home   ao english   musik   literatur   journalismus   bilder   sprachen   mehr   shop   sitemap
Bambus Special
DAS KROKODIL AUS KIEL
Sieben gereimte Geschichten
Anis Hamadeh, 2004

„Das Krokodil aus Kiel“ handelt von einem gefräßigen grünen Reptil, das sich im Nordostseekanal niedergelassen hat. In der ersten Folge versucht es, die Stadtverwaltung davon zu überzeugen, dass es die Bösewichte frisst und dafür die anderen Bürger verschont. („Das ist doch wohl ein Deal“, sagte das Reptil). Die Stadtverwaltung lässt sich aber nicht darauf ein. Zu Recht, wie die Vorkommnisse der zweiten Folge bestätigen: Das Reptil gerät auf dem Wochenmarkt an den Bengel Hektor, der ihm einen Streich spielt. Dabei kommt ein unschuldiger Passant ums Leben, weshalb die Brücke über den Kleinen Kiel heute die Krokodilsbrücke genannt wird. Als Kroko Schuldgefühle bekommt, merkt er, dass seine Tränen doch nur Krokodilstränen sind und spart sie sich schließlich. Auf dem Segelschulschiff Gorch Fock spielt die vierte Folge vom Krokodil aus Kiel. Er frisst die Ohren der Seekadetten und den Telegraf. Noch lange nach dieser schauerlichen Geschichte wollte kein Schiff im Kieler Hafen anlegen. In Folge fünf singt das Krokodil im Kanal aus Einsamkeit eine traurige Melodie. Das hört Kater Blix, der ein PR-Berater ist. Von einem Bummel auf der Kieler Woche erzählt die sechste Geschichte. Schließlich wird Kroko für seine Taten zur Rechenschaft gezogen.

Die Serie mit dem Krokodil (Bambus # 125, 130, 140, 147, 224, 233, 234) wurde 2004 fertiggestellt. Weitere gereimte Serien sind: Das Huhn, Champion Leo und Die Dichter. – „Bambus“ ist eine telegramm-ähnliche Textform mit Gedankenstrichen statt Satzzeichen und ohne Großschreibung. Inhaltlich handelt es sich um eine weit gefächerte Mischung aus Satiren, gereimten Geschichten, Dialogen, Märchen und Träumen, Rap-Gedichten, Meditationen, tagespolitischen Kommentaren und schwerer Dichtung. Anis' Bambustexte sind alle eine Seite lang.

Inhalt:
1. DAS KROKODIL AUS KIEL
2. DAS KROKODIL AUF DER BRÜCKE
3. DAS KROKODIL WEINT TRÄNEN
4. DAS KROKODIL AUF DER GORCH FOCK
5. KROKO UND DER KATER BLIX
6. DAS KROKODIL AUF DER KIELER WOCHE
7. DAS ENDE DES KROKODILS



JINGLE (0:28)
mp3


KROKO 1 (4:42)
mp3


KROKO 2 (4:20)
mp3


KROKO 3 (4:27)
mp3


KROKO 4 (4:35)
mp3


KROKO 5 (4:28)
mp3


KROKO 6 (4:26)
mp3


KROKO 7 (4:39)
mp3
DAS KROKODIL AUS KIEL
bambus # 125 – anis 08.08.01

das krokodil aus kiel – fraß ungewöhnlich viel – ihm war das recht egal – es war nicht sehr subtil – und lebte ganz banal – in der wik im nordostseekanal – es war nur ein reptil – doch fressen konnt es viel ...

Dieser Text steht jetzt hier:

Robert –
und andere gereimte Geschichten, Satiren und Märchen
Von Anis Hamadeh
Verlag Donata Kinzelbach
ISBN: 978-3-942490-09-2
Broschiert: 140 Seiten
16,00 €
Mainz, Februar 2013

Amazon-Link

DAS KROKODIL AUF DER BRÜCKE
Part 2

Das Krokodil aus Kiel
war ziemlich infantil.
Es lebte ohne Ziel
und fraß unglaublich viel.
Es wohnte im Kanal
und überall,
wo's ihm gefiel,
da lief es hin,
das Krokodil,
ganz ohne Sinn,
als wär's ein Spiel.

Es schlich über den Rathausplatz
und fraß dabei 'ne alte Katz,
dann lief es durch den Schrevenpark,
nicht jeden Tag,
doch ab und an,
und niemand konnte sagen, wann.
Es war auf seiner Jagd
und kroch über den Wochenmarkt,
wo sich sonst so ungefragt
nicht oft ein Krokodil hinwagt,
um zu rauben,
abzustauben,
schnatternde Tauben
zu ergattern, Melonen und Trauben
und Omis mit Hauben.
Es war kaum zu glauben.

