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Datenbank zum Diskurs Palästina/Israel/Deutschland/Arabische Welt/Islam. - Database on the discourse Palestine/Israel/Germany/Arab World/Islam.
2004


Weiter Dezember 2003

SZ 19.10.2004, S.13, "Das Böse existiert. Ich fürchte, dass in Europa wieder etwas passiert, ich bleibe auf diesem Kontinent ein Fremder - der Skandal des Antisemitismus ist quicklebendig" von Leon de Winter

An diesem Artikel kann man beispielhaft erkennen, was Philosemitismus bedeutet, wie tief er in unserer Gesellschaft verwurzelt ist, und welches seine Gefahren sind. Der Schriftsteller de Winter berichtet hier über seine Kindheit in den Niederlanden und führt aus, dass er sich weder in seinem Geburtsort noch in Amsterdam zu Hause gefühlt hat ("Ich gebe zu, dass ich auch nie danach gesucht habe.") Er trauert um seine jüdische Familie, die im Krieg ermordet wurde, und hat von seiner Mutter die Trauerarbeit übernommen ("Es ist schwach von mir, aber ich habe ihre Sorgen und Ängste übernommen." auch: "Mein Blick ist durch meine Mutter natürlich auf schmerzliche Weise verzerrt, dessen bin ich mir bewusst: Ich blicke durch Augen, die nicht die meinen sind.") Die Mutter steht jenseits jeglicher Kritik: "Natürlich wäre es mir nie in den Sinn gekommen, meine Anomalien meiner Mutter vorzuwerfen. Sie musste tun, was sie getan hat: überleben, ganz intuitiv." De Winter spricht von seinem Konflikt, auf der einen Seite mit der Schuld der schuldigen Gesellschaft und mit "dem Bösen" konfrontiert zu sein, auf der anderen Seite die Freuden des hedonistischen Lebens in Erste-Klasse-Abteils und Zwölfzylinder-Jaguars zu genießen ("Ich bin bereit, bis zur Bewusstlosigkeit zu genießen, und das tue ich auch.")

Vor diesem Hintergrund hat de Winter "in den letzten Jahren zu begreifen begonnen, welche Rolle das Böse im Christentum spielt. Ich glaube nicht an den Teufel, aber ich glaube, dass es Menschen gibt, die vom Bösen getrieben werden (und das heißt nichts anderes, als dass ihnen jegliche Empathie fehlt) - und diese destruktive Kraft ist größer und stärker als die Kraft der Liebe oder Zärtlichkeit oder des bürgerlichen Anstands. Ich denke auch, dass sich die Geschichte immer wiederholt, und das keineswegs als Farce oder Witz." So spürt er seine ererbte stereotype Opferschaft und gleichzeitig seine privilegierte soziale Stellung, die dazu im krassen Gegensatz steht.

De Winter sucht das Böse, mit dem er beschäftigt ist, weil die Geschehnisse der Zeit des Antisemitismus gesellschaftlich nicht bewältigt wurden, er muss dieses Böse aber wegen der Erste-Klasse-Abteils von der eigenen Umgebung isolieren. Er steckt mittendrin in diesem Konflikt und muss ihn für sich auflösen. Jemand anderes muss also her, damit das Kontrolldrama aufrecht erhalten bleibt: "die Islamisten". Im letzten Absatz seines oeuvres kommt de Winter also zu folgendem Fazit: "Ja, ich fürchte, dass in Europa wieder etwas passiert. Ich fürchte, dass die Islamisten ihren Judenhass direkt oder indirekt auf andere übertragen. Ich fürchte, dass man, wenn in Europa ein vernichtender Anschlag stattfinden sollte, die Juden bezichtigen wird, sie hätten das mit ihrem arroganten jüdischen Staat provoziert. Ich fürchte, dass die Geschichte, diese endlose Kette von Skandalen, so funktioniert. Der Skandal des Antisemitismus ist quicklebendig. Das wittere ich. Ich habe einen Riecher dafür, geschärft durch die Erfahrungen meiner Mutter."

Dieser "Riecher" ist nichts anderes als eine Todessehnsucht, die sich aus der anerzogenen Opferrolle ergibt, die nicht recht zum Lebensstil passt und die sich zum Kampf zwischen Gut und Böse hochgesteigert hat. Im gesamten Artikel war zuvor von Islamisten (was immer das auch sein mag) nicht die Rede, sondern von deutscher und europäischer Geschichte. Vier Mal schreibt er in diesem letzten Absatz "Ich fürchte" und überträgt damit seine Ängste, so wie er selbst sie übertragen bekommen hat. Nicht nur, dass de Winter hier durch das historische, stark suggestive Wort "Antisemitismus" das Nazitum im Islam erkennt ("Das wittere ich."), weil er so keinen Ärger mit den Leuten aus dem Erste-Klasse-Abteil bekommt, nein, er beschuldigt/vermutet sogar öffentlich, dass "die Juden bezichtigt" werden werden. Man betrachte das Argumentations-Skelett des letzten Absatzes genau: Die islamistischen Antisemiten werden Terror machen und es den Juden in die Schuhe schieben. Dass so etwas in der Süddeutschen Zeitung erscheint, ist enorm. - Eine Medienkritik von Anis Hamadeh

Im Wortlaut (aus einer kursierenden Email)
"Der eine Barghouti verzichtet, der andere kandidiert" von Sophia Deeg, November 2004
Maruan Barghouti, der inhaftierte Fatah-Politiker, verzichtete inzwischen zugunsten des PLO-Chefs Mahmud Abbas auf seine Kandidatur als Nachfolger Arafats. Außerdem haben sich einige, sowohl in Palästina als auch außerhalb wenig bekannte KandidatInnen für die palästinensische Präsidentschaft gemeldet, die kaum Aussichten auf Erfolg haben dürften und wohl lediglich ihre Auftritte im Rahmen des Wahlkampfs nutzen wollen, um sich - für andere Funktionen - bekannt zu machen. Mustafa Barghouti, der mit dem hierzulande bekannteren Maruan nur den Familiennamen gemeinsam hat, ist hingegen ein durchaus aussichtsreicher Kandidat. Er ist in Palästina allgemein anerkannt wegen seines Engagements nicht nur für die Verteidigung demokratischer Strukturen der palästinensischen Gesellschaft und für die medizinische Versorgung der Bevölkerung, sondern auch im Kampf für die elementaren Rechte der Palästinenser und gegen die Besatzung. Anders als der Kandidat der Fatah Mahmud Abbas gilt er in der palästinensischen Bevölkerung nicht als korrupt und verstrickt in die entsprechenden Strukturen der Autonomiebehörde. Auch als Leiter der Palestinian Medical Relief Committees genießt er Respekt; denn dieser NGO verdanken es die Bewohner der Westbank und des Gaza-Streifens, dass auch unter den extrem schwierigen Bedingungen der Besatzung die medizinische Versorgung aufrechterhalten wird.
Mustafa Barghouti nahm an der Verhandlungsdelegation in Madrid 1991 teil, die von der israelischen Führung gegen eine willfährige Delegation aus dem Umkreis von Yassir Arafat ausgetauscht wurde. Barghouti war einer der Generalsekretäre der Palestinian Peoples' Party (KP Palästinas), bis er 2002 zusammen mit Haidar Abdel Shafi, Edward Said und anderen bekannten palästinensischen Persönlichkeiten Al Mubadara (Die Initiative) gründete, die es sich zum Ziel gesetzt hat, durch die Wiederbelebung der basisdemokratischen Strukturen der ersten Intifada einen konsequenten zivilgesellschaftlichen Kampf gegen die Besatzung zu führen. Für Al Mubadara, inzwischen Partei, kandidiert Mustafa Barghouti. Entsprechend lautet sein Programm als Präsidentschaftskandidat zusammengefasst: Stärkung und Erweiterung des demokratisch geführten Kampf gegen die Besatzung und konsequentes Eintreten für die Rechte der Palästinenser, wie sie in UN-Resolutionen festgestellt wurden (d.h. selbstverständlich auch das Rückkehrrecht). Mit diesem Programm, das sich auch ausdrücklich gegen Korruption und Klientelwirtschaft wendet, ist Mustafa Barghouti für breite Schichten der palästinensischen Bevölkerung wählbar. Sowohl Anhänger der Linken wie der Hamas und weltlich eingestellte Palästinenser, die man politisch zur Mitte rechnen kann, sind seit langem tief enttäuscht von der Korruption der Autonomiebehörde und der Fatah. Dabei kritisiert man diese Korruption nicht nur in ihren finanziellen Aspekten, sondern vor allem als politische Korruption. Viele Palästinenser sind desillusioniert von einer politischen Führung, für die der Osloprozess in erster Linie dazu diente, jede politische Mitbestimmung zu strangulieren, um den israelischen und amerikanischen Vorgaben und Forderungen nachzukommen. Sie fühlen sich sowohl in ihren politischen Bestrebungen wie auch in ihren alltäglichen Belangen von der eigenen Führung im Stich gelassen.
In dem Maße allerdings, in dem Mustafa Barghouti tatsächlich einen Gegenpol zu diesem Kurs der annähernd bedingungslosen Anbiederung an die israelischen und amerikanischen Wünsche darstellt, ist er selbstverständlich kein Wunschkandidat der israelischen, amerikanischen oder europäischen Nahost-Politiker. Dennoch ist er auch außerhalb Palästinas, in Israel, Europa und den USA ein Hoffnungsträger. Er war es, der 2001, als die blutige Niederschlagung der zweiten Intifada durch die übermächtige israelische Armee immer drastischere Formen annahm und sich die "internationale Gemeinschaft" in dumpfer Übereinstimmung mit der israelischen Propaganda nicht weiter darum scherte, anregte, dass die internationalen sozialen Bewegungen und die Anti-Kolonialisten Israels sich zum Schutz der Bevölkerung und ihres Widerstands nach Palästina begeben mögen. Seither gibt es diese vor allem auf den Weltsozialforen und den europäischen Sozialforen weiter entwickelte internationale Präsenz in Palästina und eine breite internationale Bewegung gegen die Besatzung.

Kieler Nachrichten 13.12.2004, S. 2: "Zum Streit um die Türkei: Zeit der Scheingefechte" von Olaf Albrecht
Darin: "In Europa herrscht Misstrauen gegen die Aufnahme eines so fremden Landes, viele Menschen sind unsicher, welche Gefahren tatsächlich vom Islam ausgehen. Das ist der Nährboden für Vorurteile, aus dem die Türkei-Gegner ihre Argumente ableiten." Anis: Das erinnert an die Zeit vor 1945, als in Europa und speziell in Deutschland Misstrauen gegen Juden herrschte. Die Menschen waren unsicher über die Gefahren, die tatsächlich vom Judentum ausgingen. Das war der Nährboden für Vorurteile. Olaf Albrecht meint in diesem seinem Kommentar wahrscheinlich extremistische Gruppen, die sich auf den Islam berufen. Er schreibt es aber nicht so, das wäre ja langweilig. Es gibt auch christliche und jüdische Extremisten, die sich auf ihre Religion berufen, was jedoch in solchen Zusammenhängen normalerweise unerwähnt bleibt. "Viele Menschen" denken halt, dass vom Islam Gefahren ausgehen und mehr hat Herr Albrecht auch nicht gesagt. Er hat es nur ganz neutral und objektiv transportiert.

Offener Brief an Frau Angela Merkel, Vorsitzende der CDU Deutschland und Abgeordnete des Deutschen Bundestages
von Günter Schenk, 13.12.04

Welt am Sonntag, 12.12.04, "Merkel: Fest an Israels Seite"
www.wams.de/data/2004/12/12/373754.html Darin: "Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel hat Europa aufgefordert, Israel stärker im Kampf gegen den Terror zu unterstützen. 'Europa muss fest an der Seite Israels stehen, wenn es darum geht, mehr Sicherheit gegenüber dem Terrorismus zu erlangen', sagte Merkel gestern Abend beim '6. Europäisch-Israelischen Dialog' des Axel-Springer-Verlags in Berlin."

Sehr geehrte Frau Merkel,

seit einigen Jahren faellt es mir auf: Sie, aufgewachsen in einem christlichen Pfarrhaus, meinen, Israel zu verteidigen, wenn Sie israelische Apartheid-Politik verteidigen. Israel gegen den Terror unterstuetzen? Ja, da haben Sie die Zustimmung aller meiner juedischen und nichtjuedischen Freunde. Hier, in Frankreich, in Deutschland, in Israel und anderswo.

Nur - und da scheinen wir unser Bewusstsein aus total unterschiedlichen Quellen zu gewinnen - Israel zu verteidigen heisst im 21. Jahrhundert zu allererst "Israel vor sich selbst zu schuetzen"! Dies ist - fuer jeden in Deutschland - nachzulesen bei Michel Warschawski ("Im Hoellentempo") oder bei Prof. Baruch Kimmerling ("Politzid") oder auch bei Marcel Pott ("Schuld und Suehne im Gelobten Land"). Bitte machen Sie sich die Muehe, gelegentlich einen Blick in die internationale Ausgabe von Ha'aretz, der großen israelischen Tageszeitung zu werfen (im Internet).

