenden Gruppenzwang bekommen wir bereits in der Schule und im Elternhaus gelehrt. Es ist viel leichter, sich mit einer fassbaren Gruppe zu identifizieren als mit einem einheitlichen Maßstab, der ständig zur Selbstkritik zwingt. Einige Gruppen, wie die taz, die Grünen oder Attac, versuchen die Quadratur des Kreises, indem sie einerseits klare Äußerungen mit einheitlichem Maßstab formulieren und dann wieder systemkonforme Äußerungen, die damit überhaupt nicht vereinbar sind. Damit halten sie die Hoffnung auf Gerechtigkeit aufrecht, während sie sie gleichzeitig demontieren. Eine Lösung ist das nicht. Nur ein Paradigmenwechsel kann die Lösung bringen und es liegt an jedem von uns, diesen näher zu bringen. In unserer dicht vernetzten Welt sind Dialoge viel leichter möglich als früher. Dies ist eine Hoffnung. Solange jedenfalls, wie wir uns darüber im Klaren sind, dass auch unsere eigene Gruppe umso anfälliger für Unrecht wird, je mehr sie mit dem Finger auf andere zeigt und sich selbst vergisst.

Ist die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte/IGFM tendenziös?
Offener Brief von Anis Hamadeh, 10.04.2010

Die Wahrung der Menschenrechte und der Einsatz für sie sind in kaum einem Land wichtiger als in Deutschland, wo von Hexenhammer bis Holocaust grundsätzliche Rechte des Menschen aufs Schwerste missachtet wurden. Die Formulierung und Veröffentlichung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte geschah nicht von ungefähr im Jahr 1948, kurz nach dem grausamen und von Deutschland begonnenen Zweiten Weltkrieg.

Leider ist jedoch bei uns die Gewohnheit entstanden, Menschenrechtsverletzungen unseres eigenen Staates und befreundeter Staaten nicht konsequent zu verfolgen und dafür umso mehr Verfehlungen der Länder, die unserem aktuellen Feindbild entsprechen (Islam/Sozialismus). Dieses Phänomen ist in der Politik gang und gäbe, was zu einer Entfremdung von den Bürgerinnen und Bürgern geführt hat. Auch die Chefredaktionen der Medien halten sich weitgehend an die Staatsräson, etwa wenn sie mit Begriffen wie "anti-amerikanisch" oder "antisemitisch" grundsätzliche Kritik unterbinden und so den gewalttätigen Status Quo affirmieren.

Umso wichtiger sind Nichtregierungsorganisationen und freie Medien in diesem Diskurs, in dem die Mächtigen den einheitlichen Maßstab aufgegeben haben. Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte/IGFM ist so eine Nichtregierungsorganisation. Während das Motto ihrer Jahresversammlung Ende März lautete: "Universalität der Menschenrechte - Gleiche Menschenrechte für alle!", lag der Schwerpunkt auf muslimischen und sozialistischen Ländern. Nur in einem kleinen Feigenblatt-Vortrag ging es um Menschenrechtsverletzungen "bei uns".

Mein Brief an die IGFM (siehe unten) blieb unbeantwortet, als handele es sich nicht um eine wichtige Frage. Als schwebe die IGFM über den Wolken, es nicht nötig habend, auf die öffentliche Meinung einzugehen, während sie den Diskurs über die Menschenrechte auf ihre Weise definiert, mit dem Fingerzeig auf solche Länder und Weltanschauungen, die es anscheinend zu bekämpfen gilt.

Glaubwürdig wird die Arbeit der IGFM erst, wenn sie einen einheitlichen Maßstab verwendet und sie die begleitende Selbstkritik als Methode einbindet. Die Mitglieder und die Öffentlichkeit sind daher aufgerufen, die Arbeit der IGFM zu hinterfragen.

An die
Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) Deutschland, www.igfm.de

Sehr geehrter Herr Hafen,
sehr geehrte Damen und Herren,
heute erhielt ich Ihren Newsletter, in dem es um Menschenrechtsverletzungen im Iran und in Ägypten ging. Daraufhin analysierte ich Ihre Website und stellte fest, dass Ihre Länderreports, Appelle, Pressemitteilungen und Publikationen fast nur bestimmte Länder betreffen: Iran, Ägypten, China, Russland, GUS-Staaten, Kuba, Nordkorea, Türkei, Vietnam, Venezuela, Pakistan und ein paar andere. In der Rubrik "Themen" geht es Ihnen offenbar ausschließlich um Menschenrechtsverfehlungen in muslimischen Ländern.

Diese ins Auge springende Auswahl (Islam und Sozialismus plus Marginalien) macht deutlich, dass Sie neben den Menschenrechten eine politische Agenda verfolgen, die in Ihrer Selbstbeschreibung allerdings nicht zu finden ist. Einer der Staaten, die die Menschenrechte täglich in krasser Form verletzen, ist Israel. Darüber berichten Sie aber nicht. Selbst das fürchterliche Massaker in Gaza Ende 2008/Anfang 2009 fand keine Beachtung bei Ihnen, zumindest finde ich nichts darüber auf Ihrer ausführlichen Website. Die wenigen Berichte über den Irak wiederum beschäftigen sich mit der Situation verfolgter Christen. Die aus Funk und Fernsehen bekannten Menschenrechtsverletzungen der USA und ihrer Verbündeten fehlen. Auch über Afghanistan und Pakistan finden wir nichts, was den Führern von Angriffskriegen unangenehm sein könnte. Über Menschenrechtsverletzungen von Deutschen - etwa in Afghanistan - gibt es anscheinend auch nichts zu sagen, außer natürlich der ehemaligen DDR, die Sie etwa in Ihren "häufig gestellten Fragen" ins Zentrum rücken.

Daher möchte ich Sie bitten, Ihre politische Agenda deutlicher zu formulieren, um die Öffentlichkeit und Ihre Mitglieder nicht in die Irre zu führen. Andernfalls kann man leicht schließen, dass Sie die Diskussion um die Menschenrechte missbrauchen, um Konflikte zu schüren und Kriege, selbst Angriffskriege, zu legitimieren. Wie Sie sich erinnern, wurden die Menschenrechte für ALLE Menschen formuliert und nicht für befreundete Menschen.

In Erwartung einer klärenden Antwort verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen,

Anis Hamadeh
Mainz, 17.03.2010

Is the International Society for Human Rigths (ISHR Germany) Biased?
Open letter by Anis Hamadeh, April 10, 2010

Germany is a crucial country when it comes to the protection of and the engagement for the human rights. It is a country where the principle rights of human beings had been violated blatantly, from witch-burning to holocaust. It was no coincidence that the Universal Declaration of Human Rights was formulated and published in 1948, shortly after cruel World War II which Germany had started.

Unfortunately, we in Germany took up the habit of not consequentially persecuting human rights breeches of our own state and those of friendly states. In compensation we tackle those countries which relate to our current understanding of who the enemy is (Islam/Socialism). This phenomenon is ubiquous in politics and it led to an alienation of the citizens. We also find this reason of state in the editorial offices of the media, e.g. when they disable any fundamental criticism with concepts like "anti-American" or "anti-Semitic" and thus affirm the violent status quo.

Non-governmental organizations and free media are needed in this discourse when the people in power abandon the idea of a consistent standard. The International Society for Human Rigths (ISHR) is such a non-governmental organization. While the motto of its annual congregation in March 2010 was: "Universality of the Human Rights - the Same Human Rights for All!", the actual focus was on Muslim and socialist countries. There was only one little figleaf speech on human rights violations "in us".

My letter to the ISHR (see below) remained unanswered, as if the question was insignificant. As if the ISHR floated above the clouds, with no need to respond to the public opinion, while defining the human rights discourse in its own way, pointing the finger on those countries and philosophies that seemingly are to be fought.