Das Krokodil aus Kiel
schlängelte sich grazil
durch die Gänge,
da fiel
in der Enge
ein quengeliger Bengel
über das Reptil.
Ich denk', ich glaub', ich schiel'.
Nanu, wen haben wir denn da?
Das Krokodil, wie wunderbar!
Dem spiel' ich gleich
mal einen Streich!

Der Knabe rief
ein wenig schief:
„Du langgewachs'nes Tier,
ich schmeck nicht gut, das sag ich dir.
Ich bin der kleine Hektor,
doch wenn du Hunger häst
und mich in Ruhe lässt,
führ ich dich zum Inspektor.
Der ist für viele eine Qual,
für dich ein Fest,ein köstliches Mahl.
Jedem verdirbt der Mann den Spaß.
Der wäre doch ein prima Fraß
für das Krokodil,
das Krokodil aus Kiel.“

So sagte der Bengel
zu dem Reptil:
„Dass ich so drängel
hat nur zum Ziel,
die Welt zu befrei'n
von diesem Schuft,
er soll nicht mehr sein,
er nimmt uns die Luft
und schimpft immerzu.
Was sagst denn du
zu der Idee?
Das wär ein lecker Frikassee
für einen so wie dich.“

Das Krokodil näherte sich
darauf dem kleinen Hektor
und meinte: „Ein Inspektor,
das klingt höchst interessant.
Er war mir bislang unbekannt.
Er scheint die Leut' zu schinden,
wo können wir ihn finden?“
Der Junge sagte zum Reptil:
„Auf der Brücke über den Kleinen Kiel,
die Bergstraße runter, nicht weit.
Da steht er 'rum und hat viel Zeit.
Lass uns sofort gehen,
hör doch auf mein Flehen!“

So machte sich der Bengel
mit dem Reptil aus dem Gedrängel.
Bald erreichten sie die Brücke.
Hektor meinte: „Sieh den Mann,
er trägt eine Perücke,
die man leicht erkennen kann.“
Und das Krokodil
zögerte nicht viel.
Schlich sich still heran,
sah ihn sich gut an,
machte einmal: Buh!,
dann schnappte es kräftig zu.
Und wie üblich
blieb nichts übrig,
was man fassen kann.
Außer der Perücke,
die lag auf der Brücke
als ein Souvenir.
Der Rest verschwand im Tier.

Is' wieder Wind, is' wieder Wind,
das Krokodil liebt jedes Kind.
Es hat einen riesigen Bauch
und einen Hauch
von Gier.
Es frisst die Blätter ab vom Strauch
und ist schier
unersättlich.
Wenn du es siehst, dann rette dich
unter dein Bett.
Dass du dabei nicht niest!
Sonst hört es dich,
man weiß es nicht.

Es geht nicht immer alles glatt
bei uns'rem grünen Wicht.
In diesem Fall zum Beispiel hat
der Bengel Hektor nicht
die Wahrheit ihm genannt.
Der Herr Inspektor war nämlich ein harmloser Passant.
Der Hektor hatte ihn zuvor noch nicht einmal gekannt.
Der Bengel wollte nur ergründen,
zu welch unartigen Sünden
das Reptil bereit war,
ob es recht gescheit war.

Hektor, der blieb unerkannt,
ist augenblicklich weggerannt
und auch Kroko verließ die Stelle
ziemlich schnelle.
Er schwamm rüber zum Kanal
nach diesem peinlichen Skandal.
Die Leute gruselten sich sehr
und sie vergaßen es nicht mehr.
Die Brücke über den Kleinen Kiel
heißt seitdem nach dem Krokodil,
dem Krokodil aus Kiel.

DAS KROKODIL WEINT TRÄNEN
Part 3

Das Krokodil aus Kiel
fraß wirklich ganz schön viel.
Spielte gerne derbe Streiche,
hinterließ schon mal 'ne Leiche.
Machte manchem Angst und Bange,
diese fiese Krokoschlange.
Nichts als Schabernack im Kopf –
du landest noch im Suppentopf.

Im zoologischen Museum
machtest du 'ne halbe Drehung.
Hat es irgendwo geklopft?
Ist das Tier nicht ausgestopft?
Ich denk', ich glaub', ich schiel',
das ist das Krokodil,
das Krokodil aus Kiel.