Terrorismus! Sie kennen diesen, in anderer Form, humanistisch sich definierend, totalitaer sich gebaerdend, aus Ihrer eigenen Biographie im "real existierenden Sozialismus" (der, immerhin, anders als derjenige des Staates Israel gegenueber ganz normalen Palaestinensern in militaerisch besetzten Gebieten, oft verfaelschend "Gebiete" genannt, immerhin selbst Ihnen ein, wenn auch begrenztes, so doch aktives Betaetigungsfeld in der kommunistischen Jugendorganisation bot). Es handelt sich hier, Sie erahnen es, um Staatsterrorismus.

Nicht um irgendeinen, fernen. Dies ist die Realitaet für die Palaestinenser. Ein paar Flugstunden von Berlin entfernt. Dies, und nicht die existenzgefaehrdende Gefahr, die für den Atomstaat Israel von palaestinensischen Widerstandsgruppen ausgeht.

Welcher Art von Hirnwaesche, ich bitte um Verzeihung, muessen Sie unterlegen sein, wenn Sie nicht die Wirklichkeit in und um Israel erkennen? Lesen Sie das leider immer noch hochaktuelle Buch des US-amerikanischen Politologieprofessors Kenneth M. Lewan "Ist Israel Südafrika?" aus dem Jahr 1993. Von 1993 und heute aktueller denn je !

Bitte glauben Sie mir, und, was viel wichtiger ist, glauben Sie meinen israelischen Freunden, z.B. von "New Profile" (Google-Suche!): Wenn Israel gefaehrdet ist, so durch sich selbst, nicht durch die schwachen, entrechteten, vertriebenen, gewaltsam verarmten, in eine Wirklichkeit des 18 Jahrhundert katapultieren und gedemuetigten Palaestinenser.

Schenken Sie bitte denen Glauben, die Ihnen sagen: der Widerstand, auch der, welcher sich in Terrorakten (aehnlich dem der franzoesischen. Resistance des Grossvaters meiner Ehefrau gegenueber den deutschen Besatzern), Suizidattentaten etc.. wird rasch verschwinden, wenn die Ursache der Gewalt im Nahen Osten, der Mangel an Respekt und Anerkennung verschwunden ist.

Wie sagte mir ein Freund, Jude und israelischer Staatsbuerger Abi (Abraham): "es waere ja schon beinah als Fortschritt anzusehen, wenn israelische Politik gegenueber den Palaestinensern Hassgefuehle aufbraechte. Es waeren wenigstens (menschliche) Gefuehle, jedoch, nicht einmal dies tut sie ...man nimmt Palaestinenser nicht einmal wahr, nicht als Menschen, nicht als Buerger' ". Man negiert, verachtet sie".

Bedenken sie bitte: wer zu Verbrechen schweigt, macht sich mitschuldig !

Ich habe mir einmal die kleine Muehe gemacht, mir die Liste der Ehrengaeste (darunter auch Sie) beim sogenannten 6. Europaeisch-israelischen Dialog" anzusehen. Von Dialog keine Spur. Alles Gleichgesinnte. Da braucht es nicht einmal "Gleichschaltung". Dialog findet ueblicherweise statt durch Disputation gegensaetzlicher Meinungen. Wo ist der bei dieser Veranstaltung ?

Gern haette ich Ihnen eine Liste sehr honoriger juedischer, darunter auch israelischer Freunde genannt, zu einem Dialog, der das Wort verdient haette. "Europaeer" zu sein, hier, oder "Israeli", dort, ist kaum eine hinreichende Unterscheidungs-Qualifikation um den Begriff "Dialog" zu beguenden, Es handelte sich da doch wohl eher um "Monologe". Ihre Veranstaltung ist insofern eine ...Mogelpackung. Schade fuer Sie, denn damit ist "kein Staat zu machen". Wie denken Sie darueber, Sie, die rational und zu genauen Definitionen und Schluessen befaehigte gelernte Physikerin ?

Erlauben Sie mir ganz kurz eine konkrete Frage: wie soll "Europa" dabei helfen, Israel mehr Sicherheit gegen "den" (leider bei Ihnen undefiniertem") Terrorismus zu schaffen ? Soll die Apartheidmauer verlaengert werden, hoeher werden ? Sollen die Checkpoints (Checkpoint Charly war ein Kinderspiel dagegen. Ich weiß das, denn meine Familie, ausser mir, "durfte" ihn benutzen, auch Herr Gedmin kennt ihn aus eigener Erfahrung) vermehrt werden ? Sollen die Juenglinge in Tsahal-Uniformen, oft 18-jaehrige Soldaten an den Checkpoints noch etwas "schaerfer, etwas zynischer gemacht" werden ? Mit der Folge, dass noch ein paar hundert weitere "Terroristen" "nachwachsen"? Sollen noch ein paar U-Boote für taktische Atomwaffen zusaetzlich geschenkt werden, mehr Panzerteile und Humphees aus dt. Bauteilen, mehr illegale Einfuhren aus der Produktion in den illegalen Kolonien, zollfrei, genehmigt werden?

Ich nehme an, all dies ist nicht noetig, dies meinten Sie sicherlich auch nicht. Vielleicht meinten Sie aber: unkonditionelle und von aller moralischer (Max Weber: Protestantische Ethik oder auch I. Kant!) Einwaende entledigte politische Unterstuetzung und mediale Begleitung staats-terroristischer Akte. Akklamation anstelle kritischer Freundschaft.

Damit begeben Sie sich aber, auch wenn dies z.Zt. vielleicht nicht zum allgemeinen Erkenntnisstand Ihrer "Runde" gehoert, außerhalb der zivilisierten, westlichen Wertegemeinschaft. Etwas einacher, populaerer, ausgedrueckt: das ist nicht in Ordnung.

Wer Israel unterstuetzen will, tut dies, durch ehrliche und auf humanistischen Grundsaetzen fußende Kritik. Damit wird sowohl Israel als auch Palaestina Frieden gesichert. Nicht aber durch Apartheid, Anwendung miltiaerischer Gewalt und Missachtung der Nachbarn. Nicht durch Vertreibung, nicht durch Erniedrigung. Es genuegt, sich an den Eingangssatz des Artikel 1 des GG der Bundesrepublik Deutschland (Sie hatten leider, unverschuldet, nicht das Glueck, in dieser aufzuwachsen) zu halten: "Die Wuerde des Menschen ist unantastbar"

Hier hat das GG bewusst von "dem Menschen" und nicht von "dem deutschen Menschen" geredet. Es hat auch keine Hierarchie zugelassen, wie "des juedischen", oder einer anderen ethnischen, kulturellen, religiösen Gruppe. Des Menschen!

Besondere und bleibende Verantwortung, sehr geehrte Frau Merkel, hat das deutsche Volk, aufgrund der Geschehnisse im 3. Reich, gegenueber dem juedischen Volk,, nicht aber gegenueber dem "zionistischen Projekt", einem kolonialistischen Konzept aus dem spaeten 19. Jahrhundert, einem Plan, der, lt. Theodor Herzl von Anfang an die Vertreibung, heute wuerden wir dies "ethnische Saeuberung" nennen, der Einwohner des zu besiedelnden Gebietes vorsah. Bitte lesen Sie nach: Tagebucheintragung Th. Herzls vom 12.6.1895, Seite 98 ff,, wiedergegeben in: Theodor Herzls Tagebuecher, 1922, Berlin, Juedischer Verlag.

Das hat mit den Verbrechen der Deutschen an den euroöpäischen Juden nichts zu tun, auch nichts mit der bleibenden Verantwortung des deutschen Volkes (nicht nur der Politik, sondern aller Deutschen) für das Judentum.

Mit freundlichem Gruß
Günter Schenk
Membre du "Collectif Judeo-arab et citoyen pour la Paix" Strasbourg.

Kieler Nachrichten 16.12.2004, S. 2: "Zum Rüstungsexportbericht der Kirchen: Gegen die Scheinheiligkeit" von Klaus Kramer
Darin: "Wenn es um Rüstungsexporte in Entwicklungsländer geht, ist die Kirche ein einsamer Rufer in der Wüste. Ihre Vorwürfe verhallen ungehört." Anis: Dies stimmt so nicht ganz, denn Herr Kramer selbst zum Beispiel hat diese Vorwürfe gehört und thematisiert. Auch gibt es neben den Kirchen durchaus allerhand Rufer in dieser Wüste. Zu Waffen-Fragen existieren stark variierende Meinungen in der Bevölkerung. Für viele Leute ist es in Ordnung, Waffen herzustellen oder zu verkaufen, wenn sie dadurch finanzielle Vorteile erwarten können. Andere würden auch Familienangehörige verkaufen, es gibt die unterschiedlichsten Einstellungen. Allerdings bewegen sich die westlichen Öffentlichkeiten derzeit nach meiner Einschätzung durch Konfliktverschleppungen systematisch auf große Kriege zu, wodurch sich die Waffenherstellungs- und -Exportfrage neu stellt. Diese Diskussion wird relativ zu ihrer Signifikanz zu klein gehalten. Die Frage zu thematisieren, wie Herr Kramer es tut, ist der einzig richtige Weg in dieser Situation. Es gilt genau, was Ulrich Metschies im Wirtschafts-Kommentar unmittelbar darüber zur Lage bei Vossloh schreibt: "Warum diese Geheimniskrämerei statt eines offenen Dialogs, der Kreativität wecken könnte, statt sie zu ersticken?" So es stimmt, dass die Bundesregierung Waffenembargos unterläuft, schreibt Kramer: "Es ist gut, dass die Kirchen dagegen ihre Stimme erheben." Anis: Dem kann man nur zustimmen. Sinnvoll wäre es in diesem Zusammenhang, auch über Rüstungsexporte im Allgemeinen zu sprechen und darüber, was die Kieler Nachrichten von Waffenlieferungen nach Israel und in arabische Länder halten. Vor drei Tagen hieß es dazu auf S. 29: "Israels Marine hofft auf deutsche U-Boote". Dort wird ein israelischer Offizier zitiert: "Im nächsten Jahr wird sich wegen der politischen Situation mit Deutschland und Europa eine wunderbare Gelegenheit ergeben."

Offener Brief an Innenminister Schily
von Claudia Karas, 19.12.04

ZDF, 18.12.04, Sendung "Ein Herz für Kinder"

sehr geehrter Herr Minister Schily,

in der gestrigen sendung "Ein Herz für Kinder" erklärte man das schicksal israelischer kinder zur "chefsache", nämlich zu der Ihren ! auch das mantra von der "besonderen verantwortung" der Deutschen durfte da nicht fehlen, nachdem Sie darauf hinwiesen, dass die israelis seit jahrzehnten unter terror und gewalt leiden.

nur die israelis, herr minister?

sind nicht die palästinenser und besonders die palästinensischen kinder zu allererst die leidtragenden der VÖLKERRECHTSWIDRIGEN BESATZUNG, welche die URSACHE der gewalt im nahen osten ist?

solche auftritte unterstützen und zementieren das Unrecht und beweisen einmal mehr, dass palästinensiches menschenleben überhaupt nicht zählt, denn sonst hätte man auch eine palästinensische mutter einladen müssen, z.B. die mutter der 13jährigen Iman al-Hams aus Rafah, die von kugeln regelrecht durchsiebt wurde, als ein israelischer soldat sein maschinengewehr auf automatik stellte und das ganze magazin in sie hineinschoss.

in der sogenannten "einzigen demokratie im nahen osten" wird man dafür nicht wie ein mörder bestraft, herr minister, der mörder-soldat wurde sogar von "unethischem verhalten" freigesprochen.

"Die Tatsache, dass mehr als sechshundertundzwanzig palästinensische Kinder in den letzten vier Jahren von Israel getötet wurden, sollte zeigen, dass der Mord an Iman nicht nur ein Versehen, sondern die Regel war" schreibt Omar Barghouti und menschenrechtsorganisationen dokumentierten, dass israelische scharfschützen auf die augen und knie von palästinensischen kindern mit der "klaren absicht zu verletzen" gezielt haben und die Tel Aviver Universitätsdozentin Tanya Reinhardt schreibt über die "übliche praxis der soldaten, gummi-ummantelte metallkugeln direkt ins Auge zu schießen". Chris Hedges schrieb in Harpers Magazin, dass er noch nie vorher soldaten beobachtet habe, wie sie kinder wie mäuse in eine falle locken, um sie aus spaß zu morden. andere kinder mussten aufgrund der gnadenlosen israelischen belagerung sterben, weil ihnen der weg ins krankenhaus verwehrt wurde.

deutschland als treuer partner des kolonialstaates israel trägt daher - wie auch Sie - "besondere verantwortung" für die tägliche menschenverachtung.

wer schweigt, macht sich mitschuldig !

Hochachtungsvoll
claudia karas

Kieler Nachrichten 20.12.2004, S. 4: "Israel will 170 Häftlinge freilassen" von dpa
Untertitel: "Große Koalition steht - Elf Tote bei neuem Militäreinsatz im Gazastreifen." Beginnt mit: "Israelische Soldaten haben bei dem blutigsten Militäreinsatz seit dem Tod des Präsidenten Arafat vor gut fünf Wochen elf Palästinenser getötet und 50 weitere zum Teil schwer verletzt. Unter den Opfern waren auch drei unbeteiligte Zivilisten." Anis: Dass solche Tötungen Morde sind, dass sie illegal und unmenschlich sind, wird hier nicht erwähnt. Vielmehr wird das israelische Verhalten gerechtfertigt: "Mit der Operation sollten palästinensische Mörserangriffe auf jüdische Siedlungen unterbunden werden." Ach so, denkt der Leser, dann gab es also einen guten Grund. Vor allem die Überschrift des Artikels legt nahe, dass die Toten in Gaza nicht so wichtig sind wie die positive Darstellung des Staates Israel. - Das Foto zeigt einen palästinensischen Vater mit Sohn ohne Bleibe vor Häusertrümmern. Die Botschaft ist wohl: Wir von der Presse stehen loyal zu Israel inklusive seiner Gewaltpolitik (siehe Titel), wir haben aber auch Sympathien für die Pals. Diese Sympathien reichen freilich nicht so weit, dass wir ihnen die Menschenrechte zugestehen würden. Eine typische Einstellung in der deutschen Presse. Sie impliziert, dass die israelische Gewalt (über die traditionell nur in Ausschnitten berichtet wird) letztlich in Ordnung und kein Grund für Widerstand ist.