The work of the ISHR will only be credible when the organization adopts a consistent standard and when it introduces an accompanying self-criticism as a method. Therefore, the members and the public are called to question the work of the ISHR.

Attn.: International Society for Human Rigths (ISHR) Germany, www.ishr.org (www.igfm.de)

Dear Herr Hafen, dear all,

today I received your newsletter which deals with human rights violations in Iran and in Egypt. I subsequently analyzed your website and noticed that your country reports, appeals, press releases, and publications almost entirely concern specific countries: Iran, Egypt, China, Russia, GUS states, Cuba, North Korea, Turkey, Vietnam, Venezuela, Pakistan, and a few others. Under "focus" ("Themen") you apparently single out human rights breaches in Muslim countries.

This conspicuous selection (Islam and Socialism plus marginal issues) indicates that - apart from the human rights - you pursue a political agenda, one that cannot be found in your self-description, however. One of the states that blatantly violate the human rights on a daily basis is Israel. But you do not report it. Even the terrible massacre in Gaza in Dec. 2008/ Jan. 2009 did not find your attention, at least there is nothing I can find on your extensive website. The few reports on Iraq deal with the situation of persecuted Christians only. Missing are the human rights violations by the USA and its allies, known from TV and media. Neither do you say anything about Afghanistan and Pakistan that could embarrass the leaders of wars of aggression. It also seems as if there is nothing to say about German human rights violations (e.g. in Afghanistan). There is only the socialist former GDR that you highlight in your FAQ.

Therefore I want to ask you to reconsider the formulation your political agenda so that the public and your members are not led astray. Otherwise it will be easy to conclude that you misuse the discussion of the human rights to fuel conflicts and to legitimize wars, even wars of aggression.

As you remember, the human rights were formulated for ALL humans and not for befriended ones.

Anticipating your clarifying response I remain
with best regards,

Anis Hamadeh
Mainz, 17 March 2010

Großer Konvoi im Mai: Free Palestine Movement fährt mit dem Schiff nach Gaza
Anis Hamadeh, 11.04.2010

Im Mai 2010 findet die größte internationale Gaza-Hilfsaktion statt, die je von Nichtregierungsgruppen organisiert wurde: Aktivisten aus 30 Ländern und Gruppen aus der Türkei, Zypern, Griechenland, Irland, Schweden, Malaysia, Großbritannien, der EU und der USA nehmen an einem Boots-Konvoi teil, der Medizin, Baustoffe und Passagiere nach Gaza bringen soll. Die Fahrzeuge, zu denen mindestens drei Frachter gehören, werden Anfang Mai von verschiedenen europäischen Häfen aus starten und sich im Mittelmeer treffen, um gemeinsam nach Gaza zu gelangen, ohne dabei israelische Gewässer zu durchqueren. 5000 Tonnen Fracht und etwa 500 Passagiere aus mindestens 20 Ländern werden an Bord sein.

Das Free Palestine Movement (www.freepalestinemovement.org) ist eine Non-Profit-Organisation aus Kalifornien und eine Weiterführung des kalifornischen Teils des Free Gaza Movement, das 2008 die ersten Schiffe nach Gaza gebracht hat. Das Free Palestine Movement wurde im September 2009 gegründet und unterstützt den Konvoi durch Beteiligung an den Schiffskosten, durch die Anwerbung prominenter US-Amerikaner (auch aus dem Kongress) als Passagiere sowie durch Medienarbeit in den USA.

Hintergrund: Seit 2006 wird der gesamte Gazastreifen mit seinen 1,5 Millionen Einwohnern von Israel abgeriegelt. Diese Kollektivstrafe widerspricht krass den Grundsätzen des internationalen Rechts und denen der Menschenrechte. Da die internationale Politik dabei versagt, Druck auf Israel auszuüben, sind es vorwiegend freie Gruppen von Aktivisten aus aller Welt, die diesem untragbaren Zustand durch gewaltlose Maßnahmen Widerstand entgegenbringen.

Zu den weiteren Projekten des Free Palestine Movement gehören Pläne, ein Flugzeug nach Gaza zu fliegen. Außerdem will es palästinensische Freiwillige auf regulären Flügen zum Ben-Gurion-Flughafen bringen, um damit auf das international verbriefte Recht auf Rückkehr hinzuweisen. Das vierte Projekt betrifft die Organisation eines großen Musikkonzerts für Palästina, das in Großbritannien und an anderen Orten stattfinden soll.

Regelmäßige Presseerklärungen, Kontaktpersonen und Updates auf Englisch findet man unter www.freepalestinemovement.org


Photo: Yasemin Vardar-Douma
Saeed Amireh about Nonviolent Resistance in Ni'lin / Palestine. Lecture Tour in Europe
Anis Hamadeh, November 10, 2011

Twenty-year-old Saeed Amireh from Palestine was guest in Mainz. On 9 November he impressingly reported about the situation in his hometown Ni'lin, as part of his European lecture tour. It is his first travel to Europe, yes, the young man in a conversation before the talk mentioned that he had not even been to the nearby city of Nablus. Actually, Ramallah was the most distant place he ever saw.

And yet, he did not at all give this impression. On the contrary, he appeared cosmopolitan, authentic and with an excellent presentation. He took a stand in the rooms of the Catholic Students' Community and the audience will not forget his speech. "I am amazed about how you live here", he said in acceptable English. "No night raids, no military presence. You are not being shot at in the street." His words do not come out of the blue. Some of his family were shot at by Israeli soldiers, several others from the 5000 inhabitants have simply been killed in the last years. It is one of the worst places in the world.

Ni'lin is (regrettably) only an example for the fact that Israeli policy is not heading to peace or defense. It is obvious from the map at www.nilin-palestine.org/wp-content/uploads/2009/10/Nilin_wall_081.gif that the wall is by no means built on the border, but it takes the land of the local farmers. It is impossible to call this defense. Several Jewish settlements are nesting around the village, they are just as illegal as the wall and the supported supply roads for the settlements ("apartheid roads").

For years the population of the village has nonviolently protested this destruction of their livelyhood. Nonviolent resistance as a strategy has entered Palestinian villages and cities many years ago. "When residents brought down parts of the illegal wall with levers and ropes they were hooded. Otherwise the army would later have come after them", Saeed recounts. "This has nothing to do with terrorism, even if it is sometimes labeled this way."

In many Palestinian villages there are so-called "popular committees", grassroot movements that act independently from political parties. They endorsed nonviolent resistance and spread the word with demonstrations, websites, YouTube films and information. The lives of those people are in danger every day, their land is being taken away and their Human Rights are not granted, so that others benefit. Saeed Amireh could only travel on an official invitation by Sweden. Norway, Germany and further countries belong to the itinerary of the three-month journey. Saeed is keeping a diary.

Media and politicians from Mainz did not attend the lecture. They did not want to see the complacently grinning Israeli soldier in the video, after having shot a teargas grenade at women and children in front of a residence. They did not want to hear about land theft and brutal military attacks on peaceful protesters.

It is horrifying time and time again that a society with a history like the German one so readily looks away. The German population is aware of this Israeli injustice and aware of the oppression, even if news gets to us in a very filtered way. But one cannot filter away that much, it is just too much. Yet mainstream media and politicians tend to draw a kind of line under the German past with their unquestioning loyalty to the Israeli army and their refusal of any fundamental debate. This is how we deal with our horrible past: again we look away, but in a different direction. And we feel to be progressive and superior with this attitude, too. So who wants to claim that Germany understood what happened between 1933 and 1945, even if our media and politicians think they are so clever.

Saeed Amireh left his prison for a couple of months in order to report in Europe about everyday life in his village. He is a dynamic young man, able to distinguish between facts and propaganda as he is able to distinguish between Jews and Israelis. He is not bitter or aggressive, he is unmistakably promoting the values of nonviolence and he knows what he is talking about. Someone who does not appear strange to us, but as a human being.

