DAS KROKODIL AUF DER GORCH FOCK Part 4 Das Krokodil aus Kiel, das lebte ohne Ziel im Nordostseekanal in der Wik. Es hörte Krokodilsmusik und fraß Forellen in Aspik. Es war bekannt im ganzen Land, dass Kroko unersättlich war, doch blieb er meistens unsichtbar, versteckt im Nordkanal, und stieg er aus dem Wasser raus, war das total fatal.
Denn er war Kannibale und fraß weit mehr als Aale, wie jedes Kind wohl weiß. Er fraß die Nuss mit Schale und Straziatella-Eis, den Fuß mit der Sandale, die Eisenbahn mit Gleis. Ganz ohne Fleiß, aus reiner Gier, es war ein hungriges Getier. Wenn du es hörst, dann rette dich! Dass du es bloß nicht störst! Gleich schnappt es dich, du merkst es nich'. Und leg das Amulett ans Bett, sonst kommt das Krokodil, das Krokodil aus Kiel.
Samstags hat es lang geschlafen, lief gewöhnlich dann zum Hafen, um dort zu flanieren, nebenbei ein kleines Frühstück zu organisieren aus dem Trockendock. Aber sieh doch, die Gorch Fock läuft gerade aus! Kroko sprang gleich hinterher, delikater Schmaus. Seekadetten schmecken sehr, ganz besonders frisch vom Meer, besser als zu Haus.
Dem Reptil gelang es, sich hangelnd an der Angel an Bord des Schiffs zu bringen – Wie konnte das gelingen? Da stand er vor dem Kommandant, der hat das Tier sogleich erkannt. Die Mannschaft kam schnell angerannt und war von dem Reptil gebannt, bis einer dann die Worte fand: „Ich denk', ich glaub', ich schiel', das ist das Krokodil, das Krokodil aus Kiel.“
Die Seeleute waren ganz aufgeregt. Da! Nun hat es sich bewegt! Was sollen wir nur machen? Schon verschwand in Krokos Rachen der Maschinentelegraf. Er schmeckte etwas scharf nach Messing, dies komische Ding, doch fing der Spaß erst an, wie in der Geisterbahn.
Dem Kapitän ging's bis ins Mark an diesem Sommertag. Es war seine letzte Fahrt auf der Bark. Er hatte keinen Bock, auf der Gorch Fock zu enden. Nur konnt' er keinen Funkspruch senden, denn die Vorspeise betraf bereits den Telegraf. Darauf war der Kroko scharf. Es gab auch kein Handy,
das trug nur der Dandy. So schien die Besatzung verloren. Und das Reptil fraß unverfroren die Ohren der Matrosen ohne Salz und Soosen.
Der Kapitän blieb ungeschoren, denn er hatte Glück: Nach dem Ohrenschmaus wollt' Kroko schnell wieder zurück nach Hause in die Wik. In seinem Bauch war Krieg. Das Messing machte ihn ganz platt, zum ersten Mal war er richtig satt und sprang ohne ein Wort von Bord nach unten auf den Hafengrund. Er sank wie Blei und war nicht frei und er war nicht gesund. Er schlief 'ne volle halbe Stund' und schwamm dann zum Kanal. Schon wieder ein Skandal!
Is' wieder Wind, is' wieder Wind, das Krokodil liebt jedes Kind. Es frisst gern Schokolade und Erdbeer-Marmelade, das Leben wär' sonst fade. Das wäre viel zu schade. Das Krokodil ist gruselig, wenn du es siehst, dann gruselt's dich. Es sorgte für 'nen Schock auf der Gorch Fock.
Die Kieler war'n ganz duselig, als sie es in der Zeitung lasen. Ist ja ungeheuerlich! Das freut uns nicht. Einigermaßen schauerlich und absolut bedauerlich.
Der Käptn wurde interviewt und der erinnerte sich gut an seine letzte Fahrt. Das war ja ganz schön hart. Es klang zwar allzu sehr nach Samstags-Seemannsgarn und doch wollte so schnell kein Schiff mehr in den Kieler Hafen fahr'n. Man war davon nicht angetan, denn dort verloren Matrosen die Ohren, bis auf den Kapitan. Der zeigte sich schockiert und ist nach Norfolk emigriert.