Einmal lief es oben ohne
über die Fußgängerzone,
kaufte sich nen Kieler Knacker,
fraß danach 'nen Möbelpacker
und einen Computerhacker.
Wurde niemals satt,
nicht müde und nicht matt.

Kroch auch noch zum Hauptbahnhof,
wollte abends auf den Schwof,
ein bisschen tanzen
mit den Emanzen.
Der Schuppen dort hieß „Biberfalle“,
war 'ne Tanz- und Turtelhalle.
Draußen stand der Türvorsteher.
Dieser sagte: „Komm nicht näher,
hässliches Reptil!
Das is' mir zu viel.
Du kommst doch vom Kanal
und frisst gewöhnlich Aal.
Geh schön zurück in die Wik
und höre dort Musik,
nicht hier.
Was für ein ungezog'nes Tier!“

Da wurd' das Krokodil ganz traurig.
Bin ich wirklich denn so schaurig?
Einsam schlich es durch die Straßen,
wo nur ein paar Leute saßen,
doch die wollt's nicht fressen,
hat es glatt vergessen.

Lief auf die Brücke am Kleinen Kiel,
die hieß ja nach dem Krokodil,
weil dort ein Passant ums Leben kam.
Es war unglaublich und infam,
denn auf der Brücke
blieb nur die Perücke.
Die Kieler waren außer sich:
So ein Reptil gehört sich nich'!
Wir melden es der Polizei.

Doch war's dem Kroko einerlei.
Es hatte selbst zu kämpfen
mit Gewissenskrämpfen:
„Hätt' ich den doch mal verschont,
lieber noch sogar belohnt
als ihn zu verschlingen.“

Aber Kroko, was soll denn dein Weinen jetzt noch bringen?
Seit wann haben Krokodüle
solche Schuldgefühle?
Manchmal geht es halt daneben,
ab und zu soll's so was geben.

Is' wieder Wind, is' wieder Wind,
das Krokodil liebt jedes Kind.
Es frisst ohne viel Worte
eine Rhabarbertorte,
dazu die Haare dir vom Kopf.
Bald landet es im Suppentopf.
Wenn du es hörst,
dann klopf
auf Holz
und pass gut auf, sonst rollst
du ihm über den Weg.
Und leg
den Talisman ans Bett!
So ist es nett.
Sonst kommt das Krokodil,
das Krokodil aus Kiel.

Weil es ihm so gefiel,
spazierte es den Westring ab.
Es war den ganzen Tag auf Trab.
Dann trank es mitten auf dem Campus
eine volle Flasche Schampus.
Ging daraufhin in die Mensa Zwei
und fraß einen Studi, es war so frei.
War lediglich ein kleiner
und kein besonders feiner.

Niemand nahm davon Notiz.
Die Studis dachten, es sei ein Witz,
und hatten keine Zeit für Scherze,
hielten sie doch die erhabene Kerze
mit dem Feuer
der Wissenschaft.
Dieses war teuer
und wer nur gafft,
kann es nicht mehr tragen
oben auf dem Wagen.
Ob da jemand Leute frisst
oder eine Katz' vermisst,
war hier nicht die Frage.
Vielmehr war die Lage
eher ernsthafter Natur.
Man spielte lieber Moll als Dur
und musste kopieren
und analysieren.
Da war nicht viel mit Tieren.
Und schon auf gar keinen Fall
vom Nordostseekanal.

Dem Krokodil
war das egal,
es war nicht sehr subtil.
Es schnappte sich knapp hundertzehne
ohne eine Träne.
Die Tränen hat es sich abgewöhnt,
sie wirkten doch nicht echt.
So blieb die Wahrheit ungeschönt:
Das Tier war einfach schlecht.
Es hatte seinen Ruf zu Recht.

Und Wand'rer, kommst du in die Wik
und hörst du Krokodilsmusik,
dann ist das ganz bestimmt der Freak,
das grüne Krokodil,
das Krokodil aus Kiel.

DAS KROKODIL AUF DER GORCH FOCK
Part 4

Das Krokodil aus Kiel,
das lebte ohne Ziel
im Nordostseekanal in der Wik.
Es hörte Krokodilsmusik
und fraß Forellen in Aspik.
Es war bekannt
im ganzen Land,
dass Kroko unersättlich war,
doch blieb er meistens unsichtbar,
versteckt im Nordkanal,
und stieg er aus dem Wasser raus,
war das total fatal.