Offener Brief an Bundeskanzler Gerhard Schröder
von Dr. Izzeddin Musa, 30.12.04

Erneut Atom-U-Boote für Israel und Förderung von militärischer Eskalation in der Region?

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,
lieber Genosse Gerhard Schröder,

am 23.12.2004 meldete die Berliner Zeitung (BerlinOnline), dass die israelische Tageszeitung Maariv berichtete, dass die Bundesregierung dem Verkauf von zwei weiteren U-Booten der Dolphin-Klasse an Israel zugestimmt haben soll. Selbst der Umrüstung für den Abschuss von Nuklearraketen soll zugestimmt worden sein. Dies ist ein Skandal und eklatanter Verstoß, der allen Regeln widerspricht, die Deine Regierung selber aufgestellt hat, und zwar keine Rüstungsexporte in Spannungsgebiete zu liefern. Es dürften auch keine deutsche Waffen in Länder gehen, in denen Menschenrechte missachtet werden. Bei den Einsätzen der israelischen Armee in den Palästinensergebieten komme es zu Kollektivbestrafungen, Vertreibungen, Folter, Entführungen, außergerichtliche Exekutionen und so weiter und so fort, die Amnesty International und die UN-Menschenrechtskommission als Verstöße gegen Menschenrechte bezeichnen.

Wie Du weißt, hat Israel die drei U-Boote, die dem Land aus Schuldgefühl für die angebliche Bedrohung von Saddam Hussein 1991 kostenlos zugesagt worden sind, für den Abschuss von Atomraketen umgebaut bekommen. Schon bei der Lieferung der drei U-Boote 1999 und 2000 hat die rot-grüne Bundesregierung den Kopf in den Sand gesteckt und nicht wissen wollen, wofür Israel die Schiffe verwenden wolle. Damit bedroht Israel alle seine Nachbarn, die über keinerlei Atomwaffen verfügen. Israel ist das einzige Land, das weder den Atomwaffensperrvertrag noch internationale Vereinbarungen zum Verbot von Chemie- und Biowaffen unterzeichnet hat, aber über 300 Atomraketen verfügt, die alle europäischen Hauptstädte erreichen können, sowie über ein großes Arsenal an chemischen and biologischen Waffen verfügt. Deine Regierung und der gesamte Westen weiß davon, spricht aber nicht darüber. Israel verhöhnt seit seiner Gründung die Vereinten Nationen und tritt mit Füßen das Völkerrecht, genauso wie sein großer Bruder und Unterstützer USA. Wie verhält sich die Bundesregierung gegenüber dieser Tatsache, da sie doch große Stücke auf beide internationalen Instrumente hält?

Israel wird im Augenblick von einem Kriegsverbrecher - laut Amnesty International und Human Rights Watch - "regiert". Das palästinensische Volk wird stranguliert und seine Existenzgrundlage systematisch zerstört. Dies ist alles bekannt. Trotzdem unterstützt die Bundesregierung dieses Regime, insbesondere Außenminister Fischer und Innenminister Schily, die sich in ihrer Israelbesoffenheit geradezu überbieten wollen. Ich hoffe, es gibt in der SPD noch einige Politiker mit Rückgrat, die dem Druck der Israel- und der zionistischen Lobby widerstehen, sonst wird sich die deutsche Regierung ebenso in ein "besetztes Gebiet" verwandeln, wie es der US-Kongress und die US-Regierung bereits heute schon sind.

Herr Bundeskanzler, bleiben Sie Ihren Richtlinien treu und weisen Sie die Unverschämtheiten der israelischen Regierung zurück und stimmen Sie gegen die Lieferung der U-Boote, da Israel damit nur zu weiterer Aggression motiviert würde und den Nahost-Konflikt damit weiter anheizen kann. Das wäre politisch nicht zu verantworten.

Finanziert wurde Israels bisherige Atom-Marine größtenteils vom deutschen Steuerzahler. Kann die rot-grüne Bundesregierung dies, im Angesicht knapper Kassen und fortschreitendem Sozialabbaus, noch verantworten?

Lieber Genosse Gerhard, in Deiner Regierungserklärung vom 13.02.2003, "Unsere Verantwortung für den Frieden", hast Du die UNO-Resolution 687 angeführt, wonach die Region des Nahen und Mittleren Ostens von Massenvernichtungswaffen befreit werden soll, und dabei ausdrücklich betont: "Wohlgemerkt, in der gesamten Region." Hast Du aber in den seitdem vergangenen ca. zwei Jahren Israel jemals ernsthaft, unmissverständlich und mit Nachdruck dazu zu bewegen versucht, vor allem seine atomaren Massenvernichtungswaffen unter Aufsicht der IAEA zu vernichten? Da Du möglicherweise mit einer vermeintlichen Rolle Israels - knapp 60 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg - antworten könntest, weise ich dies mit der Begründung zurück, dass die Palästinenser und die umliegenden arabischen Länder die Schulden Deutschlands nicht tilgen können. Hier schließe ich mich auch dem israelischen Friedensaktivisten und Träger des "Alternativen Friedensnobelpreis" Uri Avneri, der anlässlich des an ihn verliehenen "Lew-Kopelow-Preis für Frieden und Menschenrechte" am 16.11.2003 in Köln bezüglich Israel unzweideutig forderte: "Auch in Deutschland keine Sonderbehandlung bitte."

Benötigt die Welt angesichts der Kriegszustände im Nahost-Konflikt, im Irak und Afghanistan, noch einen weiteren blutigen Krieg gegen den Iran und Syrien? Dein Außenminister sollte sich ebenso stark für die offizielle Kontrolle der israelischen Atomanlagen einsetzen, wie er sich für die nicht-existenten "Atomwaffen" des Iran engagieren. In Israel würde die Internationale Atomenergiebehörde sofort fündig.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Izzeddin Musa

2005
Offener Brief an den Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Israel
von Guenter Schenk, 9.1.05

"Vier Jahre Botschafter in Israel: Für einen Deutschen prägende Jahre. Die gesicherte Existenz Israels - Teil der deutschen Staatsraison" von Rudolf Dressler, Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Israel, Haaretz, 5. Dezember 2004, siehe den ganzen Text unter http://www.nahost-politik.de/deutschland/dressler.htm. Darin: "Vier Jahre in Israel leben und arbeiten bedeutet, sich einem permanenten Zielkonflikt ausgesetzt zu sehen. Einerseits hat man das Empfinden, bereits 15 Jahre im Land zu sein. Andererseits frage ich mich: Wo sind diese vier Jahre geblieben? Meinem ersten Arbeitstag am 01. September 2000 folgte vier Wochen später, am 28. September, der Beginn der sogenannten zweiten Intifada. Der Ablauf schrecklicher Ereignisse mit traumatischen Folgen hat das Land Israel in Atem gehalten..."

Sehr geehrte Exzellenz,
lieber Genosse,
sehr geehrter Herr Botschafter Dressler,

ich las Ihren in meiner israelischen Lieblingszeitung Haaretz veroeffentlichten Artikel - eine Art Conclusio Ihrer vierjaehrigen Taetigkeit als Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Tel Aviv. Zunaechst frage ich mich: was haben Sie in den vier Jahren in Israel, ausgestattet mit einem gueltigen Diplomatenpass, der Ihnen jederzeit Zugang zu jedem oeffentlich zugaenglichen Ort in und um Israel gewaehrte, getan ? Haben Sie tatsaechlich Ihre Augen verschlossen, als Ihr Chauffeur Sie in Ihrem gepanzerten Dienstwagen an den Checkpoints vorbeifuhr, ueber km-lange neue Strassen, "nur fuer Juden" in den besetzten Gebieten ?

Haben Sie wirklich nichts gehoert, gelesen ueber die Enteignungen, Haeuserzerstoerungen, mutwillige Vernichtung jahrhundertealter Olivenhaine und geschuetzter Baudenkmaeler ? Haben Sie in diesen ehren- wie wertvollsten Jahren in einem Diplomatenleben niemals Kontakt aufgenommen zu den kleinen aber umso feineren Gruppen kritischer israelischer Intellektueller, die eine so vollkommen andere Sicht haben im Blick auf ihren eigenen Staat ? Kennen Sie diese Gruppen vielleicht gar nicht ? Das waere eine schwer wiegende Unterlassung Ihrer Mitarbeiter, deren Aufgaben sich gewiss nicht auf die Vor- und Nachbetreuung von Besuchern von Yad Vashem, so wichtig diese sind, beschraenken.

Auch ich, grosso Modo mit der Ihren aehnlichen zeitlichen und geschichtlichen Erfahrung, aufgewachsen in einer Atmosphaere der kritischen Auseinandersetzung mit dem Nazi-Regime, seiner Bedingungen und Verbrechen, habe mir zeitlebens die Frage gestellt: "Wie fast ein ganzes Volk derart blindlings einem Verbrecherregime (es war ja nun nicht nur ein einziger Mann, ganz oben!) verfallen konnte. Diese Frage trennt uns gewiss nicht. Inzwischen weiss ich allerdings darueber mehr, weiss, z.B., wie aus dem grossen, freiheitsliebenden amerikanischen Volk schleichend und zielstrebend ein bellizistisches,sich traumatisch in Lebensgefahr fuehlendes Volk gemacht wurde, weiss, wie teuflische Propaganda wirken kann. Goebbels Schueler lassen gruessen ! Sie leben. Davor ist leider auch die Demokratie nicht gefeit.

Was uns aber sicherlich trennt, ist die Verantwortung, die wir aus diesem Jahrhundert-, wenn nicht Jahrtausend-Desaster des sogenannten 3. Reiches fuer uns selbst und fuer unser Land, das ganze deutsche Volk, erkennen. So steht fuer mich ausser Zweifel, dass aufgrund des von "unseren Vaetern" begangenen Unrechts auf gar keinen Fall neues Unrecht an Anderen, an mit den Untaten unseres Volkes und seiner verbrecherischen Regierung Unbeteiligten ausgehen darf. Da scheinen sich unsere Geister nun wirklich zu scheiden. Dies sage ich Ihnen als Mitglied, seit dem Jahr 1966, der gleichen Partei, der auch Sie angehoeren.

Gerade dies aber scheinen Sie nicht nur zu akzeptieren, nein, Sie unterstuetzen gerade dies und machen sich - so muss ich dies sehen - erneut schuldig, schuldig an dem Volk der Palaestinenser. Weiter unten gehe ich darauf im Einzelnen ein.

Ihre historischen Kenntnisse muessen dies auch Ihnen sagen, obwohl Ihr Artikel in Haaretz leider keinerlei Vorkenntnis oder Sensibilitaet fuer die Vorgeschichte, die Entstehung und den offensichtlich noch nicht abgeschlossenen Vorgang der Staatsbildung - keine Verfassung, keine deklarierten Staatsgrenzen, einmalig fuer ein Mitglied der Vereinten Nationen !!! - Israels erkennen lassen.

Stattdessen beten Sie, wie aus Communiques des Presseamt der Regierung abgeschrieben, die angebliche Bedrohung, den andauernden Ueberlebenskampf des Staates nach, eines Staates mit der zweit- oder drittstaerksten Armee der Welt, mit Atomwaffen, Traegersystemen aus dem Land, der Luft und dem Wasser (3 U-Boote der Delphin-Klasse aus Kiel mit Abschussvorrichtung fuer taktische Atomwaffen), eines Staates, der im Jahre minus 1 vor der Staatsgruendung nicht zurueckgeschreckt ist, biologische Waffen zur Eroberung einer der schoensten nah-oestlichen Staedte in der Levante, Akko, einzusetzen.

Nein, dies koennen Sie eigentlich nur sagen, wenn Sie sich mit Scheuklappen versehen haben: dass der Staat Israel von seinen Nachbarn bedroht ist. Schon gar nicht aus den militaerisch besetzten und entgegen dem Voelkerrecht zielstrebig besiedelten - und in den Jahren Ihrer Taetigkeit zerstueckelten - Rest-Palaestina. Wenn es eine ernstzunehmende Gefaehrdung fuer den Staat Israel gibt, so kommt diese aus dem Inneren des Staates, aus der Immoralitaet der Besatzung, aus Mangel an Legitimitaet (worauf schon kurz nach 1967 Y. Leibwoitz hinwies), aus der moralischen Zerruettung einer entfesselten, militarisierten Jugend. Es sind nicht die Palaestinenser, die Israel in seinen Grundfesten gefaehrden. Alles, was die Palaestinenser verzweifelt - und systematisch von der Regierung, bei der Sie akkredidiert sind hintertrieben - suchen, ist ihr eigener kleiner Staat, auf einem Bruchteil des Gebietes, welches noch zu meiner fruehen Kindheit "Palaestina" hiess.