Und Wanderer, kommst du nach Kiel, hüte dich vor dem Krokodil – es frisst unglaublich viel. |
DAS KROKODIL UND DER KATER BLIX Part 5 Das Krokodil aus Kiel verspeiste ziemlich viel. Es lebte im Kanal und fraß dort alles kahl. Das ließ sich leicht erklären: Es musste sich ernähren. Nur eins hat Kroko irritiert: Wieso werd' ich nicht integriert an diesem Ort hier, wo ich lebe, wo ich alles von mir gebe? Bin doch eine Attraktion, welche Stadt hat so 'was schon!
Is' wieder Wind, is' wieder Wind, das Krokodil kennt jedes Kind. Es frisst gern Schokolade, sonst wär' das Leben fade, dafür ist's viel zu schade.
Krokos Irritation gelangte nach 'ner Weile schon an einen stadtbekannten Kater, der war ein PR-Berater und schon sehr erfahren (das erkannte man unschwer an seinen grauen Haaren). Kater Blix schlich durch die Wik und hörte Krokodilsmusik vom Wasser 'rüberkommen. Zuerst hatte er angenommen, es sei ein Radio, doch dem war nicht so. Es war ein Krokodil, ein singendes Reptil. Es sang eine traurige Weise, ganz leise, als wär' es versunken, in Kummer ertrunken.
Da rief der Kater Blix: „Ich kenn' da ein paar Tricks, dann wirst du wieder heiter. So sing doch ruhig weiter!“
Das Krokodil, es wurde stumm, und sah sich nach dem Kater um. „Hast du denn keine Angst vor mir? Ich bin doch so ein schweres Tier.“ Da sagte Kater Blix: „Ach so, das macht doch nix. Das ist mir ganz egal, ich bin da liberal. Doch du scheinst ziemlich aufgebracht. Was ham se denn mit dir gemacht?“
„Ach“, sagte da das Krokodil, „es ist im Ganzen ziemlich viel. Ich bin nicht g'rade sehr grazil und auch nicht unbedingt servil. Im Grunde sogar fast fragil und insgesamt ein Krokodil. Dazu in einer Stadt wie Kiel. Das ist nicht sonderlich bequem, mein Image hat wohl ein Problem.“
Da rief der Kater Blix ganz fix: „Das krieg'n wa wieder hin, das ist nicht weiter schlimm! Du bist ein Individuum und lebst derzeit im Vakuum. Die Leute ham dich ausgegrenzt und deine Freiheit abgebremst. Der Fall ist klar wie Schnee: Wir geh'n zur FDP. Die Welt braucht das Echte, du hast deine Rechte.“
Das Krokodil war skeptisch, doch Blix blieb dialektisch: „Du bist so, wie du bist, und wenn du so viel frisst, dann hat das seinen Sinn. Auch ich bin, wie ich bin. Wenn die Maus das falsch versteht, hat das nicht Priorität. Also sing nur voller Lust und sei etwas selbstbewusst!“
Da schien's, als ob dem Krokodil die Rede Blixens wohl gefiel. Der setzte oben noch eins drauf: „Nun hör mal, Kroko, pass mal auf: Wenn die dich einfach so vergessen, dann musst du sie eben fressen. Anders hör'n die niemals zu, wenn jemand das weiß, dann du.
Also pack die Professoren an den langgezog'nen Ohren, greif dir dann fünf Journalisten, nimm am besten von den Tristen, schnapp dir gleich noch zwei Minister, ritsch und ratsch, asta la vista. Wirst schon seh'n, so wird es geh'n. Lass dich bloß nicht unterdrücken, gib's zurück in gleichen Stücken! Und für mich als Dank ein Zeichen, zwölf Prozente würden reichen.“
Kroko war zunächst verwirrt. Hatte Blix sich nicht geirrt? Dieser Kater war nicht dumm, hoch das Individuum! Ja natürlich, es war richtig, jede Kreatur ist wichtig. Hoch die Freiheit aller Tiere, keiner hung're, keiner friere! Und so wurde, schaut mal her, Kroko revolutionär. Kater Blix war das egal, er war durchweg liberal.
Und Wand'rer, kommst du in die Wik und hörst du Krokodilsmusik, dann sind es freche Freiheitslieder. Kroko singt sie immer wieder. Seht mal her, das Krokodil, es ist das Krokodil aus Kiel!
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