Denn er war Kannibale
und fraß weit mehr als Aale,
wie jedes Kind wohl weiß.
Er fraß die Nuss mit Schale
und Straziatella-Eis,
den Fuß mit der Sandale,
die Eisenbahn mit Gleis.
Ganz ohne Fleiß,
aus reiner Gier,
es war ein hungriges Getier.
Wenn du es hörst,
dann rette dich!
Dass du es bloß nicht störst!
Gleich schnappt es dich,
du merkst es nich'.
Und leg das Amulett ans Bett,
sonst kommt das Krokodil,
das Krokodil aus Kiel.

Samstags hat es lang geschlafen,
lief gewöhnlich dann zum Hafen,
um dort zu flanieren,
nebenbei ein kleines Frühstück zu organisieren
aus dem Trockendock.
Aber sieh doch, die Gorch Fock
läuft gerade aus!
Kroko sprang gleich hinterher,
delikater Schmaus.
Seekadetten schmecken sehr,
ganz besonders frisch vom Meer,
besser als zu Haus.

Dem Reptil gelang es,
sich hangelnd
an der Angel
an Bord des Schiffs zu bringen –
Wie konnte das gelingen?
Da stand er vor dem Kommandant,
der hat das Tier sogleich erkannt.
Die Mannschaft kam schnell angerannt
und war von dem Reptil gebannt,
bis einer dann die Worte fand:
„Ich denk', ich glaub', ich schiel',
das ist das Krokodil,
das Krokodil aus Kiel.“

Die Seeleute waren ganz aufgeregt.
Da! Nun hat es sich bewegt!
Was sollen wir nur machen?
Schon verschwand in Krokos Rachen
der Maschinentelegraf.
Er schmeckte etwas scharf
nach Messing,
dies komische Ding,
doch fing
der Spaß erst an,
wie in der Geisterbahn.

Dem Kapitän ging's bis ins Mark
an diesem Sommertag.
Es war seine letzte Fahrt auf der Bark.
Er hatte keinen Bock,
auf der Gorch Fock
zu enden.
Nur konnt' er keinen Funkspruch senden,
denn die Vorspeise betraf
bereits den Telegraf.
Darauf war der Kroko scharf.
Es gab auch kein Handy, das trug nur der Dandy.
So schien die Besatzung verloren.
Und das Reptil fraß unverfroren
die Ohren
der Matrosen
ohne Salz und Soosen.

Der Kapitän blieb ungeschoren,
denn er hatte Glück:
Nach dem Ohrenschmaus wollt' Kroko schnell wieder zurück
nach Hause in die Wik.
In seinem Bauch war Krieg.
Das Messing machte ihn ganz platt,
zum ersten Mal war er richtig satt
und sprang ohne ein Wort
von Bord
nach unten auf den Hafengrund.
Er sank wie Blei
und war nicht frei
und er war nicht gesund.
Er schlief 'ne volle halbe Stund'
und schwamm dann zum Kanal.
Schon wieder ein Skandal!

Is' wieder Wind, is' wieder Wind,
das Krokodil liebt jedes Kind.
Es frisst gern Schokolade
und Erdbeer-Marmelade,
das Leben wär' sonst fade.
Das wäre viel zu schade.
Das Krokodil ist gruselig,
wenn du es siehst, dann gruselt's dich.
Es sorgte für 'nen Schock
auf der Gorch Fock.

Die Kieler war'n ganz duselig,
als sie es in der Zeitung lasen.
Ist ja ungeheuerlich!
Das freut uns nicht.
Einigermaßen schauerlich
und absolut bedauerlich.

Der Käptn wurde interviewt
und der erinnerte sich gut
an seine letzte Fahrt.
Das war ja ganz schön hart.
Es klang zwar allzu sehr
nach Samstags-Seemannsgarn
und doch wollte so schnell kein Schiff mehr
in den Kieler Hafen fahr'n.
Man war davon nicht angetan,
denn dort verloren
Matrosen die Ohren,
bis auf den Kapitan.
Der zeigte sich schockiert
und ist nach Norfolk emigriert.

Und Wanderer, kommst du nach Kiel,
hüte dich vor dem Krokodil –
es frisst unglaublich viel.

DAS KROKODIL UND DER KATER BLIX
Part 5

Das Krokodil aus Kiel
verspeiste ziemlich viel.
Es lebte im Kanal
und fraß dort alles kahl.
Das ließ sich leicht erklären:
Es musste sich ernähren.
Nur eins hat Kroko irritiert:
Wieso werd' ich nicht integriert
an diesem Ort hier, wo ich lebe,
wo ich alles von mir gebe?
Bin doch eine Attraktion,
welche Stadt hat so 'was schon!