Fuer Sie beginnt die unertraegliche Gewalt vier Wochen nach Ihrer Ankunft in Tel Aviv. Sicher, niemand wird Ihnen veruebeln, wenn Sie in den ersten Wochen in wichtiger und schwieriger Mission Einarbeitszeit benoetigten, aber, Sie wissen genau wie jeder Interessierte, was der 2. Intifada vorausging, die nicht umsonst "Al-Aksa-Intifada" genannt wird. Sie wissen genau, mussten es wissen, welche Enttaeuschung durch alle Schichten der palaestinensischen Gesellschaft ging, als klar wurde, dass die hoffnungfvollen Jahre des "Oslo-Prozesses" von israelischen Seite genutzt worden war, eine Vervielfachung der Zahl der Siedler, entgegen dem internationalen Recht in den besetzten Gebieten vorzunehmen. Hier machten sich gerade auch fuehrende Politker der uns so vertrautenund mit uns befreundeten Arbeitspartei schuldig.

Was das Widerstandsrecht und der tatsaechlich ausgeuebte Widerstand der Palaestinenser angeht: hier sollten Sie sich keine voreilige Kritik erlauben, schliesslich waren es SS- und Gestapo-Schergen, die den Widerstand in Polen, in Frankreich (der Grossvater meiner frz. Ehefrau war direkt betroffen) als terroristisch verfolgten, den strukturellen Terrorismus ihrer eigenen Anwesenheit als deutsche Besatzer nicht erkennend.

In Ihrem Artikel stellen Sie, rhetorisch, die Frage, "was Deutschland tun wuerde, wenn ... Erfurt 2002 usw.". Nahezu wortgleich las ich dies in einer Presseerklaerung der israelischen Botschaft in Berlin. Das ist eine für einen politisch denkenden und aufgeklaerten Menschen unverstaendliche Verdrehung. Viel mehr muessten Sie (sich und Ihre Leser) fragen:

Wie saehe die deutsche Gesellschaft aus, wenn D. seine Existenz auf dem Boden und Eigentum eines anderen Volkes aufgebaut haette ? Wie saehe die deutsche Gesellschaft aus, wenn der Staatsgruendung die Massenvertreibung, vielfacher Mord und Mordandrohung, Enteignung von Hab und Gut, Zerstoerung hunderter Doerfer vorausgegangen waere ? (Der Begriff NAKBA duerfte Ihnen nicht unbekannt sein) Wie saehe die deutsche Gesellschaft aus, wenn dies nicht nur vor und waehrend der Staatsgruendung geschehen wäre, sondern fortlaufend geschieht ? Wie saehe die deutsche Gesellschaft aus, wenn die Bundesrepublik Deutschland fortwaehrend militaerische Besatzung über ihren Nachbarn ausuebte ? Wie saehe die deutsche Gesellschaft aus, wenn deutsche Waffen, Flugzeuge, Soldaten taeglich gezielte und weniger gezielte Toetungen im Besatzungsgebiet durchfuehrte ?

Wie saehe sie aus und mit welcher Reaktion ihrer Opfer muesste "die deutsche Gesellschaft" rechnen, wenn.....?

All diese Fragen stellt Ihre Exzellenz, Herr Botschafter nicht. Sie, beten, "Asche auf Ihrem Haupte", schuldbeladen, (sind Sie das denn wirklich? das stimmt doch nicht, das ist doch nicht wahr) in liebedienerischer Weise, die Propaganda des Besatzers nach. Daraus entsteht kein gegenseitiger Respekt.

Darf das ein deutscher Botschafter ? Er darf das gerade darum gewiss nicht, weil es zwischen 1939 und 1945 Deutsche waren, die genau so, wie oben beschrieben, mit den Nachbarn (und dem eigenen Volke) umgingen, die Menschen dieser Laender, und die ganze Welt, damit in ein nie dagewesenes Elend stuerzte und in Konsequenz die Existenz des eigenen Volkes und Staates gefaehrdete bis zum voelligen Zusammenbruch.

Für mich bleibt, nach Lektuere Ihres Berichtes in Haaretz, folgend Feststellung:

Der Genosse Dressler hat die vier Jahre seiner Taetigkeit nicht dazu genutzt, sich in der israelischen Zivilgesellschaft umzusehen nach den Kraeften, die all dies als unverzeihliches Unrecht ansehen. Als Unrecht gegenueber den verfolgten.entrechteten und erniedrigten Palaestinensern und als Unrecht gegen die eigenen Buerger, die missbraucht und verfuehrt durch eine angeblich dauerhaft vorhandene Unsicherheit und Bedrohung sich veranlasst sehen, das vom eigenen Staat begangene Unrecht umzumuenzen "als ihr gutes Recht". Der Botschafter Dressler hat seine Aufgabe nicht darin gesehen, die Freunde aufmerksam zu machen auf das, was nach eigener deutscher Erfahrung als gefaehrlicher Irrweg angesehen werden muss. Er hat damit weder seinem Entsendestaat noch seinem Gastland, am wenigsten dem juedischen Volk, einen Dienst erwiesen. Besonders ihm und seinem Wohlergehen muessen sich Deutsche nach dem Geschehenen verpflichtet fuehlen, am besten bei uns in Deutschland, ohne Schaden fuer Andere.

Herzlichen Grruesse, verbunden mit guten Wuenschen fuer das Jahr 2005 und Ihre hoffentlich friedenstiftende Taetigkeit zum Wohle unserer beiden Voelker und zum Segen der Palaestinenser.

Guenter Schenk
Beinheim, Frankreich
(membre du "Collectif Judeo-arab et citoyen pour la Paix Strasbourg")

Offener Brief an Attac-Österreich

Email: Saturday, February 12, 2005 5:59 PM

Die nachfolgende Einladung zur Diskussion haben wir am 20. Oktober 2004 an den Vorstand von ATTAC geschickt. Da der ATTAC Vorstand nach anfänglich brieflicher Zusage auf mehrfache nachfolgende Kontaktvorschläge unsererseits leider nicht mehr reagiert hat, wählen wir nun die Form des offenen Briefes, um die Diskussion um dieses uns so wichtig erscheinende Thema weiterzuführen.
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"Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost" (Österreich)
An den Vorstand von ATTAC Österreich:
Peter Adelmann, Nonno Breuss, Evamaria Glatz, Karin Küblböck, Leonhard Plank, Judith Sauer, Cornelia Staritz, Alexandra Strickner, Sepp Wall-Strasser

Wien, 20.10.2004
EINLADUNG

ATTAC Österreich hat am 18.6. u. 19.6. 2004 in Wien einen Kongress unter dem Titel "Blinde Flecken der Globalisierungskritik" - "Gegen antisemitische Tendenzen u. rechtsextreme Vereinnahmung" veranstaltet u. plant zu dem Thema noch weitere Aktivitäten. Auch das Austrian Social Forum (mit sozialdemokratischen, grünen und katholischen Organisationen) hat zum gleichen Thema Veranstaltungen organisiert.
Das Ziel, so hieß es im Vorspann zum Kongress war, Vereinnahmungsversuchen der Globalisierungskritik durch rechtsextreme Gruppen vorzubeugen und sich gerade in Österreich offensiv mit den Gefahren auseinanderzusetzen." Es hieß weiters, es geht darum, sich mit den "eigenen antisemitischen Wurzeln selbstreflexiv zu beschäftigen."
Kein Globalisierungsgegner möchte hierzulande in den Verdacht geraten, antisemitischen Vorurteilen aufzusitzen. Angesichts Auschwitz und der aktiven Beteiligung oder Duldung des Holocaust durch die Vätergeneration ist das eine derart sensible Thematik für die nachfolgenden Generationen, das dies doch bei manchen zu Verunsicherung und u.U. auch Sorge und Angst führt, wieder in das Fahrwasser der Elterngeneration zu geraten. Hier wird die Solidarität der Menschen mit den Opfern des Holocausts angesprochen. Wenn das Thema jedoch nicht im gesamten politisch-historischen Kontext gesehen wird, besteht die Gefahr, dass der Antisemitismusvorwurf gerade von Gegnern der Bewegung dazu verwendet wird, klare Stellungnahmen zu verhindern, Kritik zum Schweigen zu bringen bzw. außer Kraft zu setzen. Das könnte gerade in einer Zeit, in der die Antiglobalisierungsbewegung und Attac als ein wichtiger Teil von ihr, deutlich ihre Stimme gegen die Folgen der Globalisierung und gegen das Primat der Wirtschaft über die Politik erheben, zu einer Ablenkung bzw. Schwächung der Bewegung führen. Das wollen wir sicher alle nicht.
Wir sind der Auffassung, dass uns nichts den Blick für das Unrecht verstellen darf, das die israelische Politik seit Jahrzehnten im Angesicht der Öffentlichkeit an dem palästinensischen Volk verübt und diese P o l i t i k wird von immer mehr Menschen auch in Europa abgelehnt.
Prof. Marc Ellis, ein amerikanisch-jüdischer Befreiungstheologe schrieb: "Juden müssen das Faktum anerkennen, dass durch israelische Staatsgründung die Palästinenser vertrieben wurden". "Die Tragödien der Shoa und des palästinensischen Exils sind verschieden nach Ort und Ausmaß. Was sie aber verbindet, ist ein Zyklus der Vertreibung." Ebenso sind wir der Überzeugung, dass es nicht möglich ist, heute über die Gefahren des Antisemitismus zu reden und von der 37-jährigen Besatzungs-, Siedlungs- und Annexionspolitik Israels gegenüber dem palästinensischen Volk zu abstrahieren. Das hieße diese Fragen aus dem historischen Kontext zu lösen. Auch die Verbindung zwischen den israelischen Machthabern und den USA, die Israel seit 1973 ca. 3 Milliarden US-Dollar jährlich allein an direkter Unterstützung bezahlt haben, kann nicht ignoriert werden. Allein 2003 erhielt Israel mindestens für 2 Milliarden US-Dollar offizielle direkte militärische Hilfe. Ohne die US-Finanzhilfe könnte Israel seine Besatzungspolitik nicht aufrechterhalten. Die Kooperation zwischen dem US-amerikanischen und dem israelischen Militärindustriekomplex boomt seit 1967. Mit 2 Milliarden Dollar unterstützt die USA z.B. derzeit die Entwicklung des israelischen Raketenabwehrsystems Arrow. Und laut der israelischen Zeitung Haaretz vom 21.9.2004 verkaufen die USA Israel gerade 5000 Präzisionsbomben. "Das US-Verteidigungsministerium habe dem Vertrag zugestimmt, damit Israel den militärischen Qualitätsvorsprung vor seinen Nachbarländern aufrechterhalten und die strategischen und taktischen Interessen der USA bedienen könne." Israel werde sich dabei aus dem Topf von 1,8 Milliarden Dollar bedienen, den die USA dem Land jährlich bereitstellt. (Die Bomben können, und das ist kein Geheimnis, bei einem möglichen Angriff Israels auf iranische Atomanlagen verwendet werden.) Die Politik der israelischen Regierung ist im übrigen auch nicht im sozialen und ökonomischen Interesse der Mehrheit der israelisch-jüdischen Bevölkerung. Im Schatten des Krieges und der Besatzung wird bei den Menschen gespart. Heute leben z.B. schon 450 000 Familien in Israel unter dem Existenzminimum, Beamte bekommen z.T. Monate keinen Lohn. Und allein 70 Millionen Dollar schuldet der Staat seinen Rabbinern an Löhnen etc.
Es gab und gibt Antisemitismus und doch dient der Antisemitismusvorwurf oft als Ablenkung!
Prof. W. Marx von der Uni Bern z.B. meinte bei einem Vortrag der CJA Bern.(Christlich-Jüdische Arbeitsgemeinschaft Bern) dazu. (Mai 2004): "Es gibt Antisemitismus in Europa aber er ist lange nicht so bedeutend wie oft dargestellt. Es sei ein Teil einer Abwehrstrategie, Kritik an der Sicherheitspolitik Israels sofort als antisemitisch zu bezeichnen. Marx bestritt in keiner Weise das legitime Recht des Staates Israels auf eine wirksame Sicherheitspolitik doch die Verbindung mit dem Antisemitismus sei das Problem. Marx zeigte, dass die fassbare Zahl der antisemitischen Übergriffe in Europa verhältnismäßig klein sein, aber durch gezielte Darstellung der Statistiken könne man den Eindruck einer grossen Gefahr erzielen. So warnte Marx z.B. davor, von jährlich etwa 200 antisemitischen Vorfällen in Frankreich darauf zu schliessen, dass alle 56 Millionen Franzosen antisemitisch seien. Der Antisemitismusvorwurf diene oft als Ablenkung vor dem zentralen Punkt, der Militärpolitik des Staates Israel." Der israelische Historiker R. Moskowitz: "Das Wesen der israelischen Politik seit der Staatsgründung ist eine Fusion zwischen Holocaust und aggressivem, expansionistischen Militarismus" und die in einem Kibbuz geborene u. zionistisch-sozialistisch erzogene Autorin I. Zertal aus ihrem neuen Buch: "Mit Hilfe von Auschwitz - Israels ultimativer Trumpfkarte bei seinen Beziehungen zu einer Welt, die immer wieder aufs neue als antisemitisch und auf ewig feindselig definiert wurde, immunisiert sich Israel selbst gegen jedwede Kritik."
Auf dem Kongress wurde nicht nur von der Gefahr des Antisemitismus sondern auch vor dem "Antiamerikanismus" gewarnt. Doch sehen wir uns z.B. nur die "neuen nationale Sicherheitsdoktrin" der einzigen Supermacht USA an (20.9.2002): Danach setzen sich die USA offen über jedes Völkerrecht und die UNO- Charta, die jeden Angriffskrieg verbieten., hinweg und geben sich das Recht, zum präventivem Erstschlag und zwar gegen wen immer sie als "Terroristen oder Schurkenstaaten" bezeichnen, sei es gegen den Irak (das ist ja erledigt), sei es gegen den Iran, Nordkorea und Syrien. Wir finden, dass diese Ausrichtung der US-Politik eine Gefahr für den Weltfrieden darstellt. Wenn in der angesehenen amerikanischen Monatszeitschrift Atlantic Monthly (2002) u.a. über die Pläne zur "Zivilisierung des Mittleren Ostens" steht: "Zuerst müssen wir den Irak zu unserer militärischen Ausgangsbasis für die Neuordnung der arabischen Welt machen." Nach der Besetzung des Iraks (mittlerweile erfolgt ), sollen u.a. die arabischen Ölstaaten unter den "Schutz" der USA gestellt werden." "Auf diese Weise landet die größte Energiequelle der Welt endlich im Hafen jener Macht, die 40% der gesamten Erdölproduktion verbraucht, den USA". "Eine Investition, die sich lohnt," schreibt der Autor. Der frühere CIA-Chef J. Woolsey sagte zum Irak Krieg offen: Dieser Krieg sei nötig, "damit die neue irakische Regierung mit den US - Ölgesellschaften und der US- Regierung zusammenarbeite". Angesichts all dieser Fakten ist es kein Antiamerikanismus, sondern gesunder Menschenverstand, wenn immer mehr Menschen auch in Europa diese Politik der US-Regierung als Bedrohung für den Frieden erachten und ablehnen. Und die israelische Regierung war und ist der treueste Verbündete dieser Macht.