"After seeing him and listening to him it reoccurred to me how important our work here is", said Yasemin from the University Group for a Just Peace in Palestine and Israel (HGPI), the organizer of the event. It ended with a visit to the Nakba exhibition in the neighboring church of the Protestant Students' Community. This touring exhibition shows escape and expulsion of the Palestinians - the largest group of refugees in the world. "I wonder why there are so many attempts in Germany to ban this exhibition", one of the visitors said, "there is nothing really controversial in it, it is a mere clarification of historic events."

Maybe one can understand when considering that Germany voted against the admission of Palestine as a member of UNESCO, a symbolic step to finally recognize the identity of Palestine, as it has been consensus now for almost a hundred years.

German original to be published at Neue Rheinische Zeitung on Nov. 16, 2011 http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=17159

"Kritische Linke" an der Uni Mainz will Menschenrechtsgruppe ausgrenzen
Anis Hamadeh, 01.12.2011

Wer sich an der Uni Mainz mit dem Thema Palästina beschäftigt, läuft Gefahr, öffentlich diffamiert zu werden. Die Hochschulgruppe für gerechten Frieden in Palästina und Israel (HGPI)1 muss sich seit Jahren mit Einschüchterungsversuchen auseinandersetzen. Die so genannte "Kritische Linke" und einige andere Mini-Gruppen haben im AstA bereits durchgesetzt, dass die HGPI keine AstA-Förderungen mehr erhält. In ihrer aktuellen Erklärung2 erneuert die "Kritische Linke" ihre Diffamierungen. Weil sie am 9. November eröffnet wurde, setze die von der HGPI veranstaltete Nakba-Ausstellung3 in der ESG-Kirche israelische Politik mit den Nazis gleich. Natürlich fällt auch der allgegenwärtige Antisemitismus-Vorwurf.

Wer den Text (und die früheren Texte dieser Kampagne) liest, merkt schnell, dass diese Nazivergleiche und Antisemitismusvorwürfe recht umständlich konstruiert werden, um die HGPI und potenzielle Nachahmer zu marginalisieren, zu dämonisieren und auszugrenzen, weil sie Israels Regierungspolitik kritisieren4. Dass in Israel die extreme Rechte an der Macht ist, die mit ihrer hoch gerüsteten Armee und den gewalttätigen bewaffneten Siedlern täglich schwere Menschenrechtsverletzungen gegen die unbewaffnete Zivilbevölkerung begeht, scheint die "Kritische Linke" überhaupt nicht zu irritieren. Wo sind die also links?

Bedeutender als die kleine Gruppe ist die Tatsache, dass der AstA und die Universitätsleitung sie gewähren lassen (und zum Teil unterstützen) und dadurch ermuntern, ihre Einschüchterungsversuche fortzusetzen. Der Antisemitismusvorwurf wird immer ernst genommen, selbst wenn er als politisches Instrument missbraucht wird. Das muss aufhören. Es liegt in der Verantwortung der universitären Öffentlichkeit, den offenen Diskurs zu gewährleisten und sich nicht durch falsche Toleranz gegenüber selbst ernannten Antisemiten-Jägern, durch Schweigen oder mangelnden Mut für derartige Ausgrenzungen mitverantwortlich zu machen. Man muss sich das klar machen: Die jüdischen Opfer des Genozids werden benutzt, um politische Gruppen mundtot zu machen, die sich mit Palästina und den Menschenrechten beschäftigen! Dies ist ein doppelter Verrat an den Werten unserer Demokratie und sicher kein Ruhmesblatt für die Uni Mainz.

Fußnoten:
1. http://hgpi.wordpress.com [nicht mehr aktiv]
2. http://krili.wordpress.com/2011/11/22/verspatet-die-krili-erklarung-zur-nakba-ausstellung/
3. Siehe www.lib-hilfe.de/infos_ausstellung.html
4. Siehe den Artikel zur letzten Veranstaltung der HGPI in der Neuen Rheinischen Zeitung vom 16.11.2011 www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=17159

Gaza und die Israel-Lüge
Anis Hamadeh, 20.11.2012

Kein Land würde einen Beschuss der eigenen Bürger von außerhalb der Grenzen hinnehmen, sagte US-Präsident Obama vor seiner Reise nach Birma, und hielt damit seine schützende Hand über Israels andauernden Angriff auf den abgeriegelten Gazastreifen, bei dem schon mehr als hundert Bewohner getötet wurden. Die meisten Medien und Politiker in den USA, in Westeuropa und anderen Ländern halten sich an die traditionelle These, nach der sich Israel verteidigt. Das Problem mit dieser These ist, dass sie unhaltbar ist.
Es ist zu offensichtlich, dass im Nahen Osten eine der stärksten und modernsten Armeen der Welt mit großer Gewalt auf eine weitgehend unbewaffnete Bevölkerung eindrischt, die sie vorher selbst eingesperrt und ihrer legitimen Rechte beraubt hat. Die meisten Zuschauer verstehen ohne Schwierigkeiten, dass die israelische Praxis der so genannten "gezielten Tötungen" eskalierend wirkt, ebenso wie die Blockade des Gazastreifens, die Erweiterungen der illegalen Siedlungen und der Land raubenden Mauer, der Wasserdiebstahl, die Razzien und Hausabrisse, die Schikanen und immer wieder das doppelte Maß. Es ist überdeutlich, dass es hier nicht um zwei Konfliktparteien geht, die man mit dem Begriff "beide Seiten" fassen kann. Vielmehr steht eine auf Gewalt bauende Macht, die international jenseits konsequenter Kritik und faktisch über dem Recht steht, am längeren Hebel. Obamas Kommentar ist also scheinheilig und lässt ihn lächerlich erscheinen.
Dass sich Israel stets verteidigt, ist ein Mythos. Bereits die Gründung des Staates war bei Licht betrachtet ein aggressiver Akt, weil sie unilateral und ohne Übereinkunft geschah, weil sie auf einem weitaus größeren Gebiet ausgeführt wurde als die entsprechende UN-Resolution es vorsah und weil sie in Zusammenhang mit den brutalen ethnischen Vertreibungen stand, die bereits ein knappes halbes Jahr unter dem Namen "Plan D" im Gange waren. Die Darstellung, nach der das arme Israel sofort von den bösen Nachbarstaaten angegriffen wurde, kaum dass es das Licht der Welt erblickt hat, ist nicht mehr schlüssig, wenn man die ganze Geschichte erzählt ...
1948 wurde zum Präzedenzfall, denn die Verantwortlichen in Israel konnten ja sehen, dass sie straffrei entkamen. Was also sollte sie davon abhalten, noch mehr Land zu nehmen und noch mehr Einheimische zu marginalisieren? Besonders dann, wenn man dabei in der Rolle des Starken sein Trauma immer wieder durchspielen konnte, wie eine Wunde, die man gebannt immer wieder aufkratzte. Es gab und gibt nämlich Hunderte von israelischen (und nicht nur israelischen) Zitaten aus allen Bereichen des Lebens, in denen Palästinensern/Arabern/Muslimen die Rolle des Nazis zugewiesen wird. Manchmal in Form von Erinnerungen, die wieder hochkommen, mal durch Vergleiche, auch Gleichsetzungen, und latent in eigentlich jeder pro-zionistischen Argumentation.
In Deutschland wird gern die historische Verantwortung gegenüber den Juden ins Feld geführt, um die Israel-Lüge zu übertönen oder von ihr abzulenken. Da werden munter Juden und Israelis gleichgesetzt, ja der Staat Israel wird oft genug mit dem Judentum als Gesamterscheinung vermischt. So wird die Diskussion über einen Boykott der illegalen Siedlungen mit "Kauft nicht beim Juden" verglichen und anderer Unsinn. SPD-Chef Sigmar Gabriel schrieb nach seinem diesjährigen Palästina-Besuch in einem Entschuldigungsschreiben (er hatte zuvor Israel kritisiert), dass er künftig enger mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland zusammenarbeiten werde. Zwischen den Zeilen konnte man lesen, dass er in den nächsten Jahren das Thema Palästina nicht mehr aufgreifen wird, da es seiner Karriere schadet. Karriere gilt uns offenbar mehr als Glaubwürdigkeit und Würde ganz allgemein. Der Zentralrat ist im Schatten des Tabus zu einer einflussreichen außerparlamentarischen Macht geworden.
Es muss eine Stimmung der Angst und der Wortlosigkeit in vielen Redaktionen und Konferenzräumen herrschen, denn kaum jemand möchte riskieren, sich dem Antisemitismusvorwurf auszusetzen und diesen ganzen Ärger am eigenen Leib zu erleben, wie ihn Gabriel erlebt hat, oder Grass, die Veranstalter der Nakba-Wanderausstellung, Westerwelle damals, Möllemann, Karsli, Dierkes, Watzal und andere Journalisten, die Bandbreite und andere Musiker und Künstler, einige Campus-Gruppen und so weiter, die Liste ist verdammt lang. Dass dieses Schweigen nur mit einem massiven Glaubwürdigkeitsverlust möglich ist, wird vielen Beteiligten bewusst sein. Dabei ist zu bedenken, dass jemand, der erfolgreich einen Antisemitismusvorwurf ausgesprochen hat, sozial aufsteigt und an Macht gewinnt.
Dass wir heute einer weiteren schauerlichen Bluttat (medial) beiwohnen müssen war abzusehen, nachdem der Pogrom von Gaza 1 folgenlos blieb. Ja, wir können weitere Eskalationen und Militär-Exzesse mit poetischen Namen erwarten, die mit Hilfe der Schlüsselbegriffe "Existenzrecht" und "Antisemitismus" eingeleitet werden.
In den USA diskutiert man bereits seit August über die Nahost-Politik nach Israel. "Preparing For A Post Israel Middle East" heißt eine 82-seitige Analyse der US Intelligence Community, der 16 US-Geheimdienste angehören, die Army, Navy, Air Force und andere staatstragende Institutionen. Israels Weg führt in die Selbstzerstörung, das ahnen sogar die Amerikaner.
Dies sind keine Szenarios, die man sich in Deutschland oder sonst wo wünschen kann, vor allem all die Toten. Doch unsere traditionellen Nahost-Mantras führen genau dort hin und helfen, den Weg zu ebnen. Es ist notwendig, über das Rassismus-Problem in Israel zu sprechen und über den Unterschied zwischen Angriff und Verteidigung. Wie viele Menschenopfer soll das Tabu noch bekommen?