Is' wieder Wind, is' wieder Wind,
das Krokodil kennt jedes Kind.
Es frisst gern Schokolade,
sonst wär' das Leben fade,
dafür ist's viel zu schade.

Krokos Irritation
gelangte nach 'ner Weile schon
an einen stadtbekannten Kater,
der war ein PR-Berater
und schon sehr erfahren
(das erkannte man unschwer an seinen grauen Haaren).
Kater Blix schlich durch die Wik
und hörte Krokodilsmusik
vom Wasser 'rüberkommen.
Zuerst hatte er angenommen,
es sei ein Radio,
doch dem war nicht so.
Es war ein Krokodil,
ein singendes Reptil.
Es sang eine traurige Weise,
ganz leise,
als wär' es versunken,
in Kummer ertrunken.

Da rief der Kater Blix:
„Ich kenn' da ein paar Tricks,
dann wirst du wieder heiter.
So sing doch ruhig weiter!“

Das Krokodil, es wurde stumm,
und sah sich nach dem Kater um.
„Hast du denn keine Angst vor mir?
Ich bin doch so ein schweres Tier.“
Da sagte Kater Blix:
„Ach so, das macht doch nix.
Das ist mir ganz egal,
ich bin da liberal.
Doch du scheinst ziemlich aufgebracht.
Was ham se denn mit dir gemacht?“

„Ach“, sagte da das Krokodil,
„es ist im Ganzen ziemlich viel.
Ich bin nicht g'rade sehr grazil
und auch nicht unbedingt servil.
Im Grunde sogar fast fragil
und insgesamt ein Krokodil.
Dazu in einer Stadt wie Kiel.
Das ist nicht sonderlich bequem,
mein Image hat wohl ein Problem.“

Da rief der Kater Blix
ganz fix:
„Das krieg'n wa wieder hin,
das ist nicht weiter schlimm!
Du bist ein Individuum
und lebst derzeit im Vakuum.
Die Leute ham dich ausgegrenzt
und deine Freiheit abgebremst.
Der Fall ist klar wie Schnee:
Wir geh'n zur FDP.
Die Welt braucht das Echte,
du hast deine Rechte.“

Das Krokodil war skeptisch,
doch Blix blieb dialektisch:
„Du bist so, wie du bist,
und wenn du so viel frisst,
dann hat das seinen Sinn.
Auch ich bin, wie ich bin.
Wenn die Maus das falsch versteht,
hat das nicht Priorität.
Also sing nur voller Lust
und sei etwas selbstbewusst!“

Da schien's, als ob dem Krokodil
die Rede Blixens wohl gefiel.
Der setzte oben noch eins drauf:
„Nun hör mal, Kroko, pass mal auf:
Wenn die dich einfach so vergessen,
dann musst du sie eben fressen.
Anders hör'n die niemals zu,
wenn jemand das weiß, dann du.

Also pack die Professoren
an den langgezog'nen Ohren,
greif dir dann fünf Journalisten,
nimm am besten von den Tristen,
schnapp dir gleich noch zwei Minister,
ritsch und ratsch, asta la vista.
Wirst schon seh'n,
so wird es geh'n.
Lass dich bloß nicht unterdrücken,
gib's zurück in gleichen Stücken!
Und für mich als Dank ein Zeichen,
zwölf Prozente würden reichen.“

Kroko war zunächst verwirrt.
Hatte Blix sich nicht geirrt?
Dieser Kater war nicht dumm,
hoch das Individuum!
Ja natürlich, es war richtig,
jede Kreatur ist wichtig.
Hoch die Freiheit aller Tiere,
keiner hung're, keiner friere!
Und so wurde, schaut mal her,
Kroko revolutionär.
Kater Blix war das egal,
er war durchweg liberal.

Und Wand'rer, kommst du in die Wik
und hörst du Krokodilsmusik,
dann sind es freche Freiheitslieder.
Kroko singt sie immer wieder.
Seht mal her, das Krokodil,
es ist das Krokodil aus Kiel!

DAS KROKODIL AUF DER KIELER WOCHE
Part 6

Das Krokodil aus Kiel
hatte 'nen eig'nen Stil.
Es lebte im Kanal,
ernährte sich frugal
von allem, was da kam.
Es kannte keine Scham.
Vom Schiff fraß es die Schrauben,
vom Bauernhof den Hahn.
Ja, war es denn zu glauben
oder nur Seemannsgarn?
Es schluckte zur Gemüsebrühe
sieben Kühe ohne Mühe.