Wir schlagen euch ein Treffen vor, um über alle uns gemeinsam wichtigen Fragen zu diskutieren, um unser Selbstverständnis weiter zu entwickeln und Wege zu finden, zur Lösung all dieser Probleme beizutragen.
Zu diesem Zweck laden wir euch, Vorstandsmitglieder von ATTAC sowie interessierte Aktivistinnen und Aktivisten zu einem Diskussionstreffen ein.

Eurer Antwort mit Interesse entgegensehend

"Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost (Österreich)"
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Ergänzende Bemerkungen vom 8.Februar 2005

Das Thema "Antisemitismusvorwurf" und "Antiamerikanismusvorwurf" gegenüber Globalisierungskritikern bzw. Kriegsgegnern erscheint uns in der heutigen Weltlage hochaktuell und betrifft viele Menschen bzw. Bewegungen in ganz Europa. Es wird mehr und mehr zu einem propagandistischen Dauerbrenner, der unserer Meinung nach zum Ziel hat, den Widerstand gegen die aggressiven US-Weltherrschaftspläne zu schwächen, zu bremsen, aufzuspalten. Diese Vorwürfe dienen Israels Politik sowie den Interessen der US-Politik. Wir haben im oben stehenden Einladungsbrief an ATTAC die "neue nationale Sicherheitsdoktrin" der USA erwähnt, die die Weltherrschaftspläne der einzigen Supermacht legitimieren soll.
Dazu noch einige Bemerkungen bzw. Fakten zur Untermauerung: Nach dieser Doktrin, die Völkerecht und UNO-Charta in eklatanter Weise verletzt, erkennt die USA die staatliche Unabhängigkeit anderer Staaten nicht mehr an. Die US-Regierung definiert nach ihren Interessen, wer gut und wer böse ist. Das kann wechseln wie sich im Irak zeigte. Die türkischen Militärs erhalten ebenso Waffen und Milliardenkredite für ihren Einsatz gegen die Kurden, wie Sharon, der in den Palästinensergebieten wütet. Und Putin z.B., der in Tschetschenien die Zivilbevölkerung massakrierte, bekam von Bush Schuldenerlass. Sie alle gehören zu den "Guten", zumindest derzeit, ebenso wie Ägypten, Saudi-Arabien oder Pakistan, Länder, die selbst laut Presse (22.01.2005) zu den größten Unterdrückern der Menschenrechte gehören. Hingegen sind z.B. Burma, Iran, Weißrussland, Nordkorea laut Bush Vorposten der Tyrannei, sie gehören zu den Bösen!
Der Irakkrieg hat 2003 6 Millionen Menschen weltweit gegen die USA auf die Straße gebracht. In Europa waren über 80% aller Menschen gegen den US Überfall. Wenige glauben noch den Behauptungen, dass die USA hier für Freiheit und gegen Terror kämpfen.
Auch Radio Vatikan sagte, dass dieser Krieg nicht im Namen der westlichen Werte und vor allem nicht im Namen Gottes geführt wird. Spätestens seit damals ist die Außenpolitik der Regierung von G. Bush nicht mehr glaubwürdig. Die Bush-Regierung hat die jährlichen Militärausgaben von ca. 310 Milliarden US-Dollar pro Jahr auf über 420 Milliarden US-Dollar pro Jahr erhöht. Zu den Haupt-Nutznießern der Kriegspolitik gehören vor allem die Konzerne des militärisch-industriellen Komplexes wie z.B der US-Konzern Halliburton.
Im Jahre 2003 stiegen dessen Lieferverträge von 900 Millionen Dollar auf 3,9 Milliarden Dollar, ein Anstieg von 700%. Und das war nur der Anfang. Für den Wiederaufbau des Iraks laufen weitere Verträge über 8 Milliarden Dollar. Übrigens war der jetzige US-Vizepräsident Dick Cheney von 1995-2000 Präsident des Halliburton Konzerns!
Doch im Vergleich zu den "großen Drei" US-Militärlieferanten sind das noch die kleineren Aufträge. Lockheed Martin (21 Milliarden Dollar), Boeing (17Milliarden) und Northrop Grumann (16 Milliarden Dollar ) teilen sich im Jahre 2003 Verträge in der Höhe von 50 Milliarden Dollar. Der militärisch-industrielle Komplex bestimmt zu einem guten Teil die US-Außenpolitik, seine Profite sind enorm.
Dazu Bruce K. Gagnon: "Das Militär der USA verwandelt sich zunehmend in einen globalen Öl-Schutzdienst".(02.03.2005) Der Autor weiter: "Kriegsminister Rumsfeld bringt seinen hochrangigen Militärs die neuen Richtlinien der US- Kriegsführung bei. Diese hat T. Barnett in seinem neuen Buch "The Pentagon's New Map" beschrieben. Das Militär müsse dahingehend umgewandelt werden, dass die USA die globale Verteidigung der Ressourcen der Menschen, der Energie und des Geldes "regulieren" können. Die USA brauchen nur mehr zwei Grundstrukturen des Militärs: Erstens die schnellen Eingreiftruppen und zweitens die Militärmacht, die in den Ländern bleibt, der "proconsul" des Weltreichs wie das der Autor nennt, eine Polizeimacht zur Kontrolle der lokalen Bevölkerung. Diese Gruppe "wird nie mehr nach Hause zurückkehren." Das Wall Street Journal schreibt dazu als Beispiel: "dass für die US-Streitkräfte eine Schlüsselaufgabe sein werde, dass Nigerias Ölfelder, die in der Zukunft ca. 25% aller US-Ölimporte ausmachen werden, sicher sind." Also wieder ein neues Aufmarschgebiet für die US-Militärs.
Die herrschende US-Außenpolitik ist für Rohstoffquellen, Einflusssphären, Absatzmärkte bereit, gegen jedes Land das ihren Interessen entgegensteht, militärisch vorzugehen, Kriege überall auf der Welt zu entfesseln. Das ist eine Bedrohung für den Frieden, ja bringt sogar die Gefahr eines Weltkrieges mit sich. Das sprechen heute schon viele Menschen auch in Europa aus. Das zu benennen, ist kein Antiamerikanismus, sondern notwendig um dieser Gefahr zu begegnen.
Israels Machthaber sind die treuesten Verbündeten der USA in Nahost! "Die amerikanische Führung wird derzeit aus gefährlichen Rechtsextremisten gebildet, die Israel als offensives Werkzeug verwenden, um das gesamte Gebiete des Mittleren Ostens zu destabilisieren." (Prof. Alain Joxe, Chef des französischen Zentrums für Frieden und Strategische Studien, Le Monde 17.12.2001!)
Israel hat als Staat mit 5,5 Millionen Einwohnern ein Heer von 500.000 Soldaten, davon 175.000 ständig aktive. Israel ist nach westlichen Quellen die viertstärkste Militärmacht der Welt. Mit einem Anteil von 10% der gesamten weltweiten Waffenexporte ist Israel laut der renommierten Zeitschrift "Janes Defense Weekly" heute der drittgrößte Waffenexporteur der Welt! Nur 1/3 der israelischen Waffenproduktion dient dem Bedarf der eigenen Streitkräfte, 2/3 gehen in den Export! 25% des gesamten israelischen Exports sind Waffen und militärische Ausrüstungsgüter. Das größte israelische Unternehmen ist Israel Aircraft Industries mit einem Umsatz von 2 Milliarden Dollar jährlich.
I. Sharak, verstorbener Prof. an der Hebrew Universität Jerusalem: "Nicht der Wunsch nach Frieden, wie so häufig angenommen, ist meines Erachtens Prinzip der israelischen Politik sondern der Wunsch, die Herrschaft und den Einfluss Israels auszudehnen..."
Israel hat ABC-Waffen, allein ca. 500 Kernwaffen, und ist damit auf dem 5.Platz der Atommächte, vor Großbritannien. Ben Kaspit, ein einflussreicher konservativer israelischer Journalist der zweitgrößten Tageszeitung Maariv, hat über das Thema Armee und Zivilgesellschaft recherchiert. Er schrieb: "Israel ist kein Staat mit einer Armee sondern eine Armee mit einem ihr angegliederten Staat." (13.09.2002)
Israels Außenpolitik im Nahen Osten geschieht direkt im Interesse und in Abstimmung mit den US-Machthabern. Israelische Militärs haben schon lange vor dem US-Krieg gegen den Irak die Kurden militärisch ausgebildet. "Israel bekommt durch das Bündnis mit den Kurden Augen und Ohren im Iran, im Irak und in Syrien." (Ein ehemaliger israelischer Geheimdienstvertreter). Israels Kampfflugzeuge dürfen seit 1997 im türkischen Luftraum entlang der syrischen und iranischen Grenze patroullieren und spionieren so den Iran für die USA aus. Und kurz nachdem ein US-Journalist im Jänner die US-Kriegspläne gegen den Iran enthüllt hatte und Präsident Bush diese nicht wirklich dementierte, sagte US- Vizeminister Dick Cheney: "Der Iran stehe ganz oben auf der Liste potentieller Krisenherde". Die USA wünsche zwar keinen Krieg, es sei aber möglich, dass Israel wegen der "speziellen Politik" des Irans zu einem Schlag gegen dessen Atomanlagen ausholen könne.
Das klingt nicht nur nach Ermunterung sondern nach Auftrag zum nächsten Krieg. Israels Machthaber dienen als Kettenhunde der USA- Politik zur Herrschaft über die wichtigsten Rohstoffquellen der Welt.
Die Politik der USA, für ihre Macht, für Erdöl und Erdgas, jedwedes ihr unliebsames Regime wegzubomben, wird nicht nur in der Dritten Welt sondern auch in Europa als Bedrohung gesehen. Dass die US-Regierung so nicht "Menschenrechte" und "Demokratie" verbreitet, steht heute schon bald jede Woche in Europas Zeitungen geschrieben. Die Bush-Regierung hat ein massives Glaubwürdigkeitsproblem.
Auch Israels Herrschende haben seit letztem Jahr nach außen größeren Rechtfertigungsdruck. Denn ihre Siedlungspolitik samt Mauerbau machte ihre Annexionspläne so offensichtlich, dass Sharon auch aussprach, dass er 50% des Westjordanlandes annektieren werde. Von Bush bekam er auch prompt den Sanktus dazu (Sommer 2004). Die noch aggressivere Vertreibungspolitik gegenüber den Palästinensern in den letzten Jahren hat dem Ansehen Israels geschadet und es vor allem auch in Europa, dem größten Handelspartner Israels, unglaubwürdiger erscheinen lassen. Ethnische Säuberung lassen sich doch nicht verbergen und stoßen auf immer mehr Ablehnung.
Deswegen intensiviert die israelische Politik ihren Propagandafeldzug auch in Europa und scheut dabei auch keine Mittel. Und eines der noch am ehesten wirksamen Mittel Kritik, mundtot zu machen, ist der Antisemitismus Vorwurf gegenüber den Kritikern von Israels Besatzungs- bzw. Annexionspolitik! Bald wöchentlich erscheinen Artikel von Publizisten, Journalisten und finden Veranstaltungen zu dem Thema statt. Auch die Bücher mehren sich, die vor dem Antisemitismus von links warnen bzw. vor dem Antiamerikanismus. So wichtig wir alle ernst gemeinten Warnungen vor antisemitischen Haltungen und das Auftreten dagegen finden, so wichtig wir z.B. die Arbeit des "Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes" in Bezug auf die Nazivergangenheit Österreichs finden, was bewegt wohl seine neue Leiterin davon zu sprechen, dass nun eine "neue größere Bedrohung des Antisemitismus von den Globalisierungskritikern droht, von denen die vorgeben, Kritik an der israelischen Politik gegenüber den Palästinensern zu leisten"? Wem nutzen solche Äußerungen wenn nicht den Rechten, den Antisemiten!
Sollten sich Rechte linker Terminologie bedienen, dann sollten wir sie mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln entlarven. Doch der beste Beitrag gegen versteckten oder offenen Antisemitismus ist das klare, ehrliche Benennen der Taten die die israelische Politik setzt. Das nimmt falschen Kritikern den Wind aus den Segeln, d.h. es stopft den Antisemiten den Mund! Die Kritik zu verhindern, Kritiker mundtot zu machen, das nützt den Antisemiten!
Das Andenken und die Ehrung der 6 Millionen Juden, die im Holocaust umkamen, darf niemals für die Rechtfertigung einer Gewaltpolitik, für Unterdrückung und für neue Kriege missbraucht werden.
Dagegen müssen wir uns verwahren!