Gaza and the Israel Lie
Anis Hamadeh, 20.11.2012

"There's no country on earth that would tolerate missiles raining down on its citizens from outside its borders", said US President Obama on his way to Burma, and thus held his protecting hand over Israel's ongoing attack on the sealed off Gaza Strip, where more than a hundred inhabitants have been killed so far. Most media and politicians in the USA, in Western Europe and other countries cling to the traditional thesis according to which Israel defends itself. The problem with this thesis is that it is untenable.
It is too obvious that in the Middle East one of the strongest and most modern armies of the world exerts massive violence on a largely unarmed population that before was confined and deprived of its legitimate rights by this very army itself. Most people in the audience understand without difficulties that the Israeli practise of so-called "targeted killings" has an escalating effect, as have the Gaza siege, the augmentations of the illegal settlements and the land robbing wall, the water theft, the raids and house demolitions, the bullying and again and again the double standard. It is uber-clear that the case at hand is not about two conflict parties that can be described with the term "both sides". Rather, we are confronted with a power that relies on violence, has much more pull, is beyond forceful criticism internationally and factually above the law. Obama's comment thus is hypocritical and makes him look ridiculous.
It is a myth that Israel is constantly defending itself. Even the formation of the state - in the cold light of day - was an aggressive act, because it happened unilaterally and without agreement, because it was carried out on a much bigger portion of land than the respective UN resolution had envisaged, and because it stands in a context with the brutal ethnic expulsions that had been going on for almost half a year under the name of "Plan D". The account, according to which poor Israel was immediately attacked by the evil neighboring states, as soon as it saw the light of day, is no longer convincing when we look at the whole story ...
1948 became a precedence, for the responsibles in Israel would notice that they got away with impunity. So what was to prevent them from taking even more land and from marginalizing even more native people? Especially in a situation where it was possible to replay one's trauma in the role of the strong party, like a wound that is constantly being scratched - spellbound. For there have been hundreds of Israeli (and not only Israeli) quotes from all walks of life in which the role of the Nazi is being attributed to Palestinians/Arabs/Muslims. Sometimes in the form of memories coming back, sometimes by means of comparisons and also equations, and latently in every pro-Zionist argumentation, basically.
In Germany, people tend to bring in the historical responsibility vis-á-vis the Jews to drown the Israel lie and to change the subject. In this process, Jews and Israelis are easily equated, even the State of Israel and the whole semantic range of the concepts "Jewry/Judaism" are often enough jumbled. In this context, the discussion about boycotting the illegal settlements is compared with the Nazi slogan "Don't buy from the Jew" and other nonsense. SPD chief Sigmar Gabriel wrote after his Palestine visit earlier in the year in a note of apology (he had criticized Israel before) that in the future he would cooperate more closely with the Central Council of the Jews in Germany. Between the lines it read that he will not again bring up the issue of Palestine in the coming years, as this would damage his career. Apparently, the career is more important to us than credibility. Or dignity, for that matter. In the shadow of the taboo, the Central Council has become an influential non-parliamentary power.
There will be an air of fear and wordlessness in many editorial offices and conference rooms, for hardly anyone wants to risk to expose themselves to the reproach of anti-Semitism and to experience all this trouble, as Gabriel did, or Grass, the organizers of the Nakba touring exhibition, Westerwelle back then, Moellemann, Karsli, Dierkes, Watzal and other journalists, Die Bandbreite and other musicians and artists, some campus groups and so on, the list is pretty long. Many of the involved people will realize that such a silence can only be pursued with a massive loss of credibility. It has to be noticed, though, that someone, who successfully accused someone else of anti-Semitism, will ascend socially and win power.
It does not come by surprise that today we have to witness another horrible atrocity, because the Gaza 1 pogrom remained without consequences. So we can expect further escalations and military excesses with poetic names. They will again be launched via the key concepts "right of existance" and "anti-Semitism".
Since August, the US Intelligence Community has been "Preparing For A Post Israel Middle East". This is the title of a 82-page analysis by the Intelligence Community, comprising 16 American intelligence agencies, the Army, Navy, Air Force and other institutions of the state and its supporters. Israel's path leads to self-destruction, even the Americans can sense that.
These are no scenarios anybody can wish for in Germany or elsewhere, especially all the killings. But our traditional Middle East mantras are leading just there and help pave the way. It is necessary to talk about the problem of racism in Israel and about the difference between attack and defense. How many more human sacrifices will be needed to feed the taboo?

Alice Miller in Gaza
Anis Hamadeh 31.07.14

Die Forscherin Alice Miller ist durch ihre Untersuchungen von Kindheitstraumata weltbekannt geworden. Ein Dutzend ihrer Bücher ist in 30 Sprachen übersetzt worden. Miller zeigt die Mechanismen, mit denen Opfer zu Tätern werden können, und ebenso die Allgegenwart, ja Zwangsläufigkeit dieser Gefahr. Der Große schlägt den Kleinen und der gibt es irgendwann an die eigenen Kinder weiter, wenn er den Kreis nicht durchbricht. Miller (selbst jüdisches Opfer) untersuchte auch die Nazi-Generation in Deutschland, um nachzuvollziehen, wie es in Deutschland zu einem genozidalen Rassismus kommen konnte. Heute sind die Ergebnisse Millers Standardwissen, niemand stellt ihre Grundthesen prinzipiell in Frage.