Dies und noch manch and're Nummer
machte vielen Bürgern Kummer:
„Gebt uns seinen Kopf
für den Suppentopf!
Wir verlieren die Geduld,
das ist allein des Tieres Schuld.
Unser Leben ist ein Schrecken
und wir müssen uns verstecken.“

Anderen jedoch gefiel
das verirrte Krokodil.
Sie hielten es für einen Trost,
war doch selten nur 'was los
in der Fördestadt.
Das hatten manche satt.
So war das Ungeheuer
für sie ein Abenteuer,
das sonst keiner hat.

Das grüne Krokodil,
das lebte ohne Ziel.
Es mochte Eis am Stiel
und war nicht sehr subtil.

Einmal im Jahr, zu Sommerbeginn,
schlüpfte Kroko aus dem Loche.
Und wo ging er dann wohl hin?
Auf die Kieler Woche.
Im Gedränge der Passanten,
Onkel, Tanten, Musikanten,
rannte ein Reptil.
Ich denk', ich glaub', ich schiel'.
Auf dem maritimen Markt
bekam ein Rentner 'nen Herzinfarkt,
als er Kroko gähnen sah.
Erst war er den Tränen nah,
dann hatt's ihn umgehauen
zwischen den Blumenfrauen.
Man rief den Franz
von der Ambulanz,
um ihn sich anzuschauen.
So 'was kann bei wilden Tieren
ab und zu schon mal passieren.

Kroko kroch derweil weiter,
fraß das Denkmal mit dem Reiter.
Er war nur ein Außenseiter,
noch dazu kein recht gescheiter.

Er nahm den Fünf-Uhr-Tee
im Jazz-Zelt in Schilksee.
Im Bayernzelt am Ostseekai
bestellte er Kartoffelbrei.
Der NDR war auch dabei,
DLRG und Polizei.
Später in der karibischen Nacht
hat er sich 'was angelacht,
'ne knusprige Touristin,
Safari-Fetischistin.
Sie sprach über die Einsamkeit
und seufzte vor sich hin:
„Wie schön wäre es doch zu zweit,
das hätte einen Sinn.
Nur ich und du, das Krokodil,
wir wär'n die glücklichsten in Kiel.
Ich stehe auf Exoten,
das ist ja nicht verboten.“

Das Krokodil willigte ein:
„Das könnte ganz vernünftig sein.“
So gingen sie im Doppel
'raus auf die Krusenkoppel,
allein
bei Mondenschein.
Doch war ihre Liebe nicht lang bemessen:
Er hat die Dame aufgefressen.
War seine Natur.
Was habt ihr alle nur?

Is' wieder Wind, is' wieder Wind,
das Krokodil liebt jedes Kind.
Es kaperte 'ne Yacht,
das hat ihm Spaß gemacht.
Zum Nachtisch gab es Surfer
und abends auf die Dörfer.
Wenn du es hörst,
dann such die Ferne!
Dass du es nicht störst!
Es hat dich zum Fressen gerne.
Banne ihn mit Sprüchen
aus Schamanenküchen!
Lass dich nicht erschrecken,
kriech unter die Decken!

Auf dem Kai und in Halle 400
hat ein mancher sich gewundert:
„Seht mal da, das Krokodil,
es ist das Krokodil aus Kiel!“
Es tauchte in das Wasser ein
mit eins, zwei, drei und noch 'nem Bein.
Schon war es ganz verschwunden
und ließ sich am Grund
einen Heringsschwarm munden.
Dann ging es rund:
Mit festem Tritt
schwamm Kroko die Regatta mit.
An der Hörn
war Segeltörn,
jedes Jahr ein Sommerhit.
Fiel ein Segler aus dem Boot,
hatte Kroko Abendbrot.
War es nicht ein Trauerspiel
mit dem Kieler Krokodil?
Ganz und gar vermessen.
All die Leut' zu fressen!
Die Moritat,
sie endet hart,
das darf man nicht vergessen.

Und Wanderer, kommst du nach Kiel,
dann achte auf das Krokodil,
es frisst erheblich viel.

DAS ENDE DES KROKODILS
Part 7

Der Tag, an dem das Krokodil
in tausend und ein Teil zerfiel
war regnerisch und kühl.
Ein Augenzeuge berichtete,
er hatte schon so ein Gefühl,
das sich später verdichtete
wie ein Mosaik.
Draußen in der Wik
lag der grüne Freak
als sei nichts passiert,
niemand massakriert.
Monotone Wellen,
ein paar Hunde bellen,
Späher auf dem Turm,
Ruhe vor dem Sturm.