Wir hoffen weiterhin mit ATTAC und auch anderen Gruppen zu diesem Thema ins Gespräch zu kommen. Wir laden weiterhin zu einer Diskussionsveranstaltung zu diesem Thema ein!

Für die "Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost"
Peter Friedmann



Offener Brief von Anton-Günther Janßen an die Herausgeber von "Das Parlament" und "Aus Politik und Zeitgeschichte" zur Ausgabe vom 11. April 2005

Cottbus, 01.05.2005

Sehr geehrte Damen und Herren,

als langjähriger Abonnent von "Das Parlament" und seiner Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte" möchte ich Ihnen hiermit mein Entsetzen über Geist und Inhalt Ihrer Themenausgabe zu "40 Jahre diplomatische Beziehungen zu Israel" kundtun.

Ich bin noch in Besitz der mittlerweile etwas vergilbten Ausgabe von "Das Parlament" zum zwanzigjährigen Bestehen des Staates Israel (Untertitel: " Auf dem Boden der Väter") vom 10. Januar 1968 und muss feststellen, dass sich an der damals verbreiteten Israelbegeisterung seither bei Ihren verantwortlichen Redakteuren bis auf eine einzige Ausnahme wenig geändert hat: allein die Rezension von Ludwig Watzal zu Daniel Cil Brechers "Gefangen in Zion" auf der vorletzten Seite der Ausgabe verweist auf die besonders seit dem Libanon-Krieg 1982 stärker werdende internationale Kritik an der Politik des Staates Israel.

So wie auf der Titelseite der Ausgabe von 1968 der erste Botschafter Israels Asher Ben Nathan zu Wort kommt (Schlagzeile: "Viertausendjähriges Ringen um Freiheit und Recht"), schreibt an gleicher Stelle der ehemalige Botschafter Israels Avi Primor 37 Jahre später ("Ein Abgrund wurde überwunden"). Dass politisch Aktive an dieser Stelle in "Das Parlament" veröffentlichen, ist meines Wissens eher die Ausnahme. Auf jeden Fall trifft dies wohl auf die Veröffentlichung eines Essays des deutschen Botschafters in Israel Rudolf Dreßler in der sonst wissenschaftlichen Essays vorbehaltenen Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte" zu. Entscheidend ist jedoch vielmehr die damit verbundene politische Intention, die staatstragende Besonderheit der deutsch-israelischen Beziehungen herauszukehren. So lautet denn entsprechend auch der Titel des Essays von Rudolf Dreßler "Gesicherte Existenz Israels - Teil der deutschen Staatsräson".

Rudolf Dreßler wirbt um Verständnis für Israel und sein Sicherheitsbedürfnis, indem er den Leser fragt, was wohl in Deutschland geschehen würde, gäbe es hier Erfurter Amokläufe in der Häufigkeit palästinensischer Selbstmordattentate in Israel. Es ist sicherlich die Pflicht eines deutschen Botschafters für sein Gastland "zuhause" zu werben, ein bestimmtes Maß kritischer Rationalität, meine ich, sollte er sich doch bewahren…

Der deutsche Botschafter spricht im folgenden von der überall in Israel gegenwärtigen Geschichte, meint damit aber nicht die überall mühsam kaschierten, bei näherem Hinsehen aber doch erkennbaren Spuren des verschwundenen Palästinas, sondern stellt vielmehr die "zentrale deutsche Frage" nach der Durchsetzung der "…verbrecherischen Zwangsvorstellung Hitlers, sein Antisemitismus, der zum Völkermord antrieb…". Das Spezifikum des Staates Israel, nämlich die gewaltsame Implantierung ihres fremden Staatswesens in ein von einem anderen Volk bewohnten Gebiet, also die sich über ein Jahrhundert vollziehende Judaisierung des arabischen Palästinas, in deren Verlauf ein Volk zu Flüchtlingen, Bürger minderer Klasse oder Besetzten gemacht wurde, diese Geschichte kommt in Rudolf Dreßlers mit "Auf Schritt und Tritt Geschichte" überschriebenen Absatz nicht vor. Dafür aber wieder die "Auseinandersetzung der Deutschen mit ihrer jüngsten Vergangenheit"…Die Verknüpfung von Holocaust und zionistischem Anspruch auf Palästina wird überhaupt nicht problematisiert, ja es scheint überhaupt kein Bewusstsein für diese Frage zu bestehen. Aus dem Arsenal altbekannter israelischer Propaganda scheint sich die an der Bar - Ilan - Universität in Ramat Gan lehrende Politikwissenschaftlerin Barbara Timm zu bedienen, indem sie den Vorwurf an die palästinensische Adresse wiederholt, die historische Chance, ihr Selbstbestimmungsrecht zu verwirklichen 1948 "letztlich vergeben" zu haben.

In typisch zynischer Manier kolonialer Geschichtsklitterung werden die Opfer selbst für ihr Schicksal verantwortlich gemacht…1947/48 waren aber eben die Kräfte, die in der UNO für die Abhaltung eines Referendums im britischen Mandatsgebiet eintraten, zu schwach: das angesichts der demographischen Mehrheitsverhältnisse zu erwartende Ergebnis hätte den zionistischen Aspirationen klar widersprochen…Der von den USA und von der Mehrheit der Zionisten favorisierte UNO - Teilungsbeschluss vom November 1947 hatte letztlich nur noch die Funktion, der zionistischen "Politik der vollendeten Tatsachen" sowie der einseitigen Unabhängigkeitserklärung des Staates Israel den Schein völkerrechtlicher Legitimität zu verleihen.

All dies, könnte man meinen, ist "Schnee von gestern". Dem wäre eigentlich zuzustimmen, hat sich doch die übergroße Mehrheit von Palästinensern und Araber insgesamt angesichts der realen Gewaltverhältnisse vor Ort mit der Existenz Israels längst abgefunden und die Normalisierung der Beziehungen angeboten …wenn nicht, ja wenn nicht die israelische Kolonialwalze bis heute unbeirrt weiterrollen würde, um auch noch die letzten übrig geblieben Reste Palästinas zu judaisieren.

Es ist wohl leider eine spezifisch deutsche Verblendung, die diese Ausgabe von "Das Parlament" und seiner Beilage "Zur Politik und Zeitgeschichte" durchzieht und zum Skandal macht: wenn die politische Klasse der Bundesrepublik weiterhin die von den Zionisten bis 1948 und danach von Israel gegenüber den "Eingeborenen des Landes" betriebene Kolonialpolitik völlig ausblendet, ja leugnet, macht sie sich zum Komplizen dieser Politik. Das Bekenntnis unseres Außenministers zur "Verwirklichung der Vision zweier Staaten, die Seite an Seite friedlich und in anerkannten Grenzen existieren" (Seite 3) wirkt auf dem Hintergrund des gesamten Tenors dieser Ausgabe von "Das Parlament" wie ein pures Lippenbekenntnis…Eine deutsche und europäische Nahostpolitik, die wirklich den friedlichen Ausgleich zwischen Israel und den Palästinensern befördern will, sollte von Israel eine Abkehr von ihrem zionistischen Irrglauben und ihren Mythen einfordern und selbst internationales Recht als wesentliche Norm ihres eigenen politischen Handelns beachten.

Die aktuelle Politik will die "gesicherte Existenz Israels" ( Rudolf Dreßler) auf Kosten der Palästinenser. Diese Politik darf nicht "Teil der deutschen Staatsräson" (Rudolf Dreßler) sein!

Mit freundlichen Grüßen,

Anton-Günther Janßen
03046 Cottbus
Mitglied der Deutsch - Palästinensischen Gesellschaft, Berlin

Pressemitteilung 29.06.2005, http://caravane.palestine.free.fr (mit der Bitte um Veröffentlichung): Am Vormittag des 5. Juli startet am Europa-Parlament in Straßburg die (Auto-) Karawane für Palästina - Karawane des Rechts. Abgeordnete des Europa-Parlamentes werden die Karawane verabschieden. Sie wird zunächst Genf, den Sitz der Vereinten Nationen erreichen, um über Norditalien, die Balkanländer, die Türkei und Jordanien über die Allenby-Brücke schließlich nach Jerusalem zu fahren. Teilnehmer aus zahlreichen europäischen Ländern, aus Nordamerika und Australien werden, indem sie mit der Bevölkerung in den durchreisten Ländern zusammenkommen, für die strikte Einhaltung des Internationalen Rechtes (die Auflösung aller Siedlungen auf besetztem Gebiet Palästinas, das Niederreißen der Apartheid-Mauer etc..), den Respekt des Rechtes auf körperliche Unversehrtheit, Bewegungsfreiheit sowie die Unterstützung des palästinensischen Volkes in seinem gerechten Kampf für einen freien und unabhängigen, lebensfähigen Staat in den Grenzen von 1967 einfordern. In Syrien und Jordanien wird die Karawane mit der Bevölkerung und den palästinensischen Flüchtlingen zusammentreffen. Die Karawane für Palästina - Karawane des Rechts richtet sich gegen Niemanden, gegen keinen Staat, sie ist eine Vereinigung freier Bürger die sich zusammengefunden haben aus Verantwortung für die strikte Einhaltung von Menschen- und Völkerrecht, die Befolgung der Resolutionen der Vereinten Nationen und des Beschlusses des Internationalen Haager Gerichtshofes. Nach der 2 Wochen dauernden Reise der Autokarawane in den Nahen Osten wird sich die Karawane 1 Woche in Jerusalem aufhalten, um gemeinsam mit zahlreichen israelischen Freunden der palästinensischen Bevölkerung ihre Solidarität auszudrücken, eine Solidarität gewachsen in ganz Europa nach Jahrzehnten vergangenen Horrors - als Solidarität mit den Entrechteten, Verletzten, Verfolgten, Gedemütigten. Günter Schenk, Caravanier, Beinheim, Frankreich

Presseerklärung der Islamischen Gemeinde Nürnberg e. V. zu den Londoner Anschlägen, 10.07.05

Als Islamische Gemeinde Nürnberg haben wir mit Erschrecken die Nachricht des Terroranschlags in London vernommen. Wir trauern mit den Hinterbliebenen und unser tiefes Mitgefühl gilt den Opfern und Verletzten.

Als Muslime sind wir einmal mehr schockiert von der Brutalität und Grausamkeit, mit der Menschen diese Taten begehen und dabei den Tod vieler unschuldiger Zivilisten in Kauf nehmen. Diese Täter können sich dabei nicht auf den Islam berufen. An alle, die auch nur im Entferntesten mit dieser Entartung einer für politische Zwecke missbrauchten Religion sympathisieren, sei gesagt, dass wir diesen Irrweg von Gewalt und Terrorismus nicht mitgehen. Sie können weder mit unserer Unterstützung noch mit der von Millionen von friedliebenden Muslimen in Europa rechnen. Terror und Selbstmordattentate haben keine Grundlage in der Offenbarung des Qu'ran und sind durch nichts zu rechtfertigen.

Den kommunalen und staatlichen Behörden bieten wir unsere Zusammenarbeit an, um gegen solche Verbrecher vorzugehen, die unsere Religion in den Schmutz ziehen. Wir sehen uns als einen Partner mit unseren Bemühungen innerhalb der islamischen Gemeinde den friedlichen und toleranten Charakter des Islam zu lehren und ggf. aufkeimenden Tendenzen von Gewaltbereitschaft und Radikalismus entgegenzuwirken. Es ist Zeit für die Öffentlichkeit zu erkennen, dass wir nur dann eine Chance haben, gegen diese wenigen aber deshalb nicht weniger gefährlichen Einzeltäter vorzugehen, wenn wir unsere Kräfte und Möglichkeiten bündeln und dies in gemeinsamer Anstrengung tun. Anstatt den Muslimen den Makel der "Gefährder für die deutsche Demokratie" anzuheften, sollte man sie als Partner mit ins Boot nehmen.

Gemeinsam mit unseren Mitbürger(n)/innen in Nürnberg wollen wir für unsere Kinder eine Zukunft schaffen, in der alle Menschen gleich welcher Religion, Herkunft, Alter oder Geschlecht auf gegenseitigen Respekt und Gerechtigkeit zählen können. Aus unserer Erfahrung in der Dialogarbeit der letzten Jahre wissen wir, dass die Menschen hier sehr wohl unterscheiden können zwischen Kriminellen, die die Religion des Islam für ihre Zwecke missbrauchen und den Muslimen, die ihre Religion friedlich praktizieren.