Als ich sie im Rahmen einer kleinen Korrespondenz fragte, warum sie nie etwas über Palästina geschrieben hat, wo sich jüdische Opfer niedergelassen hatten, um das Land in Besitz zu nehmen, antwortete sie, dass sie keine Interviews mehr gebe - es war kurz vor ihrem Freitod. Tatsächlich schrieb sie in einem ihrer Bücher etwas über Israel, aber nie schrieb sie über den Einfluss der Nazis auf die jüdischen Opfer und nie über Palästinenser. Als ich ihr von der Herkunft meines Vaters erzählte, kam ihr sofort der Gedanke, dass ich doch Eltern von Selbstmord-Attentätern interviewen könnte. Die Tatsache, dass auch Israelis diesen psychologischen Mechanismen unterliegen, hat Frau Miller nie angesprochen, wahrscheinlich nicht einmal gemerkt. Dass jüdische Opfer zu Tätern werden können, ist bei uns in Deutschland immer noch ein Tabu. Millers Thesen gelten also überall, bloß nicht im Fall Israel.

Aber ist es wirklich ein Zufall, dass es in Israel etwa 60 rassistische Gesetze gibt? Immerhin hatten die Zionisten - siehe z.B. die Analysen von Lenni Brenner - schon damals die Nürnberger Rassengesetze akzeptiert und teilweise mit den Nazis zusammengearbeitet, um Juden nach Palästina zu bekommen. Wie kann man das ignorieren? Ist die Westbank kein Lebensraum im Osten? Leben die Palästinenser nicht inzwischen in Ghettos? Gibt es keine Angriffe auf die selbstdefinierten Feinde Israels? Gibt es keine Blut-und-Boden-Mentalität in Israel? Benehmen sich Soldaten, Siedler und Politiker nicht wie eine Herrenrasse, die über terroristische Untermenschen herrscht? Nein? Und was ist Gaza, wenn nicht ein genozidaler Vernichtungskrieg? Es gibt kein Friedens-Szenario für Israel, denn Israel hat keinen Vorschlag für einen dauerhaften Frieden. Israel läuft auf den Endsieg zu, so wir wir damals. Die Kernpunkte der nationalsozialistischen Ideologie finden sich in Israel wieder, nicht vereinzelt, sondern systematisch. Sogar in Dokumentarfilmen brüsten sich Geheimdienstchefs damit, Nazi-Methoden zu verwenden.

Seit 1947 und vorher hören wir von zionistischen Soldaten, wie sie sich vorstellen, gegen Nazis zu kämpfen, während sie Palästinenser töten und enteignen. Wir lassen uns das nicht mehr gefallen, sagen sie. Aber die Nazis sind schon lange fort. Um sich aus der Opferrolle zu winden, die man in Israel bereits im Kindergarten eingeimpft bekommt, wird man zum Täter. Wer Täter ist, kann kein Opfer mehr sein. Genannt wird das der "wehrhafte Jude". Die Palästinenser leben in dem Land seit Menschengedenken. Sie dürfen keine Armee haben und keine Waffen, damit Israel sie leichter totschießen kann. Jeden Monat verlieren sie Land, das von Israel gestohlen wird. Israel wird geleitet von Mördern und Dieben und das ist kein Geheimnis. Wer eine Mauer auf dem Boden des Nachbarn baut, ist ein Dieb. Wer systematisch Kinder erschießt, ist ein Mörder. Da können die Israelis und ihre Freunde lange auf die Hamas zeigen, wie vorher auf Arafat etc., das ändert gar nichts.

Wir haben in Deutschland einen Schlussstrich unter unsere Nazi-Vergangenheit gezogen, aber das darf nicht sein! Wir müssen uns damit auseinandersetzen, was das Böse an den Nazis war, und dies müssen wir bekämpfen. Was stattdessen geschieht sind Bekenntnisse ohne Sinn und Verstand bei gleichzeitiger Unterstützung Israels. Das ist der Schlussstrich, er wird ironischerweise untermauert vom Bekenntnis, dass es nie einen Schlussstrich geben darf. Der Schlussstrich, das ist zum Beispiel das Verbot, Nazivergleiche anzustellen. Das darf man nicht, weil wir über die Nazizeit nicht sprechen, sondern Bekenntnisse absondern. (Außer wenn wir mit "Nie-wieder-Auschwitz" einen neuen Krieg führen wollen.) Die Nazis waren Außerirdische, die eigentlich nichts mit uns Deutschen zu tun hatten, aber dennoch bestehen wir darauf, die Größten zu sein. Unsere Verbrechen an den Juden waren die schlimmsten, niemand kann uns den Weltmeistertitel im Bösen streitig machen. Man redet gar nicht erst darüber. Schlussstrich.

Tatsache ist, dass Deutschland sich nicht schon wieder damit herausreden kann, nichts gewusst zu haben. Deutschland kann sich auch nicht ewig an der Israel-Lüge festhalten, nach der Israel sich verteidigt. Jeder sieht, dass Israel sich nicht verteidigt, sondern Aggressor ist. Israel hat nicht einmal seine Grenzen definiert! Die Politiker, Journalisten und Intellektuellen in Deutschland, die heute Israels Vernichtungspolitik unterstützen oder auch nur dulden, werden zur Rechenschaft gezogen werden. Gabriel etwa, der nur Minister werden konnte, weil er seine Israelkritik zurückgenommen und sich expressis verbis dem Zentralrat der Juden in Deutschland untergeordnet hat. Das wird nicht vergessen. Nichts wird vergessen. Auch nicht die ungestraft agierenden Zündler und Rassisten, die man in Gesellschaften findet wie dem Zentralrat, der Deutsch-Israelischen-Gesellschaft, den Antideutschen, dem BAK Schalom und den entsprechenden Hetz-Medien. Die angeblich Antisemitismus anprangern und doch nur gegen Muslime und Israelkritiker hetzen wollen.

Der Vergleich mit den Nazis ist notwendig, er ist keine Polemik oder besondere Beleidigung. Es ist heute wichtig, endlich zu verstehen, was in der Nazizeit passiert ist. Die Vorfälle stehen eben nicht außerhalb der Geschichte, sind nicht einzigartig und wurden nicht von Außerirdischen verübt. Und wir Deutsche sind viel weniger besonders als wir es vielleicht sein wollen.

Dieser Artikel erschien am 13.08.14 auch in der Neuen Rheinischen Zeitung (NRhZ) unter www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=20647 und auf Othersite.org

Alice Miller in Gaza
Anis Hamadeh 31.07.14

The researcher Alice Miller became worldwide known for her investigations of childhood traumas. A dozen of her books is translated into thirty languages. Miller shows the mechanisms, with which victims can turn to perpetrators, and she shows the ubiquity, even the inevitability of this danger. The big hits the small who in turn will transmit it to the own children if the circle does not get interrupted. Miller (a Jewish victim herself) also examined the Nazi generation in Germany in order to understand how Germany could develop such a genocidal racism. Today, Millers findings are standard knowledge, and nobody questions her basic theses in principle.

When I asked her during a small correspondence why she never wrote anything about Palestine, where Jewish victims had settled to seize the land, she answered that she would give no more interviews - it was shortly before her voluntary death. As a matter of fact, she did write something about Israel in one of her books, but she never wrote about the influence of the Nazis on the Jewish victims and never about Palestinians. When I told her about the origins of my father, she instantly thought I could interview parents of suicide bombers. The fact that Israelis, too, are prone to these psychological mechanisms, was never mentioned by Ms. Miller, she probably never even noticed that. That Jewish victims can turn to perpetrators is something that still is taboo in Germany. So Millers theses are valid everywhere, except for the case of Israel.