Eine Menschenmenge rollte
auf der Straße und sie wollte
Kroko liquidieren,
seine Nieren filetieren,
ihn eliminieren.
Hatten Zwiebeln mit dabei,
Oregano und Salz.
Was das Krokodil betraf:
Nun ging's ihm an den Hals.
Wurde überrascht im Schlaf,
wurde festgebunden.
Jeder Widerstandsversuch wurde überwunden.

Da ein Mann auf einer Kiste,
las von einer langen Liste:
„Da wäre die Literaturmaus
aus dem Literaturhaus,
dazu ein Schriftsteller mit Bart,
ein Herr auf der Brücke
mit einer Perücke,
ihn traf es ebenfalls hart.
Dann hätten wir noch 'nen Möbelpacker,
ferner 'nen Computerhacker,
hundertzehn Studenten,
Hühner, Tauben, Enten.
Es verloren
Matrosen die Ohren.
Touristin verstarb nach karibischer Nacht,
Rentner nach Herzinfarkt nicht aufgewacht,
Segler aus dem Boot,
heute mausetot.
Ist zusammen nicht von Pappe,
geht allein auf Krokos Kappe.
Dieses Individuum
bringt routiniert Personen um,
der Regeln ungeachtet.
Heute wird's geschlachtet.“

Man hörte Messerwetzen,
dann flogen tausend Fetzen.
Es war ein Job
für einen Mob,
ein Grauen und Entsetzen.
Sozialer Atavismus
an der Grenze zum Faschismus.
Kroko hatte angefangen,
jetzt musste er selber bangen.
Sollt' sich nicht beklagen,
sollt' es bloß nicht wagen!
Kroko hat dann sehr gelitten,
wurde in den Topf geschnitten.
Gruseliges Mahl
draußen am Kanal.

Is' wieder Wind, is' wieder Wind,
das Krokodil liebt jedes Kind.
Der Schrecken ist vorbei.
Das war sein letzter Schrei.
Das Publikum schüttelt den Kopf.
Das Krokodil im Suppentopf!
Da konnte keiner helfen,
nicht Zauberer, nicht Elfen.

Das Krokodil, es war nun tot,
die kleine Stadt wieder im Lot,
bis Journalisten kamen.
Sie fragten nach dem Namen
von dem Krokodil.
Da staunten die Leute aus Kiel.
Ob er 'was hinterlassen hätt',
fragte eine Dame nett.
Vielleicht gar ein Vermächtnis
fürs Kollektivgedächtnis.

Die Stadtverwaltung war pikiert
und hat verdrossen reagiert:
„Wozu dieses Interesse,
sei's vom Tierschutz, sei's die Presse?
Der Kroko war 'ne Last.
Wir haben ihn gehasst.
Das Krokodil,
es fraß zu viel,
das hat uns nicht gepasst.
Und für mehr als ein Jahrzehnt
hat kein Mensch ihn nur erwähnt,
niemand sich nach ihm gesehnt.“

Plötzlich kamen Fans,
wie bei manchen Bands,
wollten Nostalgie,
wollten ein Genie:
„Hat uns Kroko nicht gelehrt,
zu sich selbst zu stehen?
Wurde nicht dafür geehrt,
musste untergehen.
Das war sicherlich verkehrt.“

Konnte man so sehen.
Hätt' es 'ne andere Lösung gegeben,
wäre der lustige Kerl noch am Leben.
Grün war er und schön.
Er war bekannt
im ganzen Land,
von Pinneberg bis Plön.
Auch die Leute in der Wik
vermissten Krokodilsmusik
vom Wasser 'rüberdröhnen.

So war der Abschied vom Reptil
durchaus ambivalent:
Die einen freuten sich in Kiel,
die ander'n ham geflennt.
Kroko wurde dann am Ende
zur historischen Legende,
so wie Jack the Ripper,
Lassie oder Flipper.
Und Wanderer, kommst du nach Kiel
und findest du kein Krokodil,
kauf dir ein Souvenir
vom legendären Tier.