Lassen wir nicht Angst und Hass zwischen uns säen, sonst hätten die Terroristen ihr Ziel erreicht. Lasst uns enger zusammenrücken, damit wir uns gegenseitig unterstützen um weiteres Blutvergießen zu verhindern.

Ute Aouichi, 1. Vorsitzende der IGN
Elisabeth Mouzaoui, 1. stellvertretende Vorsitzende der IGN
Islamische Gemeinde Nürnberg e. V., Hessestr. 12 - 14 , 90443 Nürnberg

Kommentar zu: "Ohne Wenn und Aber für Israel?" von Prof. Dr. Kenneth Lewan: "Fischers einseitige Nahost-Politik" (in: "Aula", Graz, 08/2005)

In seiner Analyse des Verhaltens des deutschen Außenministers gegenüber dem Staat Israel resümiert Prof. Lewan: "Fischers Israel-Schwärmerei übertrifft bei weitem die Stellungnahmen der bisherigen deutschen Außenminister, aber keine Partei im Bundestag hat ihn zurechtgewiesen. Deutschland ist nach den USA an zweiter Stelle unter den Staaten, die Israel mit Waffen, Geld und diplomatischer Rückendeckung unterstützen. Die führenden Kreise in Politik und Medien in Deutschland geben nie zu, dass dies zu den Ursachen der erbärmlichen Lage der Palästinenser geführt hat."

Es gibt Tausende von Networkern in Deutschland, die seit langem mit diesen Tatsachen vertraut sind. Welche Konsequenzen aber soll man daraus ziehen? Man kann Briefe an Herrn Fischer und seine Umgebung schreiben und ihn fragen, ob er seine Politik nicht doch lieber auf der Basis des geschriebenen Rechts vertreten möchte. Man kann Briefe an die Medien schreiben und Dinge zurechtrücken. Fehlende Informationen ergänzen über die mehr als fünf Millionen palästinensischen Flüchtlinge, über die Land stehlende Mauer, über Segregationspolitik und über Extremismus. Man kann durch satirische Mittel die Kernpunkte der Situation freilegen. Sich für Verständigung einsetzen und Gespräche führen. All dies geschieht regelmäßig, es hat aber nichts Wesentliches verbessert. Im Gegenteil, Beobachter bemerken eine Verschlechterung der Lage. Daran ändert auch der Gaza-Abzug nichts.

Wenn die Argumentation auf der Basis des verbrieften Rechts nicht zur Herstellung selbigen Rechts führen kann, dann hat das demokratische System, hat die Demokratie versagt. Das von Kenneth Lewan beschriebene Problem zeigt also weit mehr als die mangelnde Integrität des amtierenden deutschen Außenministers. "Keine Partei im Bundestag hat ihn zurechtgewiesen", schreibt der Jurist, es liegt also ein strukturelles Problem zu Grunde. Wenn die UNO in dieser Weise untergraben wird, ist das schlimm genug. Doch es wird nicht nur die UNO untergraben, sondern es werden Muster gezeigt, nach denen generell juristisch-demokratische Mittel abgewertet werden können (und werden).

Zu den Hauptargumenten Fischers gehört der schwammige Verweis auf das Existenzrecht Israels, welches de facto allerdings nicht gefährdet ist. Zur Sicherung der Existenz Israels sei seine "Dominanz" unverzichtbar. Strukturell ist es ein Joker-Argument, welches nichts anderes besagt, als dass das Wohlgefühl (also die Willkür) einer hierarchischen In-Group zum Maßstab politischen Handelns erhoben wird. Dass dieses Argument funktioniert, bedeutet, dass diese Struktur in unserer Gesellschaft verankert ist. In die gleiche Richtung weist, dass Herr Fischer die besetzten Gebiete anders als das internationale Recht und die EU als "umstrittene Gebiete" ansieht und mit dieser Haltung diverse Ehrungen erfährt.

Da es keine Partei im deutschen Bundestag gibt, die des Außenministers offizielle anti-demokratische Haltung ablehnt, können verantwortungsbewusste Bürgerinnen und Bürger keine Partei wählen, ohne sich mitschuldig zu machen. Man kann Parteien beitreten, um guten Willen zu zeigen, aber wählen kann man sie derzeit alle nicht. Die Frage, welches Verhalten in derartigen Krisensituationen richtig ist, ist sehr schwer zu beantworten. Gewiss ist es notwendig, die strukturelle Dimension begreifbar zu machen. In der sogenannten Terrorismusbekämpfung ist diese Struktur bereits zur Routine geworden. Aber auch, wenn Firmen aufgrund der wirtschaftlichen Lage ihre Existenz in Gefahr sehen, können sie argumentieren wie Herr Fischer und rechtswidrige Maßnahmen rechtfertigen. Es betrifft jede Art von In-Group und führt zur Schaffung und Festigung von obrigkeitsstaatlichen Willkür-Handlungen, was wiederum zu neuen Konflikten und zu Verzweiflung führt.

Wenn das Argument und das Recht versagen, werden sowohl von oben als auch von unten gewaltsame Handlungen wahrscheinlicher, die als Scheinlösungen fungieren. Wer kann da zur Tagesordnung übergehen? Jeder Demokrat möchte der jetzigen Situation aktiv entgegentreten.

Open letter to IPCRI in Jerusalem, June 15, 2005
Dear Sirs from IPCRI, I just read the paper "Israel/Palestine Center for Research and Information (IPCRI - SAU) STRATEGIC AFFAIRS UNIT POLICY PAPER. The New Palestinian Challenge - Effective Governance - Toward the Creation of a New and Independent Palestinian Strategy. June 14, 2005" at www.ipcri.org/files/gazafirst.html (self-description: "IPCRI, founded in Jerusalem in 1988, is the only joint Israeli-Palestinian public policy think-tank in the world. It is devoted to developing practical solutions for the Israeli-Palestinian conflict.")

The paper may be helpful, yet does not seem to be very helpful in the peace issue, for the basic line is that Israel will not change, therefore Palestine must change. About Israel there is the sentence: "It seems evident that the Government of Israel is not going to make any significant efforts to coordinate the disengagement (...)" You do not question that. You do not oppose that. You simply take it as a reality. About the Palestinians you write: "The entire world will be looking to see if the Palestinians can effectively control Gaza. The world will also be waiting to see if the Palestinians are ready for Statehood (...)." This will doubtlessly sound arrogant to many readers, plus people will ask why you focus on this aspect. Sentences like: "We believe that it is in the Palestinians' interest...", "President Abbas must have the political will...", or: "It (the PA) cannot allow itself to fail because failure will mean chaos and a loss of control." clearly show the attempt to work only on the weak part and to persuade the Palestinians to forget about UN resolutions, human rights and the Geneva Conventions. Is this your proposal?

In the paper, there is a fear of another Intifada ("Such an outbreak would be harmful to both sides, and it is clear that the Palestinians would suffer greatly."), but no such utterances concerning the IDF or Israeli government are made. The great majority of the Palestinians, including the 5.3 million refugees, will be offended by this paper as it takes the present reality (permanent breach of UN resolutions and human rights) as God-given without questioning or opposing it. IPCRIS sound advice to the Palestinians includes two interesting items: 1. "Rejection and prevention of violence." Many readers will identify this as stifling legal resistance. I am nonviolent myself, but I don't need IPCRI to tell me what to do. Besides, even violent resistance is legal, and avoiding this issue indicates the involvement of a certain policy. 2. "Developing and strengthening the cooperation with the US Administration". The US Administration gives several billion USDs for military and other aid to Israel. They give the IDF the weapons that are regularly used to keep up the situation. It is simply not logical to claim that the US Administration supports peace.

The whole paper could have been written by the Israeli government, whether this was your intention or not. I am disappointed, because I had set some hopes in IPCRI. Salam, Anis

Mazin Qumsiyeh (USA) writes on June 15: I concur with Anis here. I add that change is coming despite all the defeatist attitudes of those who think that because Israel is strong militarily and is supported by the US superpower today, that this is a permanant fixture (and thus Palestinians must accept a mini-state or a permanant state of apartheid). The reality is that the Palestinian struggle will continue and that the ruling of the International Court of Justice is now leading to increased boycotts and divestment campaigns. Like in South Africa, this will lead to changes.
See my articles on the subject at hand for more details. Examples:
www.qumsiyeh.org/divestmentboycottsamoralnecessity
www.qumsiyeh.org/optimismandthegoodstruggle
www.qumsiyeh.org/isisraelunique
As for what the PA should do, see
www.qumsiyeh.org/thinkingoutsidethebox
Mazin

Kommentar von Günter Schenk zum Mallat-Interview, 20.12.05

Lieber Anis,

ich bin weit davon entfernt, mich in die Entwicklung und in die Politik im Libanon einzumischen, meine Hand in diese "Fournaise", diesen "Ameisenhaufen" zu halten, traue ich mir wirklich nicht zu. Wie Du sicher weißt, gilt meine Sorge weniger der Politik, noch weniger der Parteipolitik, am wenigsten in anderen Ländern, sondern allein den Menschen und den Menschenrechten.. So bin ich auch weit davon entfernt, z.B. den Israeli oder den Palästinensern sagen zu wollen, wie sie ihre real existierenden Problemen lösen sollten, denn dies hielte ich für anmaßend. Aber, Anmaßung dieser Art überlasse ich der US-Politik unter Bush und Co. Schließlich, die Lösungen müssen von den Menschen in den Ländern selbst kommen.

Nur, ich beobachte: als sich die verschiedenen "Parteien" im Libanon gegenseitig zerrissen, als der Libanon, trotz oder wegen, wie man will, des Eingreifens der Franzosen und der Amerikaner, nach dem zerstörerischen Angriff der Israeli, nicht zur Ruhe kommen wollte oder konnte, war der Ruf: Syrien, helft uns! Und Syrien kam und leistete, wie auch immer, das, was das Land wenigstens zeitweise rettete. Alle waren dankbar, sogar die USA und die Europäer, die ja die Syrer gerufen hatten. Nun aber, nachdem der Irak nicht zur Ruhe kommt, nachdem die Regierung Israels nicht davon ablässt, auch die letzte Bastion des Schutzes der Palästinenser (Flüchtlinge in den Lagern Syriens!!!), nämlich Syrien zu destabilisieren, vereint mit der Bush-Regierung der Vereinigten Staaten, würde ich den Teufel tun und, sei es auch nur in Gedankenspielen, den lange erfahrenen Interventionismus der Amerikaner, Stil Rosenrevolution, Revolution Orange, oder ähnlich, zu unterstützen.

Wer immer auf diesem Pferd reiten will, macht sich zu allererst bei mir verdächtig. War es denn das Ziel der Amerikaner, in der Ukraine, in Georgien, in Zentralasien, in Afghanistan, in Kuweit, im Irak Demokratien zu schaffen?

Niemals ging es darum, man sehe sich nur die auf diese Weise installierten Regimes an. Zur Zeit haben die USA, gemeinsam mit der Regierung Israels eine Priorität: die Destabilisierung Syriens. Alle Mittel sind da offensichtlich gut genug. Und wenn Dein Interview-Partner den Herrn Mehlis vom dt. Staatsanwalt dabei gleich zum Richter ernennt, so ist das überhaupt kein Faux-Pas. Mehlis hat sich nämlich, ohne Legitimation, vom Enqueteur zum Richter gemacht. Das entspricht nicht unserem Rechtsempfinden und dahinter steckt System. Mehlis kennt das Ergebnis schon vor der Untersuchung. Und Mallat steigt genau dort ein. Ob er weiß, was er tut, was er sagt? Ich glaube schon. Er will an die Macht. Und dabei nutzt er wohlfeil die durch umfangreiche Propaganda aus dem Pentagon und andereswo aufgebaute aggressive Kritik an Syrien.

Ich mache da nicht mit. Wenn Syrien, wie alle Staaten des Nahen Ostens, inkl. Israel, Demokratie-Defizite hat, so maße ich mir nicht an, aus dem mit eigenen Demokratie-Problemen behafteten Deutschland Ratschläge zu erteilen, die gar nicht so gute Ratschläge, so desinteressiert, wären, wie sie zu tun vorgäben.

Nein, Syrien wird und kann seinen eigenen Weg gehen zum gesellschaftlichem Wandel. Der Libanon, mit oder ohne Mallat, wird auch erst einmal lernen müssen, nationale, regionale Probleme vor Gruppeninteressen zu stellen. Auch Herr Mallat gehört zum Problem. Man schaue sich nur seine erwählten Mitstreiter an: alles alte Gesichter. Wenn er nützlich sein will bei der Lösung, so hilft es ihm nicht, wenn auch er auf den Syrern herumhackt, verdankt gerade der Libanon sein Überleben nach dem selbstzerstörerischen Bürgerkrieg den Syrern, wie auch immer deren Methode im Libanon zu beurteilen sein wird. Auch da halte ich mich angemessen zurück.

Dass die syrische Armee und der weitaus größte Teil der syrischen. Geheimdienste aus dem Libanon abgezogen wurden, ist Fakt. Nicht aber Fakt ist, dass dies auch für die sehr zahlreichen Agenten anderer ausländischer "Dienste" im Libanon gilt. Es scheint mir vielmehr, dass der geforderte - und weithin vollzogene - Abzug syrischer Kräfte mit Tücke ausgenutzt wurde, die entstandene Lücke mit "eigenen Kräften" zu füllen. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.