But is it really a coincidence that there are about sixty racist laws in Israel? Let's not forget that the Zionists - see, e.g. the analyses by Lenni Brenner - back then did accept the Nuremberg race laws and partly collaborated with the Nazis to bring Jews to Palestine. How can we ignore that? Is the Westbank not a kind of "living space in the East"? Do the Palestinians by now not live in ghettos? Are there no attacks on the self-defined enemies of Israel? Is there no blood-and-soil mentality in Israel? Do soldiers, settlers and politicians not act like a master race, ruling over terrorist subhumans? No? And what is Gaza, if not a genocidal war of destruction? There is no peace scenario for Israel, because Israel does not have a suggestion for a lasting peace. Israel is running toward the final victory, just like we did. The major points of the national socialist ideology can be found in Israel, not as isolated cases, but systematically. Even in documentary films secret service bosses boast with their skills in using Nazi methods.

Since 1947 and before we hear from Zionist soldiers how they imagine to fight Nazis while killing and dispossessing Palestinians. We won't take it anymore, they would say. But the Nazis are long gone. In order to get out of the victim role - a role people in Israel are conditioned into as early as in kindergarten - they become perpetrators. He who is a perpetrator cannot be a victim anymore. They call it the "vigilant Jew". The Palestinians have lived in this country ever since the watermelon. But they must have no army and no weapons, so that Israel can more easily shoot them dead. Every month they lose land that is stolen by Israel. Israel is run by murderers and thieves, this is not a secret. When you build a wall on the soil of your neighbor, you are a thief. When you systematically shoot children, you're a murderer. Israelis and their friends can spend a long time pointing to Hamas, like before on Arafat, that changes nothing at all.

We in Germany have drawn a final stroke under our Nazi past, but this must not be! We must confront ourselves with what the evil thing in the Nazis was, and then we must fight it. What happens instead are avowels without any meaning or sense and a simultaneous support for Israel. This is the final stroke, it ironically gets confirmed by the avowal that there can never be a final stroke. The final stroke, that is, for example, the ban of Nazi comparisons. We must not do that, because we do not speak about the Nazi time, we only excrete vows. (Except when we want to launch a new war with the slogan "Never again Auschwitz".) The Nazis were extraterrestrials, basically not having anything to do with us Germans, but we still insist to be the greatest. Our crimes against the Jews were the most vicious, nobody can dispute that we own the world championship of evil. We won't even start talking about it. Final stroke.

Fact is that Germany cannot again find excuses to say we didn't know. Also, Germany cannot eternally cling to the Israel lie, according to which Israel defends itself. Everybody sees that Israel is not defending itself, but is an aggressor. Israel did not even define its borders! The politicians, journalists and intellectuals in Germany, who support or merely tolerate Israel's policy of destruction today, will be taken to account. Like Gabriel, who could become minister only because he recanted his criticism of Israel while subordinating explicitly to the Central Council of the Jews in Germany. This will not be forgotten. Nothing will be forgotten. Neither the inflamers and racists that act with impunity in groups like the Central Council, the German Israeli Society (DIG), the anti-Germans, BAK Schalom and the respective agitating media; those who pretend to decry anti-Semitism, but in the end just want to agitate against Muslims and Israel critics.

The comparison with the Nazis is necessary, it is not polemics or a special insult. It is important to understand today at last what happened in the Nazi period. The events do not stand outside history, they are not unique, and they were not committed by extraterrestials. And we Germans are much less special than we might want to be.

This article also appeared on DissidentVoice.org and on http://en.beirutme.com/alice-miller-gaza/ (Beirut Center for Middle East Studies)

Bekenntnisdemokratie:
Wem nützt das Nazivergleichsverbot?

Anis Hamadeh, 30.11.2014

Wer behauptet, dass die Nazi-Verbrechen einmalig und unvergleichlich waren, hängt diese Verbrechen so hoch, dass niemand mehr herankommt. Wie soll man über etwas nachdenken oder sprechen, das mit nichts zu vergleichen ist, also über eine quasi ahistorische Singularität? Wer hingegen die deutsche Vergangenheit verdrängen und einen Schlussstrich ziehen will, kann sich bequem hinter der Einmaligkeits-Theorie verstecken und sich mit schablonenhaften Bekenntnissen begnügen, wo eine ernsthafte Aufarbeitung nötig ist. Bekenntnisse "gegen Rechts", "gegen Antisemitismus" und "für Israel" reichen dann aus, um korrekt dazustehen. Sie tun nicht weh und klingen gut, auch wenn sie gar nichts besagen.

Ist es denn aber nicht großartig, wenn Deutsche ihre Schuld so ernst nehmen, dass sie sie verabsolutieren? Und relativieren nicht die, die Nazi-Vergleiche anstellen, die Grausamkeit von Auschwitz? Was und wem können Vergleiche überhaupt nützen? Kan man nicht ohne diese emotional überladenen Gedanken sachlicher argumentieren? Diese Fragen sind oft gestellt worden, etwa im Historikerstreit von 1986/87. Eine andere Frage ging dabei stets unter: Wem nützt es, wenn KEINE Vergleiche gezogen werden? Also: Wem nützt eine Bekenntnis-Demokratie, in der man nicht mehr nachdenken muss?

Vor Kurzem haben 359 Überlebende und Nachkommen von Überlebenden und Opfern des Nazi-Genozids einen solchen Vergleich angestellt, indem sie mit Blick auf Gaza und Palästina sagten: "'Nie wieder' muss bedeuten NIE WIEDER FÜR JEDEN!" Sie verglichen also Israel mit Nazi-Deutschland, sprachen explizit von "anhaltendem Genozid" und "Rassismus" und forderten "den vollständigen ökonomischen, kulturellen und akademischen Boykott Israels".1 Wohlgemerkt: Eine Gleichsetzung fand dabei nicht statt, aber ein deutlicher Vergleich.

Deutschland verdrängt heute, dass in Israel anti-arabische Parolen an Hauswänden und in Schaufenstern zu sehen sind, die solchen aus Nazi-Deutschland frappierend ähneln. Enteignungen, Kollektivstrafen, Schlägertrupps, Ghettos, Pogrome, Rassengesetze und andere zentrale Merkmale des Nazistaats gab und gibt es in Israel. Das Quasi-Vergleichsverbot ermöglicht es Deutschland, sich mit diesem Staat zu solidarisieren und ihm zu allem Überfluss Waffen zu liefern. Auf der anderen Seite werden Kritiker, die diese offensichtlichen und drastischer werdenden Parallelen ansprechen, geächtet. Man etikettiert sie als einseitig, als Antisemiten, Rechte, Querfront, Fanatiker, Terroristen, Verschwörungstheoretiker und dergleichen mehr und untergräbt damit die Pressefreiheit, die Meinungsfreiheit und die Freiheit des Gewissens nachhaltig, also das Rückgrat unserer Demokratie.

Über die Jahrzehnte hat dies zu einem Macht-Muster geführt, denn es erfordert Macht, um einer Demokratie das Rückgrat zu brechen. Nun könnte man sagen: Na ja, es geht doch nur um Palästinenser, Muslime und Araber, die braucht doch sowieso keiner! Aber auch das ist zu kurz gegriffen: Wer die Muster erkannt hat, kann sie in jeder beliebigen Gruppe zu den unterschiedlichsten Zwecken anwenden, lernen wir doch von Kindheit an, dass Macht stärker ist als Argumente und dass man Opfer für die Taten von Tätern bestrafen kann. Anders ist unerklärlich, dass wir solche Politiker wählen und gewähren lassen, ja bewundern, die sich im nihilistischen Dschungel mit pfiffigen Tricks durchsetzen konnten. Schwache Gemüter versuchen, sich dieser Macht anzubiedern, sei es in der Familie, im Berufsleben, in der Öffentlichkeit oder in Freizeitgruppen, und auch das liebe Geld fließt wesentlich besser, wenn man nicht durch Fragen und Kritik auffällig wird.