14.11.2007: kro | ko | dil | like

Dies ist das Buch von Nic Baschung, Beat Braun und Emanuel Ammon aus der Schweiz. Glückwunsch! Von Nic stammt auch das geniale Kürzel

-,^^;<

Hier etwas größer:

-,^^;<



20.08.2004: Die CD
Heute sind die ersten Exemplare der CD fertig geworden. Dort sind alle sieben Folgen als Hörspiel und als Heft in einer DVD-Hülle zusammen. Siehe Shop. Der Krokodil-Jingle dauert eine knappe halbe Minute (geschrieben, gespielt und gesungen von Anis, produziert von Björn Högsdal), man kann ihn hier hören: krokojingle.mp3.


01.07.2004: Ist Kroko echt?
Nachdem einige Leute gefragt haben, ob das Krokodil eigentlich authentisch ist, hier folgende Informationen: Das Krokodil aus Kiel ist frei erfunden. Oder? Die zweite Geschichte ist insofern echt, als man in der Zeitung einen Aufruf druckte, um einen neuen Namen für die Brücke über den Kleinen Kiel zu finden. Das war in der Zeit, als ich den Teil geschrieben habe. Die „Biberfalle“ in der 3. Story gibt es auch (im Original: Mausefalle). Dort hatte ein Türsteher Leute diskriminiert; das war eine reale Geschichte, sie stand in der Zeitung. Folge 4 ist ziemlich echt, weil der Kapitän der Gorch Fock (J.S.) tatsächlich am Tag der Niederschrift seine letzte Fahrt hatte und dann nach Norfolk gezogen ist. Auch der Messingtelegraf ist authentisch. In Nummer 6 stimmen die Namen der Kieler-Woche-Orte und Nummer 7 gefällt mir am besten.


27.06.2004: Kroko in Berlin
Anlässlich der Verleihung des Haviva Reik-Friedenspreises an Daniel Barenboim las Anis in Berlin im Sorat-Hotel unter anderem den ersten Teil des Krokodils. Es war ein Simultan-Übersetzer dabei für die Reden (Hebräisch/Deutsch), der hatte es nicht so leicht mit den schnellen Reimen ... Abends bei einer Party traf Anis dann auf ein Ehepaar, das ein echtes Krokodil als Haustier hat ... Anekdoten zu diesem Ereignis siehe in dem Buch Könige sind wir, mit Flügeln aus Staub. Erinnerungen an die Shalom-Salam-Tournee
(August 2004).


25.06.2004: „Wieder Da!“ ...

krokodil gleichsam aufgefressen von innen heraus leuchtend mit nagellack
überzogen und geblecktes gebiss unanständig vorgereckt
überfressen in einmütiger absicht und dann fallen gelassen in höhere weis du
noch wie es damals war aus den augen und von sinnen
vergleichend ausgehaltene trauer an den rändern des dickichts in dem die
schlangen sich ein stell dich ein und hinter mich spielen
wie immer wenn es langweilig würde vor lauter überdruss am wechsel der
badetemperaturen kriechen über schlammigen weidegrund
schon getätschelt an saumseligen ausbuchtungen wo immer man frischfleisch
gewittert und gezogen und gezerrt damit es einem nicht
an herz und nieren geht man will schließlich weiter kreuchen weiter
schwarteln mit viel schwanzflosse und weniger tränenflüssigkeit
braves kroko sein heil und kroko und mehr als andere meinen die an der
ledernen haut herumziehen und einen in suppentöpfe schmeißen
und einen enden lassen so plötzlich und zu souvenirs verwursten und zur
historie verabschieden in atavistischen absichten bin ätsch
wieder da!

Bettina Oehmen aus Bocholt: www.oehmen-art.de

KROKODIL

(27.10.01) Wie die SCHLESWIG-HOLSTEINISCHE LANDESZEITUNG heute berichtet, konnten US-Forscher jetzt das Skelett eines furchterregenden Urzeitkrokodils rekonstruieren, das in der Kreidezeit in Afrika gelebt hat. Das Tier wog acht Tonnen und war etwa so lang wie ein Omnibus. Der Kopf des Krokodils bestand zu 75% aus Maul. Das Reptil hat sich wahrscheinlich von Dinosauriern ernährt und scheint ein ziemlicher Vielfraß gewesen zu sein.

Was mich dabei wundert, ist, dass man ein so riesiges Krokodil nicht schon früher gefunden hat. Ich meine, das musste doch eigentlich irgendjemandem aufgefallen sein, oder? Wenigstens Fred Feuerstein muss doch etwas darüber gewusst haben! Da kann man mal sehen, dass die Urgeschichte immer noch so manche Überraschung für uns bereithält.

hoch
Datenschutzerklärung und Impressum (data privacy statement and imprint)