Herr Mallat ist für mich den Beweis bisher schuldig geblieben, dass er nicht im Auftrag operiert. Sonst würde er weniger mit den ganz sicher "gezinkten" Informationen über die Urheber der letzten Morde operieren. Ich schließe nichts ein, aber auch nichts aus. Zur Blauäugigkeit, allemal zur Einäugigkeit, fehlt es mir an Naivität, gerade in der Levante...

Wie viele Morde an den Palästinensern wurden nie aufgeklärt, "unter den Tisch der Weltgemeinschaft" gekehrt. Wie viele Morde an Hizbollah, wie viele andere. Wo waren da die Mehlis und Konsorten? Ich hätte gern gesehen, wie die UNO da Aufträge zu jahrelangen Untersuchungen erstellt hätte. Hat man jemals in diesen Fällen von einem deutschen Staatsanwalt Namens Mehlis, wann von Herrn Mallat gehört?

(Anis, 21.12.04:) Dieser Abschnitt ist für Mostafa Elhady. Mostafa ist ägyptischer Doktorand in Deutschland und schreibt über den Freiheitsbegriff im Koran. Er ist auch für die Menschenrechte und für Gerechtigkeit im Nahen und Mittleren Osten aktiv. Er hat unter anderem Podiumsdiskussionen mitorganisiert. Mostafa Elhady besuchte mich Anfang des Jahres und ich traf ihn wieder auf der Buchmesse in Frankfurt. Dort erzählte er mir, dass die Heinrich-Böll-Stiftung sein Stipendium auflösen will wegen politischer Äußerungen bezüglich Deutschland, Palästina und Israel. Ich konnte einige Dokumente einsehen und merkte schnell, dass dieser Vorgang mit Demokratie wenig zu tun hatte. Die Art, wie hier Debatten und Argumente unterdrückt wurden, erinnerte mich an Erfahrungen, die ich kenne und beobachte. Am 18.12.2004 schrieb die Tageszeitung junge Welt aus Berlin über den Fall. Einige Personen des öffentlichen Lebens haben sich bereits zu den Vorfällen geäußert. Ohne Mostafa Elhady in jedem Punkt zustimmen zu müssen, setze ich mich hier für ihn ein. Er ist ein produktives Mitglied der Gesellschaft und seine Meinung darf er frei äußern. hier sind einige Texte, Links und Kommentare zu diesen Vorfällen gesammelt.

Texte zum Fall Heinrich-Böll-Stiftung:
18.12.2004: junge Welt, Inland: "Förderdespotie bei Böll. Kurzer Prozeß wegen Kritik an Israel: Grünen-nahe Stiftung verfügt Ausschluß eines ägyptischen Stipendiaten aus Promotionsförderung nach Denunziation durch 'Antideutsche'" von Klaus Hartmann, URL www.jungewelt.de/2004/12-18/016.php

18.12.2004: junge Welt, Inland: "'Nichts nachgewiesen, nicht angehört ...' jW dokumentiert Auszüge aus einem Brief an die Böll-Stiftung", URL www.jungewelt.de/2004/12-18/017.php

Siehe auch www.arendt-art.de

OFFENER BRIEF AN DIE HEINRICH BÖLL STIFTUNG.
Betrifft: Antisemitismus-Vorwurf und Stipendien-Entzug

Dr. Hajo G. Meyer, Heiloo, Niederlande,18.12 2004

Sehr geehrte Damen und Herren,

Dass ich diesen Brief aus Holland schreibe und nicht aus Deutschland und schon gar nicht aus dem Himmel, hat so viele Gründe komplexester Art, dass ich mich hier auf die wichtigsten Essentialia beschränken muss.
Nach Holland kam ich als 14 jähriger Bub alleine! Warum? Weil die Nazis nicht länger erlaubten, dass der Judenjunge noch länger ein deutsches Gymnasium besuchen durfte. Die Familie Meyer, inklusive dem jungen Hajo, geriet in Panik. Wer nichts mehr lernen kann oder darf, kommt in eine Gefahrenzone: er könnte eine "verkrachte Existenz" werden, wie das damals hieß. Also keine Zeit verlieren, so schnell wie möglich raus! Nicht etwa warten, bis vielleicht auch ein Kindertransport nach England kommt, der erwartet wurde, aber nocht nicht definitiv angekündigt war. Eine panische, folgenschwere Entscheidung, die mir letztlich 10 Monate Auschwitz bringen sollte. Dieser Entschluss zeigt, dass meine Eltern trotz ausführlicher geschichtlicher und politischer Bildung ein großes Risiko auf sich nahmen, weil sie eine abgeschlossene Ausbildung für einen lernbegierigen Menschen so äußerst wichtig fanden. Auch ich finde noch heute, dass die Entziehung der Möglichkeit, eine gewünschte Ausbildung zu erhalten, schon nahe daran kommt dem betroffenen Menschen das Leben zu entziehen. Ich habe das persönlich so erfahren.
Einen Tag nach meinem Staats-Abitur, worauf ich mich durch Privatunterricht vorbereitet hatte, ging ich in die Illegalität, wurde aber Ende März 1944 durch Verrat geschnappt und verhaftet. Dass ich so lang überleben konnte hat, neben einer unglaublichen Menge von Glück, auch viele viele Gründe, von denen ich zwei nennen werde. Der erste ist, dass ich in meiner Flüchtlingszeit auch eine Ausbildung als Schlosser erhielt. So wurde es möglich, dass ich nach ein paar Monaten Schwerarbeit draußen, in einer Reparaturwerkstatt der damaligen Reichsbahn landete. Wieder zeigte sich die Wahrheit des Spruches: Was Du mal gelernt hast, kann dir keiner nehmen. Der zweite Grund, in diesem Fall für mein psychisches Überleben, liegt in einem Schlüsselerlebnis. Ein SS-Mann der Bewachung stopfte mir, wie gerade niemand anders in der Nähe war, aus reinem Mitleid ein Paket Butterbrote in die Hand und sagte dabei: "Abhauen!" Das hat mich für immer gelehrt, dass man sich gründlichst hüten sollte vor pauschalen Urteilen über zu gewissen Gruppen gehörende Individuen. In einer Paraphrase auf ein Nietzsche-Wort drücke ich das aus [hierbei Nietzsches Umformung des Wortes Uniform in Einform beibehaltend]: "Einform nennen sie's, was sie tragen, es ist aber nicht immer Einform, was sie dahinter verbergen. Die Frage, warum ich das hier erzähle, ist berechtigt. Ich tue es, um deutlich zu machen, dass ich zu der kleinen Gruppe noch lebender Juden gehöre, die volle 12 Jahre unter dem schlimmsten und bedrohendsten Antisemitismus der Geschichte gelebt haben. Über diese persönliche Erfahrung mit dem Antisemitismus hinaus habe ich mich auch ausführlich mit der Geschichte und der Soziologie dieser mentalen Pest befasst.
Das Resultat dieser Studien in Kombination mit den eigenen Erfahrungen habe ich im vorigen Jahr in einem Buch veröffentlicht. Es trägt den Titel: "Das Ende des Judentums." Im Augenblick ist vorgesehen, dass es am 17. März 2005 auch in deutscher Sprache erscheinen wird.
Wir kommen jetzt zum Kern meiner Ausführungen. Einer der wichtigsten Schlussfolgerungen meines Buches ist, dass aus verschiedenen Gründen große Vorsicht geübt werden muss mit dem Gebrauch des Wortes ‚Antisemitismus'. Vor allem jedoch sollte man äußerst vorsichtig sein mit dem Vorwurf, dass jemand aus antisemitischen Motiven heraus gewisse Taten tut oder Äußerungen von sich gibt. Der Grund ist einfach. Es ist der Antisemitismus, und nur und ausschließlich der Antisemitismus, der zu einem Massenmord geführt hat, der, was die Zahl der Opfer pro Monat oder auch pro Quadratkilometer anbelangt, in der Geschichte der Menschheit unübertroffen ist. An diesem Wort klebt dadurch für alle Zeiten das Gift von Auschwitz. Mit dem Vorwurf also, dass jemand Antisemit sei, oder auch nur, dass er durch antisemitische Gefühle zu gewissen Taten oder Aussagen motiviert wird, beschuldigt man ihn implizit, fähig zu sein, Massenmord zu verüben. Hierdurch ist eine derartige Beschuldigung so unglaublich schwer, dass wenn man sie ohne genügenden und überzeugenden Beweis erbringt, man sich des Rufmordes schuldig macht. Nach jüdischem ethischen Verstehen ist ein derartiger Rufmord einem wirklichen Mord gleich zu setzen.
Hiermit bitte ich Sie, bemerken zu wollen, dass die rechtstaatliche Position eines Stipendiaten Ihrer Stiftung, auch wenn er Araber und/oder Muslim ist – nein vor allem dann! -, nicht ohne überzeugenden Beweis so schwer beschuldigt werden darf wie Sie es deutlich getan haben. Sollten Sie nicht im Stande sein, diesen Beweis zu erbringen, dann fordere ich Sie in erster Linie auf, sich bei dem Herrn Mostafa Elhady öffentlich zu entschuldigen und ihm sein Stipendium wieder zu gewähren. Sollten Sie den geforderten Beweis nicht liefern können und Herrn Elhady's Namen trotzdem nicht von allem Vorwurf und Schaden säubern, dann beschuldige ich Sie meinerseits in dieser Öffentlichkeitich des Rufmordes an diesem Herren. Wie schwer eine derartige Beschuldigung meinerseits ist, vor allem aus jüdischer Sicht, bin ich mir völlig bewusst. Ein Rufmord, der bemerkenswerterweise noch der Entziehung der Möglichkeit, die gewünschte Ausbildung zu erlangen, – auch wie schon gesagt einem Mord ähnlich -, hinzugefügt wird.
Im übrigen bin ich der Meinung, dass man in Europa im allgemeinen und in Deutschland im besonderen aus einem zu Recht bestehenden, aber falsch interpretierten Schuldgefühl den Juden der Welt gegenüber, die Leiden der Palästinenser bagatellisiert. Dies stimmt wohl in etwa mit dem überein, was meiner Information nach Herr Elhady geäußert haben soll. Ich nehme an, dass Sie nicht so weit gehen werden, auch mich und all die jüdischen Israelis, die sich der Meinung der Friedensgruppe Gush Shalom anschließen, des Antisemitismus beschuldigen zu wollen. Zum Schluss möchte ich Ihnen eine kürzlich von mir, – in einem Vortrag Im Haager Friedenspalast – vorgetragene Meinung nicht vorenthalten. Ich habe dort vor einem Publikum von u.a. Politikern und vormaligen aktiven Diplomaten geäußert: Die heutigen wirklichen Opfer des nazistischen Antisemitismus sind in erster Linie die Palästinenser. Die büßen heute für die von den Nazis begangenen und von der westlichen Welt geduldeten Verbrechen an den Juden.

In der Hoffnung Sie durch diesen Brief zu einem weiteren Nachdenken stimuliert zu haben,
Hochachtungsvoll
Dr. Hajo G. Meyer

19.12.2004, Offener Brief an die Heinrich-Böll-Stiftung von Isam Kamel aus Berlin, über Email, Auszüge: Sehr geehrter Herr Füchs, sehr geehrte Frau Siebert, auf Ihrer Website steht im Grundsatz geschrieben: § 2 Zweck des Vereins: "... zur Förderung der demokratischen Willensbildung, des gesellschaftspolitischen Engagements und der Völkerverständigung." Da Ihre Entscheidung im Falle von Herrn Mostafa Elhady eine offizielle Handlung der Böll-Stiftung darstellt, stellt sich die Frage, wie Ihr Verständnis für Demokratie aussieht. Ist Demokratie für die Böll-Stiftung eine Variable, die beliebig zu handhaben ist? Wenn ja, dann ist die untere Handlung nachvollziehbar, steht jedoch im Widerspruch zur eigenen Satzung. In diesem Fall wäre Handlungsbedarf dringend notwendig. (...) Folgender Artikel beschreibt Ihre Entscheidungsfindung im Falle von Herrn Elhady: www.jungewelt.ipn.de/2004/12-18/016.php. (...) Daher frage ich Sie nach einer Stellungnahme, wenn Sie glauben, Ihre Entscheidung stehe nicht in Widerspruch zur Satzung. Was sind die genauen Fakten im Falle von Herrn Elhady? (...) Mit freundlichem Gruß, Isam Kamel, (Alternative-Media-Watch)
20.12.2004, Reaktion von Günter Schenk auf Hajo Meyer, Auszug: Danke für Ihren uneigennützigen Einsatz für den beleidigten Ex-Stipendiaten der Heinrich-Böll-Stiftung, Herrn Mustafa Elhady. Ich hoffe sehr, dass Ihre Intervention zur Wiederherstellung nicht nur seiner zu Unrecht verletzten Ehre, sondern auch zur Wiedereinsetzung in das Stipendiat dient. Gern hätte auch ich einen Brief an die Heinrich-Böll-Stiftung geschrieben. Jedoch: Ihrem Brief könnte ich nur wenig hinzufügen, auch hätte ich, 1940 geboren, nie die Autorität Ihrer Worte. Ich danke Ihnen für Ihr Engagement für Ehrlichkeit, Ethik und Solidarität, Guenter Schenk, Membre du "Collectif Judeo-arab et citoyen pour la Paix" Strasbourg.

Weiter 2006
 
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