Was die Israelkritik angeht, so bleiben die Kriegsverbrecher regelmäßig unbehelligt, während Kritiker zunehmend Probleme bekommen und aufgrund erfolgreicher Einschüchterungen kaum Solidarität erfahren. Da hält man sich lieber raus. Man hat wohl seine Meinung und schimpft auch gern, aber man kann ja sowieso nichts ändern. Wen dieses Verhalten an die Nazizeit erinnert, der hat wohl immer noch nicht verstanden, dass die Nazis Außerirdische waren, die man mit Amuletten und Bekenntnissen fernhalten kann.

1 Quelle: http://ijsn.net/gaza/survivors-and-descendants-letter/

Dieser Text erschien am 03.12.2014 in der Neuen Rheinischen Zeitung unter www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=21052

Democracy of Avowals:
Who Profits from the Ban of Nazi Comparisons?

Anis Hamadeh, Nov. 30, 2014

Those who claim the Nazi crimes were unique and beyond comparison hang those crimes so high that they get out of reach. How can anyone think or talk about something that cannot be compared, i.e. a virtually ahistorical singularity? Those, on the other hand, who want to repress German history in an attempt to draw a final stroke can comfortably hide behind the theory of uniqueness and content themselves with formulistic avowals instead of a necessary serious analysis. Avowals "against right-wing extremism", "against anti-Semitism" and "for Israel" will suffice to show correctness. They don't hurt and sound well, even if they don't mean anything.

But is it not splendid when Germans take their guilt so seriously that they render it in terms of absolutes? And do not those who draw Nazi comparisons qualify and belittle the cruelty of Auschwitz? Who profits from comparisons, and what benefit can they bring, at all? Isn't the discussion better off without such emotionally overcharged thoughts? Those questions have often been posed, for example in the German Historikerstreit ("historians' quarrel") from 1986/87. One question, however, went largely untouched: Who profits from NOT drawing comparisons? In other words: Who profits from a democracy of avowals in which we don't have to think?

A short while ago, 359 survivors and descendants of survivors and victims of the Nazi genocide have actually drawn such a comparison with Gaza and Palestine in mind by stating: "'Never again' must mean NEVER AGAIN FOR ANYONE!" So they compared Israel with Nazi Germany, mentioning explicitly the "ongoing genocide" and "racism" and demanding "the full economic, cultural and academic boycott of Israel."1 Note well: It was not an equalization, but it was a clear comparison.

Germany today is repressing that in Israel there are anti-Arab slogans on house walls and in shop windows strikingly similar to those in Nazi Germany. Dispossessions, collective punishments, thug squads, ghettos, pogroms, race laws and other essential characteristics of the Nazi state have been observed in Israel. The quasi-ban of comparisons made it possible for Germany to be in solidarity with this state and, to make matters worse, deliver arms to it. This procedure goes hand in hand with an ostracization of critics who mention those obvious and more and more drastic parallels. They are labeled as one-sided, as anti-Semites, right-wing extremists, cross-front (German "querfront"), fanatics, terrorists, conspiracy theorists and the like, something that strongly undermines the freedom of the press, the freedom of opinion and the freedom of conscience, i.e. the backbone of our democracy.

This has led to a pattern of power over the decades, for it needs power to break the backbone of a democracy. We could say now: Well, this is only about Palestinians, Muslims and Arabs, nobody needs them, anyway! But this consideration is too narrow: Those who have recognized the patterns can utilize them in every given group and for the most diverse purposes, for we learn from childhood on that power is stronger than arguments and that victims can be punished for the deeds of perpetrators. There is no other way to explain that we vote for and tolerate, even admire those politicians who come out on top in the nihilist jungle by means of cunning tricks. Weak minds will try to chum up with this power, be it in the families, in professional life, in the public or in social activities. And the money, too, will flow much better if one does not stick out by posing questions and criticism.

Concerning the criticism of Israel we witness a routine impunity for the war criminals while critics increasingly get problems and hardly receive solidarity, due to successfull intimidations. It's better to sit on the fence. We do have our opinions, we love to complain, too, but we cannot change things, anyway, can we? Now, if this attitude reminds you of Nazi times, then you will probably not have understood yet that the Nazis were extraterrestrials that can be kept away with amulets and avowals.

1 Source: http://ijsn.net/gaza/survivors-and-descendants-letter/

This article is also published on Dissident Voice at http://dissidentvoice.org/?p=56506 (Dec. 3)

Germany - Israel:
The Shifted Moral Center

Anis Hamadeh, July 15, 2017

"Good relations with Israel are part of the political DNA of the Federal Republic." This current dpa quote by Malu Dreyer, President of the Bundesrat and Prime Minister of Rhineland-Palatinate, is questionable, as the State of Israel is marked by grave human rights abuses and breaches of international law in a way that those, who cultivate uncritical good relations with this state and prefer loyalty over adherence to the law, become accomplices. The debate at hand has been moving in circles for decades, because politicians, journalists and intellectuals have been tying Germany's Nazi guilt firmly to solidarity with Israel, like in the above example, and this is solidarity with a heavily armed political player who is often resorting to extreme violence.

Some of us are still asking themselves how it happened that the Israeli military attack on the closed off Gaza Strip in 2014 with more than 1800 dead Palestinians, among them hundreds of children, could be carried out without an outcry from the world and - more significantly - without any consequences whatsoever. Instead, there were increased warnings of anti-Semitism to be heard and read in the media, for example in the coverage of the relatively few and small rallies. Therefore it is important to note the following: When people are treated favorably, because they are Jews, then this is racism.

Our moral center has shifted due to the solidarity with Israel. One of the results is that extremist subgroups like Jewish colonial settlers in Palestine or right-wing parties in the Knesset or anti-democratic anti-German groupings are treated with tolerance. Another result is the tendency to adopt the perspective of the Israeli army when it comes to news from the region, especially in cases of doubt. Moreover, Israel is routinely depicted as acting in self-defense, an enterprise that requires a high degree of eloquence and that is genuinely difficult. In order to be successful here, one must hide the legal and historical contexts and pretend there are two comparable sides instead of a single military power. To maintain the untenable dogma of Israel's self-defense one must work with suggestions, defame critics, intimidate them with the reproach of anti-Semitism and bully them out of the discourse. Fears in the Jewish population are overly emphasized in reference to the hypnotizing trauma of the Holocaust. And then there is a lot about which there cannot be any reporting, at all, for in all its quantity it simply contradicts the official coverage and does not fit in.

With our solidarity with Israel, we in Germany certainly also adopt the enemy, for if not, what kind of solidarity would that be? It helps shaping our mainstream image of the Middle East. Islamist terrorist, Jew-hating Palestinians, violent Arabs and suspicious Muslims. If we addressed our questions about violence and democratic compatibility, women's rights and tolerance to Judaism and not to Islam, we would very soon discover the limits of the debate, as in this case we are sensitized. The bogeyman image of Islam also serves rather well when reducing political contexts to religious factors, for example with the aim of playing down or distracting from an aggressive behavior of our partners USA and Israel. Instead of pondering over the destabilizing effects of western attacks on Iraq, Libya and other places we rather talk about the rise of violent Islamism, as this subject does not seem to have anything to do with us at the outset.

This projection screen reappears in the refugee issue. Our role and the role of our friends in the horrific global refugee situation is widely skipped. May our arms sales have anything to do with it? NATO membership? Ramstein? Our economic policies? Resources? The friendship with Saudi-Arabia? Loyalty to the mightiest military power by far on earth? Our lack of posing questions about politically decisive terror attacks? As long as we don't point the finger to ourselves it will be impossible for us to assess the situation adequately and develop a constructive coverage or policy accordingly. The emergence of the AfD party is a result of this misty policy and coverage. Maybe this self-flattering philosophy of life is part of what Navid Kermani calls the "burden to be German" (FAZ July 7, 2017), calling on all naturalized and to-be naturalized Germans eloquently, in detail and not without pathos to join in and integrate. The currently discussed German term "Leitkultur" (leading culture) here turns to "Leidkultur" (culture of suffering).

The shifted center makes it possible that advocates of international law and the human rights are ostracized as anti-Semites, as soon as they apply their standards to Israel, too. This regularly concerns individuals in public, but can happen to the UN, too, like nowadays, as the UNESCO declared Hebron as world cultural heritage. Many may not be aware of it, but basically all intellectuals, artists, politicians and journalists, who for judicial or conscientious reasons insist on making Israel accountable, are removed from the discourse. If the people in question are important enough, this will happen publically and mainly via the accusation of anti-Semitism, an accusation that is misused as a political weapon on a regular basis, currently for example against several public panels and speeches in Germany that were canceled due to pressure. Well, good relations with Israel are part of the political DNA of the Federal Republic.

Deutschland - Israel: Der verschobene moralische Mittelpunkt
Anis Hamadeh, 15.07.2017

"Gute Beziehungen zu Israel sind ein Teil der politischen DNA der Bundesrepublik." Diese aktuelle dpa-Aussage der Bundesratspräsidentin und rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer wirft Fragen auf, weil der Staat Israel durch schwere Menschenrechtsverstöße und Übertretungen internationalen Rechts auffällt, an denen sich mitschuldig macht, wer unkritisch gute Beziehungen zu diesem Staat pflegt und Loyalität den Vorrang vor Gesetzestreue gibt. Die Debatte um diesen Punkt dreht sich seit Jahrzehnten im Kreis, weil Politiker, Journalisten und Intellektuelle die deutsche Nazischuld wie im Beispiel oben fest mit der Solidarität mit Israel verknüpfen, also einem schwer bewaffneten und häufig zu extremer Gewalt greifenden politischen Akteur.

Noch immer fragen sich manche von uns, wie es geschehen konnte, dass der israelische Militärangriff auf den abgeriegelten Gazastreifen 2014 mit über 1800 toten Palästinensern, darunter hunderte Kinder, ohne Aufschrei der Welt und vor allem ohne irgendwelche Konsequenzen vonstatten ging. Stattdessen waren vermehrt Warnungen vor Antisemitismus in den Medien zu hören und lesen, etwa im Zusammenhang mit den relativ wenigen und kleinen Demonstrationen. Deshalb ist es wichtig, auf folgenden Punkt hinzuweisen: Wenn man Menschen bevorzugt behandelt, weil sie Juden sind, dann ist das Rassismus.

Unser moralischer Mittelpunkt hat sich durch die Israelsolidarität verschoben. Das führt zum Beispiel dazu, dass extremistische Untergruppen wie etwa jüdische Kolonialsiedler in Palästina oder rechtsextreme Parteien in der Knesset oder antidemokratische antideutsche Gruppierungen Toleranz erfahren. Auch dazu, dass man die Nachrichten aus der Region vorwiegend beziehungsweise im Zweifelsfall aus der Perspektive der israelischen Armee betrachtet. Ferner wird Israel stets als sich verteidigend dargestellt, was zum Teil großer Formulierungskünste bedarf und insgesamt schwierig ist. Man muss dafür den rechtlichen und den historischen Kontext ausblenden, so tun, als gäbe es zwei vergleichbare Seiten und nicht eine einzige Militärmacht. Um das unhaltbare Dogma von Israels Selbstverteidigung aufrecht zu erhalten, muss man stark suggestiv arbeiten, Kritiker diffamieren, mit dem Antisemitismusvorwurf einschüchtern und aus dem Diskurs drängen. Übermäßig wird auf Ängste in der jüdischen Bevölkerung eingegangen und so auf das hypnotisierende Trauma des Holocausts verwiesen. Und über Vieles kann man gar nicht berichten, weil es in dieser Menge der offiziellen Berichterstattung einfach zuwider läuft und nicht ins Bild passt.

Wir in Deutschland übernehmen durch unsere Israelsolidarität natürlich auch den Feind, denn was wäre das sonst für eine Solidarität? Unser Mainstream-Bild vom Nahen und Mittleren Osten wird so mitgeprägt. Islamistische Terroristen, Juden hassende Palästinenser, gewalttätige Araber und verdächtige Muslime. Würden wir die Fragen nach Gewalt und Demokratieverträglichkeit, Frauenrechten und Toleranz ans Judentum anlegen und nicht an den Islam, würden wir die Grenzen der Debatte schnell bemerken, denn hier sind wir sensibel. Das Feindbild Islam eignet sich auch gut dafür, politische Zusammenhänge auf religiöse Faktoren zu reduzieren, um dadurch zum Beispiel aggressives Verhalten unserer Partner USA und Israel herunterzuspielen oder davon abzulenken. Statt darüber nachzudenken, welche destabilisierenden Folgen westliche Angriffe auf den Irak, Libyen und anderswo hatten, sprechen wir lieber vom Erstarken des gewaltbereiten Islamismus, denn das hat mit uns erst einmal nichts zu tun.

In der Flüchtlingsfrage begegnet uns diese Projektionsfläche wieder. Unsere Rolle und die unserer Freunde an der horrenden Flüchtlingssituation in der Welt wird in den Medien und in der Politik weitgehend ausgeblendet. Haben unsere Waffenverkäufe etwas damit zu tun? Die Nato-Mitgliedschaft? Ramstein? Unsere Wirtschaftspolitik? Rohstoffe? Die Freundschaft zu Saudi-Arabien? Die Loyalität zur bei weitem mächtigsten Militärmacht der Welt? Unser Verzicht auf Fragen im Zusammenhang mit politisch entscheidenden Terroranschlägen? So lange wir uns nicht an die eigene Nase fassen, ist es uns nicht möglich, die Situation richtig einzuschätzen und entsprechend eine konstruktive Berichterstattung oder Politik zu entwickeln. Das Erscheinen der AfD ist ein Resultat dieser Nebelpolitik und -berichterstattung. Vielleicht ist diese sich selbst schmeichelnde Lebensphilosophie Teil der "Last, Deutscher zu sein", die Navid Kermani am 7.7.17 in der FAZ beschwor und zu der er eingebürgerte und einzubürgernde Deutsche detailreich, eloquent und nicht ohne Pathos aufruft, damit sie unsere Leidkultur besser verstehen und sich darin integrieren, also mitmachen.

Der verschobene Mittelpunkt macht möglich, dass man als Verfechter von internationalem Recht und den Menschenrechten als Antisemit ausgegrenzt wird, wenn man seine Maßstäbe auch an Israel anlegt. Das betrifft immer wieder Einzelpersonen in der Öffentlichkeit, aber auch der Uno ist das schon passiert, jetzt aktuell wieder, als die Unesco Hebron zum Weltkulturerbe erklärte. Vielen mag es nicht bewusst sein, aber so ziemlich alle Intellektuelle, Künstler, Politiker und Journalisten, die aus rechtlichen und Gewissengründen darauf pochen, dass Israel zur Verantwortung gezogen wird, fliegen aus dem Diskurs. Wenn sie wichtig sind, geschieht das öffentlich und vorwiegend über den Antisemitismusvorwurf, der immer wieder als politische Waffe missbraucht wird, wie aktuell im Zusammenhang mit diversen Veranstaltungen in Deutschland, die auf Druck abgesagt wurden. Gute Beziehungen zu Israel sind eben ein Teil der politischen DNA der Bundesrepublik.

 
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